BT-Drucksache 16/9756

Qualitätssicherung im Wissenschaftssystem durch eine differenzierte Gleichstellungspolitik vorantreiben

Vom 25. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9756
16. Wahlperiode 25. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Anette Hübinger, Ilse Aigner, Michael Kretschmer,
Katherina Reiche (Potsdam), Helmut Brandt, Ingrid Fischbach, Axel E. Fischer
(Karlsruhe-Land), Eberhard Gienger, Monika Grütters, Hartmut Koschyk,
Dr. Eva Möllring, Carsten Müller (Braunschweig), Michaela Noll, Dr. Norbert Röttgen,
Uwe Schummer, Marion Seib, Marcus Weinberg, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer
und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Gesine Multhaupt, Jörg Tauss, Willi Brase, Ulla Burchardt,
Dieter Grasedieck, Klaus Hagemann, Christel Humme, Dr. Uwe Küster, Ute Kumpf,
Lothar Mark, René Röspel, Dr. Ernst Dieter Rossmann, Renate Schmidt (Nürnberg),
Heinz Schmitt (Landau), Swen Schulz (Spandau), Thomas Oppermann,
Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Qualitätssicherung im Wissenschaftssystem durch eine differenzierte
Gleichstellungspolitik vorantreiben

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die kontinuierlichen Bemühungen von Bund und Ländern sowie der Hochschu-
len und Wissenschaftsorganisationen haben in den zurückliegenden Jahrzehnten
zu einer anwachsenden Teilhabe von Frauen an den verschiedenen akademi-
schen Qualifikationsstufen geführt. Wie die jährlichen Statistiken der ehema-
ligen Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung
(BLK) und der jetzigen Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) zeigen,
führten die bisherigen Anstrengungen zu messbaren quantitativen Erfolgen.

Erfreulicherweise kann attestiert werden, dass heute Frauen und Männer unter
den Hochschulabsolvierenden gleich stark vertreten sind. Doch trotz der Steige-
rung des Frauenanteils an den Studierenden insgesamt, bleiben Frauen innerhalb
der wissenschaftlichen Karriere, insbesondere bei den Leitungspositionen in
Hochschulen und außerhochschulischen Einrichtungen, unterpräsentiert. Die
BLK kommt in ihrer statistischen Auswertung zu folgenden Ergebnissen: Im
Jahr 2005 lag der Frauenanteil an allen Professuren bei 14,2 Prozent. Bei den
C4/W3 Professuren betrug der Anteil 10 Prozent. Des Weiteren waren an den
Positionen in Hochschulleitungen im Jahr 2006 Frauen mit 15,9 Prozent betei-

ligt. Diese Zahlen sind unbefriedigend und Deutschland ist damit eines der
Schlusslichter in Fragen der Gleichstellung im Wissenschaftssystem in Europa.

In der aktuellen Diskussion zu Fragen der Chancengleichheit von Frauen und
Männern im Wissenschaftssystem ist es daher unstrittig, dass in dieser wichtigen
Zukunftsfrage – trotz der seit langem bestehenden gesetzlichen Regelungen –
weiterhin Handlungsbedarf besteht. Es ist in diesem Zusammenhang von einem
Umsetzungsproblem und nicht von einem Erkenntnisproblem zu sprechen, da

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Deutschland über eine kontinuierliche Datensammlung verfügt und diese um-
fassend und eindeutig ist. Die bundesweite, detaillierte, geschlechtsspezifische
Datenerhebung muss im Bereich Wissenschaft und Forschung in der GWK fort-
geführt werden, um jeweils über aktuelles Zahlenmaterial zu verfügen und die
Entwicklung der Chancengleichheit in diesem Arbeitsfeld mittel- und langfristig
nachvollziehen zu können. Diese Erhebungen bieten die Grundlage für die Ana-
lyse der Marginalisierung von Wissenschaftlerinnen und für die daraus folgende
Entwicklung von adäquaten Förderinstrumenten.

Auch die in der Anhörung des Ausschusses für Bildung und Forschung und
Technikfolgenabschätzung des Deutschen Bundestages anwesenden Expertin-
nen und Experten, welche am 18. Februar 2008 das Thema „Frauen in der Wis-
senschaft und Gender in der Forschung“ erörterten, bestätigten einerseits die
positiven Veränderungen in Fragen der Gleichstellung in den zurückliegenden
Jahrzehnten. Andererseits stellten aber die Sachverständigen in aller Deutlich-
keit dar, dass alle bereits implementierten Maßnahmen ergänzungsbedürftig
sind und weiterhin spezifischer Handlungsbedarf besteht. Des Weiteren wurde
in diesem Zusammenhang angeführt, dass der Bund – trotz eingeschränkter Ge-
staltungsmöglichkeiten durch die Neugliederung der Zuständigkeiten zwischen
Bund und Ländern im Rahmen der Föderalismusreform I – seine Verpflichtung
in diesem Themenfeld aktiv wahrnimmt und als wichtiger Impulsgeber fungiert.
Wie weiterhin in der Anhörung geäußert wurde, kommen dem Bund auch zu-
künftig wichtige Aufgaben im Bereich der Gleichstellungspolitik zu. Gleichstel-
lung ist in diesem Zusammenhang als strategische Aufgabe zu begreifen, denn
nur durch das weitere kontinuierliche Engagement des Bundes, der Bundeslän-
der, der Wissenschaftsorganisationen und der Hochschulen können die Heraus-
forderungen im Bereich der Gleichstellung im Wissenschaftssystem entschei-
dend vorangebracht werden. Wir können es uns nicht leisten, das Potential von
nahezu der Hälfte der Bevölkerung für wissenschaftliche Spitzenpositionen
nicht zu nutzen. Der Deutsche Bundestag sieht deshalb die Förderung des weib-
lichen Nachwuchses in Wissenschaft und Forschung als eine fortwährende Auf-
gabe an, nicht zuletzt deshalb, weil es sich dabei um einen wichtigen Wettbe-
werbs- und Standortfaktor handelt.

Bei der Suche nach Faktoren, die zur Unterrepräsentanz von Frauen in der Wis-
senschaft führen und die nach sich ziehen, dass Wissenschaftlerinnen vielfach
nach der Promotion das Wissenschaftssystem verlassen (leaky pipeline), wurde
im Rahmen der Anhörung deutlich, dass diese vielfältig sind, da es sich oft um
eine Kombination von Hindernissen handelt, die sich gegenseitig verstärken
können. Dieser Befund zieht zwangsläufig die Einschätzung nach sich, dass
Gleichstellungsfragen differenziert analysiert und dementsprechend auch diffe-
renziert beantwortet werden müssen.

Als zentraler Ansatzpunkt wurde von den Expertinnen und Experten vielmehr
das fehlende Bewusstsein im Hinblick auf die Genderfrage in Beurteilungs-
und Berufungsgremien angeführt. Die Anonymisierung von Beurteilungsver-
fahren und der Einsatz von standardisierten Verfahren findet in Deutschland
kaum Anwendung. Vieles deutet darauf hin – wie auch nach Einschätzung von
Prof. Dr. Strohschneider (Wissenschaftsrat) –, dass formalisierte und transpa-
rente Verfahren der Personalrekrutierung die Gleichstellung von Wissenschaft-
lerinnen fördern. An diesem Mechanismus muss eine differenziert ausgerichtete
Gleichstellungspolitik primär ansetzen. Wichtig ist es auch – gerade als Zwi-
schenschritt bis zur flächendeckenden Umsetzung von anonymisierten Beurtei-
lungsverfahren –, zu einer ausgewogeneren Vertretung von Frauen und Männern
in wissenschaftlichen Entscheidungsgremien, Beurteilungspanels und Auswahl-
komitees zu kommen. Die Förderung von Gendertraining für Mitglieder von
Auswahlgremien stellt in diesem Zusammenhang eine weitere Voraussetzung

für die verbesserte Berücksichtigung von Gleichstellungsfragen dar. Des Weite-
ren spielen noch nicht abgebaute Rollenklischees, überwiegend männlich be-

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setzte Entscheidungsgremien und die unzureichende Unterstützung von Wissen-
schaftlerinnen durch Netzwerke der Karriereförderung eine wichtige Rolle in
der Frage, warum Frauen in Leitungspositionen im Wissenschaftssystem noch
immer deutlich unterrepräsentiert sind.

Zur Verringerung einer unausgewogenen Beteiligung von Frauen im Wissen-
schaftssystem ist neben strukturellen Maßnahmen auch weiterhin eine individu-
elle Karriereförderung von Frauen wesentlich, denn es ist heute unstrittig, dass
Förderung und Ermutigung in Bezug auf Gleichstellungsfragen hilft. Spezielle
unterstützende Initiativen für Wissenschaftlerinnen haben ihre Wirksamkeit
schon nachgewiesen. So hat sich auch das Instrument des Mentorings als über-
aus erfolgreiche Maßnahme erwiesen, um Frauen im Laufe ihres Karriereweges
zu unterstützen. Außerdem können Frauennetzwerke dazu beitragen, dass
Frauen in der Wissenschaft bleiben. Zusätzlich versprechen auch auf den ersten
Blick einfache Maßnahmen Erfolg; so ist es wichtig, Frauen zu ermuntern, sich
beispielsweise für Forschungsförderung und wissenschaftliche Preisverleihun-
gen vermehrt zu bewerben. Vor diesem Hintergrund begrüßt der Deutsche Bun-
destag das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) ange-
stoßene und mit den Ländern auf den Weg gebrachte Professorinnenprogramm
als zusätzlichen Anreiz für entsprechend qualifizierte Frauen zur Bewerbung auf
eine Professur.

Es kann bzw. es muss auch schon viel früher angesetzt werden, z. B. durch
unterstützende Maßnahmen, durch die Mädchen ermutigt werden, eine wis-
senschaftliche Laufbahn einzuschlagen und insbesondere naturwissenschaft-
lich-technische Berufe und Studiengänge aufzunehmen. Positiv ist in diesem
Zusammenhang die Initiative „Mehr Frauen in MINT-Berufen“ (MINT – Mathe-
matik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik) des BMBF hervorzuheben.

Zu den Bedingungen, die entscheidend zu einer Verbesserung der Vereinbarkeit
von Berufs- und Familienleben (Work-Life-Balance) beitragen, gehören z. B.
flexible Arbeitszeiten, Möglichkeiten einer Teilzeitbeschäftigung oder Tele-
arbeit sowie die Planung von Sitzungen in Kernzeiten, in denen Schulen und
Kindergarten geöffnet haben. Die Bereitstellung von Kinderbetreuungsmöglich-
keiten für die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen spielen ebenso eine entschei-
dende Rolle wie die Unterstützung von Wissenschaftlerinnen bei der Teilnahme
an Forschungsprojekten, Konferenzen oder Fortbildungsprogrammen.

Abschließend kann als ein Ergebnis der Expertenanhörung festgehalten werden,
dass die Notwendigkeit besteht, die Steigerung des Bewusstseins in der wissen-
schaftlichen Gemeinschaft im Hinblick auf die Frage der Chancengleichheit in
Wissenschaft und Forschung durch einen breiten Fächer von Maßnahmen zu
fördern. Es gibt im Wissenschaftssystem mannigfaltige Beispiele, die davon
zeugen, dass Gleichstellungsfragen ernst genommen werden. So ist die Offen-
sive für Chancengleichheit der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), der
Frauenhofer-Gesellschaft, der Helmholtz-Gemeinschaft, der Leibniz-Gemein-
schaft, der Max-Planck-Gesellschaft, des Wissenschaftsrates und der Hoch-
schulrektorenkonferenz – unterzeichnet im November 2006 – uneingeschränkt
zu begrüßen. Verbindliche Zielvereinbarungen und Selbstverpflichtungen zie-
hen dabei einen Rechtfertigungsdruck nach sich. Ein solcher Rechtfertigungs-
druck ist wirksamer, als von oben verordnete Regelungen, welche die Autono-
mie der Hochschulen und der Forschungseinrichtungen bei der Personalauswahl
einschränken. Um diese Zielsetzung nachhaltiger zu unterstützen, müssen posi-
tive Anreize in den Mittelpunkt der zukünftigen Anstrengungen gestellt werden.
Dabei setzt die Bundesregierung mit dem Professorinnenprogramm genau an
der richtigen Stelle an. Bei allen zukünftigen Maßnahmen sollte darüber hinaus
darauf geachtet werden, Anreizsysteme in den Mittelpunkt der Anstrengungen

zu stellen. Finanzwirksame Sanktionsmöglichkeiten bei Nichteinhaltung von
Zielvereinbarungen können dabei nicht ausgeschlossen werden.

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Um die Potenziale von Frauen im Bereich Wissenschaft und Forschung besser
nutzen zu können – eine Verschwendung dieser Potenziale kann sich unser Land
nicht länger leisten –, sind konkrete und zielgenaue Maßnahmen bei der Fortset-
zung des Paktes für Forschung und Innovation, der Exzellenzinitiative und des
Hochschulpaktes 2020 notwendig. Die Exzellenzinitiative hat in den zurücklie-
genden Jahren eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung der Chancen-
gleichheitspolitik gespielt. Diese Initiative könnte beispielsweise so weiterent-
wickelt werden, dass Gleichstellungskonzepte bereits bei der Einreichung von
Anträgen verbindlich verankert werden müssen.

Des Weiteren muss der Bereich Genderforschung stärker in den Mittelpunkt zu-
künftiger Förderungen gerückt werden, da dieser Forschungsbereich als wich-
tiger Standortfaktor im internationalen Wettbewerb einzustufen ist. Der Bund
und die Bundesländer sind in diesem Zusammenhang als wichtige Impulsgeber
gefragt, um beispielsweise durch wettbewerbliche Anreize oder durch die Be-
reitstellung von Forschungsmitteln für den Bereich „Gender Studies“ in unter-
schiedlichen Forschungsfeldern zu wirken.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass,

– das BMBF eine gemeinsame Initiative von Bund, Verbänden, Unternehmen,
Forschungseinrichtungen, der BA, Hochschulen, Medien und den Ländern
zur verstärkten Gewinnung von Frauen für naturwissenschaftlich-technische
Berufe, insbesondere für den Ingenieurberuf, plant,

– in dem von den Regierungschefs von Bund und Ländern auf Vorschlag der
BLK verabschiedeten Pakt für Forschung und Innovation und der Exzellenz-
initiative verstärkte Maßnahmen zur Förderung von Frauen in der Wissen-
schaft und Forschung festgeschrieben wurden,

– mit dem Professorinnenprogramm 200 Professuren für Frauen für eine Lauf-
zeit von fünf Jahren je zur Hälfte durch Bund und Länder gefördert werden,

– das BMBF die Fördermaßnahme „Selbständige BMBF-Forschungsnach-
wuchsgruppen in den Naturwissenschaften“ ausgeschrieben hat,

– dass Auszubildende mit Kindern demnächst einen Kinderbetreuungszu-
schlag zum BAföG-Bedarfssatz erhalten,

– mit der Änderung arbeitsrechtlicher Vorschriften in der Wissenschaft Hoch-
schulen die Möglichkeit erhalten, mit Müttern und Vätern, die im Rahmen ih-
rer wissenschaftlichen Qualifikation in einem Beschäftigungsverhältnis an
einer Hochschule stehen und in dieser Zeit Kinder unter 18 Jahren betreuen,
eine Verlängerung der Befristungszeit um zwei Jahre pro Kind zu vereinba-
ren,

– mit dem Investitionsprogramm „Zukunft Bildung und Betreuung“ (IZBB)
sowie dem Ausbau der Kinderbetreuung weitere wichtige Voraussetzungen
für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen werden,

– die Bundesregierung mit den deutschen Forschungseinrichtungen und Wis-
senschaftsorganisationen sowie der Hochschulrektorenkonferenz und dem
Wissenschaftsrat eine „Offensive für Chancengleichheit von Wissenschaft-
lerinnen und Wissenschaftlern“ vereinbart hat, in deren Rahmen von den teil-
nehmenden Einrichtungen neben konkreten Maßnahmen zur Frauenförde-
rung auch solche der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zugesagt wurden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/9756

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

in Zusammenarbeit mit den Ländern, Hochschulen und Wissenschaftsorganisa-
tionen,

1. zukünftig einen deutlichen Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Erhöhung des
Anteils an Frauen in Spitzenpositionen der Hochschulen und außeruniver-
sitären Forschungseinrichtungen zu legen und den Anteil der Frauen bei
Professuren und sonstigen Spitzenfunktionen – wie beim Professorinnen-
programm – auszubauen und weiterzuentwickeln. Darüber hinaus Förderpro-
gramme zur Steigerung des Frauenanteils auch beispielsweise im Rahmen
der Juniorprofessur, des Lecturer-Programms und der Wiedereinstiegspro-
gramme für Wissenschaftlerinnen in die Forschung zu entwickeln;

2. Forschungs- und Institutionsförderung an verbindliche Zielvereinbarungen
zur Gleichstellung zu knüpfen. Gleichstellungspolitische Ziele müssen so-
wohl Eingang in die hochschulinterne Mittelverteilung finden als auch
Gegenstand von Zielvereinbarungen mit den Fachbereichen sein. Die Länder
bzw. die Hochschulen und Forschungseinrichtungen werden angehalten,
Zielvereinbarungen in Form von systematischen und spezifischen Zielwerten
für die einzelnen Fächer bzw. Fächergruppen zu definieren, Fördermittel
nach einem positiven Anreizsystem zu vergeben und bei öffentlichen Förder-
programmen Gleichstellungsziele zu berücksichtigen. Sollten verbindliche
Zielvereinbarungen in absehbarer Zeit nicht erreicht werden, müssen auch
finanzwirksame Sanktionsmöglichkeiten ernsthaft in Betracht gezogen wer-
den. In diesem Zusammenhang werden die Länder aufgefordert zu prüfen,
inwieweit auf Basis des Kaskadenmodells auf jeder Qualifikationsstufe
Geschlechterausgewogenheit erreicht werden kann;

3. darauf hinzuwirken, dass alle einer Beurteilung zugrundeliegenden Kriterien
verbindlich vereinbart, offengelegt und auf ihre Geschlechtergebundenheit
hin überprüft werden und dass Frauen stärker an Begutachtungs- und
Rekrutierungsverfahren beteiligt werden sowie darauf hinzuwirken, dass in
Bewertungsprozessen die Urheberschaft nach dem „double-blind-Verfahren“
– wo möglich und sinnvoll – anonymisiert wird;

4. darauf hinzuwirken, dass für den wissenschaftlichen Nachwuchs frühzeitig
klare Lebensperspektiven durch ausreichend verlässliche wissenschaftliche
Karrierelaufbahnen geschaffen werden und dass auch die hierfür erforder-
lichen tarifvertraglichen Voraussetzungen geschaffen werden;

5. bei Studienbeihilfen, Bewerbungsbedingungen sowie der Vergabe von Sti-
pendien – wo notwendig – noch weitergehende Ausnahmen von bestehenden
Altersgrenzen vorzusehen, wenn sich die Karriere aufgrund von veränderten
Lebenssituationen verschoben hat;

6. durch geeignete Maßnahmen die Teilnahme von Müttern und Vätern an Kon-
ferenzen und Fortbildungsseminaren zu erleichtern;

7. im Hinblick auf die Vereinbarkeit von Elternschaft und Karriere die Beschäf-
tigungsbedingungen (flexible Arbeitszeiten, gute und flexible Betreuungs-
möglichkeiten) an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen so zu ge-
stalten, dass diese im Wettbewerb mit Unternehmen und der öffentlichen
Verwaltung konkurrenzfähig sind;

8. Methoden und Instrumente zu entwickeln, die auf die aktive Ansprache und
Ermutigung von Frauen abzielen, damit junge Wissenschafterinnen ange-
spornt werden, Forschungsförderungsanträge gegebenenfalls auch wieder-
holt einzureichen sowie sich vermehrt für Weiterbildungen und Preisverlei-
hungen zu bewerben. Hilfreich wären auch Zusätze bei Ausschreibungen von

Stellenanzeigen, mit denen Wissenschaftlerinnen besonders aufgefordert
werden, sich zu bewerben;

Drucksache 16/9756 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

9. die Bildung von Botschafterinnennetzwerken und „Empowerment-Aktivi-
täten“ zu unterstützen, die sich aus Repräsentantinnen der Industrie, der
Hochschulen und Forschungseinrichtungen zusammensetzen und der Auf-
gabe nachgehen, die Sichtbarkeit von Frauen in Führungspositionen von
Unternehmen und Forschungseinrichtungen deutlich zu verbessern sowie
Coaching- und Mentoring-Programme für Frauen in der Wissenschaft wei-
terzuentwickeln;

10. Initiativen auch gemeinsam mit den Ländern weiterzuentwickeln, damit
Frauen zukünftig wesentlich stärker in Fächergruppen mit bislang unter-
durchschnittlichem Frauenanteil vertreten sein werden. Dazu sollen z. B.
bereits für das Schulalter ausgerichtete Initiativen weiterentwickelt werden.
Ferner müssen verstärkt Mädchen, insbesondere auch junge Frauen mit Mi-
grationshintergrund, für eine wissenschaftliche Laufbahn motiviert werden;

11. mit geeigneten Maßnahmen das Gründungsklima für Frauen weiter zu ver-
bessern. Mit der Initiative des BMBF „Power für Gründerinnen“ werden
bereits Projekte zur Steigerung des Frauenanteils bei Ausgründungen aus
Hochschulen und Forschungseinrichtungen gefördert. Maßnahmen und
Projekte sollen sich dabei aber nicht nur auf technologieorientierte Grün-
dungen beschränken;

12. bei allen Maßnahmen zur Förderung der Geschlechtergerechtigkeit in Wis-
senschaft und Forschung, an denen die Bundesregierung beteiligt ist, eine
regelmäßige Evaluierung in Hinblick auf Zielvorgaben vorzunehmen und
den Ausbau von flächendeckendem Gleichstellungscontrolling und wett-
bewerbsorientierten Rankings im deutschen und europäischen Rahmen zu
unterstützen, damit eine bessere Vergleichbarkeit möglich ist;

13. Aspekte der Genderforschung bei relevanten Programmausschreibungen in
das Forschungsdesign zu integrieren. Diese Vorgehensweise sollte auch im
Rahmen der Ressortforschung des Bundes wie auch in den vom Bund ge-
förderten Bereichen der außeruniversitären Forschung und in Bezug auf die
DFG-Mittelvergabe Anwendung finden;

14. darauf hinzuwirken, dass im Rahmen der Umstrukturierungen der Curricula
an den Hochschulen in Folge des Bologna-Prozesses Erkenntnisse aus dem
Bereich der Genderforschung integriert werden;

15. im Rahmen der Berichterstattung über die Förderung des wissenschaft-
lichen Nachwuchses in Deutschland regelmäßig gezielt auch über Stand
und Perspektiven der Förderung von Nachwuchswissenschaftlerinnen zu
informieren.

Berlin, den 25. Juni 2008

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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