BT-Drucksache 16/9707

Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage "Stand der Debatte um die Entwicklung eines Deutschen Qualifikationsrahmens" sowie weitere Fragen

Vom 20. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9707
16. Wahlperiode 20. 06. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Volker Schneider (Saarbrücken)
und der Fraktion DIE LINKE.

Nachfrage zur Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage
„Stand der Debatte um die Entwicklung eines Deutschen Qualifikationsrahmens“
sowie weitere Fragen

In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE. zum „Stand
der Debatte um die Entwicklung eines Deutschen Qualifikationsrahmens“
(DQR) (Bundestagsdrucksache 16/9514) sind mehr Fragen aufgeworfen als
beantwortet worden. So ist unklar, wie Vertreterinnen und Vertreter der Bundes-
regierung einige der in Frage 1 der Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache
16/9232) aufgeführten Begriffe verwenden können, ohne diese Begriffe selbst
definiert oder inhaltlich gefüllt zu haben, wie sich aus der Antwort auf die Frage
1 der Kleinen Anfrage „Stand der Debatte um die Entwicklung eines Deutschen
Qualifikationsrahmens“ (Bundestagsdrucksache16/9514) ergibt. So hat der
Parlamentarische Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und
Forschung, Andreas Storm (MdB), am 21. Mai 2008 den Begriff „Learning Out-
come“ wie folgt beschrieben: „Der entscheidende Ansatz des Europäischen
Qualifikationsrahmens (EQR) ist dabei eine konsequente Orientierung an Lern-
ergebnissen und erworbenen Kompetenzen, also am so genannten „Learning
Outcome“. Es soll darauf ankommen, was jemand kann – und nicht wo und wie
lange er welche Bildungseinrichtung besucht hat. Dies ermöglicht weitaus ge-
rechtere Einstufungen von Qualifikationen und Kompetenzen als bislang […]“
(FORUM – Das Wirtschaftsmagazin Ostbrandenburg; http://www.wirtschafts-
magazin-ostbrandenburg.de/content/artikel/911.html). Für den Deutschen Qua-
lifikationsrahmen führt der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm
dann weiter aus: „[…] innerhalb des deutschen Qualifikationssystems zu mehr
Transparenz und Vergleichbarkeit von unterschiedlichen Bildungsabschlüssen
zu führen sowie eine tatsächliche Anerkennung von Qualifikationen und Lern-
ergebnissen über die Bildungsbereiche hinweg zu erleichtern“ (ebd.). Ohne eine
konkrete Definition der Begriffe „Lernergebnisse“ und „Kompetenzen“ kann
der Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm den Begriff des „Learning
Outcome“ jedoch nicht definiert haben. Gleichwohl hat der Parlamentarische
Staatssekretär Andreas Storm die Frage 1 der Kleinen Anfrage (Bundestags-
drucksache 16/9514) dahingehend beantwortet, dass der Arbeitskreis „Deut-
scher Qualifikationsrahmen“ gerade erst dabei sei, diese Begriffe zu definieren.

Er benutzt also nicht definierte Begriffe. Dabei verfehlt die Antwort sowieso die
eigentliche Frage, da die Bundesregierung nach ihrer Definition dieser Begriffe
gefragt worden war und nicht nach der Definition des Arbeitskreises „Deutscher
Qualifikationsrahmen“.

Auch die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Anette Schavan
(CDU), hat am 5. März 2008 anlässlich der Bund-Länder Konferenz „Der
Deutsche Qualifikationsrahmen für Lebenslanges Lernen – Erwartungen und

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Herausforderungen“ ebenfalls einige der genannten Begriffe verwendet (http://
www.bmbf.de/pub/mr_20080305.pdf): „Wir müssen Lernergebnisse bildungs-
bereichsübergreifend erfassen, um auf dieser Grundlage eine praktische Akzep-
tanz von Qualifikationen zu erreichen. Es geht nicht darum, was auf einem Ab-
schluss draufsteht, sondern was drin steckt; es geht nicht darum, was man mit
einem Abschluss ist, sondern was man kann bzw. können sollte! Das meint
Transparenz.“ Und weiter führte die Bundesministerin für Bildung und For-
schung, Dr. Anette Schavan, aus: „Durchlässigkeit muss durch die Anerkennung
von Ausbildungsleistungen und Lerninhalten über Bildungsbereiche hinweg zu
neuen Bildungsbiografien führen – von der Anerkennung informellen Lernens
Benachteiligter bis zum Teilzeitstudium neben dem Beruf.“ Offen bleibt, welche
Bedeutung den Aussagen der Bundesministerin für Bildung und Forschung,
Dr. Anette Schavan, zugemessen werden kann, wenn die Bundesregierung aus-
weislich der Antwort auf die Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 16/9514)
die Begriffe „Lernergebnisse“ und „Qualifikationen“ nicht definiert hat.

In der Antwort auf die Frage 2 der Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache
16/9514) schildert die Bundesregierung nicht, wie aufgefordert, die weiteren
Schritte zur Erarbeitung des DQR, sondern führt lediglich Beschlüsse und
Angaben der Vergangenheit auf. Damit bleibt sie weit hinter dem zum Zeitpunkt
der Einreichung der Kleinen Anfrage bereits veröffentlichtem Stand zum wei-
teren Vorgehen zurück. So hatte die Bundesvereinigung der Deutschen
Arbeitgeberverbände (BDA) bereits am 4. März 2008 einen Zeitplan angegeben,
der offensichtlich im Arbeitskreis „Deutscher Qualifikationsrahmen“ ausge-
arbeitet worden ist: „März 2008 bis Dezember 2008: Festlegung der Lernergeb-
nisse für die einzelnen Niveaustufen (Deskriptoren), Zuordnung der Abschlüsse
zu den Niveaustufen – 2009: Erprobung des Modells, eventuell Korrekturen;
Beschlussfassung – 2010 bis 2012: Umsetzung des DQR, Kopplung an den
EQR“ (http://www.fhw-berlin.de/fileadmin/downloads_internet/ba/BLK-Pro-
jekt/8_BLK-Tagung_2008-03-04_BDA_NQR.pdf). Auch das Bundesinstitut
Berufliche Bildung (BIBB) belegt, dass zu den weiteren Schritten bereits vor der
Beantwortung der Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache 16/9514) durch die
Bundesregierung recht klare Vorstellungen vorlagen: „Phase 2 (bis Ende 2008)
Erarbeitung eines Modells für den DQR mit Beschreibung der Lernergebnisse
für die einzelnen Niveaustufen (Deskriptoren); Zuordnung bestehender Ab-
schlüsse zu den Niveaustufen des DQR – Phase 3 (bis Ende 2009) Erprobung/
Justierung des Modells und Beschlussfassung über den DQR – Phase 4 (bis
Ende 2012) Implementation des DQR“ (http://www.bibb.de/dokumente/pdf/
12pr_diadcta2008_1.pdf). Die beiden getrennt voneinander angegebenen
weiteren Schritte zur Erarbeitung eines DQR sind faktisch identisch. Wieso der
Parlamentarische Staatssekretär Andreas Storm in der Antwort auf die Frage
„Welche weiteren Schritte … geplant sind“ lediglich vergangene Ereignisse auf-
zählt ist vor diesem Hintergrund vollkommen unverständlich. Auch die Frage 4
hätte unter Berücksichtigung der bereits veröffentlichten groben Zeitplanung
klarer beantwortet werden können.

Insgesamt erweckt die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage den
Eindruck, dass bei der Ausarbeitung eines so wichtigen europäischen Rahmen-
werkes wie den Nationalen Qualifikationsrahmen in der Bundesrepublik
Deutschland die Öffentlichkeit durch unzureichende Informationen von der
demokratischen Meinungsfindung ausgeschlossen werden soll. Der Eindruck
wird verstärkt durch inoffiziell vielfach mitgeteilte Beschwerden und Unzufrie-
denheit der am Arbeitskreis beteiligten Organisationen und Institutionen, dass
sie nur sehr begrenzte Einwirkungsmöglichkeiten, aber keine gleichberechtigten
Mitwirkungsrechte bei der Ausarbeitung genießen. Um Fakten zu bekommen,
die diesen Eindruck untermauern oder widerlegen, ergeben sich einige Fragen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9707

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchem Rahmen erarbeitet die Bundesregierung die Definition der in
der Frage 1 der Kleinen Anfrage „Stand der Debatte um die Entwicklung
eines Deutschen Qualifikationsrahmens“ (Bundestagsdrucksache 16/9514)
genannten Begriffe?

2. Verwenden die Vertreterinnen und Vertreter der Bundesregierung die in den
obigen Zitaten genannten Begriffe, obwohl diese nicht definiert sind?

Welche Information wird dann mit den Sätzen vermittelt, wenn diese auf
unklaren Begriffen beruhen?

3. Geht die Bundesregierung davon aus, dass Grundlage einer konstruktiven
und gemeinsamen Arbeit die Verwendung unklarer Begriffe sein kann, und
wie glaubt sie in diesem Fall sich mit den anderen Gruppen innerhalb des
Arbeitskreises austauschen zu können, wenn sie offensichtlich inhaltsleere
bzw. nicht definierte Begriffe verwendet?

4. Wir fragen die Bundesregierung erneut, wie definiert sie selbst – nicht der
Arbeitskreis DQR oder die Bund-Länder-Koordinierungsgruppe – die in
Frage 1 der Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache 16/9514) genannten
Begriffe?

5. Was versteht die Bundesregierung jeweils unter den in den obigen Zitaten
verwendeten Begriffen
a) Learning Outcome,
b) Lernergebnisse,
c) erworbene Kompetenzen,
d) Qualifikationen,
e) Kompetenzen,
f) gerechtere Einstufung,
g) Lerninhalte sowie
h) Ausbildungsleistungen?

6. Kann die Bundesregierung den oben zitierten Zeitplan bestätigen?

Wenn ja, wieso hat sie diesen nicht in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage
zum „Stand der Debatte um die Entwicklung eines Deutschen Qualifika-
tionsrahmens“ mitgeteilt?

Wenn nein, würde die Bundesregierung die oben genannten Zeitpläne als
erfunden bzw. falsch bezeichnen, und wenn ja, in welchen Punkten?

7. Welche weiteren (zukünftigen) Treffen des Arbeitskreises zum Deutschen
Qualifikationsrahmen, des DQR-Büros sowie der Bund-Länder-Koor-
dinierungsgruppe sind bereits vereinbart, und welche Entscheidungen bzw.
Beratungen sind für diese Treffen jeweils festgelegt?

8. Wie sieht die weitere Planung (also in der Zukunft liegende Schritte, Maß-
nahmen, Treffen u. Ä.) zur Erarbeitung des DQR aus?

9. Kann die Bundesregierung bestätigen, dass am 10. Juni 2008 ein Treffen
des Arbeitskreises zum Deutschen Qualifikationsrahmens stattfindet (re-
spektive stattgefunden hat), welches bereits bei Einreichung der Kleinen
Anfrage zum „Stand der Debatte um die Entwicklung eines Deutschen Qua-
lifikationsrahmens“ am 19. Mai 2008 terminiert war, und wieso hat sie die-
ses Treffen in der Antwort auf Frage 2 der Kleinen Anfrage (Bundestags-
drucksache 16/9514) nicht benannt?

10. Haben die Treffen des Arbeitskreises zum DQR einen so vertraulichen Cha-
rakter, dass selbst die Termine der Geheimhaltung unterliegen?
Wenn nein, wieso beantwortet die Bundesregierung entsprechende Anfra-
gen nicht?

Drucksache 16/9707 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
11. Warum ist die Öffentlichkeit von den (Zwischen-)Ergebnissen und
Beschlüssen der Beratungsrunden (sowohl des Arbeitskreises als auch der
Arbeitsgruppe) ausgeschlossen?

Warum werden diese unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgehalten?

12. Können die Protokolle der Sitzungen des Arbeitskreises zum DQR einge-
sehen werden, und wenn ja, wann, wie, und wo?

Wenn nein, wieso unterliegen diese die Allgemeinheit betreffenden Be-
ratungen der Geheimhaltung/Vertraulichkeit?

13. Geht die Bundesregierung davon aus, das diese Informationspolitik einer
demokratischen Kontrolle und Mitwirkung gerecht wird und das Vertrauen
der Bürgerinnen und Bürger in die Bundesregierung und die Europäische
Union stärkt?

14. Was versteht die Bundesregierung genau unter der in den Antworten zu den
Fragen 7a und 7b der Kleinen Anfrage (Bundestagsdrucksache 16/9514)
getroffenen Aussage, dass die Sozialpartner „in die Erarbeitung des DQR
gleichberechtigt einbezogen“ sind?

Was versteht die Bundesregierung unter dem Begriff „gleichberechtigt“?

15. Nach welchem Prinzip findet die Meinungsfindung im Arbeitskreis zum
DQR statt?

Wenn Mehrheitsentscheidungen das Prinzip der Meinungsfindung darstel-
len, welche Mehrheiten begründen einen Beschluss, und wie sind die
Stimmrechte auf wen verteilt?

Wenn die Entscheidungen im Konsensverfahren getroffen werden, wer ist
in den Konsens eingebunden und bedeutet dies tatsächlich, dass bei einer
„Ablehnung“ eines Ergebnisses durch einen der Stimmberechtigten die
Vorlage abgelehnt wird?

16. Welche Arbeiten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit sind bisher vom
DQR-Büro erstellt worden?

17. Was versteht die Bundesregierung unter der Aufgabe „Vorbereitung und
Erschließung DQR-relevanter bildungsbereichsübergreifender Themen-
felder“ die dem DQR-Büro zufällt?

18. Was versteht die Bundesregierung unter „inhaltliche Begleitung der Bund-
Länder-Koordinierungsgruppe und des Arbeitskreises „Deutscher Quali-
fikationsrahmen“ als weitere angegebene Aufgabe des DQR-Büros?

19. Wie ist es zu verstehen, dass das ursprüngliche Verfahren eingestellt wurde,
da die Angebote „inhaltlich nicht den Anforderungen der Ausschreibung“
genügten, das Verfahren ohne öffentlichen Teilnahmewettbewerb aber er-
öffnet wurde, da „keine wirtschaftlichen Angebote abgegeben“ wurden?

20. Muss aus den Antworten zu den Fragen 13a sowie 14 in der Antwort auf die
Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 16/9514) davon ausgegangen wer-
den, dass der mit der Bietergemeinschaft um die BBJ Consult abgeschlos-
sene Vertrag ein inhaltlich passenderes Angebot zu geringeren Kosten be-
inhaltet als das im ersten Verfahren abgegebene Angebot der selben
Bietergemeinschaft (bitte erläutern)?

Berlin, den 19. Juni 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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