BT-Drucksache 16/9474

Vertrag über die Beteiligung von Kapitalanlegern an den Verkehrs-, Logistik- und zugehörigen Dienstleistungsgesellschaften der Deutsche Bahn AG durch externen Sachverstand prüfen lassen

Vom 4. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9474
16. Wahlperiode 04. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Winfried Hermann, Dr. Anton Hofreiter
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Vertrag über die Beteiligung von Kapitalanlegern an den
Verkehrs-, Logistik- und zugehörigen Dienstleistungsgesellschaften
der Deutschen Bahn AG durch externen Sachverstand prüfen lassen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Fraktionen der CDU/CSU und SPD haben in ihrem Antrag auf Bundes-
tagsdrucksache 16/9070 in Nummer 4 festgelegt, dass der Beteiligungsvertrag
des Bundes mit der Deutschen Bahn AG (DB AG) vor Abschluss dem Aus-
schuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie dem Haushaltsausschuss
des Deutschen Bundestages vorzulegen ist.

Ein Entwurf des Beteiligungsvertrags wurde am Freitag, dem 30. Mai 2008
durch das zuständige Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwick-
lung dem Sekretariat des Ausschusses für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung
zugeleitet. Der Ausschuss wollte sich im Rahmen einer Selbstbefassung mit dem
Entwurf des Beteiligungsvertrags beschäftigen. Das Bundesministerium für
Verkehr, Bau und Stadtentwicklung hatte zwischenzeitlich Änderungen des Ver-
tragsentwurfs vorgeschlagen, über die sich die Koalitionsfraktionen der CDU/
CSU und SPD uneins zeigten. Die Änderungen betreffen die §§ 7, 8 und 10 des
vorliegenden Vertragsentwurfs, wonach die DB Mobility Logistics AG nicht nur
eine Mehrheitsbeteiligung an den ihr zugeordneten Eisenbahnverkehrsunterneh-
men, sondern eine 100-prozentige Beteiligung halten soll.

Zudem sind von verschiedener Seite schwerwiegende Einwände gegen den Be-
teiligungsvertrag erhoben worden:

Die §§ 2 und 3 enthalten nach Einschätzung von Kritikern Passagen, die dafür
sorgen könnten, dass die vollständig beim Bund bleibende DB AG im Grunde
für sämtliche Risiken der teilprivatisierten DB Mobility Logistics AG geradeste-
hen müsste. Die fraglichen Sätze betonen die weiterhin starke Rolle der DB AG,
ihre Führungsverantwortung im Gesamtkonzern und die Bündelung strategi-
scher Konzernleitungsfunktionen dort.

§ 5 regelt die Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge. Hier sehen

Kritiker die Gefahr, dass Gewinne des beim Bund verbleibenden Infrastruk-
turbereichs an die DB AG hochgereicht und dann für die teilprivatisierte DB
Mobility Logistics AG ausgegeben werden könnten. Umgekehrt sei dies nicht
der Fall. Hier besteht die Sorge, dass der Vertrag ein Gewinnabführungssystem
zulasten der öffentlichen Hand zementiert.

Drucksache 16/9474 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Die §§ 7 und 8 beschreiben die Satzung der DB AG und der DB Mobility Logis-
tics AG. Hier sind noch einmal die vorgesehenen Beteiligungsverhältnisse fest-
geschrieben. Kritiker betonen, dass hier nur die Bereiche Verkehr und Logistik,
nicht aber Serviceeinrichtungen wie Betriebswerkstätten genannt sind. Die
Frage sei, ob diese Einrichtungen dadurch vollständig privatisiert werden
dürfen.

§ 13 legt fest, dass der konzerninterne Arbeitsmarkt erhalten bleiben muss. Hier
gibt es Befürchtungen, dass die teilprivatisierte DB Mobility Logistics AG Ar-
beitskräfte in Bereiche verschiebt, die voll beim Bund bleiben. Davon würde
auch der private Investor profitieren, während auf den Bund zusätzliche Lasten
zukommen könnten. Gewerkschafter begrüßen den einheitlichen Arbeitsmarkt.
Sie betonen, dass in einem Bereich freigesetzte Mitarbeiter dadurch leichter in
anderen Teilen des Konzerns untergebracht werden können.

§ 18 regelt das Verfahren zur Weiterleitung des Privatisierungserlöses. Hier ist
keine konkrete Festlegung hinsichtlich der Aufteilung des Privatisierungserlöses
erfolgt, wie sie der Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD auf Bundes-
tagsdrucksache 16/9070 fordert. Es ist nicht ersichtlich, warum in diesem Ver-
tragswerk nicht die prozentuale Aufteilung der Privatisierungserlöse detailliert
aufgelistet ist.

Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass der Entwurf es der teilprivatisierten DB Mobi-
lity Logistics AG erlauben würde, Vermögenswerte zu verkaufen. So wäre es
danach theoretisch möglich, die Lokomotiven, Triebwagen und Waggons für
mehrere Milliarden Euro zu verkaufen und dann zurückzuleasen. Dann wäre viel
Geld in der Kasse, aber der Konzern stünde ohne eigene Flotte da. Der Aufwand
für das Leasing könnte mit höheren Ticketpreisen auf die Kunden abgewälzt
werden. Abhilfe schaffen könnte hier ein Passus, nach dem der Aufsichtsrat dem
Verkauf wesentlicher Vermögenswerte zustimmen muss.

Diese Kritikpunkte zeigen, dass der Beteiligungsvertrag erhebliche Risiken für
den Bund beinhaltet. Vor einer formellen Kenntnisnahme des Beteiligungs-
vertrags durch die Ausschüsse ist daher zwingend eine Sachverständigenan-
hörung erforderlich.

Vor der formalen Behandlung des Beteiligungsvertrags im Ausschuss soll eine
Sachverständigenanhörung durchgeführt werden, die auf die genannten Kritik-
punkte eingeht und in der insbesondere die Frage von Haftungs- und Haushalts-
risiken für den Bund aufgegriffen wird.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

den Beteiligungsvertrag in seiner endgültigen Fassung vorzulegen.

III. Der Deutsche Bundestag unterstreicht,

dass vor der formalen Behandlung des Beteiligungsvertrags im Ausschuss die
Durchführung einer Sachverständigenanhörung notwendig ist, die auf die ge-
nannten Kritikpunkte eingeht und in der insbesondere die Frage von Haftungs-
und Haushaltsrisiken für den Bund aufgegriffen wird.

Berlin, den 4. Juni 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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