BT-Drucksache 16/946

Fördergesetz für Dieselrußpartikelfilter baldmöglichst vorlegen

Vom 15. März 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/946
16. Wahlperiode 15. 03. 2006

Antrag
der Abgeordneten Winfried Hermann, Peter Hettlich, Dr. Anton Hofreiter,
Cornelia Behm, Hans Josef Fell, Katrin Göring-Eckardt, Bärbel Höhn, Ulrike
Höfken, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Reinhard Loske
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Fördergesetz für Dieselrußpartikelfilter baldmöglichst vorlegen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Seit langem belegen wissenschaftliche Studien, dass die Partikelemissionen vor
allem aus dem Straßenverkehr die Anzahl von Erkrankungen und die Sterblich-
keitsrate erhöhen. Die Meldungen über die Überschreitungen der seit dem 1. Ja-
nuar 2005 geltenden PM-10-Grenzwerte in den Großstädten reißen nicht mehr
ab. Die täglich aktualisierte Übersicht des Umweltbundesamtes zu den bundes-
weiten Immissionsdaten im Internet zeigt deutlich, dass viele Kommunen schon
im Frühjahr die zugelassene Höchstzahl von 35 Grenzwertüberschreitungen im
Jahr erreicht haben werden. Angesichts der anhaltend hohen Gesundheitsbelas-
tung durch Feinstaub und anhängiger Klageverfahren wegen Nichteinhaltung
der Grenzwerte sind die Länder und Kommunen gehalten, rasche und wirksame
Maßnahmen zu ergreifen. Eine Reduktion der Rußpartikel aus Dieselfahrzeugen
ist für viele Ballungszentren ein entscheidender Beitrag zur Einhaltung der gel-
tenden strengeren Grenzwerte nach der Luftqualitätsrahmenrichtlinie.

Die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben gemeinsam im
Juni 2005 in einem Antrag an den Deutschen Bundestag „Luftreinhaltungs-
gesetze vollziehen – Risiken durch Feinstaub senken“ (Bundestagsdrucksache
15/5687) auf die Dringlichkeit verschiedener Maßnahmen zur Reduktion der
Partikelemissionen hingewiesen.

Die technischen Voraussetzungen für die Minimierung des Partikelausstoßes aus
dem Verkehr sind mit moderner Partikelfiltertechnik gegeben. So werden hier-
zulande seit längerem Partikelfiltertechnologien angeboten, einige wurden hier
erprobt und entwickelt. Es gibt sowohl unterschiedliche Nachrüstfiltermodelle,
die je nach Motortyp in vorhandene Dieselfahrzeuge eingebaut werden können
(so genannte Teilfilter oder offene Filtersysteme), als auch Vollfiltersysteme für
Neuwagen und Altfahrzeuge jüngeren Datums.
Die rasche Einführung des Dieselfilters bei Neufahrzeugen und die Nachrüstung
der Dieselaltfahrzeugflotte ist das zentrale, weil schnell wirksame Instrument
zur Reduktion der Partikelspitzenbelastungen aus dem Verkehr. Als Anreizpro-
gramm zur Durchsetzung der innovativen Filtertechnologie soll die steuerliche
Förderung partikelarmer Dieselfahrzeuge durch befristete Steuerbefreiungen im
Rahmen der Kfz-Steuer dienen.

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Lange Zeit wurde die Filtertechnologie durch Teile der Automobilindustrie
blockiert. Vor allem der Volkswagenkonzern hatte bei der Reduktion der Par-
tikelemissionen mittels innermotorischer Lösungen zu lange auf die falsche
Technologie gesetzt, selbst dann noch, als die französischen Konkurrenten
längst verschiedene Modelle serienmäßig mit Filtern ausgestattet hatten.

Anfang Februar 2005 war politisch der Durchbruch für den Dieselrußfilter ge-
schafft. Am 11. Mai 2005 wurde im Bundeskabinett ein Gesetzentwurf verab-
schiedet. Ziel war es, zum 1. Januar 2006 ein Förderprogramm für Kraftfahr-
zeuge mit Dieseltechnik aufzulegen. Künftig sollten demnach neue Diesel-Pkw
mit Partikelfiltern, die den strengen Grenzwert für die neue Euro-5-Norm ein-
halten, mit 350 Euro über die Kfz-Steuer gefördert werden. Für die Um- und
Nachrüstung von Diesel-Pkw sollte die Förderung 250 Euro betragen. Die
Regelung sollte zwar erst ab 1. Januar 2006 in Kraft treten, aber auch jene Fahr-
zeugkäufe und Nachrüstungen mit einbeziehen, die im Jahr 2005 aufgrund der
Ankündigung der Förderung erfolgt waren. Die Förderung sollte nur bis Ende
2007 gewährt werden, da die deutschen Automobilhersteller in einer Selbstver-
pflichtung zugesagt hatten, ab 2008 alle Diesel-Pkw serienmäßig mit dem
Partikelfilter auszustatten.

Das Gesamtvolumen für das Förderprogramm wurde auf 1,5 Mrd. Euro ge-
schätzt und sollte von den Ländern aufgebracht werden. Die Finanzierung durch
die Länder stellt aus Sicht der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keine un-
verhältnismäßige Belastungen dar, denn die Länder verfügen aufgrund des zu-
nehmenden Dieselaufkommens bis 2015 über geschätzte Mehreinnahmen aus
der Kfz-Steuer von ca. 11 Mrd. Euro. Überdies haben die Länder in den vergan-
genen Jahrzehnten stets Förderprogramme für das frühzeitige Erfüllen neuer
Abgasnormen aufgelegt, zuletzt für die vorzeitige Erfüllung der Euro-4-Norm
bei Pkw, die seit dem 1. Januar 2005 verpflichtend ist. Eine nahtlose Überfüh-
rung der Förderung für die Euro-4-Norm in ein Förderprogramm für partikel-
arme Fahrzeuge wäre schon zu diesem Zeitpunkt möglich gewesen.

Das veränderte Kfz-Steuergesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates. Ob-
gleich sich die Umweltminister der Länder mehrfach für eine steuerliche Förde-
rung der Partikelfilter ausgesprochen haben, stimmten die Finanzminister der
Länder dagegen. Der Bundesrat lehnte dann auch den Gesetzentwurf vom 27. Mai
2005 in seiner Stellungnahme (Bundesratsdrucksache 394/05 vom 8. Juli 2005)
ab. Seit der vorgezogenen Neuwahl ist der Gesetzgebungsvorgang angehalten.

Den Vorschlag der EU-Kommission vom 21. Dezember 2005 für einen Partikel-
grenzwert von 5 mg/km für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge als Bestandteil der
Abgasnorm Euro 5 räumt den Mitgliedstaaten offiziell die Möglichkeit ein, steu-
erliche Anreizsysteme zu etablieren. Bund und Länder haben diesen Schritt be-
grüßt. Doch bisher ist es der Bundesregierung nicht gelungen, mit den Ländern
eine Einigung zu erzielen. Bund und Länder sind jetzt in der Verantwortung. Ein
Anreizprogramm darf angesichts der Folgen für Mensch und Umwelt nicht weiter
hinausgeschoben werden. Die politische Verzögerung führt seit einem Jahr auch
zur Verunsicherung der Autokunden, zum Stillstand in der Filternachrüstung und
Filterfertigung und damit zur Fesselung der Marktpotenziale und Verschlechte-
rung der Wettbewerbsstellung mittelständischer Hersteller von Filtersystemen.

Ein Anreizprogramm für die Nachrüstung von Altfahrzeugen birgt enorme
ökonomische Potenziale für mittelständische Betriebe, vor allem für die Filter-
hersteller aber auch für die Werkstätten, die Nachrüstungen vornehmen. Viele
Mittelständler haben aufgrund der politischen Ankündigung des Förderpro-
gramms erhebliche Mittel in den Aus- oder Neubau von Filterproduktionsstätten
investiert und Arbeitsplätze geschaffen, die bei einem Ausbleiben des Förder-
programms gefährdet sind. Eine weitere Verzögerung würde dieses partikel-

filterinduzierte Konjunkturprogramm für mittelständische Autozulieferer ge-
fährden.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/946

Neuwagen werden inzwischen zunehmend mit Filtern ausgeliefert, gleichwohl
verfügen noch immer ca. 20 Prozent der neuen Dieselfahrzeuge nicht über einen
Partikelfilter. Seit dem vergangenen Jahr bauen die meisten großen Automobil-
hersteller Partikelfilter serienmäßig, jedoch zum Teil gegen einen Aufpreis, der
je nach Modell variiert, in ihre Neuwagen ein (Audi, BMW, Opel, Ford, Merce-
des, VW). Diesen Trend am Automarkt verstärkt die öffentliche Diskussion über
die Feinstaubgefahren und mögliche Verkehrsbeschränkungen für Fahrzeuge
ohne Partikelfilter. Von diesem Instrument können Kommunen bei Grenzwert-
überschreitungen nun nach dem erwarteten baldigen Inkrafttreten der Kennzeich-
nungsverordnung vermehrt Gebrauch machen. Überdies erzielen Dieselfahr-
zeuge ohne Partikelfilter nach Untersuchung von EurotaxSchwacke schon heute
einen deutlich niedrigeren Wiederverkaufswert als Diesel-Pkw mit Partikelfilter.

Von zentraler Bedeutung ist die Nachrüstung der großen Flotte von Altfahrzeu-
gen, denn der Anteil von Fahrzeugen mit niedrigen Schadstoffklassen (Euro 2
und Euro 1) am Gesamtfahrzeugbestand ist nach wie vor hoch. Die Altfahrzeuge
mit Abgaswerten nach der Euro-1-Norm emittieren 180 mg/km Partikel und die
Altfahrzeuge der Euro-2-Norm immer noch 80 mg/km. Bei den Diesel-Pkw er-
füllen lt. Angaben des Sachverständigenrates für Umweltfragen (Stellungnahme
des SRU „Feinstaub durch Straßenverkehr – Bundespolitischer Handlungsbe-
darf“ vom Juni 2005) ganze 42 Prozent noch nicht einmal die Euro-3-Norm. Die
Partikelemission bei Euro 3 beträgt 50 mg/km. Eine effektive und großflächige
Reduktion der Partikelemissionen muss sich vor allem auf die Nachrüstung der
großen Masse an Altfahrzeugen mit Euro-3-Norm und Euro-4-Norm konzent-
rieren.

Die Schätzungen zu den Kosten der Nachrüstung mit Partikelfilter variieren je
nach Quelle: Für die Nachrüstung mit einem Vollfilter werden zwischen 1 000
und 1 500 Euro und für die Nachrüstung mit einem Teilfilter zwischen 600 und
700 Euro angegeben. Mit Inkrafttreten des Fördergesetzes würden sich die Kos-
ten aufgrund der gestiegenen Nachfrage mittelfristig geringfügig reduzieren.

Angesichts der anhaltenden gesundheitlichen Belastung durch Feinstaub ist
Handeln dringend geboten, in Politik, Wirtschaft und bei Autokäufern. Die Bun-
desregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag angekündigt, ein Förderprogramm
für die Nachrüstung von Altfahrzeugen aufzulegen, ist aber bis heute untätig ge-
blieben. Mit dem Fördergesetz müssen deutliche Anreize geschaffen werden,
damit Kunden ihre älteren Fahrzeuge auf den Stand der Technik bringen. Die Er-
folgsgeschichte des geregelten Katalysators zeigt, die Überzeugung und Akzep-
tanz der Kunden für ein Fahrzeug mit geringerer Umweltbelastung trägt ganz
entscheidend dazu bei, die Fahrzeugflotte umzurüsten. Im Sinne des Gesund-
heitsschutzes dürfen mittel- und langfristig nur noch partikelarme respektive
- freie Dieselfahrzeuge auf unseren Straßen fahren. Überdies fordern wir die
Bundesregierung auf, die Entwicklung und Verbreitung von Nullemissionsfahr-
zeugen zu fördern.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. zügig ein Gesetz zur steuerlichen Förderung des Partikelfilters in Dieselfahr-
zeugen vorzulegen. Das Fördergesetz soll über drei Jahre gestreckt Nachlässe
bei der Kfz-Steuer gewähren und spätestens zum 1. Juli 2006 in Kraft treten;

2. dafür Sorge zu tragen, dass die höchste Förderung für jene Dieselfahrzeuge
erfolgt, die eine höchstmögliche Reduktion der Partikelemissionen erreichen.
Die Fördersummen sind daher in Abhängigkeit vom Wirkungsgrad bei der
Reduktion von Partikeln zu differenzieren:

● Dieselfahrzeuge, die mit einem so genannten Vollfilter (oder geschlosse-

nem Filter) nachgerüstet werden, der nahezu 99 Prozent der Partikelemis-
sionen reduziert und einen Partikelgrenzwert von 5 mg/km einhält, mit

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600 Euro über die Kfz-Steuer zu fördern. Diese Regelung trifft auf Fahr-
zeuge zu, die vor dem 1. Januar 2006 erstzugelassen wurden;

● Für Dieselfahrzeuge, die mit einem so genannten Teilfilter (oder offenem
Filter) nachgerüstet werden und die Emissionsminderungen erreichen, die
in der 29. Verordnung zur Änderung der Straßenverkehrs-Zulassungsord-
nung definiert sind, soll ein Nachlass bei der Kfz-Steuer in Höhe von 250
Euro gewährt werden. Diese Regelung trifft auf Fahrzeuge zu, die vor dem
1. Januar 2006 erstzugelassen wurden;

3. die steuerliche Förderung teilweise aufkommensneutral, d. h. mit einer deut-
lich höheren Belastung der Fahrzeuge ohne Partikelfilter bei der Kfz-Steuer,
zu gestalten. Einnahmedefizite bei der Kfz-Steuer, die bei Zunahme der Fahr-
zeuge mit Partikelfilter durch den Steuernachlass für Filter entstehen können,
sind von den Ländern aus den zunehmenden Einnahmen aus der Kfz-Steuer
bei weiter wachsendem Anteil von Dieselfahrzeugen bei der Neuzulassung
zu finanzieren;

4. auf die Einhaltung der Selbstverpflichtung der Automobilindustrie, ab 2008
nur noch Dieselfahrzeuge mit Partikelfilter auszuliefern, zu drängen. Bei
einem Verfehlen der Selbstverpflichtung der Automobilindustrie sind im
Sinne des Gesundheitsschutzes und der Luftreinhaltung ordnungspolitische
Maßnahmen zu ergreifen.

Berlin, den 15. März 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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