BT-Drucksache 16/9279

Übermittlung von Daten zu Gewerkschaftszugehörigkeiten, sexueller Orientierung und politischer Überzeugung im Rahmen eines Abkommens mit den USA

Vom 23. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9279
16. Wahlperiode 23. 05. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Dr. Diether Dehm, Wolfgang Gehrcke, Inge Höger,
Jan Korte, Petra Pau, Alexander Ulrich, Jörn Wunderlich und der Fraktion
DIE LINKE.

Übermittlung von Daten zu Gewerkschaftszugehörigkeiten, sexueller Orientierung
und politischer Überzeugung im Rahmen eines Abkommens mit den USA

Pressemeldungen zufolge beabsichtigt die Bundesregierung, im Rahmen eines
Vertrages mit den USA einen engen Datenaustausch über die Bürgerinnen und
Bürger beider Länder vorzunehmen (junge Welt, 10. April 2008; DER SPIEGEL,
28. April 2008). Als Zweck wird erneut die Bekämpfung des Terrorismus ange-
führt. Den Medienberichten zufolge enthält das Abkommen etliche Bestim-
mungen, die einen erheblichen Eingriff in den Datenschutz bzw. das Grund-
recht auf informationelle Selbstbestimmung darstellen. Auch der Bundesdaten-
schutzbeauftragte soll starke Bedenken geäußert haben, auf die die Bundes-
regierung aber nicht eingegangen sei. Zu den Daten, die ausgetauscht werden
sollen, gehören offenbar DNA-Profile, Fingerabdrücke und personenbezogene
Daten. Besonders bedenklich ist, dass zu Letzteren offenbar auch Angaben zu
„Rasse oder ethnische Herkunft“, zu politischen Anschauungen, religiösen oder
sonstigen Überzeugungen und die Mitgliedschaft in Gewerkschaften gehören.

Das US-amerikanische Heimatschutzministerium mag seine Gründe haben,
warum es sich für die Gewerkschaftszugehörigkeit von „Verdächtigen“ interes-
siert, eine Übermittlung solcher Daten scheint jedoch mit dem Grundgesetz
kaum vereinbar zu sein. Völlig unklar ist bislang, wie der Schutz dieser Daten
gewährleistet werden soll, wie die Auskunfts- und Löschungsrechte der Betrof-
fenen gestaltet werden; bekannt ist nur, dass das Datenschutzniveau in den
USA, insbesondere für Nicht-US-Bürger, auf einem erheblich niedrigeren
Stand als in Deutschland ist.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Trifft es zu, dass Artikel 12 des Vertragsentwurfs vorsieht, personenbezo-
gene Daten zu übermitteln, aus denen die „Rasse oder ethnische Herkunft“,
politische Anschauungen, religiöse oder sonstige Überzeugungen oder die
Mitgliedschaft in Gewerkschaften hervorgeht oder die Gesundheit und das
Sexualleben betreffen?

Wenn ja,
a) auf wessen Veranlassung wurde dieser Absatz in den Vertragsentwurf
eingebaut?

b) inwiefern sind aus Sicht der Bundesregierung sowie der USA Informatio-
nen darüber, ob jemand beispielsweise im DGB (Deutscher Gewerk-
schaftsbund) oder einer US-Gewerkschaft organisiert ist, für die Be-
kämpfung des Terrorismus wichtig?

Drucksache 16/9279 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

c) inwiefern sind aus Sicht der Bundesregierung sowie der USA Informatio-
nen zu den politischen Anschauungen für die Bekämpfung des Terroris-
mus wichtig?

d) inwiefern sind aus Sicht der Bundesregierung sowie der USA Informatio-
nen zum Sexualleben für die Bekämpfung des Terrorismus wichtig?

e) in welchen Dateien wird die sexuelle Orientierung von Einwohnerinnen
und Einwohnern festgehalten bzw. ist der Aufbau solcher Dateien be-
absichtigt, und woher erlangen die Ermittlungsbehörden Kenntnis von
der sexuellen Orientierung?

f) inwiefern sind aus Sicht der Bundesregierung sowie der USA Informatio-
nen zu „Rasse oder ethnische Herkunft“ für die Bekämpfung des Terro-
rismus wichtig?

g) hält die Bundesregierung es für politisch sinnvoll und wissenschaftlich
zulässig, durch die Verwendung des Begriffs „Rasse“ zu unterstellen, es
existierten verschiedene „Menschenrassen“?

h) wie definiert die Bundesregierung die Begriffe „Rasse“ sowie „ethnische
Herkunft“ (bitte den genauen Wortlaut der Definition angeben), und
stimmt die Definition mit derjenigen der US-Regierung überein (falls
nicht, bitte zusätzlich die US-Definition angeben)?

2. Teilt die Bundesregierung die Sorge der Fragesteller, dass die Übermittlung
all dieser Daten in die Freiheit der gewerkschaftlichen Betätigung, die Mei-
nungsfreiheit, die Religionsfreiheit, die Menschenwürde sowie in das Grund-
recht auf informationelle Selbstbestimmung eingreift, und wenn nein, warum
nicht?

3. Gehören zu den vom Zugriff bzw. Austausch betroffenen Daten auch die in
der Bundesrepublik Deutschland routinemäßig und verdachtslos erhobenen
Fingerabdruckdaten von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern?

4. Welche weiteren Arten von Daten (neben personenbezogenen) sollen ausge-
tauscht werden?

5. Enthält das Abkommen verbindliche Definitionen zu Begriffen wie „Gefähr-
der“, „terroristische Straftaten“, „Schwerkriminalität“, „Terrorcamps“ oder
„Ausbildung zum Terrorismus“, die sicherstellen, dass beide Seiten damit
das Gleiche meinen, und wenn ja, wie lauten diese Definitionen (bitte ge-
nauen Wortlaut angeben)?

6. Wie soll der Austausch bzw. der Zugriff auf diese Daten konkret geregelt
werden, und welche Behörden sind jeweils dafür zuständig?

7. Welche Voraussetzungen müssen für den Zugriff bzw. Austausch der Daten
gegeben sein?

Gehören hierzu Einzelanfragen sowie Einzelgenehmigungen oder enthält
das Abkommen Bestimmungen über Datenzugriffe/-austausche ohne vorhe-
rige Anfrage/Genehmigung, und wenn ja, welche?

Liegen solchen Bestimmungen wiederum identische Definitionen zugrunde
(falls ja, bitte angeben)?

8. Wer prüft auf der deutschen und wer auf der amerikanischen Seite, ob diese
Voraussetzungen tatsächlich gegeben sind?

9. Ist die Verwendung der Daten ausschließlich zur Bekämpfung des (wie auch
immer definierten) Terrorismus zulässig oder auch für andere Zwecke, und
falls Letzteres zutrifft, für welche?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9279

10. Sieht das Abkommen ein subjektives Recht deutscher Bürgerinnen und
Bürger vor, Auskunft über die den US-Behörden übermittelten Daten zu er-
halten, und wenn ja, wie ist dieses geregelt (bitte inklusive der möglichen
Rechtswege ausführen)?

11. Sieht das Abkommen ein subjektives Recht deutscher Bürgerinnen und
Bürger vor, die Korrektur, Sperrung oder Löschung der an die US-Behör-
den übermittelten Daten zu verlangen oder zumindest zu verlangen, dass
weitere Datentransaktionen unterbleiben, und wenn ja, wie ist dieses gere-
gelt (bitte inklusive der möglichen Rechtswege ausführen)?

12. Sieht das Abkommen verbindliche Speicherfristen vor, wenn ja, welche,
wenn nein, warum nicht?

13. Sieht das Abkommen ein verbindliches Datenschutzregime vor, und wenn
ja, wie ist dieses beschaffen und entspricht dies den Standards, die üblicher-
weise in Deutschland bestehen?

14. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung der Fragesteller, dass das
Datenschutzniveau in den USA niedriger ist?

15. Gibt es in den USA eine unabhängige Datenschutzkontrolle, welche die
Einhaltung datenschutzrechtlicher Standards in Hinsicht auf das Abkom-
men überprüfen kann, und wenn ja, welche ist dies?

16. Treffen Berichte zu, denen zufolge dieses Abkommen schrittweise auf an-
dere EU-Staaten ausgeweitet werden soll, und wenn ja, welche Schritte
will die Bundesregierung hierbei unternehmen?

Sind Einzelabkommen der USA mit den EU-Mitgliedern zu erwarten oder
will die Bundesregierung gemeinsame Schritte der Mitgliedstaaten anre-
gen?

17. Bis wann will die Bundesregierung den Entwurf dem Bundesrat bzw. dem
Deutschen Bundestag zuleiten?

Berlin, den 19. Mai 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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