BT-Drucksache 16/9367

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Michaela Noll, Antje Blumenthal, Thomas Bareiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Renate Gradistanac, Clemens Bollen, Angelika Graf (Rosenheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD -16/6429- Häusliche Gewalt gegen Frauen konsequent weiter bekämpfen 2. zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung -16/6584- Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen

Vom 29. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9367
16. Wahlperiode 29. 05. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Michaela Noll, Antje Blumenthal,
Thomas Bareiß, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Renate Gradistanac, Clemens Bollen,
Angelika Graf (Rosenheim), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD
– Drucksache 16/6429 –

Häusliche Gewalt gegen Frauen konsequent weiter bekämpfen

2. zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung
– Drucksache 16/6584 –

Aktionsplan II der Bundesregierung zur Bekämpfung von
Gewalt gegen Frauen

A. Problem

Der Aktionsplan der Bundesregierung sowie der Antrag der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD verfolgen das Ziel, Gewalt gegen Frauen weiterhin zu be-
kämpfen. Hierzu hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend (BMFSFJ) die repräsentative Studie „Lebenssituation, Sicherheit und
Gesundheit von Frauen in Deutschland“ in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse
zeigen, dass Frauen aller Altergruppen, aller Schichten und der unterschiedlichs-
ten ethnischen Zugehörigkeiten im Laufe ihres Lebens in einem hohen Ausmaß
von Gewalt betroffen sind. Die Täter sind überwiegend Männer; die Gewalt
wird vor allem durch den Partner und im häuslichen Bereich verübt. Ein beson-
ders hohes Risiko besteht in Trennungsphasen und wenn betroffene Frauen be-
reits in ihrer Kindheit und Jugend Gewalt erlitten haben.
B. Lösung

In Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 16/6584:

Annahme des Antrags auf Drucksache 16/6429 mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE.

Drucksache 16/9367 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

C. Alternativen

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/6429.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9367

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 16/6584

den Antrag auf Drucksache 16/6429 anzunehmen.

Berlin, den 26. Mai 2008

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Kerstin Griese
Vorsitzende

Michaela Noll
Berichterstatterin

Renate Gradistanac
Berichterstatterin

Ina Lenke
Berichterstatterin

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Irmingard Schewe-Gerigk
Berichterstatterin

tativen Studie „Lebenssituation, Sicherheit und Gesundheit Fraktion DIE LINKE. die Annahme des Antrags empfohlen.

von Frauen in Deutschland“ sowie weiteren wissenschaft-
lichen Untersuchungen und Hinweisen aus der Praxis erge-
ben.

Als diese Herausforderungen benennt die Unterrichtung ins-

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre
Hilfe hat in seiner 59. Sitzung am 7. Mai 2008 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Drucksache 16/9367 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Michaela Noll, Renate Gradistanac, Ina Lenke,
Jörn Wunderlich und Irmingard Schewe-Gerigk

I. Überweisung der Vorlagen

Die Vorlagen auf den Drucksachen 16/6584 und 16/6429
wurden in der 119. Sitzung des Deutschen Bundestages am
12. Oktober 2007 dem Ausschuss für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend zur federführenden Beratung sowie dem
Innenausschuss, dem Rechtsausschuss, dem Ausschuss für
Arbeit und Soziales, dem Ausschuss für Menschenrechte
und humanitäre Hilfe sowie dem Haushaltsausschuss zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen

1. Antrag auf Drucksache 16/6429

Der Antrag auf Drucksache 16/6429 betrachtet insbesondere
die Problematik der häuslichen Gewalt gegen Frauen und
erinnert zunächst an bereits getroffene gesetzliche Maßnah-
men wie das Gewaltschutzgesetz, das Opferrechtsreformge-
setz, das 37. Strafrechtsänderungsgesetz und das Gesetz zur
Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen (sog. Stalking).
Ebenso erwähnt er das Übereinkommen der Vereinten Na-
tionen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der
Frau (CEDAW), das Daphne-Programm der Europäischen
Union sowie die Kampagne des Europarates zur Bekämp-
fung der Gewalt gegen Frauen.

Mit Blick auf die Notwendigkeit weiterer Maßnahmen stellt
der Antrag sodann einen Katalog mit zwölf Forderungen auf.
Diese betreffen die Fortschreibung des ersten Aktionsplans
zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, die Unterstüt-
zung einer aufklärenden und breiten Informationspolitik
zum Thema häusliche Gewalt gegen Frauen sowie die Aus-
wertung der Daten über die Inanspruchnahme des Gewalt-
schutzgesetzes und die Umsetzung des Straftatbestandes be-
harrlicher Nachstellungen. Weitere Forderungen befassen
sich mit Maßnahmen zur Bekämpfung der Gewalt gegen
ältere Frauen und Frauen mit Behinderung sowie gegenüber
Migrantinnen. Dabei wird auch die Notwendigkeit hervor-
gehoben, spezielle Frauenunterstützungseinrichtungen wie
Frauenhäuser in den Ländern zu erhalten und auch Angebote
für minderjährige Mädchen zu schaffen.

2. Unterrichtung auf Drucksache 16/6584

In der Unterrichtung wird zunächst an den 1999 aufgelegten
ersten Aktionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung
der Gewalt gegen Frauen erinnert, in dem die Bundesregie-
rung ein Gesamtkonzept mit Maßnahmen in der Zuständig-
keit des Bundes verabredet und umgesetzt hatte. Mit dem
Aktionsplan II sollen nunmehr Fragestellungen und Heraus-
forderungen aufgegriffen werden, die sich aus der repräsen-

Behinderungen mehr in den Blick nehmen“, „Rechtzeitig an
die Kinder denken – Prävention so früh wie möglich“, „Be-
sondere Risiken beachten – Frauen in Trennungssituatio-
nen“, „Den Gesundheitsbereich zum Schutz betroffener
Frauen aktivieren“, „Weitere Ansprechpartnerinnen und
- partner für gewaltbetroffene Frauen adressieren: Justiz und
Personen des sozialen Nahraums“, „Für Betroffene einen
niedrigschwelligen und einfachen Zugang zu Hilfesystemen
ermöglichen“, „Die Täter in die Verantwortung nehmen und
auf Verhaltensänderungen hinwirken“ sowie „Die bewährten
Formen der Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und
Nichtregierungsorganisationen ausbauen“.

Der Aktionsplan legt sodann für die Bereiche

● Prävention

● Rechtsetzung durch den Bund

● Hilfesystem zur Unterstützung und Beratung gewaltbe-
troffener Frauen

● Bundesweite Vernetzung im Hilfesystem

● Kooperationen zwischen staatlichen Institutionen und
nichtstaatlichen Hilfsangeboten

● Arbeit mit Tätern und Täterinnen

● Qualifizierung und Sensibilisierung

● Forschung

● Europäische und sonstige internationale Zusammenarbeit

● Unterstützungsmaßnahmen für Frauen im Ausland

die bereits getroffenen und die noch vorgesehenen Maßnah-
men der Bundesregierung dar.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse
1. Antrag auf Drucksache 16/6429

Der Innenausschuss hat in seiner 67. Sitzung am 7. Mai
2008 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und
DIE LINKE. die Annahme des Antrags empfohlen.

Der Rechtsausschuss hat in seiner 99. Sitzung am 7. Mai
2008 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Annahme des Antrags
empfohlen.

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat in seiner 86. Sit-
zung am 7. Mai 2008 mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
besondere folgende Handlungsfelder: „Stärkerer Schutz von
Migrantinnen, die von Gewalt betroffen sind“, „Frauen mit

Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. die Annahme
des Antrags empfohlen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/9367

Der Haushaltsausschuss hat in seiner 68. Sitzung am 7. Mai
2008 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE
LINKE. die Annahme des Antrags empfohlen.

2. Unterrichtung auf Drucksache 16/6584

Der Innenausschuss, der Rechtsausschuss, der Ausschuss
für Arbeit und Soziales, der Ausschuss für Menschen-
rechte und humanitäre Hilfe sowie der Haushaltsaus-
schuss haben jeweils in ihren Sitzungen am 7. Mai 2008 die
Kenntnisnahme der Unterrichtung empfohlen.

IV. Inhalt der Beratung im federführenden Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend

Der Ausschuss hat die Vorlagen in seiner 55. Sitzung am
7. Mai 2008 beraten. In Kenntnis der Unterrichtung auf
Drucksache 16/6584 empfiehlt er mit den Stimmen der Frak-
tionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung
der Fraktion DIE LINKE. die Annahme des Antrags.

In der Ausschussberatung führte die Fraktion der CDU/
CSU aus, jede vierte Frau in Deutschland werde Opfer von
körperlicher oder psychischer Gewalt; allein 50 000 flüchte-
ten sich jährlich ins Frauenhaus. Oft finde die Gewalt in so-
genannten sozialen Nahbeziehungen statt. Auch Männer
würden zunehmend Opfer von Gewalt, überwiegend seien
allerdings Frauen betroffen. Hier bestehe nach wie vor drin-
gender Handlungsbedarf. Allein in Nordrhein-Westfalen ha-
be es im letzten Jahr 20 400 Einsätze wegen häuslicher Ge-
walt gegeben, davon 9 500 Hausverweisungen. Es sei
allerdings nicht unbedingt von einem Anstieg der Fälle aus-
zugehen, sondern eher von einer höheren Anzeigebereit-
schaft infolge einer stärkeren Sensibilisierung durch das Ge-
waltschutzgesetz. Auch das im März 2007 in Kraft getretene
Gesetz zur Strafbarkeit beharrlicher Nachstellungen – besser
bekannt unter dem Begriff „Stalking“ – habe dazu geführt,
dass allein in Berlin im letzten Jahr 1 000 Fälle zur Anzeige
gebracht worden seien; in 110 Fällen habe dies zur Anklage
geführt.

Der Aktionsplan der Bundesregierung zeige ausführlich die
bereits getroffenen und die noch geplanten Maßnahmen zur
Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen auf. Der Antrag der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD konzentriere sich eben-
falls auf den noch bestehenden Handlungsbedarf. Dies be-
treffe zum einen insbesondere Gewalt gegen Migrantinnen,
denn bei ihnen sei der Anteil der betroffenen Frauen noch
weitaus höher als in anderen Bevölkerungsgruppen. Hier
würden niedrigschwellige und mehrsprachige Angebote be-
nötigt, wobei auch die Wahrung der Anonymität sehr wichtig
sei. Zum anderen müsse man verstärkt auf die Täterarbeit
setzen und versuchen, die Täter rechtzeitig zu einem anderen
Verhalten anzuregen.

Die Fraktion der FDP bemerkte, der Antrag der Fraktionen
der CDU/CSU und SPD schildere in seiner Präambel die
Problematik sehr ausführlich; Ähnliches gelte für den Ak-

dass auf Bundesebene nur sehr begrenzt tatsächlich durch-
greifende Maßnahmen getroffen werden könnten; in vielen
Punkten fordere deshalb der Antrag lediglich ein Einwirken
auf die Länder. Insgesamt sei die Zielsetzung des Antrags
richtig, er bleibe jedoch in vielen Teilen zu unkonkret und zu
substanzlos. Wenn beispielsweise im vorletzten Punkt gefor-
dert werde, bei den Ländern auf einen Ausbau der gezielt
aufsuchenden Beratungsangebote hinzuwirken, müsse auch
nach der Bereitschaft gefragt werden, hierfür Mittel in den
Haushalt einzustellen. Die Fraktion der FDP hob weiterhin
die Notwendigkeit einer gesicherten Finanzierung von Frau-
enhäusern und Frauenberatungsstellen hervor und forderte
insoweit eine bundesweite Bewertung. Da gerade Migrantin-
nen in einem hohen Maß auf den Schutz durch Frauenhäuser
angewiesen seien, müsse im Rahmen der Zuwanderungsde-
batte die Finanzierung von Frauenhäusern als flankierende
Maßnahme hervorgehoben werden.

Die Fraktion der SPD beklagte, jede vierte Frau in
Deutschland habe Gewalterfahrungen. Diese dramatische
Zahl werde mit der nun vorliegenden repräsentativen Studie
endlich belegt. Die Frauenbewegung habe dies bereits seit
40 Jahren so dargestellt; es sei jedoch immer als „nicht ganz
so schlimm“ abgetan worden. Die Vertreterin der Fraktion
der SPD erklärte weiterhin, sie sei stolz darauf, dass der erste
Aktionsplan der Bundesregierung mit dem Schwerpunkt Ge-
waltschutzgesetz eine so gute Umsetzung erfahren habe.
Viele Frauen nähmen nach Gewalterfahrungen in ihren Be-
ziehungen Zuflucht in ein Frauenhaus, weil sie aufgrund des
erlittenen Traumas nicht in der häuslichen Umgebung blei-
ben wollten. Ihnen sei jetzt aber auch die Möglichkeit prä-
sent, die Männer aus der häuslichen Umgebung verweisen
zu lassen. Tatsächlich zeige die Erfahrung, dass diese Män-
ner sich in der Regel dem Haus nicht mehr näherten, wenn
ihnen von der Polizei oder den Gerichten die „rote Karte“
gezeigt worden sei. Das Gesetz habe auch internationale
Anerkennung hervorgerufen.

Zu dem Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und SPD be-
tonte die Vertreterin der Fraktion der SPD, dort werde die
Bundesregierung aufgefordert, sich mehr mit den Themen
„Gewalt gegen Migrantinnen“ und „Gewalt gegen ältere
Frauen“ zu beschäftigen. Gerade im letzteren Bereich ver-
mute man eine hohe Dunkelziffer und warte noch auf das Er-
gebnis einer von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen
Studie. Schließlich müssten die Zuständigkeiten in einem
föderal aufgebauten Staat beachtet werden; deshalb enthalte
der Antrag auch Aufforderungen an die Länder, vor Ort für
ein ausreichendes Angebot an qualifizierten Beratungsstel-
len zu sorgen. Der Aktionsplan II sei nicht nur eine reine
Fortschreibung des ersten Aktionsplans, sondern lege im Be-
reich der Prävention ein stärkeres Gewicht auf Kinder, die in
Gewaltbeziehungen lebten. In dem Aktionsplan seien über
130 Maßnahmen benannt, von denen einige sich bereits in
der Umsetzung befänden. Dies sei ein sehr ehrgeiziges Pro-
jekt, für das Deutschland auch europäisch und international
Anerkennung erhalte. Die Vertreterin der Fraktion der SPD
betonte abschließend die besondere Schutzbedürftigkeit von
Migrantinnen und wandte sich in diesem Zusammenhang
gegen Bestrebungen, Verschlechterungen beim eigenständi-
gen Aufenthaltsrecht ausländischer Ehegattinnen herbeizu-
tionsplan der Bundesregierung zur Bekämpfung der Gewalt
gegen Frauen. Allerdings zeige der vorliegende Antrag auch,

führen. Auch sie hob die Wichtigkeit einer gesicherten
Finanzierung von Frauenhäusern hervor.

wirken auf die Länder gefordert, während bei der Beratung
von Anträgen der Fraktionen FDP, DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN entsprechende Forderungen
stets mit einem Hinweis auf die föderale Struktur Deutsch-
lands abgelehnt würden. Eine Auseinandersetzung mit der
finanziellen Situation der Frauenhäuser, die die Grundlage
für den Schutz von vor Gewalt geflüchteten Frauen bildeten,
fehle in dem Antrag völlig. Andere Probleme blieben sowohl
in dem Antrag als auch im Aktionsplan der Bundesregierung
ausgeblendet, beispielsweise die zeitliche Lücke zwischen
Antragstellung und Mittelgewährung oder das Fehlen ein-
maliger Beihilfen. Auch die Aussagen zur Situation von Mi-
grantinnen seien völlig unzureichend. Sie fokussierten auf
die Verhinderung von Zwangsverheiratungen, was allerdings
viel zu kurz greife und der tatsächlichen Situation der Frauen
nicht gerecht werde. Insgesamt gehe der Antrag zwar von
einem richtigen Ansatz aus, werde aber der Komplexität des
Kampfes gegen häusliche Gewalt gegen Frauen nicht ge-
recht.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN erinnerte dar-
an, dass der Aktionsplan II der Bundesregierung zur Be-
kämpfung der Gewalt gegen Frauen seine Grundlage in dem
bewährten ersten Aktionsplan finde, den seinerzeit die ehe-
malige rot-grüne Bundesregierung auf den Weg gebracht
und der zu konkreten gesetzlichen und sonstigen Maßnah-
men geführt habe. Zu nennen seien hier das Gewaltschutzge-
setz und das Gesetz zur gewaltfreien Erziehung, außerdem
verschiedene Interventionsprojekte und Praxismaterialien
für den medizinischen Bereich. Mit dem Gewaltschutzgesetz
habe man den Grundsatz „Der Täter geht, das Opfer bleibt“
implementiert und damit einen Perspektivwechsel für den
Umgang mit häuslicher Gewalt herbeigeführt. Die nunmehr
vorliegenden Studien und Zahlen zeigten, dass damit im
Interesse von Frauen und Mädchen tatsächlich ein großer
Schritt bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt gelungen
sei. Es sei deshalb zunächst positiv zu bewerten, dass der
Aktionsplan II auf diesen Grundlagen aufbaue.

Dennoch sei die Frage des Umgangs mit der Lebenssituation
von Migrantinnen noch nicht befriedigend gelöst. Während
der Aktionsplan II hier auf Modellprojekte hinweise, werde

nen politisch aktiv werden wollten. Dies gelte auch für die
Frage des notwendigen Beratungs- und Schutzangebots in
Frauenhäusern und Frauenberatungsstellen.

Der Vertreter der Bundesregierung wertete es als ein gutes
Zeichen, dass über die Grenzen von Legislaturperioden hin-
aus und über alle Fraktionen hinweg so weitgehende Über-
einstimmung in der Zielsetzung der Bekämpfung von Ge-
walt gegen Frauen bestehe. Am Beispiel der Migrantinnen
werde indes deutlich, dass die Probleme oft im Detail lägen.
Hier sei eine sensible Herangehensweise erforderlich, denn
es sei oft nicht einfach, angemessene Lösungen zu finden.
Es sei in der Tat nicht ausreichend, wenn die Politik Betrof-
fenheit zeige, sondern es müssten auf allen Ebenen, auf der
Ebene des Bundes, der Länder und der Kommunen, kon-
krete Handlungen erfolgen. Aus diesem Grund werde das
BMFSFJ auch in diesen Fragen weiterhin einen engen Kon-
takt mit den Ländern pflegen. Die Finanzierung von Frauen-
häusern und Frauenberatungsstellen bleibe indes eine Sache
der Länder.

Der Aktionsplan II der Bundesregierung setze bei den richti-
gen Handlungsnotwendigkeiten an und dieser Kurs finde
auch in dem vorliegenden Antrag der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD Unterstützung. So sollten Schutzmaßnahmen
für Migrantinnen vor Gewalt verstärkt in den Blick genom-
men werden. Die in Gesundheitsberufen Beschäftigten, vor
allem Ärzte und Ärztinnen, sollten bei der Diagnose und Be-
handlung von Patientinnen mit Gewalterfahrungen unter-
stützt und für eine aktive Rolle in diesem Kontext gewonnen
werden. Ein weiterer Schwerpunkt des Aktionsplans seien
praxisgerechte und geeignete Maßnahmen zur Prävention,
die noch früher als bisher ansetzen sollten und optimal zwi-
schen Kinder-, Jugend- und Frauenschutz sowie Gesund-
heitseinrichtungen abgestimmt werden müssten. Mit dem
Aktionsplan II verbinde das BMFSFJ erneut die Erwartung,
dass alle beteiligten Bundesressorts sowie die Landesregie-
rungen in ihren jeweiligen Zuständigkeiten ihre Aktivitäten
zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen fortsetzten und
auch die Zusammenarbeit mit Nichtregierungsorganisatio-
nen und Verbänden suchten.

Berlin, den 26. Mai 2008

Michaela Noll
Berichterstatterin

Renate Gradistanac
Berichterstatterin

Ina Lenke
Berichterstatterin

Jörn Wunderlich
Berichterstatter

Irmingard Schewe-Gerigk
Berichterstatterin
Drucksache 16/9367 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Fraktion DIE LINKE. bemerkte, mit der Veröffent-
lichung des Aktionsplans II der Bundesregierung sei die
Hauptforderung aus dem Antrag der Fraktionen der CDU/
CSU und SPD im Grunde schon erfüllt. In dem Antrag wür-
den zunächst nur die bereits beschlossenen Gesetze aufge-
zählt, während der Forderungsteil weitgehend dem Aktions-
plan der Bundesregierung entspreche. Angesichts der
besorgniserregenden Fallzahlen erschienen diese Konse-
quenzen allerdings zu dürftig. Immer wieder werde ein Ein-

in den unionsgeführten Bundesländern weiterhin über auf-
enthaltsrechtliche Verschlechterungen nachgedacht, bei-
spielsweise über die erneute Verlängerung der Frist für einen
eigenständigen Aufenthaltsstatus ausländischer Ehepartner.
Da die CDU/CSU und SPD auch in allen Bundesländern an
der Regierung beteiligt seien, bleibe aus Sicht der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Frage offen, ob sie ange-
sichts der entgegenstehenden politischen Praxis in den Län-
dern tatsächlich mit Maßnahmen zugunsten von Migrantin-

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