BT-Drucksache 16/9585

Bewertung der verbrecherischen deutschen Besatzungspolitik in Griechenland durch das Militärgeschichtliche Forschungsamt und die Bundesregierung

Vom 16. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9585
16. Wahlperiode 16. 06. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Heike Hänsel, Inge Höger, Petra Pau und der
Fraktion DIE LINKE.

Bewertung der verbrecherischen deutschen Besatzungspolitik in Griechenland
durch das Militärgeschichtliche Forschungsamt und die Bundesregierung

Das Militärgeschichtliche Forschungsamt der Bundeswehr (MGFA) hat einem
Pressebericht zufolge eine „Neubewertung der deutschen Besatzungsherr-
schaft“ in Griechenland vorgenommen (DIE WELT, 7. Mai 2008). Anlass hier-
für sei die jüngste Anfrage der Fragesteller zum Gebirgstruppentreffen in Mit-
tenwald (beantwortet unter Bundestagsdrucksache 16/9033).

Sowohl in Griechenland als auch in Albanien und Jugoslawien haben die Ge-
birgstruppen der Wehrmacht eine schier unendliche Kette von Kriegsverbre-
chen, Geiselerschießungen, Massenmorden, Deportationen, Zerstörungen Hun-
derter Dörfer und Verhungern- und Erfrierenlassen der Zivilbevölkerung zu
verantworten. Dies ist, so umfangreich wie nie zuvor, in der neuen Studie von
Hermann Frank Meyer („Blutiges Edelweiß“) belegt. Anstatt dessen Erkennt-
nisse zu würdigen, bestreitet die Bundesregierung weiterhin, dass von einer
verbrecherischen Geschichte der Gebirgstruppen gesprochen werden müsse
(vgl. die Antwort auf die Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE auf Bundes-
tagsdrucksache 16/9033). In dieser Haltung sehen die Fragesteller eine hoch-
problematische Renaissance der Legende von der „sauberen Wehrmacht“. His-
torikerinnen und Historiker, dazu gehören auch ehemalige Mitarbeiter des
MGFA, haben mit diesem Mythos schon längst aufgeräumt.

Dem Pressebericht zufolge besteht die angebliche „Neubewertung“ durch das
MGFA nun jedoch in der Behauptung, die griechischen Partisanen der links-
gerichteten ELAS/EAM hätten, wie es in einer Ausarbeitung des MGFA heiße,
„die schlimmsten Verbrechen“ begangen. Deutsche Verbrechen seien, schreibe
das MGFA, als „Teil eines fast unübersichtlichen Bürgerkrieges“ zu sehen. Das
MGFA beabsichtige, eine Dissertation zu veröffentlichen, die, so das dem
MGFA zugeschriebene Zitat, „gleichsam die andere Seite zum Buch von Her-
mann Meyer analysiert“. Bei der genannten Dissertation handelt es sich nach
Informationen der Fragesteller um diejenige des Dr. K. D. an der Berliner
Freien Universität. Dieser ist allerdings mit seiner Positionierung als „Gegen-
Meyer“ und der Aufrechnung von Naziverbrechen mit Vergehen griechischer
Partisanen keineswegs einverstanden, wie er in einem (den Fragestellern im

vollen Wortlaut vorliegenden) Leserbrief an die „DIE WELT“ zum Ausdruck
brachte.

Das MGFA hat es in den Jahrzehnten seiner Existenz nicht vermocht, eine Auf-
arbeitung der Verbrechen der 1. Gebirgsdivision vorzulegen. Umso mehr
müsste es – die Richtigkeit des „DIE WELT“-Artikels unterstellt – überraschen,
sollte es diese Verbrechen nun relativieren wollen.

Drucksache 16/9585 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Trifft es zu, dass das MGFA eine Ausarbeitung zum Themenkomplex der
Gebirgstruppen der Wehrmacht in Griechenland erstellt hat, und wenn ja,

a) von wem wurde die Ausarbeitung angefordert,

b) zu welchem Zeitpunkt wurde sie angefordert,

c) zu welchem Zweck wurde sie angefordert,

d) wann ist sie fertiggestellt worden,

e) von wem ist sie verfasst worden,

f) wie lautet der vollständige Wortlaut der Ausarbeitung (falls die Bundes-
regierung den vollständigen Wortlaut nicht mitteilen will, bitte die
Gründe hierfür benennen und eine Inhaltsangabe mitteilen)?

2. Inwiefern trifft es zu, dass das MGFA eine Neubewertung der deutschen Be-
satzungsherrschaft in Griechenland vornimmt?

3. Inwieweit wird dabei die terroristische Praxis von Geiselerschießungen und
Massenmorden „neu bewertet“?

4. Inwieweit teilt die Bundesregierung die Ausführungen des MGFA, und in-
wieweit lehnt sie diese ab?

5. Trifft es zu, dass die kaum zählbaren Kriegsverbrechen der Gebirgstruppen
in Griechenland mit den Worten bilanziert werden: „Es bleibt eine unrühm-
liche Liste von Übergriffen und brutalen Aktionen, an denen auch die Ge-
birgsjäger beteiligt gewesen sind“, und wenn ja,

a) inwiefern wird nach Ansicht der Bundesregierung die Einschätzung von
Massenmorden an der Zivilbevölkerung als (einzelne) „Übergriffe“ oder
„brutale Aktionen“ dem verbrecherischen Charakter der NS-Kriegfüh-
rung gerecht?

b) Verfügt das MGFA über eine Auflistung solcher Kriegsverbrechen (falls
ja, bitte wiedergeben)?

6. Trifft es zu, dass in der Ausarbeitung des MGFA die Kriegsverbrechen der
Gebirgstruppen als „Teil eines fast unübersichtlichen Bürgerkrieges, bei
dem die kommunistischen Andarten den Widerstand gegen die italienisch-
deutsche Besatzungsmacht gleichzeitig als Klassenkampf führten“, bezeich-
net werden, und wenn ja, inwiefern teilt die Bundesregierung diese Ein-
schätzung des verbrecherischen deutschen Angriffskrieges?

7. Trifft es zu, dass das MGFA die Dissertation von Dr. K. D. als „die andere
Seite zum Buch von Hermann Meyer“ einschätzt, und wenn ja, inwiefern
schließt sich die Bundesregierung dieser Einschätzung an?

8. Inwiefern berücksichtigt die Bundesregierung bei ihrer Einschätzung, dass
in den Worten von Dr. K. D. seine Dissertation „keineswegs im Sinne eines
makabren Clearings“ zu verstehen sei (Leserbrief an die „DIE WELT“-
Redaktion, der den Fragestellern vorliegt), sondern er zeige, dass die Wehr-
macht durch die Aufstellung von Kollaborationsverbänden den Bürgerkrieg
nach Kräften geschürt habe?

9. Trifft es zu, dass das MGFA davon ausgeht, „dass die schlimmsten Verbre-
chen von Griechen an den eigenen Landsleuten verübt worden sind“, und
wenn ja, inwiefern schließt sich die Bundesregierung dieser Relativierung
des deutschen Besatzungsterrors an?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9585

10. Welche Anstrengungen wird das MGFA unternehmen, um Verbrechen der
Gebirgstruppen zu erforschen?

11. Welche Schritte will das MGFA unternehmen, um die Aufklärung über die
verbrecherische Geschichte der Gebirgstruppen voranzubringen?

Treffen Informationen der Fragesteller zu, das MGFA plane eine gemein-
same Veranstaltung mit Hermann Frank Meyer, und wenn ja, welche Infor-
mationen kann die Bundesregierung hierzu erteilen?

Berlin, den 9. Juni 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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