BT-Drucksache 16/9586

Fortführung der Bilanz zur gesetzlichen Altfallregelung (Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 16/8998)

Vom 16. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9586
16. Wahlperiode 16 06. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Jan Korte, Petra Pau und der
Fraktion DIE LINKE.

Fortführung der Bilanz zur gesetzlichen Altfallregelung
(Nachfrage zu Bundestagsdrucksache 16/8998)

Im April fragte die Fraktion DIE LINKE. in einer Kleinen Anfrage (Bundes-
tagsdrucksache 16/8803) nach der Bilanz der gesetzlichen Altfallregelung, die
mit dem EU-Richtlinienumsetzungsgesetz eingeführt wurde (§ 104a und § 104b
des Aufenthaltsgesetzes – AufenthG). Viele der Fragen konnten nicht beant-
wortet werden, da nach Angaben der Bundesregierung nur wenige Bundeslän-
der ihre Daten übermittelt hätten (siehe Antworten zu den Fragen 2a bis 2d, 3a
bis 3g, 4a bis 4d, 5, 7, 8a bis 8d auf Bundestagsdrucksache 16/8998). Inzwi-
schen dürften diese Daten vorliegen. Unvollständige Zahlen wollte die Bundes-
regierung nicht veröffentlichen, um einer Fehlinterpretation vorzubeugen, wie
sie wortreich in einer eigenen Vorbemerkung darlegte. Die Bundesregierung
unterstrich dort auch die „uneinheitliche Verwaltungspraxis der Länder“. Ob
daraus die Schlussfolgerung zu ziehen ist, dass die Daten „nicht vergleichbar“
(ebd.) sind, sei dahingestellt; dies hieße ja auch, dass der Erfolg eines Antrags
auf Aufenthaltserlaubnis eben nicht nur in der Person des Antragstellers be-
gründet ist, sondern auch in der jeweiligen Behördenpraxis, m. a. W. komplett
identische „Einzelfälle“ in der einen Kommune ein Bleiberecht erhalten, in der
anderen nicht.

Dass die Zahlen von IMK-Regelung und gesetzlicher Regelung „stets zusam-
menzuführen“ seien, wie die Bundesregierung in ihrer Vorbemerkung in Bun-
destagsdrucksache 16/8998 fordert, will nicht recht einleuchten, gelten doch für
beide Regelungen verschiedene Stichtage, zu denen eine Mindestaufenthalts-
dauer der Antragsteller erreicht sein muss, und andere Unterschiede im Detail.
Zudem wurden von den politisch Verantwortlichen vor jeder der beiden Rege-
lungen Erwartungen hinsichtlich der Zahl der mutmaßlichen Profiteure der
jeweiligen Regelung geäußert, an denen diese konkret zu messen sind. So
bezog sich die von dem Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble,
geäußerte Einschätzung von „ungefähr 100 000 Menschen“, aber auch die von
Abgeordneten der Fraktion der SPD geäußerte Zahl von bis zu 60 000 mög-
lichen Bleiberechtsfällen (vgl. Vorbemerkung auf Bundestagsdrucksache
16/8803), eindeutig auf die gesetzliche Bleiberechtsregelung – und nicht etwa

auf eine Gesamtschau beider Regelungen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen haben bis zum 31. März 2008 eine Aufenthaltserlaubnis
nach § 104a oder § 104b AufenthG beantragt (bitte nach Bundesländern dif-
ferenzieren)?

Drucksache 16/9586 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

a) Wie viele Anträge hiervon betrafen oder waren Anträge, die bereits nach
der IMK-Regelung vom November 2006 gestellt wurden aber bis zum
Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung noch nicht entschieden waren
und deshalb nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen beurteilt
werden (bitte nach Bundesländern differenzieren)?

b) Wie viele Anträge wurden nach § 104b für „integrierte Kinder von gedul-
deten Ausländern“ gestellt (bitte nach Bundesländern differenzieren)?

c) Welches waren die zehn am häufigsten vertretenen Herkunftsländer der
Antragsteller und Antragstellerinnen (bitte nach Bundesländern differen-
zieren)?

d) Wie viele Einzelpersonen und wie viele Familienangehörige beantragten
eine Aufenthaltserlaubnis nach der gesetzlichen „Altfallregelung“?

(war: Fragen 2a bis 2b der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 16/8803)

2. Wie vielen Personen wurden bis zum 31. März 2008 Aufenthaltserlaubnisse
nach § 104a oder § 104b AufenthG erteilt (bitte nach Geschlecht, Alter – zu-
mindest: Voll- bzw. Minderjährigkeit –, Bundesländern und den zehn
häufigsten Herkunftsländern differenzieren)?

a) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 23 Abs. 1
Satz 1 in Verbindung mit § 104a Abs. 1 Satz 2 AufenthG erhalten, weil
der Lebensunterhalt durch Erwerbstätigkeit bereits gesichert war (bitte
nach Bundesländern differenzieren)?

b) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1
Satz 1 AufenthG („auf Probe“) erhalten, weil der Lebensunterhalt durch
Erwerbstätigkeit noch nicht gesichert war (bitte nach Bundesländern dif-
ferenzieren)?

c) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2
Satz 1 AufenthG als bei der Einreise noch minderjährige, inzwischen aber
volljährige Kinder erhalten (bitte nach Bundesländern differenzieren)?

d) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 2
Satz 2 AufenthG als unbegleitete Minderjährige erhalten (bitte nach Bun-
desländern differenzieren)?

e) Wie viele von ihnen haben eine Aufenthaltserlaubnis nach § 104b in Ver-
bindung mit § 23 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als Minderjährige unter der
Bedingung der Zusage einer Ausreise der Eltern erhalten (bitte nach
Bundesländern differenzieren)?

f) In welchen Bundesländern sind Integrationsvereinbarungen als Ertei-
lungsvoraussetzung vorgesehen, und was sind jeweils die Eckpunkte die-
ser Integrationsvereinbarungen?

g) In wie vielen Fällen wurden Aufenthaltserlaubnisse aufgrund von § 104a
Abs. 3 Satz 2 AufenthG aus Härtefallgründen erteilt, obwohl nach Satz 1
eigentlich eine Ablehnung wegen der Straffälligkeit eines Familienmit-
gliedes hätte erfolgen müssen (bitte nach Bundesländern differenzieren)?

(war: Fragen 3a bis 3g der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 16/8803)

3. Wie viele der in der Antwort zu Frage 1 benannten Anträge wurden bis zum
31. März 2008 abgelehnt, wie viele Personen/Familien waren betroffen
(bitte nach Bundesländern differenzieren)?

a) Welche genaueren Angaben zu den Gründen der Ablehnung liegen der

Bundesregierung vor, etwa zu den Nummern 1 bis 6 des § 104a Abs. 1
Satz 1 AufenthG (Wohnraum, Sprachkenntnisse, Schulbesuch der Kin-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9586

der, Täuschungen bzw. Behinderungen, Extremismus- bzw. Terrorismus-
verdacht, Straftaten; bitte nach Bundesländern differenzieren)?

b) Wie viele Anträge wurden insbesondere deshalb abgelehnt, weil davon
ausgegangen wurde, dass der Nachweis einer eigenständigen Lebens-
unterhaltssicherung auch nach Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis „auf
Probe“ nicht erreicht werden kann (alters-, krankheitsbedingt usw.; bitte
nach Bundesländern differenzieren)?

c) Wie viele Anträge wurden insbesondere deshalb abgelehnt, weil ein in
der häuslichen Gemeinschaft lebendes Familienmitglied Straftaten be-
gangen hat, und wie viele Personen waren betroffen (vgl. § 104a Abs. 3
Satz 1 AufenthG; bitte nach Bundesländern differenzieren)?

d) Wie viele Anträge wurden insbesondere deshalb abgelehnt, weil die ge-
forderten Aufenthaltszeiten nicht erfüllt waren (bitte nach Bundesländern
differenzieren)?

(war: Fragen 4a bis 4d der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 16/8803)

4. Wie viele der in der Antwort zu Frage 2 benannten Anträge wurden noch
nicht beschieden, und welche Gründe hierfür sind der Bundesregierung be-
kannt (bitte nach Bundesländern differenzieren)?

(war: Frage 5 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 16/8803)

5. Was sind aus Sicht der Bundesregierung die Gründe für die weit unterhalb
ihrer Erwartungen bleibenden Antrags- und Erteilungszahlen (siehe Vorbe-
merkung)?

Rechnet die Bundesregierung im Verlauf des Jahres noch mit bedeutend
höheren Zahlen, und wenn ja, aus welchen Gründen?

(war: Frage 7 der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 16/8803)

6. Ist die Bundesregierung angesichts der bislang weit unterhalb ihrer Erwar-
tungen bleibenden Zahlen beantragter bzw. erteilter Aufenthaltserlaubnisse
bereit, Änderungen und Lockerungen der gesetzlichen Vorschriften (§ 104a
und § 104b AufenthG) zu initiieren, insbesondere in Bezug auf

a) die geforderten langen Aufenthaltszeiten (sechs bzw. acht Jahre),

b) die Verankerung eines Ausschlussstichtages (d. h. dass es keine dauer-
hafte, „rollierende“ Regelung gibt),

c) das Erfordernis eines dauerhaften selbstständigen Lebensunterhalts,

d) die zahlreichen Ausschlusstatbestände, die zum Teil sehr streng oder aber
ungenau gefasst sind,

und wenn nein, warum jeweils nicht?

(war: Fragen 8a bis 8d der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache 16/8803)

7. Zu welchem Ergebnis ist die Bundesregierung in ihrer Analyse der Studie
„Expertise zur Umsetzung des IMK-Bleiberechtsbeschlusses vom 17. No-
vember 2006“ gekommen, nachdem sie sich intern abgestimmt hat (vgl.
Frage 12 auf Bundestagsdrucksache 16/8803)?

8. Kann die unter Frage 12a der Kleinen Anfrage auf Bundestagsdrucksache
16/8803 aufgeworfene Frage nach dem Stand und dem genauen Inhalt des in
dem Vorwort der genannten Studie angekündigten Sonderprogramms des
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zur Unterstützung der Arbeits-

marktintegration langjährig Geduldeter inzwischen beantwortet werden, und
warum war eine Beantwortung bisher nicht möglich?

Drucksache 16/9586 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
9. Liegt mittlerweile ein in der Bundesregierung abgestimmter Weisungsent-
wurf vor, um die Praxis der rechtswidrigen Vorenthaltung von Kindergeld
für Inhaber einer Aufenthaltserlaubnis nach § 104a Abs. 1 Satz 1 AufenthG
zu beenden, und wann wird die Weisung voraussichtlich in Kraft treten?

Berlin, den 10. Juni 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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