BT-Drucksache 16/9601

Rahmenbedingungen für Milchmarkt verbessern - Faire Erzeugerpreise für Milch unterstützen

Vom 18. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9601
16. Wahlperiode 18. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Ulrike Höfken, Cornelia Behm, Nicole Maisch, Hans-Josef Fell,
Winfried Hermann, Bettina Herlitzius, Peter Hettlich, Bärbel Höhn,
Dr. Anton Hofreiter, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Rahmenbedingungen für Milchmarkt verbessern –
Faire Erzeugerpreise für Milch unterstützen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit Jahren haben die Milchbauern mit Erzeugerpreisen zu kämpfen, die ihre
Kosten nur unzureichend decken und die geleistete Arbeit nicht adäquat entloh-
nen. Die Preissteigerungen im zweiten Halbjahr 2007 haben da nur kurz für eine
Entspannung gesorgt.

Ein Grund für diese Erzeugerpreisentwicklung ist die seit Jahren erhebliche
Milch-Überschusserzeugung durch agrarpolitische Vorgaben. Die europäische
Milchmenge lag aufgrund der politischen Beschlüsse immer bis zu 20 Prozent
über dem Bedarf. Ein Sachverhalt, den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und der Bund deutscher
Milchviehhalter e. V. (BDM) schon seit Jahren bemängeln. So hat die Quote
zwei wichtige Zielsetzungen – die Gewährleistung von angemessenen Erzeuger-
preisen und die Abmilderung des Strukturwandels in der Milchviehwirtschaft –
nie erreichen können. Ein weiterer Grund sind die oligopolen Strukturen im
deutschen Handel, die ihre Marktmacht ausspielen, um den Milchpreis ohne
Rücksicht auf die Erzeuger nach unten zu drücken. Auch für die Verbraucher,
Steuerzahler und Umwelt sind Überschusserzeugung und Druck auf die Qualität
und Betriebe nicht von Vorteil.

Die europäische Kommission setzt für die Zukunft auf eine weitere Deregulie-
rung des Milchmarktes. Dies wird den Strukturwandel weiter anheizen und das
Aus vor allem für die bäuerliche Milchproduktion in den Mittelgebirgs- und
Bergregionen bedeuten. Die im BDM organisierten Landwirte fordern daher zu
Recht die Beibehaltung einer vernünftigen Mengenregulierungspolitik. Inzwi-
schen organisieren sich die Bauern auf der europäischen Ebene mit dem Euro-
pean Milk Board, um ein politisches Umsteuern zu erreichen. Nur wenn Ange-
bot und Nachfrage aufeinander abgestimmt werden können, kann eine Weiter-

entwicklung der Märkte zu kostendeckenden fairen Preisen für alle Beteiligten
umgesetzt werden.

Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz,
Horst Seehofer, hat sich im Gegensatz zu den Koalitionsfraktionen der CDU/
CSU und SPD nach langem Zögern hinter die Milchbauern gestellt und warb um
Verständnis für die kleinen und mittleren Milchproduzenten, deren Zukunft ge-

Drucksache 16/9601 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

währleistet sein müsse. Horst Seehofer verkündete Ende Mai 2008, dass er sich
für eine bessere Bezahlung der Milchbauern einsetzen will. „Mein Appell ist,
dass wieder 40 Cent je Liter gezahlt werden, wie wir es schon einmal hatten“, so
Bundesminister Horst Seehofer. Er kündigte an, einen Milchgipfel einzuberufen
und im Rahmen der Gesundheitsüberprüfung der Agrarreform von 2003 einen
„Milchfonds“ aufzulegen. Nun muss Bundesminister Horst Seehofer seinen
Worten Ziel führende Taten folgen lassen und nicht nur andere Akteure, sei es
Handel oder EU-Kommission, in die Verantwortung nehmen. Er muss sich auf
europäischer Ebene für die Belange der Milchbauern einsetzen und gleichzeitig
seine nationalen Handlungsoptionen ergreifen. Die Bundesregierung muss ihre
Möglichkeiten zur Gestaltung der Rahmendbedingungen für diesen Markt nut-
zen und ein Maßnahmenpaket entwickeln, mit dem sie kurzfristige Mengen-
entlastungen auf dem Markt und langfristige Stabilität der Milchpreise auf kos-
tendeckendem Niveau schafft.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die von der europäischen Union beschlossene Milchquotenerhöhung von
2 Prozent zum 1. Juli 2008 in der nationalen Reserve zu belassen,

● die Molkerei-Saldierung auf nationaler Ebene auszusetzen und damit die
nationale Überproduktion von Milch zu stoppen,

● den Umrechnungsfaktor von derzeit 1,02 kg/l Milch auf 1,03 kg/l Milch und
damit auf europäisches Niveau anzuheben,

● gemeinsam mit den Milcherzeugern und der Molkereiwirtschaft ein flexibles
und am Markt orientiertes Milchmengensteuerungssystem zu entwickeln, das
kostendeckende Preise für die Landwirte ermöglicht, und sich auf nationaler
und europäischer Ebene für die Einführung dieses Systems einzusetzen,

● auf europäischer Ebene im Rahmen des Health Checks die Rücknahme der
Kommissionspläne zu jährlichen Milchmengenerhöhungen durchzusetzen
und im Gegenzug eine Milchpolitik einzufordern, die verbraucher- und
marktorientiert ist und gute Umwelt- und Qualitätsstandards gewährleistet,

● die im geplanten Milchfonds angedachten Maßnahmen zu konkretisieren und
ein Finanzierungskonzept vorzulegen,

● weitere Möglichkeiten wie z. B. im Kartellrecht zur Stärkung der Verhand-
lungsposition der landwirtschaftlichen Erzeuger auszuarbeiten und vorzu-
stellen.

Berlin, den 18. Juni 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Die Milchwirtschaft ist in vielen Mittelgebirgs- und Bergregionen die einzig
mögliche Form der Landwirtschaft. Zudem erbringt sie dort wichtige zusätz-
liche Leistungen für den Erhalt der Kulturlandschaft, die touristischen Attrak-
tivität und damit die regionalen Entwicklungsmöglichkeiten. Es ist eine Auf-
gabe der europäischen Agrarpolitik, diese Standorte zu sichern. Ein weiteres
Ziel muss sein, eine Milchproduktion mit hohen Qualitäts- und Umweltstan-
dards in ganz Europa zu gewährleisten. Die jetzt anstehende Gesundheitsüber-

prüfung der europäischen Agrarpolitik muss dazu genutzt werden, beide
Aspekte zu verankern.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9601

Mit ihrem Milchlieferstopp haben die Mitglieder des Bund Deutscher Milchbau-
ern e. V. (BDM), später unterstützt vom Deutschen Bauernverband, gezeigt,
dass die Milcherzeuger in Deutschland mit dem Rücken zur Wand stehen.
Während die Erzeugerpreise seit Januar dieses Jahres um 30 Prozent auf 27 bis
35 Cent gesunken sind, haben sich die Produktionskosten der Landwirte durch
steigende Energie-, Futter- und Betriebsmittelkosten um 20 Prozent erhöht. Ein
kostendeckendes Wirtschaften ist so nicht mehr möglich; viele Milchviehbe-
triebe haben keine Zukunftsperspektive, wenn die Milchpreise nicht endlich auf
einem fairen und kostendeckenden Niveau stabilisiert werden.

Auch die große Mehrheit der deutschen Bevölkerung versteht laut einer Forsa-
Umfrage (2. Juni 2008) die Situation der Bauern und würde mehr für den Liter
Milch zahlen, wenn das Geld tatsächlich bei den Landwirten ankommt und nicht
bei Handel und Molkereien versickert.

Die aktuellen massiven Erzeugerpreiseinbrüche sind durch die im März auf EU-
Agrarrat beschlossene Milchquotenerhöhung um 2 Prozent politisch verursacht.

Die Bundesregierung hat sich während des Milchstreiks mit den Zielen der
Landwirte solidarisch erklärt und ihnen Unterstützung bei der Durchsetzung
ihres Ziels, einem Milchpreis von mindestens 43 Cent pro Liter, zugesagt. Nun
muss sie geeignete Maßnahmen zur Stabilisierung der Erzeugerpreise auf
kostendeckendem Niveau umsetzen.

Mit der Aussetzung der Molkerei-Saldierung auf nationaler Ebene wird kurz-
fristig Milchmenge von etwa 3 Prozent vom Markt genommen. Durch eine Än-
derung des Umrechnungsfaktors verringert sich bei gleichbleibender Milch-
Quote die Produktion in Deutschland um 1 Prozent. Wenn die Quotenerhöhung
von 2 Prozent in der nationalen Reserve eingehalten wird, wird die Milchpro-
duktion nicht zusätzlich stimuliert. Alle drei Maßnahmen führen zu einer Markt-
entlastung und damit zu einer Wiederanhebung der Erzeugerpreise. Dies gibt die
nötige Zeit, um Vorschläge für marktgerechte Mengenanpassungsregularien zu
entwickeln.

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