BT-Drucksache 17/10247

Mit dem Rüstungskonzern European Aeronautic Defence and Spare Company abgestimmter Einsatz der Bundespolizei in Saudi-Arabien

Vom 29. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10247
17. Wahlperiode 29. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Jan van Aken, Heidrun Dittrich, Wolfgang Gehrcke,
Niema Movassat, Petra Pau, Frank Tempel und der Fraktion DIE LINKE.

Mit dem Rüstungskonzern European Aeronautic Defence and Space Company
abgestimmter Einsatz der Bundespolizei in Saudi-Arabien

Seit Ende 2008 betreibt die Bundespolizei die Ausbildung des Grenzschutzes im
feudal-diktatorisch regierten Saudi-Arabien. Der Einsatz an der Nordgrenze
sollte, so die von der Bundesregierung im vorigen Jahr mitgeteilte Planung (vgl.
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE.
auf Bundestagsdrucksache 17/6102) im Juni 2012 beendet sein. Für die Zeit da-
nach steht die Ausweitung auf andere Teile des Landes an.

Der Einsatz wurde der Öffentlichkeit erst vor rund einem Jahr bekannt und stieß
auf breite Kritik. Diese bezog sich zum einen auf die massiven Menschenrechts-
verletzungen in dem Land und die Tatsache, dass der Einsatz faktisch den
Exportinteressen des europäischen Rüstungskonzerns European Aeronautic
Defence and Space Company (EADS) dient. Saudi-Arabien hat sich moderne
Technik zur Überwachung der Grenzen gekauft (bei EADS) und erhält gewis-
sermaßen im Paket dazu und weitgehend umsonst die Ausbildung des an der
Grenze eingesetzten Personals durch die Bundespolizei. „Für beide Bereiche
wurden internationale Partner möglichst aus demselben Land“ gesucht, hatte die
Bundesregierung bestätigt. Weiter hatte sie mitgeteilt, das „Zusammenwirken
des Einsatzes technischer Mittel zur Grenzüberwachung sowie der personellen
Grenzüberwachung (sei) aufeinander abzustimmen“ (vgl. Antwort der Bundes-
regierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. auf Bundestags-
drucksache 17/6102). Die Federführung für Ortsbesichtigungen (Site Surveys)
zur Ermittlung des Ausbildungsbedarfs saudi-arabischer Sicherheitskräfte hat
EADS/Cassidian, die für die organisatorische und logistische Planung zuständig
ist.

Bei der Ausbildung der saudi-arabischen Grenzschützer wurden aus den Schu-
lungsunterlagen der Bundespolizei Sätze, die auf die Bedeutung der Menschen-
rechte hinweisen, gestrichen. Die Bundesregierung rechtfertigte dies damit, die
Unterlagen müssten „adressatengerecht“ sein – und der Adressat hat für die Be-
achtung menschenrechtlicher Prinzipien bekanntlich nicht viel übrig.

Bedenklich stimmt in diesem Zusammenhang, dass die Bundesregierung in

früheren Antworten nicht ausschließen konnte, dass die mit deutscher Hilfe aus-
gebildeten und ausgerüsteten Sicherheitskräfte auch gegen Demonstranten ein-
gesetzt werden. Der Einsatz der Bundespolizei ist, wie auch die von der Bundes-
regierung angestrebte Lieferung von Panzern, nach Auffassung der Fraktion
DIE LINKE. kein Beitrag zur Stabilisierung von Menschenrechten, sondern
einer zur Stärkung einer brutalen Diktatur. Dies wird auch durch den jüngsten
Bericht des MDR-Magazins „FAKT“ vom 26. Juni 2012 bestätigt. Demzufolge

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sind Angehörige der als besonders brutal bekannten saudi-arabischen Religions-
polizei am Grenzprojekt beteiligt und entscheiden darüber, was mit Menschen
passiert, die an der Grenze aufgegriffen werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist der Einsatz der Bundespolizei an der Nordgrenze Saudi-Arabiens mittler-
weile abgeschlossen, und wenn nein, warum nicht, und wie lange sowie in
welchem Umfang wird er sich voraussichtlich noch hinziehen?

2. Wie viele saudi-arabische Sicherheitskräfte sind im Rahmen des Projekts mitt-
lerweile ausgebildet worden, und wie viele sollen noch ausgebildet werden?

3. Wie viele saudi-arabische Sicherheitskräfte haben seit Beginn des Einsatzes
ein Training am Sturmgewehr G3 durch deutsche Bundespolizisten bzw. von
diesen ausgebildete Trainer erhalten?

Wurde dabei (probe-)geschossen, und wenn ja, auf welche Ziele?

4. Welche Rolle hat die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammen-
arbeit (GIZ) GmbH bei der Ausbildung der saudi-arabischen Sicherheits-
kräfte?

5. Trifft es zu, dass GIZ-Mitarbeiter als Dolmetscher die Trainings an Schuss-
waffen unterstützen (DER SPIEGEL, 25. Juni 2012), und falls ja,

a) wie viele GIZ-Mitarbeiter sind pro Training anwesend, und an wie vielen
Tagen hat es bislang ein solches Training gegeben;

b) welche Kosten werden durch den Einsatz der GIZ verursacht, wer kommt
für diese auf, und inwiefern sind diese Kosten in früheren Angaben der
Bundesregierung enthalten?

6. Wann wird die Ausweitung des Bundespolizeieinsatzes auf andere Teile
Saudi-Arabiens voraussichtlich beginnen, bzw. wann hat sie ggf. bereits be-
gonnen?

a) Wo genau sollen Bundespolizisten eingesetzt werden (bitte jeweils Orte/
Regionen sowie konkrete Personenzahlen angeben)?

b) Wird es parallel dazu weiterhin einen Einsatz im Norden geben, und wenn
ja, mit wie vielen Polizisten?

c) Inwiefern unterscheidet sich die Tätigkeit von der bisherigen an der Nord-
grenze?

d) Welche weiteren Änderungen kommen auf die Bundespolizisten bei einer
Ausdehnung des Einsatzes zu?

e) Bis wann wird der Einsatz in Saudi-Arabien nach derzeitiger Planung be-
endet sein?

7. Sind im Rahmen des bisherigen Bundespolizeieinsatzes auch Bundespolizis-
tinnen als Ausbilderinnen eingesetzt worden, oder ist dies noch geplant, und
wenn nein, warum nicht?

8. Wird auch bei der Ausbildung außerhalb der Nordregion ein Training an
Schusswaffen durchgeführt, und wenn ja,

a) um welche Art Schusswaffen handelt es sich;

b) worin genau besteht das Training;

c) wird im Rahmen dieses Trainings auch (probe-)geschossen, und falls ja,
welche Ziele werden hierfür verwendet;
d) wie viele saudi-arabische Sicherheitskräfte welcher Formationen und
welcher Dienstränge sollen diese Ausbildung erhalten?

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9. Welche Ergebnisse haben die Bemühungen erbracht, den Ausbildungsbe-
darf saudi-arabischer Sicherheitskräfte in anderen Regionen des Landes zu
ermitteln?

a) Wie genau (durch welche Maßnahmen, an welchen Orten usw.) wurde
dieser Bedarf ermittelt?

b) Welche Partner (etwa Vertreter von EADS/Cassidian, Saudi-Arabien
und ggf. Weiterer) waren an der Ermittlung beteiligt, und welche Auf-
gaben hatten diese jeweils?

c) Wer hat die Ermittlungsmaßnahmen (inklusive Ortsbesichtigungen) je-
weils logistisch und organisatorisch vorbereitet?

d) Wer hat die dabei anfallenden Kosten beglichen?

e) Wer hat den Ausbildungsbedarf der saudi-arabischen Sicherheitskräfte
abschließend festgestellt sowie allfällige Berichte erstellt?

f) Inwiefern gibt es beim Ausbildungsbedarf der saudi-arabischen Sicher-
heitskräfte an anderen Grenzen des Landes Abweichungen zu den Kräf-
ten an der Nordgrenze?

10. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der Bundespolizei mit den Vertre-
tern der saudi-arabischen Sicherheitskräfte sowie EADS?

a) Wie viele Ortsbesichtigungen (Site Surveys) und sonstige Aktivitäten in
Zusammenhang mit dem Modernisierungsprogramm wurden gemeinsam
mit Vertretern von EADS vorgenommen, und wie viele derartige
Aktivitäten wurden von EADS organisatorisch und/oder logistisch vor-
bereitet?

b) Wer ist aufseiten von EADS Ansprechpartner für die in Saudi-Arabien
eingesetzten Bundespolizisten?

c) Inwiefern kommen Vertreter der Bundespolizei sowie von EADS und
ggf. weitere Personen/Vertreter von Organisationen, Behörden oder Un-
ternehmen regelmäßig oder unregelmäßig zu Besprechungen zusammen?

d) Wie viele solcher Besprechungen hat es seit Beginn des Einsatzes gege-
ben (bitte mit Angabe von Datum und wesentlichem Inhalt), und wer
genau hat daran teilgenommen?

e) Trifft es zu (FAKT, 26. Juni 2012), dass EADS und Bundespolizei sich
Büros teilen, und wenn ja, wer kommt für Miete und Betriebskosten in
welcher Höhe auf?

f) Trifft es zu, dass EADS an der Erstellung von Trainingsplänen beteiligt
wird, und wenn ja, welche Mitarbeiter von EADS werden dafür heran-
gezogen (wenn möglich Namen, in jedem Fall aber Funktion nennen)?

g) Welche weiteren Formen der Zusammenarbeit gibt es?

11. Welche Grenzüberwachungstechnik wird von EADS installiert, und inwie-
fern gibt es hierbei Unterschiede zwischen den nördlichen und den süd-
lichen Grenzen bzw. den Seegrenzen?

12. Wie viele ehemalige Bundespolizisten wurden aufseiten von EADS seit der
Antwort der Bundesregierung zu Frage 12 der Kleinen Anfrage der Frak-
tion DIE LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6863 als Berater in die
Geschäfte mit Saudi-Arabien eingebunden?

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13. Womit wird begründet, dass Bundespolizisten zusätzlich zu ihrem Grund-
gehalt ein Honorar für ihre Ausbildungstätigkeit erhalten (vgl. Antwort der
Bundesregierung zu Frage 14 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6102)?

a) Wie hoch ist dieses Honorar, und für welche Leistungen sowie über wel-
chen Zeitraum wurde es in der Vergangenheit und wird es gegenwärtig
bezahlt?

b) Wie viele Bundespolizisten haben bislang ein Honorar erhalten, und wie
hoch ist die Summe der bisher bezahlten Honorare?

c) Wird das Honorar von der Bundespolizei, EADS oder dem saudi-arabi-
schen Innenministerium bezahlt?

d) Treffen den Fragestellern zugegangene, von diesen aber nicht verifizier-
bare Informationen zu, denen zufolge es Disziplinarverfahren bzw.
Strafverfahren gegen Bundespolizisten gegeben hat, weil sie erhaltene
Honorare nicht ordnungsgemäß angegeben haben, und wenn ja, gegen
wie viele Bundespolizisten werden entsprechende Schritte durchgeführt,
und wie ist der Stand der Bearbeitung?

14. Inwiefern treffen den Fragestellern zugegangene, von diesen aber nicht ve-
rifizierbare Informationen zu, denen zufolge Bundespolizisten im Frühjahr
2012 gemeinsam mit EADS-Vertretern einen Stand von EADS an einer Si-
cherheitsmesse in Riad betreut haben?

a) Um welche Messe handelte es sich dabei?

b) Was genau war die Aufgabe der Bundespolizisten am EADS-Stand, und
wie viele waren dort?

c) Mit wem war die Tätigkeit der Bundespolizisten an diesem Stand verab-
redet?

d) Haben die Bundespolizisten hierfür ein Honorar erhalten, und wenn ja,
in welcher Höhe, und von wem?

e) Inwiefern gehört es zum Aufgabenprofil von Bundespolizisten, den
Messestand eines Wirtschaftsunternehmens zu betreuen, um diesem ei-
nen höheren Verkaufserfolg zu bescheren?

15. Inwiefern sind Drohnen des Typs LUNA, die in Saudi-Arabien ebenfalls
zur Grenzsicherung eingesetzt werden sollen, wozu derzeit Bundeswehrsol-
daten Ausbildungsprogramme durchführen, in das EADS-Projekt zur
Grenzsicherung eingebunden, bzw. welche gemeinsamen technischen
Schnittstellen gibt es?

16. Was genau ist nach Kenntnis der Bundesregierung Ziel des Modernisie-
rungsprogramms des Grenzschutzes, und durch welche personelle Beset-
zung und technische Infrastruktur sowie Ausstattung soll eine lückenlose
Kontrolle der saudi-arabischen Außengrenzen sichergestellt werden?

a) Welche geographischen bzw. lokalen Schwerpunkte soll es hierbei ge-
ben?

b) Welche technischen Geräte sollen dabei zum Einsatz kommen?

17. Werden Auslandsreisetagegeld und Honorar für die Trainer (Antwort der
Bundesregierung zu Frage 14 der Kleinen Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. auf Bundestagsdrucksache 17/6102) zuzüglich zum Auslandsver-
wendungszuschlag bezahlt, und wie hoch ist das Tagegeld bzw. der Zu-
schlag?

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18. Ist die Zahlung von sowohl Auslandsreisetagegeld als auch Auslandsver-
wendungszuschlag für Bedienstete des Bundes (etwa auch der Bundes-
wehr) üblich, und wenn nicht, wieso wird es in diesem Fall so gehandhabt?

19. Wer erstattet die auslandsbedingten Mehrkosten für einen Einsatz außerhalb
der Nordregion, wie hoch sind voraussichtlich diese Mehrkosten pro Jahr,
und wie setzen sie sich zusammen?

20. Welche weiteren Kosten entstehen für die Bundesrepublik Deutschland au-
ßer dem Grundgehalt und den auslandsbedingten Mehrkosten für die Bun-
despolizei, und wie setzen sich diese zusammen?

21. Wie hoch waren seit Beginn des Einsatzes die Mehrkosten für den Einsatz
der Bundespolizei in Saudi-Arabien, die nicht von EADS bzw. Saudi-Ara-
bien übernommen worden sind?

22. Welchen Fortschritt haben die Bemühungen der Bundesregierung genom-
men, den Status der Bundespolizisten in Saudi-Arabien zu verbessern, und
müssen diese immer noch nach 29 Tagen das Land verlassen, um den Auf-
enthaltsbestimmungen Saudi-Arabiens zu entsprechen?

23. Hat es seit Beginn des Einsatzes Meinungsverschiedenheiten bzw. Span-
nungen im Verhältnis der Bundespolizei zu Saudi-Arabien und/oder EADS/
Cassidian gegeben, und wenn ja, auf welche Punkte bezogen sich diese, und
inwiefern wurden sie gelöst?

24. Inwieweit gab es seit Beginn des Einsatzes Probleme oder Differenzen mit
saudi-arabischen Sicherheitskräften wegen Verstößen von Bundespolizisten
gegen herrschende Sitten und Verhaltensweisen?

a) Wurden Bundespolizisten wegen derartiger Probleme – oder zur Vermei-
dung solcher Probleme – vom Einsatz abgezogen (bitte ggf. den jeweili-
gen Vorfall schildern)?

b) In welcher Form wurden die am Einsatz beteiligten Bundespolizisten
vorher auf besondere Verhaltensweisen und herrschende Sitten hinge-
wiesen?

25. Hat die Bundesregierung noch einmal überprüft, ob saudi-arabische Ge-
heimdienstmitarbeiter an der Ausbildung durch die Bundespolizei teilge-
nommen haben, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?

26. Inwiefern trifft es zu (FAKT, 26. Juni 2012), dass saudi-arabische Religions-
polizisten am Grenzprojekt beteiligt sind?

a) Werden Religionspolizisten durch Bundespolizisten ausgebildet?

b) Welche Rolle nimmt die Religionspolizei nach Kenntnis der Bundes-
regierung bei der Grenzsicherung wahr?

c) Inwiefern wird die Religionspolizei nach Kenntnis der Bundesregierung
an Entscheidungen über die Behandlung an der Grenze aufgegriffener
Personen beteiligt?

d) Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über Formen der Zusam-
menarbeit zwischen Grenzpolizei und Religionspolizei?

Berlin, den 29. Juni 2012

Dr. Gregor Gysi und Fraktion

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