BT-Drucksache 17/10128

Sozialcharta für den Verkauf der bundeseigenen TLG Wohnungen

Vom 27. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10128
17. Wahlperiode 27. 06. 2012

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Joachim Hacker, Andrea Wicklein, Sören Bartol, Uwe
Beckmeyer, Martin Burkert, Petra Ernstberger, Iris Gleicke, Ulrike Gottschalck,
Michael Groß, Gustav Herzog, Johannes Kahrs, Ute Kumpf, Kirsten Lühmann,
Thomas Oppermann, Florian Pronold, Dr. Frank-Walter Steinmeier
und der Fraktion der SPD

Sozialcharta für den Verkauf der bundeseigenen TLG Wohnungen

Das Bundesministerium der Finanzen hat angekündigt, die Interessen der Miete-
rinnen und Mieter beim europaweit ausgeschriebenen Verkauf der TLG
WOHNEN GmbH durch eine Sozialcharta absichern zu wollen, die einem poten-
ziellen Käufer Verpflichtungen in Bezug auf den Schutz der bestehenden Mietver-
träge auferlegt.

Erfahrungen beim Verkauf großer Immobilienbestände an Investoren haben je-
doch gezeigt, dass Mieterinteressen trotz der Verpflichtungen einer mit dem
Käufer vereinbarten Sozialcharta nicht hinreichend gesichert sind. So stellte zum
Beispiel die Stadt Dresden erhebliche Verstöße des Käufers, des im Jahr 2006
veräußerten Immobilienbestandes der städtischen Wohnungsbaugesellschaft
WOBA DRESDEN GMBH, gegen die seinerzeit vereinbarte Sozialcharta fest.

Unabhängig von der grundsätzlichen Frage, ob ein Verkauf bundeseigener Im-
mobilienbestände auf einem von Mietpreissteigerungen, steigenden Mietneben-
kosten und regionalen Engpässen geprägten Wohnungsmarkt politisch geboten
erscheint, oder ob nicht eine Übertragung auf kommunale oder genossenschaft-
liche Wohnungsunternehmen zielführender wäre, muss der Abschluss einer
Sozialcharta als Bestandteil der vertraglichen Verpflichtungen des Käufers
kritisch betrachtet werden. Insbesondere dann, wenn Vertragsstrafen bei Nicht-
einhaltung vor dem Hintergrund steigender Werthaltigkeit der Immobilen die be-
absichtigte regulierende Wirkung verlieren oder getroffene Vereinbarungen von
den Investoren unterlaufen werden.

Auch die im Fall Dresden vom Investor für den Fall des Vollzugs der Vertrags-
strafen angedrohte Insolvenz, einschließlich des damit verbundenen Verlustes
des Mieterschutzes, macht deutlich, dass eine Sozialcharta nur begrenzt und in
Verbindung mit zusätzlichen kaufvertraglichen Regelungen zur Sicherung der
Interessen der Mieterinnen und Mieter der zu veräußernden Wohnungen geeig-
net ist.
Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird die Bundesregierung, entsprechend der Intention des Antrags der Frak-
tion der SPD auf Bundestagsdrucksache 17/9737, das Ausschreibungsver-
fahren für die TLG WOHNEN GmbH nach Abschluss des Interessenbekun-
dungsverfahrens aussetzen und mit den Ländern Gespräche im Hinblick auf

Drucksache 17/10128 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode

eine mögliche Übertragung der Wohnungsbestände auf kommunale oder
genossenschaftliche Wohnungsunternehmen aufnehmen?

2. Wurde oder wird den Bietern für die TLG WOHNEN GmbH, die nach
Abschluss der ersten Stufe des Ausschreibungsverfahrens für weitere Ver-
fahrensschritte zugelassen sind, der Inhalt einer Sozialcharta zur Kenntnis
gegeben?

3. Wenn ja, welchen Wortlaut hat diese Charta?

4. Wenn nein, in welchem Stadium des Verfahrens soll die Sozialcharta
Gegenstand des Verkaufsverfahrens werden?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung, Inhalte der Sozialcharta mit Bietern zu
verhandeln?

6. Mit welchen Mietervertretern befindet sich das Bundesministerium der
Finanzen zur Abfassung der Sozialcharta im Austausch?

7. Ist der Bundesregierung die zwischen der Stadt Dresden und dem Erwerber
der WOBA DRESDEN GMBH vereinbarte Sozialcharta bekannt, und
wenn ja, welche Regelungen wurden oder werden in die Sozialcharta für
den Verkauf der TLG WOHNEN GmbH übernommen oder sollen über-
nommen werden?

8. Wenn nein, auf welcher Grundlage und von wem wurde oder wird die beim
Verkauf der TLG WOHNEN GmbH zu vereinbarende Sozialcharta erarbei-
tet?

9. Welche über die in der Dresdener Sozialcharta enthaltenen Regelungen
hinausgehenden Bestimmungen beabsichtigt die Bundesregierung in die
Sozialcharta für den Verkauf der TLG WOHNEN GmbH aufzunehmen
oder hat sie aufgenommen?

10. Beinhaltet die Sozialcharta für den Verkauf der TLG WOHNEN GmbH
auch Vereinbarungen zu Zielen der Stadtentwicklung oder wird sie beinhal-
ten?

11. Wenn nein, warum nicht?

12. Wenn ja, wurden oder werden diese Ziele im Hinblick auf regional
unterschiedliche Rahmenbedingungen der einzelnen Bestände der TLG
WOHNEN GmbH in den Städten und Regionen ausdifferenziert?

13. Wurden oder werden andere Einzelregelungen der geplanten Sozialcharta
für den Verkauf der TLG WOHNEN GmbH regional unterschiedlich ange-
legt?

14. Wenn ja, im Hinblick auf welche Aspekte?

15. Wie definiert die Bundesregierung nicht notwendige Modernisierungen, um
Mieterhöhungen durch ein Verbot von sogenannten Luxusmodernisierun-
gen zu verhindern?

16. Werden mit dem Erwerber der TLG WOHNEN GmbH Mietpreisbindungen
oder andere Instrumente zur Stabilisierung des Mietniveaus vertraglich ver-
einbart?

17. Beinhaltet die Sozialcharta Sanktionsmechanismen für den Fall, dass Ver-
einbarungen nicht eingehalten werden, oder wird sie beinhalten?

18. Wenn ja, welche Sanktionen sind vorgesehen?

19. Wem wird nach dem Verkauf der TLG WOHNEN GmbH die Überwachung
der Einhaltung der Sozialcharta obliegen?

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 3 – Drucksache 17/10128

20. Welche weiteren Maßnahmen neben der Vereinbarung einer Sozialcharta
plant die Bundesregierung, um die Interessen der Mieterinnen und Mieter
der TLG WOHNEN GmbH zu schützen?

21. Bei wie vielen Verkäufen von Wohnungsbaugesellschaften in öffentlicher
Hand kam es nach Kenntnis der Bundesregierung trotz Abschluss einer So-
zialcharta zu gerichtlichen Auseinandersetzungen zwischen Käufer und Ver-
käufer, weil Verpflichtungen aus der Sozialcharta nicht eingehalten wurden?

22. Zu welchen Ergebnissen haben diese gerichtlichen Auseinandersetzungen
geführt?

23. Ist der Bundesregierung ein Schreiben bekannt, mit dem sich der Bieter
„TLG FAIRWOHNEN i. G.“ an die Mieter der TLG WOHNEN GmbH ge-
wandt hat und damit bei diesen den Eindruck erweckte, dass es sich um ein
Schreiben des Vermieters handelte?

24. Sind der Bundesregierung weitere Bieter bekannt, die sich während des
Bieterverfahrens an die Mieter der TLG WOHNEN GmbH gewandt haben?

25. Geht die Bundesregierung von einer vergaberechtlichen Unbedenklichkeit
dieser Kontaktaufnahmen aus?

26. Welche weiteren Verfahrensschritte mit welchen zeitlichen Vorgaben stehen
im weiteren Vergabeverfahren zur TLG WOHNEN GmbH an?

Berlin, den 27. Juni 2012

Dr. Frank-Walter Steinmeier und Fraktion

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