BT-Drucksache 16/9432

Kraft-Wärme-Kopplung entschlossen fördern und ausbauen

Vom 4. Juni 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9432
16. Wahlperiode 04. 06. 2008

Antrag
der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Kerstin Andreae, Cornelia Behm,
Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Ulrike Höfken, Dr. Anton Hofreiter,
Sylvia Kotting-Uhl, Nicole Maisch, Undine Kurth (Quedlinburg)
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Kraft-Wärme-Kopplung entschlossen fördern und ausbauen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist eine ausgereifte und effiziente Technik.
Ihre Vorteile gegenüber herkömmlichen Kraftwerken liegen auf der Hand.
Durch die gemeinsame Erzeugung von Strom und nutzbarer Wärme ist die
KWK besonders effizient und damit umwelt- und klimafreundlich. Sie ist daher
eine der Schlüsseltechnologien für den Aufbau einer dezentralen, effizienten
und klimaverträglichen Energieversorgung.

In einigen europäischen Ländern wird die KWK-Technologie sehr erfolgreich
eingesetzt. So stammt über die Hälfte des Stroms in Dänemark aus KWK-
Anlagen, in den Niederlanden und in Finnland sind es mehr als 35 Prozent.
Dagegen fällt Deutschland mit einem Anteil von knapp 12 Prozent deutlich
zurück und belegt im Vergleich aller 27 EU-Staaten nur Rang 15.

Entsprechend groß wird das wirtschaftliche KWK-Potenzial eingeschätzt. Laut
einer Erhebung des Bremer Energieinstituts könnten in Deutschland im Jahr
2020 351 TWh Strom aus KWK-Anlagen stammen, das entspricht 55 Prozent
der heutigen Stromerzeugung oder 65 Prozent des Verbrauchs.

Die KWK-Potenziale zu erschließen ist wichtiger denn je,

● um die Klimaschutzziele zu erreichen und den Bedarf an fossilen Brennstof-
fen zu senken,

● um eine dezentrale und effiziente Stromerzeugung anstelle der überkomme-
nen, auf zentralen Kohle- und Atomkraftwerken basierenden Struktur aufzu-
bauen,

● um Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft zu sichern und neu zu schaffen so-
wie

● um eine vielfältige Struktur im Stromerzeugungsmarkt und den Wettbewerb

zu stärken.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines KWK-Gesetzes zeigt,
dass ihr der politische Wille zum entschlossenen Ausbau der KWK fehlt. Er ist
geprägt durch restriktive Regelungen, die Investitionen in hocheffiziente KWK-
Anlagen behindern.

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Insbesondere die Deckelung des jährlichen Fördervolumens auf maximal 750
Mio. Euro sowie die zeitlich auf 30 000 Betriebsstunden eingeschränkte Förde-
rung werden dazu führen, dass die von der Bundesregierung selbst gesteckte
Zielsetzung eines KWK-Stromanteils von 25 Prozent bis 2020 nicht einmal
annähernd erreicht werden wird. Experten schätzen den mit dem Regierungsent-
wurf maximal erreichbaren KWK-Zubau bis 2020 auf nur sechs Prozent bzw.
ca. 35 TWh Strom, gerade einmal ein Fünftel des wirtschaftlichen Potenzials in
Deutschland.

Die Halbherzigkeit beim KWK-Ausbau macht deutlich, wie stark die Bundes-
regierung auch künftig auf den Neubau großer, klimaschädlicher Kondensations-
kraftwerke auf Kohlebasis setzt, obwohl hier über die Hälfte der Primärenergie
nutzlos in die Atmosphäre verpufft. Selbst wenn diese Großkraftwerke „auf der
grünen Wiese“ mit einer Wärmeauskopplung geplant werden, liegt ihr Effi-
zienzgrad wegen des vergleichsweise geringen Wärmeanteils deutlich hinter
dem von kleineren und mittleren KWK-Anlagen, die innerhalb des Siedlungs-
bereichs und damit dort gebaut werden können, wo der Wärmebedarf entspre-
chend hoch ist.

Dessen ungeachtet will die Bundesregierung es ermöglichen, auch Großkraft-
werke mit geringer Wärmeauskopplung und vergleichsweise geringer Effizienz
über das KWK-Gesetz zu fördern. Grundlage dafür ist die Definition der „hoch-
effizienten KWK“ im Rahmen der EU-Richtlinie, die dem KWK-Gesetz zu-
grunde liegt. Diese weitreichende Definition ist klimapolitisch kontraproduktiv
und muss strenger gefasst werden. Klimaschädliche Kohlekraftwerke mit ver-
gleichsweise geringer Effizienz dürfen nicht auch noch mit Steuermitteln geför-
dert werden.

Der vorgelegte KWK-Gesetzentwurf muss wegen seiner gravierenden Schwä-
chen entscheidend nachgebessert werden, um Investitionshemmnisse abzu-
bauen und so die Modernisierung und den Neubau von KWK-Anlagen zu be-
flügeln.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

sich zum Ausbau der KWK-Technik auf einen Anteil von mindestens 25 Prozent
der Stromerzeugung bis 2020 zu verpflichten und ein an diesem Ziel ausgerich-
tetes KWK-Gesetz mit folgenden Eckpunkten zu entwickeln:

● Ausweitung von Förderdauer und -höhe

Der Förderzeitraum des KWK-Gesetzes soll bis zum Jahr 2020, die Förder-
dauer pro Anlage auf 40 000 Betriebsstunden bzw. acht Jahre ausgedehnt
werden. Dies soll für alle KWK-Anlagen, unabhängig von der Netzeinspei-
sung, für alle neuen bzw. umfassend modernisierten KWK-Anlagen gelten.
Für Kleinstanlagen wird ein erhöhter Zuschlagsatz eingeführt.

● Keine Deckelung

Eine Deckelung der jährlichen Förderung wird nicht vorgesehen, da sie die
betriebswirtschaftliche Rentabilität von KWK-Anlagen unberechenbar
macht und so als entscheidendes Investitionshemmnis wirkt.

● Dauerhafte Vorrangregelung bei der Einspeisung

Dem Strom aus hocheffizienter KWK wird auch über den Förderzeitraum
hinaus ein Vorrang bei der Einspeisung ins Netz gegenüber fossil oder atomar
erzeugtem Strom aus herkömmlichen Kraftwerken eingeräumt.

● Ausschluss neuer Kohlekraftwerke aus der Förderung
Mit der KWK-Gesetzesnovelle wird in Deutschland die europäische KWK-
Richtlinie umgesetzt. Es werden entsprechend nur noch Anlagen gefördert,

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die nach der EU-Definition als „hocheffizient“ gelten. Das bedeutet konkret,
dass der Primärenergiebedarf einer KWK-Anlage mindestens zehn Prozent
unter dem der besten Technik mit gleichem Brennstoff zur getrennten Strom-
und Wärmeerzeugung liegen muss. Dadurch können auch große, neue Koh-
lekraftwerke anteilig entsprechend des KWK-Gesetzes gefördert werden,
was den Aufbau einer klimafreundlichen und dezentralen Energieversorgung
konterkariert. Die Förderkriterien im KWK-Gesetz sind deshalb so zu ergän-
zen, dass die Bezuschussung von KWK-Strom aus Kohlekraftwerken ausge-
schlossen wird.

● Hürden bei Modernisierung abbauen

Neben der vollständigen Förderung ab einer Modernisierungsinvestition in
Höhe von mindestens 50 Prozent einer Neuerrichtung wird auch unterhalb
dieser Marge eine anteilige Förderung modernisierter KWK-Anlagen vor-
gesehen.

● Nichtfinanzielle Hemmnisse für den Wärmenetzausbau mindern

Die Bundesregierung legt flankierend zum KWK-Gesetz ein Konzept zum
Abbau nichtfinanzieller Hemmnisse für den Ausbau der KWK-Technik vor.
Dabei ist auch die Einführung einer KWK-Quote zu prüfen.

● Regelmäßige Überprüfung

Die Bundesregierung führt zusammen mit den Fachverbänden alle drei Jahre
ein Monitoring des KWK-Gesetzes durch und berichtet dem Deutschen Bun-
destag über die Ergebnisse. Das Statistische Bundesamt wird beauftragt, eine
politisch nutzbare jährliche KWK-Statistik zu führen und zu veröffentlichen.

Berlin, den 4. Juni 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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