BT-Drucksache 16/9869

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Nicole Maisch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/9601- Rahmenbedingungen für Milchmarkt verbessern - Faire Erzeugerpreise für Milch unterstützen

Vom 27. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9869
16. Wahlperiode 27. 06. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
(10. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Nicole Maisch,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/9601 –

Rahmenbedingungen für Milchmarkt verbessern –
Faire Erzeugerpreise für Milch unterstützen

A. Problem

Seit Jahren haben die Milchbauern mit Erzeugerpreisen zu kämpfen, die ihre
Kosten nur unzureichend decken und die geleistete Arbeit nicht adäquat entloh-
nen. Ein Grund für diese Erzeugerpreisentwicklung ist die seit Jahren erhebliche
Milchüberschusserzeugung durch agrarpolitische Vorgaben. Die europäische
Milchmenge lag aufgrund politischer Beschlüsse immer bis zu 20 Prozent über
dem Bedarf. So hat die Quote zwei wichtige Zielsetzungen – Gewährleistung
von angemessenen Erzeugerpreisen und Abmilderung des Strukturwandels in
der Milchviehwirtschaft – nie erreichen können. Die Europäische Kommission
setzt für die Zukunft auf eine weitere Deregulierung des Milchmarktes. Dies
wird den Strukturwandel weiter anheizen und das Aus vor allem für die bäuer-
liche Milchproduktion in den Mittelgebirgs- und Bergregionen bedeuten.

Nur wenn Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden können,
kann eine Weiterentwicklung der Märkte zu kostendeckenden fairen Preisen für
alle Beteiligten umgesetzt werden. Daher muss die Bundesregierung ihre Mög-
lichkeiten zur Gestaltung der Rahmenbedingungen für diesen Markt nutzen und
ein Maßnahmenpaket entwickeln, mit dem sie kurzfristige Mengenentlastungen
auf dem Markt und langfristige Stabilität der Milchpreise auf kostendeckendem
Niveau schafft.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU,
SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Annahme des Antrags auf Drucksache 16/9601.

D. Kosten

Kosten wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/9869 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/9601 abzulehnen.

Berlin, den 25. Juni 2008

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz

Ulrike Höfken
Vorsitzende und Berichterstatterin

Johannes Röring
Berichterstatter

Dr. Wilhelm Priesmeier
Berichterstatter

Hans-Michael Goldmann
Berichterstatter

Dr. Kirsten Tackmann
Berichterstatterin

dem Markt und langfristige Stabilität der Milchpreise auf
blick auf das geforderte flexible Mengensteuerungssystem
kostendeckendem Niveau schafft.

Daher soll die Bundesregierung im Wesentlichen aufgefor-
dert werden,

– die von der Europäischen Union beschlossene Milchquo-

sei festzustellen, dass dazu ein strikter und starker Außen-
schutz notwendig wäre. Dies widerspreche jedoch der an-
sonsten verfolgten Außenhandelspolitik der antragstellenden
Fraktion.
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9869

Bericht der Abgeordneten Johannes Röring, Dr. Wilhelm Priesmeier,
Hans-Michael Goldmann, Dr. Kirsten Tackmann und Ulrike Höfken

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat die Vorlage auf Drucksache
16/9601 in seiner 169. Sitzung am 19. Juni 2008 beraten und
an den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz zur federführenden Beratung und an den
Haushaltsausschuss sowie an den Ausschuss für Wirtschaft
und Technologie zur Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Seit Jahren haben die Milchbauern mit Erzeugerpreisen zu
kämpfen, die ihre Kosten nur unzureichend decken und die
geleistete Arbeit nicht adäquat entlohnen. Ein Grund für die-
se Erzeugerpreisentwicklung ist die seit Jahren erhebliche
Milchüberschusserzeugung durch agrarpolitische Vorgaben.
Die europäische Milchmenge lag aufgrund politischer Be-
schlüsse immer bis zu 20 Prozent über dem Bedarf. So hat
die Quote zwei wichtige Zielsetzungen – Gewährleistung
von angemessenen Erzeugerpreisen und Abmilderung des
Strukturwandels in der Milchviehwirtschaft – nie erreichen
können.

Ein weiterer Grund sind die oligopolen Strukturen im deut-
schen Handel, die ihre Marktmacht ausspielen, um den
Milchpreis ohne Rücksicht auf die Erzeuger nach unten zu
drücken. Auch für die Verbraucher, Steuerzahler und Um-
welt sind Überschusserzeugung und Druck auf die Qualität
und Betriebe nicht von Vorteil.

Die Europäische Kommission setzt für die Zukunft auf eine
weitere Deregulierung des Milchmarktes. Dies wird den
Strukturwandel weiter anheizen und das Aus vor allem für
die bäuerliche Milchproduktion in den Mittelgebirgs- und
Bergregionen bedeuten. Die im Bundesverband Deutscher
Milchviehhalter e. V. (BDM) organisierten Landwirte for-
dern daher zu Recht die Beibehaltung einer vernünftigen
Mengenregulierungspolitik.

Nur wenn Angebot und Nachfrage aufeinander abgestimmt
werden können, kann eine Weiterentwicklung der Märkte zu
kostendeckenden fairen Preisen für alle Beteiligten umge-
setzt werden. Ein weiteres Ziel muss sein, eine Milchproduk-
tion mit hohen Qualitäts- und Umweltstandards in ganz
Europa zu gewährleisten.

Auch der zuständige Bundesminister hat Ende Mai 2008 ver-
kündet, dass er sich für eine bessere Bezahlung der Milch-
bauern einsetzen wolle. Daher muss die Bundesregierung
ihre Möglichkeiten zur Gestaltung der Rahmenbedingungen
für diesen Markt nutzen und ein Maßnahmenpaket ent-
wickeln, mit dem sie kurzfristige Mengenentlastungen auf

nationaler Ebene auszusetzen und den Umrechnungs-
faktor von derzeit 1,02 kg/l Milch auf 1,03 kg/l Milch an-
zuheben,

– gemeinsam mit den Milcherzeugern und der Molkerei-
wirtschaft ein flexibles und am Markt orientiertes Milch-
mengensteuerungssystem zu entwickeln, das kostende-
ckende Preise für die Landwirte ermöglicht, und sich auf
nationaler und europäischer Ebene für die Einführung
dieses Systems einzusetzen,

– auf europäischer Ebene im Rahmen des Health Checks
die Rücknahme der Kommissionspläne zu jährlichen
Milchmengenerhöhungen durchzusetzen und im Gegen-
zug eine Milchpolitik einzufordern, die verbraucher- und
marktorientiert ist und gute Umwelt- und Qualitätsstan-
dards gewährleistet.

III. Stellungnahmen der mitberatenden
Ausschüsse

Der Haushaltsausschuss hat die Vorlage auf Drucksache
16/9601 in seiner 73. Sitzung am 25. Juni 2008 beraten und
empfiehlt die Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stim-
men der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN.

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat die
Vorlage auf Drucksache 16/9601 in seiner 68. Sitzung am
25. Juni 2008 beraten und empfiehlt die Ablehnung des An-
trags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

IV. Beratungsverlauf im federführenden
Ausschuss

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbrau-
cherschutz hat die Vorlage auf Drucksache 16/9601 in seiner
84. Sitzung am 25. Juni 2008 abschließend beraten.

Die Fraktion der CDU/CSU bekräftigte, dass die deutsche
Milch in Gänze ein absolutes Qualitätsprodukt darstelle.
Dies sei auch mengenunabhängig. Die im vorliegenden An-
trag versuchte Vermischung von Markt- und Sozialpolitik sei
nicht zielführend. Die geforderte, möglicherweise technisch
auch richtige, Anhebung des Umrechnungsfaktors bedeute
aber eine nationale Einschränkung der Quote um 1 Prozent.
Andere europäische Länder würden dadurch nicht tangiert.

Eine nationale Beschränkung würde einen Verzicht auf
Marktanteile gegenüber anderen Ländern bedeuten. Im Hin-
tenerhöhung von 2 Prozent zum 1. Juli 2008 in der natio-
nalen Reserve zu belassen, die Molkereisaldierung auf

Zudem nehme der Antrag eine nicht gewünschte Spaltung
des betroffenen Berufsstandes hin. Notwendig sei jedoch ein

Drucksache 16/9869 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
den Antrag vorgenommene Analyse in verschiedenen Punk-
ten nicht ganz falsch sei. Allerdings seien die Aussagen hin-
sichtlich der Entwicklung in den Märkten nicht zutreffend.
Nationale Königswege gebe es nicht mehr. Vielmehr unter-
lägen Preise aktuell und künftig Schwankungen. Auch sei
das BDM-Konzept perspektivisch chancenlos und wider-
spreche wesentlichen Grundsätzen sozialer Marktwirtschaft.
Die Entwicklungen in anderen Ländern, etwa in Kanada,
verdeutlichten, dass jede Mengensteuerung ihren Preis habe.
Auch lasse sich der Strukturwandel damit nicht aufhalten.

Vielmehr halte man es für vernünftig und politisch ehrlich,
den betroffenen Bauern die Wahrheit zu sagen. Dies lasse der
in Rede stehende Antrag jedoch vermissen. So würden von
der u. a. geforderten Molkereisaldierung nur bestimmte Bun-
desländer profitieren und alle neuen Bundesländer dadurch
Nachteile erleiden. Es gebe keinen ersichtlichen Grund, von
der gegenwärtigen Milchmarktpolitik und der Abschaffung
der Quote abzuweichen. Vielmehr gelte es, dass die betroffe-
nen Milchbauern ihre Marktmacht organisierten, um entspre-
chende Handlungs- und Verhandlungsperspektiven in den
Märkten zu erzielen. Hierin liege die eigentliche Schwäche
der Milchproduzenten auch gegenüber den Molkereien. Da-
her werde Handlungsbedarf in diesem Bereich und im Zu-
sammenhang mit dem Wettbewerbsrecht gesehen.

Die Fraktion der FDP unterstützte die zum vorliegenden
Antrag vorgebrachte Kritik und ergänzte, dass dieser auch
im Widerspruch zur parlamentarisch unterstützten Politik
der Vorgängerregierung stehe. Dies sei nicht akzeptabel. Der
seit Einführung der Milchquote im Jahr 1984 zu verzeich-
nende Rückgang der Milchproduzenten von 360 000 auf ak-
tuell 100 000 verdeutliche, dass die Milchquote den notwen-
digen Umstrukturierungsprozess nicht habe verhindern
können. Dies sei positiv, da die Situation auf dem Milch-
markt ansonsten noch viel schwieriger wäre. Das nunmehr
geforderte flexible Steuerungsmodell stelle ebenfalls ein
Quotensystem dar und sei noch komplizierter. Man halte die-
ses für unseriös. Angesichts der globalisierten Welt verböten
sich zudem Maßnahmen im Zusammenhang mit Autarkie
und nationaler Begrenzung. Vielmehr sei politisch Sorge da-
für zu tragen, dass die globalen Märkte für die Milchbauern
erschlossen würden und deren Position, z. B. über Vermark-
tungsgesellschaften, gestärkt werde. Im Ergebnis lehne man
den vorliegenden Antrag ab.

der Milchmenge würden unterstützt. Auch halte man eine
völlige Liberalisierung der Märkte in Bezug auf Grundnah-
rungsmittel für problematisch. Im Gegensatz zu Industrie-
gütern könnten die Menschen bei Lebensmitteln nicht selbst
entscheiden zu welchem Preis sie eine Ware erwerben woll-
ten. Vielmehr seien sie in dem letztgenannten Bereich er-
pressbar. Daher seien hierfür andere Handels- und Grundre-
geln zu vereinbaren. Der vorliegende Antrag sei zwar noch
verbesserungsbedürftig und weitere Diskussionen seien er-
forderlich. Dennoch leiste er hierzu einen wichtigen Beitrag.
Daher stimme man diesem zu.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN legte dar, Ziel
des Antrags sei die Verfolgung der Situation auf dem Milch-
markt sowie die diesbezüglichen Kommentierungen und
Absichtserklärungen des Bundesministers Horst Seehofer.
Dieser unterstütze das Anliegen der Milcherzeuger auf
Durchsetzung fairer Preise. Nunmehr müssten sich diese Er-
klärungen in konkretem Handeln niederschlagen, etwa im
Führen entsprechender Gespräche. Auch sei die Bundes-
regierung derzeit selbstverständlich in der Lage, einen Groß-
teil der gegenwärtigen Problematik einer Lösung zuzuführen.

Ihrer Auffassung nach seien die aktuellen Milchübermengen
ursächlich für die Preisdrucksituation. Daher fordere man als
kurzfristige Maßnahme auf nationaler Ebene ein Aussetzen
der Saldierung. Zudem müsse die von der EU beschlossene
und jetzt schon vom Handel argumentativ zur Preissenkung
genutzte Milchquotenerhöhung von 2 Prozent zum 1. Juli
2008 in der nationalen Reserve belassen werden. Schließlich
sei der Umrechnungsfaktor von derzeit 1,02 kg/l Milch auf
das europäische Niveau von 1,03 kg/l Milch anzuheben. Ihrer
Auffassung nach sei ein flexibles Regulierungsinstrument
eine vernünftige Lösung für die künftige Regelung des
Milchmarktes. Dies müsse jedoch nicht unbedingt dem vom
BDM favorisierten Modell entsprechen. Die Kommissions-
vorschläge erschienen jedoch geeignet, den Erzeugern jeg-
liche Marktdurchsetzung und Interessenwahrnehmung zu
nehmen. Schließlich werde mit Blick u. a. auf den vom Bun-
desminister Horst Seehofer geplanten Milchfonds die Vorla-
ge eines Finanzierungskonzeptes gefordert.

Der Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Ver-
braucherschutz empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen
der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Frak-
tionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, den
Antrag auf Drucksache 16/9601 abzulehnen.

Berlin, den 25. Juni 2008

Johannes Röring
Berichterstatter

Dr. Wilhelm Priesmeier
Berichterstatter

Hans-Michael Goldmann
Berichterstatter

Dr. Kirsten Tackmann
Berichterstatterin

Ulrike Höfken
Berichterstatterin
einheitliches Auftreten der Branche in der Gesellschaft. Die
diesbezüglichen Ansätze des Bundesministers Horst Seehofer
würden begrüßt. Die Milcherzeuger kritisierten auch viel-
mehr die unter Verantwortung der Vorgängerregierung in der
Agrarpolitik entstandene Kostenbelastung. Daher lehne man
den vorliegenden Antrag ab.

Die Fraktion der SPD konstatierte, dass die im vorliegen-

Die Fraktion DIE LINKE. erläuterte, das Quotensystem,
die Handelbarkeit der Quoten und die zunehmende Liberali-
sierung hätten zur gegenwärtigen Preissituation geführt.
Ihrer Auffassung nach beinhalte eine vernünftige Lösung so-
wohl Überlegungen zur Milchmenge als auch zu bedarfsge-
rechten Preisen und zur Nachhaltigkeit. Die im vorliegenden
Antrag formulierten Forderungen im Zusammenhang mit

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