BT-Drucksache 16/9259

Rolle und Bewertung von bildungspolitischen Fragestellungen im Rahmen der Föderalismusreform II

Vom 23. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9259
16. Wahlperiode 23. 05. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Bodo Ramelow, Dr. Petra Sitte,
Volker Schneider (Saarbrücken) und der Fraktion DIE LINKE.

Rolle und Bewertung von bildungspolitischen Fragestellungen im Rahmen
der Föderalismusreform II

Am 15. Dezember 2006 haben der Deutsche Bundestag sowie der Bundesrat
beschlossen, eine gemeinsame Kommission zur Modernisierung der Bund-Län-
der-Finanzbeziehungen (kurz Föderalismuskommission II) einzusetzen.

Unter den vom Deutschen Bundestag entsandten Mitgliedern in diese Kommis-
sion, sind dem Einsetzungsbeschluss entsprechend auch vier Vertreterinnen und
Vertreter der Bundesregierung. Die Kommission hat den Auftrag, Vorschläge
zur Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu erarbeiten. Im
Zentrum der Arbeit der Kommission stand bislang das Thema Staatsverschul-
dung und der aus den Reihen der Bundesregierung unterbreitete Vorschlag für
eine Schuldenbremse. Die Begrenzung der Staatsverschuldung über eine die öf-
fentlichen Ausgaben dämpfende „Schuldenbremse“ wird dabei in den Kontext
einer „nachhaltigen Finanzpolitik“ gestellt. Inwieweit diese Politik einen Bei-
trag zu Verbesserung der Finanzierung von Bildung und Erziehung leisten kann,
bleibt nicht nur offen. Vielmehr sind mit der möglichen Einführung der „Schul-
denbremse“ neue Risiken für die Kürzung der öffentlichen Ausgaben in zentra-
len Bereichen wie Wissenschaft und Bildung verbunden.

Zugleich müssen die problematischen Entscheidungen, die für den Bildungs-
bereich in der ersten Stufe der Föderalismusreform (2006) getroffen wurden,
erneut diskutiert und evaluiert werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. a) Welchen Stellenwert haben aus Sicht der Bundesregierung Probleme der
Bildungsfinanzierung im Rahmen der Modernisierung der Bund-Länder-
Finanzbeziehungen?

b) Welche Vorschläge und Initiativen gibt es zu diesem Thema seitens der
Mitglieder der Kommission?

2. Welche Ursachen hat der in internationalen Vergleichen hinlänglich doku-
mentierte Rückgang des Anteils der Bildungsausgaben am Bruttoinlandspro-

dukt (BIP)?

3. a) Welche Ausgabensteigerungen wären erforderlich, um den Anteil der
deutschen öffentlichen Bildungsausgaben am BIP auf das aktuelle Durch-
schnittsniveau der OECD zu heben?

b) Welchen Beitrag kann die Föderalismusreform II zur Überwindung der
chronischen Unterfinanzierung des deutschen Bildungswesens leisten?

Drucksache 16/9259 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

c) Welchen finanziellen Handlungsbedarf würden die folgenden Maßnah-
men aus der Sicht der Bundesregierung erfordern: Ausbau eines flächen-
deckenden Kita-Netzes, in dem jedem Kind ab dem dritten Lebensjahr ge-
bührenfrei ein Platz zur Verfügung steht; umfassende Lernmittelfreiheit,
Erhöhung der Anzahl der Hochschulstudienplätze auf 40 Prozent eines
Altersjahrgangs?

4. a) Welche Auswirkungen hat die durch die Bundesregierung beabsichtigte
„Schuldenbremse“ auf diejenigen Bundesländer, die derzeit über dem
Länderdurchschnitt der Ausgaben für Wissenschaft und Bildung liegen?

b) Hat der Bund im Zusammenhang mit Debatten in der Föderalismuskom-
mission bereits eine Absenkung von Bildungsausgaben in bestimmten
Bundesländern für geboten erklärt?

c) Hält der Bund an seiner im Rahmen des Verfassungsgerichtsverfahrens zur
Berliner Haushaltsnotlageklage vorgetragenen Einschätzung fest, dass es in
Berlin zu hohe Ausgaben für Bildung, Wissenschaft und Erziehung gäbe?

5. Erkennt die Bundesregierung einen Widerspruch darin, einerseits der Ver-
schuldung der öffentlichen Haushalte entgegenwirken zu wollen und ande-
rerseits im Bildungsbereich die Privatisierung der Bildungskosten zu Lasten
Einzelner voranzutreiben und eine damit einhergehende Verschuldung von
Studierenden oder Teilnehmenden in der Weiterbildung in Kauf zu nehmen,
wie dies durch eigene Initiativen wie beispielsweise der Zustimmung zur
Vergabe von Studienkrediten durch die Kreditanstalt für Wiederaufbau
(KfW Bankengruppe) praktiziert wurde?

6. a) Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem in der Föderalismus-
kommission II vorliegenden Vorschlag, die Kompetenz des Bundes im
Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung um den Bereich Hochschul-
zugang (ergänzend zur Kompetenz für die Hochschulzulassung und -ab-
schlüsse) zu erweitern?

b) Könnte durch solch eine unter 6a dargestellte Erweiterung zukünftig eine
bundesweite Regelung des Hochschulzugangs für Absolventinnen und
Absolventen aus der beruflichen Bildung auf den Weg gebracht werden,
und liegt dies im Interesse der Bundesregierung (bitte begründen)?

c) Könnte durch solch eine unter 6a dargestellte Erweiterung zukünftig die
Frage der Erhebung allgemeiner Studiengebühren einheitlich geregelt
werden, und liegt dies im Interesse der Bundesregierung (bitte begrün-
den)?

7. Inwiefern kann die Bundesregierung drei Jahre nach dem Urteil des Bundes-
verfassungsgerichts vom 26. Januar 2005 beurteilen, ob sich das bundesstaat-
liche Sozialgefüge auseinander entwickelt (vgl. Antwort auf Bundestags-
drucksache 16/799)?

Falls nein, warum nicht?

8. Wie positioniert sich die Bundesregierung zu dem in der Föderalismuskom-
mission II vorliegenden Vorschlag, Gerichtsgebühren in BAföG-Verfahren
zuzulassen?

9. a) Welche Erfahrung hat die Bundesregierung bisher mit den im Bildungs-
bereich bestehenden Abweichungsmöglichkeiten der Länder von bundes-
weiten Regelungen gemacht, und wie häufig wurde diese Möglichkeit bis-
her von den Bundesländern in Anspruch genommen?

b) Wie positioniert sie sich vor diesem Hintergrund zu dem Vorschlag, ein
Standardabweichungsgesetz für die Länder im Zuge der Modernisierung

der Bund-Länder-Finanzbeziehungen zu schaffen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9259

10. Welche Korrekturen der im Zuge der Neuordnung der Bund-Länder-Bezie-
hungen (Föderalismusreform I) Mitte 2006 vollzogenen Änderungen hält
die Bundesregierung für erforderlich, und wie und wo macht sie sich dafür
stark?

11. a) Wie bewertet die Bundesregierung das in der Föderalismusreform I
verabschiedete Kooperationsverbot für Schulen im Artikel 104b Abs. 1
Satz 1 des Grundgesetzes?

b) Will die Bundesregierung Finanzhilfen des Bundes für die Länder auch
bei den Schulen – wie etwa beim Ausbau von Ganztagsschulen – künftig
wieder ermöglichen?

Falls nein, warum nicht?

12. a) Sieht die Bundesregierung mit Blick auf das Ziel der UNESCO, dass
mindestens sieben Prozent des BIP für Bildung und Weiterbildung aus-
gegeben werden sollen, Handlungsbedarf, und welche Schlussfolgerun-
gen zieht sie daraus?

b) Will die Bundesregierung dieses Ziel im Rahmen der Föderalismusre-
form II verbindlich festschreiben?

Falls nein, warum nicht?

Berlin, den 20. Mai 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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