BT-Drucksache 16/989

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll, Dr. Axel Troost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/398- Mindestlohnregelung einführen b) zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Irmingard Schewe-Gerigk, Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/656- Mindestarbeitsbedingungen mit regional und branchenspezifisch differenzierten Mindestlohnregelungen sichern

Vom 16. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/989
16. Wahlperiode 16. 03. 2006

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

a) zu dem Antrag der Abgeordneten Werner Dreibus, Dr. Barbara Höll,
Dr. Axel Trost, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/398 –

Mindestlohnregelung einführen

b) zu dem Antrag der Abgeordneten Brigitte Pothmer, Irmingard Schewe-Gerigk,
Markus Kurth, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/656 –

Mindestarbeitsbedingungen mit regional und branchenspezifisch
differenzierten Mindestlohnregelungen sichern

A. Problem

Zu Buchstabe a

In Deutschland haben sich in den vergangenen Jahren zum einen Arbeitsmarkt-
segmente herausgebildet, in denen es keine Tarifbindung gibt. Zum anderen
unterlaufen immer mehr Unternehmen aus tarifgebundenen Branchen geltende
Tarifverträge. Es werden immer öfter Entgelte gezahlt, die unter dem existenz-
sichernden Niveau (Armutsschwelle) liegen.

Zu Buchstabe b

Weder die bestehenden gesetzlichen Regelungen noch Tarifverträge und die
Regelungskraft der Sozialpartner können Lohndumping und Unterbietungs-
konkurrenz zu Lasten von Löhnen und Arbeitsbedingungen von Beschäftigten
verhindern.

B. Lösung

Zu Buchstabe a
Die Bundesregierung wird aufgefordert, einen Anspruch aller Arbeitnehmerin-
nen und Arbeitnehmer in Deutschland auf einen Lohn von mindestens 8 Euro
pro Stunde (brutto) gesetzlich zu regeln.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE.

Drucksache 16/989 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zu Buchstabe b

Vorlage eines Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung, der Lohndumping
verhindert und gesellschaftlich akzeptierte Mindestarbeitsbedingungen für
inländische und ausländische Arbeitnehmer in Deutschland festlegt. Dabei
müssen die Tarifautonomie gewahrt und sowohl tariflich organisierte wie tarif-
lich nicht organisierte Wirtschaftsbereiche erfasst werden.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/989

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

a) den Antrag – Drucksache 16/398 – abzulehnen,

b) den Antrag – Drucksache 16/656 – abzulehnen.

Berlin, den 15. März 2006

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Vorsitzender

Paul Lehrieder
Berichterstatter

Dienstleistungsgesellschaft und nicht zu einer „Dienstboten-
gesellschaft“ heißt es zur Begründung. Immer öfter würden ten, sondern nur verschärften. Das Ziel müsse immer blei-
Entgelte gezahlt, die unter dem existenzsichernden Niveau
liegen.

ben, mehr Arbeit zu schaffen. Menschen, die ihren Lebens-
unterhalt nicht durch ihre eigene Tätigkeit finanzieren
könnten, könne man bei Bedarf einen ergänzenden staatli-
Drucksache 16/989 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht des Abgeordneten Paul Lehrieder

I. Überweisungen und Voten der mitberatenden
Ausschüsse

Sowohl der Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Druck-
sache 16/398 als auch der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN auf Drucksache 16/656 sind in der 20. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 17. Februar 2006 an den
Ausschuss für Arbeit und Soziales zur federführenden Bera-
tung und den Ausschuss für Wirtschaft und Technologie zur
Mitberatung überwiesen worden.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den
Antrag auf Drucksache 16/398 in seiner Sitzung am
15. März 2006 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
gegen die Stimmen der Fraktion DIE LINKE. empfohlen,
die Vorlage abzulehnen.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat den An-
trag auf Drucksache 16/656 in seiner Sitzung am 15. März
2006 beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, die Vor-
lage abzulehnen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

a) Drucksache 16/398

Die Fraktion DIE LINKE. fordert in ihrem Antrag die Vor-
lage eines Gesetzentwurfs durch die Bundesregierung, der
sicherstellt, dass alle Arbeitnehmer, die in Deutschland tätig
sind, einen rechtlichen Anspruch auf einen Lohn von min-
destens 8 Euro in der Stunde (brutto) haben. Die Fraktion
schlägt eine zeitlich befristete Übergangsregelung für kleine
und mittlere Unternehmen vor, um denjenigen Betrieben
eine Hilfe anzubieten, die nachweislich kurzfristig nicht in
der Lage sind, ihren Beschäftigten den Mindestlohn zu zah-
len. Darüber hinaus solle die Möglichkeit geschaffen wer-
den, in Branchen die jeweils tariflich vereinbarten Mindest-
entgelte, die über 8 Euro liegen, durch Beschluss des
Bundesministers für Arbeit und Soziales oder der Landesar-
beitsminister für „allgemeinverbindlich“ zu erklären. Die
Bundesregierung wird ferner aufgefordert, gemeinsam mit
den anderen EU-Staaten zu prüfen, ob es Möglichkeiten für
eine abgestimmte Mindestlohnpolitik gibt. In einem jährli-
chen „Lohndumpingbericht“ soll die Bundesregierung zudem
die regionalen, branchenspezifischen und beschäftigungs-
politischen Ausmaße des Lohndumpings und des Miss-
brauchs von EU-Recht, aber auch die Auswirkungen von
Ein-Euro-Jobs und Mini-Jobs auf reguläre Arbeitsplätze
sowie mögliche Verdrängungseffekte in Deutschland dar-
legen. Deutschland brauche eine Entwicklung hin zu einer

b) Drucksache 16/656

In ihrem Antrag fordert die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf
vorzulegen, der Lohndumping verhindert und gesellschaft-
lich akzeptierte Mindestarbeitsbedingungen für inländische
und ausländische Arbeitnehmer in Deutschland festlegt. Da-
bei müssten die Tarifautonomie gewahrt und sowohl tariflich
organisierte wie tariflich nicht organisierte Wirtschaftsberei-
che erfasst werden. Im Einzelnen solle das zurzeit nur für die
Baubranche geltende Arbeitnehmer-Entsendegesetz auf alle
Branchen ausgeweitet werden. Danach könnten festgelegte
Mindestlöhne und Urlaubsbestimmungen auch auf Arbeit-
nehmer ausländischer Unternehmen übertragen werden.
Weiterhin wird vorgeschlagen, die Allgemeinverbindlich-
keitserklärung im Tarifrecht zu vereinfachen und die darin
festgeschriebenen Vetomöglichkeiten insbesondere für die
Arbeitgeber zu reduzieren. Zudem müsse das Gesetz über
Mindestarbeitsbedingungen aus dem Jahr 1952 modernisiert
werden, um eine unbürokratische Anwendung zu ermög-
lichen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

III. Beratungen und Abstimmungsergebnis im
federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat die Beratung
der Vorlagen in seiner 14. Sitzung am 15. März 2006 aufge-
nommen und abgeschlossen.

Die Fraktion der CDU/CSU machte deutlich, dass eine Dis-
kussion über die Einführung von Mindestlöhnen, ohne über
Kombilohn-Modelle zu sprechen, keinen Sinn ergebe. Man
werde mit der notwendigen Sorgfalt und ohne ideologische
Vorbehalte an die notwendigen Maßnahmen im Niedriglohn-
bereich herangehen. Dabei müsse man die Realität im Auge
behalten: Wenn ein Mindestlohn höher sei, als der Arbeits-
markt eigentlich hergebe, sperre er gerade Menschen mit
niedriger Qualifikation aus. Damit sei niemandem geholfen.

Die Fraktion der SPD wies darauf hin, dass sich die CDU,
CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag die Neuordnung
des Niedriglohnbereichs vorgenommen hätten. Hier werde
es keine Schnellschüsse aus populistischen Motiven heraus
geben, sondern nach dem Zeitplan der Regierung werde
noch in diesem Herbst ein entsprechender Gesetzentwurf
vorgelegt werden. Die beiden Anträge der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN seien hingegen
noch reichlich unausgegoren und wenig durchdacht, wes-
halb sie in der Sache auch nicht weiterführten. Hier dürfe
nicht der zweite Schritt vor dem ersten gemacht werden.

Die Fraktion der FDP machte deutlich, dass gesetzliche
Mindestlöhne die Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht lös-
Wegen der Einzelheiten wird auf die entsprechende Druck-
sache verwiesen.

chen Transfer gewähren, wie es das Bürgergeld-Konzept der
FDP vorsehe.

Berlin, den 15. März 2006

Paul Lehrieder
Berichterstatter
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/989

Die Fraktion DIE LINKE. betonte, dass die Notwendigkeit
der Einführung eines Mindestlohns mittlerweile sowohl in
der politischen Debatte, aber auch in der allgemeinen öffent-
lichen Diskussion nicht näher begründet werden müsse: Die
zunehmende Praxis des Lohndumpings und Herausbildung
von Arbeitsmarktsegmenten, in denen es keine Tarifbindung
gebe, müsse von allen leider als Realität festgestellt werden.
Hier sei also dringender Handlungsbedarf gegeben, weshalb
der Zeitplan der Regierung zu kritisieren sei.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hob hervor, sie
wolle regional- und branchenspezifisch differenzierte Lö-
sungen erreichen. Es bedürfe einer sehr fein taxierten Rege-
lung, die auf der einen Seite Lohndumping verhindere, auf
der anderen Seite aber nicht zur Ausgrenzung von Gering-
qualifizierten führe. Ein einheitlicher Mindestlohn könne
diese Gradwanderung nicht vollziehen, sondern führe zu ei-
nem Wegbrechen gerade der Arbeitsplätze, die für Gering-
qualifizierte erhalten werden müssten.

Im Ergebnis der Beratungen hat der Ausschuss mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion DIE
LINKE. beschlossen, dem Deutschen Bundestag die Ableh-
nung des Antrags auf Drucksache 16/398 zu empfehlen.

Der Ausschuss hat zudem mit den Stimmen der Fraktionen
CDU/CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beschlossen,
dem Deutschen Bundestag die Ablehnung des Antrags auf
Drucksache 16/656 zu empfehlen.

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