BT-Drucksache 17/10113

Mehr Berücksichtigung von Qualität bei der Vergabe von Dienstleistungen

Vom 26. Juni 2012


Deutscher Bundestag Drucksache 17/10113
17. Wahlperiode 26. 06. 2012

Antrag
der Abgeordneten Maria Michalk, Michael Grosse-Brömer, Stefan Müller
(Erlangen), Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Gabriele Molitor, Rainer Brüderle und der Fraktion
der FDP

Mehr Berücksichtigung von Qualität bei der Vergabe von Dienstleistungen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Das Deutsche Vergaberecht ist unabdingbarer Bestandteil der sozialen Markt-
wirtschaft. Mehr und mehr werden im Laufe der Entscheidung nicht nur Pro-
dukte, sondern auch Dienstleistungen ausgeschrieben. Das hat sich zumindest
am Arbeitsmarkt und im Gesundheitswesen verstärkt. Die Praxiserfahrungen
sind grundsätzlich positiv zu bewerten. Aber es hat sich auch gezeigt, dass das
bestehende Vergaberecht für die Beschaffung von Dienstleistungen, insbeson-
dere sozialen Dienstleistungen, noch nicht durchgehend ein den Anforderungen
der Praxis gerecht werdendes Instrumentarium bereitstellt.

So dürfen bieterbezogene Kriterien, wie Qualifikation und Fachkenntnisse der
Ausführungskräfte, Erfahrung und Erfolge, stets nur im Rahmen der Mindest-
anforderungen an die Eignung der Bieter berücksichtigt werden, nicht aber in
die Wertung der Angebote und damit in die Zuschlagsentscheidung einfließen.
Auch ein über die Mindestanforderungen hinausgehendes „Mehr an Eignung“
darf bei der Zuschlagserteilung keine Rolle spielen.

Diese strikte Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien, die auf die Vor-
gaben der europäischen Vergaberichtlinien und die dazu ergangene Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs zurückzuführen ist und rechtsdogma-
tische Gründe hat, ist aber bei Dienstleistungen weder sachgerecht noch
zwingend. Arbeitsmarktdienstleistungen und andere soziale Dienstleistungen
unterliegen als „nachrangige Dienstleistungen“ nur sehr eingeschränkt den Vor-
gaben der europäischen Vergaberichtlinien und der hierzu ergangenen Recht-
sprechung des Europäischen Gerichtshofs. Insofern bestehen zur Regelung der
Auftragsvergaben bei diesen Dienstleistungen im Oberschwellenbereich die
gleichen Handlungsspielräume für die nationale Gesetzgebung wie im Unter-
schwellenbereich, sofern die primärrechtlichen Grundsätze Beachtung finden.
Bei Dienstleistungen stehen persönlich auszuführende Leistungen im Vorder-
grund. Wenn hier bieterbezogene Kriterien, die für die Beurteilung der Qualität
der angebotenen Dienstleistungen wesentlich sind, bei der Ermittlung des wirt-
schaftlichsten Angebotes außen vor bleiben müssen beziehungsweise nicht ent-
sprechend gewürdigt werden, ist die Wertung der Qualität der Leistungen auf die
konzeptionellen Erläuterungen im Angebot zur Auftragsausführung (Projekt-
plan, Vorgehensbeschreibung etc.) beschränkt.

Drucksache 17/10113 – 2 – Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode
Bei Dienstleistungen mit einem hohen Grad der Standardisierung hinsichtlich
der Art und Weise der Ausführung oder bei Leistungen dienstvertraglicher Art,
die in durchschnittlicher Art und Güte geschuldet werden, kann sich der Wettbe-
werb damit auf das Kriterium „Preis“ verlagern. Qualitätsunterschiede in Bezug
auf Erfahrungen und frühere Erfolge zwischen den Bietern bleiben im Rahmen
der Zuschlagserteilung unberücksichtigt. Betroffen sind im Besonderen Arbeits-
marktdienstleistungen und hier speziell die Leistungen für Menschen mit Behin-
derung, die durch Integrationsfachdienste erbracht werden.

Daher sollte in begrenztem Umfang eine den Anforderungen der Praxis entge-
genkommende Flexibilisierung für Dienstleistungen in Form einer allgemein
geltenden Regelung verwirklicht werden. Hierbei sind die Ziele eines transpa-
renten und fairen Wettbewerbs, einer angemessenen Gewährleistung von Markt-
eintrittschancen von Newcomern und einer Vermeidung von „Haus- und Hof-
lieferantentum“ mit abzuwägen.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– den nationalen Rechtsetzungsspielraum zu nutzen, um insbesondere bei so-
zialen Dienstleistungen die Berücksichtigung bieterbezogener Qualitätskrite-
rien bei der Zuschlagserteilung stärker zu gewichten sowie

– auf europäischer Ebene sich für die Schaffung einer entsprechenden, für alle
Dienstleistungen geltenden Regelung bei der anstehenden Reform der Ver-
gaberichtlinien einzusetzen.

Berlin, den 26. Juni 2012

Volker Kauder, Gerda Hasselfeldt und Fraktion
Rainer Brüderle und Fraktion

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