BT-Drucksache 16/9073

Die entwicklungspolitische Zusammenarbeit Deutschlands im Rahmen der strategischen Partnerschaft der Europäischen Union mit den Staaten Lateinamerikas und der Karibik zielgerichtet stärken

Vom 7. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9073
16. Wahlperiode 07. 05. 2008

Antrag
der Abgeordneten Anette Hübinger, Dr. Christian Ruck, Dr. Wolf Bauer,
Klaus Brähmig, Hartwig Fischer (Göttingen), Norbert Geis, Jürgen Klimke,
Hartmut Koschyk, Bernward Müller (Gera), Dr. Georg Nüßlein, Sibylle Pfeiffer,
Dr. Norbert Röttgen, Arnold Vaatz, Peter Weiß (Emmendingen), Volker Kauder,
Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Gregor Amann, Elvira Drobinski-Weiß,
Detlef Dzembritzki, Gabriele Groneberg, Stephan Hilsberg, Iris Hoffmann
(Wismar), Dr. Bärbel Kofler, Walter Kolbow, Ute Kumpf, Thomas Oppermann,
Christel Riemann-Hanewinckel, Walter Riester, Frank Schwabe, Dr. Ditmar Staffelt,
Hedi Wegener, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Peter Struck und der Fraktion der SPD

Die entwicklungspolitische Zusammenarbeit Deutschlands im Rahmen
der strategischen Partnerschaft der Europäischen Union mit den Staaten
Lateinamerikas und der Karibik zielgerichtet stärken

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die Beziehungen zwischen Deutschland und der Europäischen Union (EU) mit
den Staaten Lateinamerikas und der Karibik (LAK) basieren auf historisch be-
gründeten gesellschaftlichen Verflechtungen sowie vielfältigen wirtschaftli-
chen, wissenschaftlichen und entwicklungspolitischen Beziehungen. Diese so-
lide Grundlage hat dazu geführt, dass die EU mit keiner anderen Großregion
außerhalb Europas und Nordamerikas derart intensiv und umfassend zusam-
menarbeitet wie mit LAK. Davon zeugen der EU-LAK-Gipfelprozess der
Staats- und Regierungschefs, auf dessen erstem Treffen 1999 in Rio de Janeiro
die beiden Regionen eine strategische Partnerschaft geschlossen haben, sowie
die seit 1987 stattfindenden EU-Rio-Gruppentreffen.

Das diesjährige Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der EU und der
Staaten LAK am 16. Mai 2008 in Lima muss die große Chance nutzen, die kon-
krete Umsetzung der bisherigen Gipfelerklärungen, vor allem der von Wien
2006, zu erreichen. Für den entwicklungspolitischen Dialog bedürfen Fragen
des Ressourcenschutzes, des Klimawandels und der erneuerbaren Energien
sowie die Doha-Entwicklungsrunde der Welthandelsorganisation (World Trade

Organization – WTO) ebenso gemeinsamer Lösungsansätze wie die Unterstüt-
zung bei Good Governance (Gute Regierungsführung) und der Beseitigung von
Armut und sozialen Ungleichheiten.

Im Rahmen der zwischen EU und LAK geschlossenen strategischen Partner-
schaft haben entwicklungspolitische Zusammenarbeit und Dialog eine wichtige
Funktion. Die EU ist mit einem Anteil von 40 Prozent an der Entwicklungszu-
sammenarbeit der größte entwicklungspolitische Akteur in LAK, Deutschland

Drucksache 16/9073 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

ein wichtiger bilateraler Geber mit langer Erfahrung und hoher Vor-Ort-Prä-
senz.

Einer der vorrangigen Schwerpunkte der Zusammenarbeit von EU und
Deutschland mit dem lateinamerikanischen Kontinent ist es, mit den Partnern
im Sinne der Ziele des VN-Millenniumsgipfels den Anteil der in absoluter Ar-
mut lebenden Menschen bis 2015 zu halbieren und die sozialen Ungleichheiten
durch Reformen der sozialen Sektoren zu beseitigen. Ebenso wird die Moderni-
sierung der Staaten im Sinne von Guter Regierungsführung, Umsetzung der
Reformen unter Beteiligung der Zivilgesellschaft und Korruptionsbekämpfung
unterstützt. Die regionale Integration wird gefördert und die internationale
Wettbewerbsfähigkeit der Volkswirtschaften unter Berücksichtigung der sozia-
len und ökologischen Standards verbessert. Die mit der Pariser Erklärung von
2005 festgelegte verbesserte Geberkoordinierung und die Nutzung der eigenen
Potenziale der LAK-Staaten werden zur Armutsbekämpfung in stärkerem
Maße beitragen können. Mit den lateinamerikanischen Schwellenländer sollte
ein politischer Dialog auf Augenhöhe auch über die wichtigen Felder der Mo-
dernisierung der staatlichen Strukturen sowie des Aufbaus und Ausbaus rechts-
staatlicher und institutioneller Strukturen sowie von belastbaren Steuer-, Fi-
nanz-, Banken- und Sozialen Sicherungssystemen geführt werden. Nur so
können sowohl die sozialen Probleme einschließlich der Durchsetzung von
Frauenrechten und dem Schutz der Jugend vor Gewalt wie auch die Partizipa-
tion der Zivilgesellschaften, insbesondere der indigenen Völker, gelöst werden.
Dies sind auch wichtige Faktoren, um die weitere regionale Integration und die
gleichberechtigte Integration in die Weltwirtschaft unter Berücksichtigung ei-
ner nachhaltigen ländlichen Entwicklung, der Einhaltung der Sozialstandards
und des Umwelt- und Ressourcenschutzes zu befördern. Insbesondere den
Schwellenländern Brasilien und Mexiko kommt dabei eine stabilisierende
Rolle gegenüber den Entwicklungsländern der Region zu. Neben der Entwick-
lungszusammenarbeit ist eine Intensivierung des Know-how-Transfers und der
wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit sowie der Hoch-
schulbeziehungen mit den Schwellenländern in LAK ein wichtiger Baustein
zur Lösung gemeinsamer Zukunftsprobleme z. B. in den Sektoren Energie und
Ressourcenschutz oder Verstädterung.

Nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes nahm die Intensität der politischen
Beziehungen zwischen Europa bzw. Deutschland und Lateinamerika trotz guter
Rahmenbedingungen ab. Die seit einigen Jahren anhaltende wirtschaftliche,
politische als auch gesellschaftliche Entwicklung in lateinamerikanischen Staa-
ten und deren wachsende Einflussnahme in multilateralen Gremien sollten für
die EU und Deutschland Anlass sein, künftig engere Beziehungen zu diesem
Subkontinent zu pflegen.

Lateinamerika/Karibik weist nach der Ablösung linker und rechter Diktaturen
in den letzten zwei Jahrzehnten – mit Ausnahme Kubas – den höchsten Demo-
kratisierungsgrad der Entwicklungsregionen weltweit auf. Gleichwohl beob-
achtet der Deutsche Bundestag mit Sorge die zunehmende Ausbreitung popu-
listischer Strömungen mit autoritären und zum Teil gewaltbereiten Tendenzen
in einigen Ländern in LAK und die Gefährdung der in den letzten beiden Deka-
den erzielten Transformationsgewinne. Die besorgniserregenden Signale zum
Zustand von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Marktwirtschaft und Regierungs-
führung in einigen Ländern, wie sie die Governance Indikatoren der Weltbank
und das Institut für Ibero-Amerikakunde beobachten, sind prägnanter Ausdruck
der ungelösten Entwicklungsprobleme, bei denen soziökonomische und poli-
tisch-institutionelle Defizite zusammenspielen. Diese Tendenz wird auch vom
„Bertelsmann Transformation Index 2008“ bestätigt. So kann die politische
Transformation in einigen Ländern als demokratisch stabil bewertet werden,

während in anderen Ländern eine Stagnation der demokratischen Entwicklung
festzustellen ist. Hinzu kommt, dass in manchen Ländern zudem eine deutliche

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/9073

Eintrübung im demokratischen Klima und eine Abnahme des Vertrauens und
der Akzeptanz demokratischer Prozesse zu erkennen ist. Hervorgehoben wer-
den müssen in diesem Zusammenhang die teilweise mangelnde Transparenz
politischer Prozesse, Probleme durch eine die Meinungsvielfalt reduzierende
Konzentration der Medien einschließlich der Ausübung wirtschaftlichen und
politischen Drucks, sowie Korruption. Auch der mangelnde öffentliche Zugang
zu Informationen ist ein wachsendes Problem.

Nach Jahren der Stagnation und Rezession, von Währungs- und Finanzkrisen,
ist die wirtschaftliche Lage in vielen Ländern der Region LAK inzwischen von
deutlichem Wachstum geprägt. Besonders in den beiden letzten Jahren konnten
die lateinamerikanischen Volkswirtschaften von der günstigen Entwicklung der
Weltwirtschaft profitieren. Die starke internationale Nachfrage sowie die stei-
genden Rohstoffpreise haben vor allem die Öl- und Erdgasexporteure Venezu-
ela, Ecuador und Bolivien begünstigt, aber auch die Agrarexporteure Argenti-
nien und Brasilien sowie die Mineralexporteure Chile, Peru und Kuba konnten
hohe Wachstumsraten erreichen. Ausländische Unternehmen haben zunehmend
in rohstoffnahe Bereiche investiert. Hinzu kommen die stetig steigenden Rück-
überweisungen von Migrantinnen und Migranten. Die günstigen Rahmenbedin-
gungen führten jedoch aufgrund unterschiedlicher wirtschaftspolitischer Strate-
gien der einzelnen Regierungen nicht immer zu den wirtschaftlichen und
armutsreduzierenden Erfolgen.

Obwohl die Reformprozesse nicht in der angestrebten umfassenden Verbesse-
rung der sozialen Situation in LAK resultierten, so hat diese Entwicklung doch
dazu geführt, dass die Vereinten Nationen Lateinamerika bei der Erreichung der
Millenniumsziele überwiegend auf „gutem Weg“ sehen. In den Bereichen
Grundbildung, Gender und Kindersterblichkeit können die Ziele bis 2015 er-
reicht werden; die Senkung der Müttersterblichkeit, erfolgreichere HIV/Aids-
Bekämpfung und die angestrebte Halbierung der absoluten Armut werden je-
doch verfehlt. 40 Prozent der Bevölkerung vor allem in den ländlichen Regio-
nen lebt von weniger als zwei US-Dollar am Tag, etwa 15 Prozent von weniger
als einem US-Dollar. Die Reformprozesse und der Exportboom der Primärgüter
haben in Schwellenländern wie Brasilien, Mexiko oder Chile auch zu Wohl-
stand unter breiteren Bevölkerungsschichten und zum Entstehen einer kauf-
kräftigen Mittelschicht geführt. Trotzdem lebt auch dort ein Teil der Bevölke-
rung in teilweise bitterer Armut. In weniger entwickelten Ländern ohne
nennenswerte Rohstoffe wie vor allem Haiti oder Guatemala leben hingegen
immer mehr Menschen in oft extremer Armut. Der dortige Reichtum konzent-
riert sich in der Regel auf eine kleine Wirtschafts- und Politikelite.

Insgesamt sind Einkommensverteilung und Wohlstandsunterschiede in den Ge-
sellschaften in LAK auch in den letzten Jahren noch ungleicher geworden.
Hieraus entwickelt sich ein immer gefährlicher werdender sozialer Sprengstoff,
der auch zu steigender Migration führt und dessen Risikopotential für die Staa-
ten und Gesellschaften in LAK schwer einschätzbar ist. Da in den neunziger
Jahren des letzten Jahrhunderts mit zunehmender Marktliberalisierung viele
staatliche Institutionen und Funktionen abgebaut wurden, fehlt nun „der len-
kende Staat“, der gleichzeitig soziale und wirtschaftliche Verantwortung trägt
und durchsetzt. Erschwert wird diese Aufgabe durch fehlende Steuereinnahmen
und mangelhafte Steuergerechtigkeit. Diesen Ländern ist auch gemein, dass
insbesondere die wirtschaftlichen Eliten ihrer gesellschaftspolitischen und
sozialen Verantwortung nicht ausreichend gerecht werden. Das Versagen der
Eliten hat dazu geführt, dass bei den jüngsten Wahlen das Thema der unge-
rechten Einkommensverteilung und der Armut eine entscheidende Rolle ge-
spielt hat. Dies ist prinzipiell positiv, allerdings erfüllen die mit diesen Wahl-
versprechen gewählten Regierungen nicht immer die Erwartungen und greifen

oft zu kurzfristigen populistischen Maßnahmen anstelle von reformorientierten
nachhaltigen Armutsbekämpfungsstrategien.

Drucksache 16/9073 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Schwäche staatlicher Institutionen führt in einigen lateinamerikanischen
Ländern zu rechtsfreien Räumen mit schwerwiegenden Menschenrechtsverlet-
zungen, zu einem erschreckenden Ausmaß an Binnenvertreibung und zu einer
Spirale krimineller Gewalt. Mehrere Länder stehen weiter vor der Herausforde-
rung, ihre diktatorische Vergangenheit aufzuarbeiten, zumal die Empfehlungen
von Friedens- und Wahrheitskommissionen oft nur unzureichend umgesetzt
werden. Große Bedeutung kommt daher dem Interamerikanischen Gerichtshof
für Menschenrechte zu, der von der Interamerikanischen Menschenrechtskom-
mission und OAS (Organization of American States) eingerichtet worden ist.

Auf die Frage der gleichberechtigten Partizipation und Integration der indige-
nen Völker, die bislang am Rande der Gesellschaft leben und zunehmend gegen
Diskriminierung, Unterdrückung und Missachtung ihrer in den jeweiligen Ver-
fassungen verbrieften Rechte aufbegehren, haben die regierenden Eliten in
LAK noch keine schlüssigen Strategien gefunden.

Frauenrechte und körperliche Unversehrtheit von Frauen werden ebenfalls häu-
fig verletzt. Die Müttersterblichkeit ist nach wie vor sehr hoch. Auch wenn in
Fragen der Grund- und Ausbildung sowie der Berufsausübung die Gleichstel-
lung im Sinne der Millenniumsentwicklungsziele erreicht werden kann, sind
Gleichstellungspolitik und die Beteiligung von Frauen an politischen und wirt-
schaftlichen Entscheidungsprozessen, z. B. als Parlamentarierinnen, bis 2015
nicht erreichbar.

Die Region weist in einigen Brennpunkten eine gefährliche Kombination von
Terrorismus, Drogenproduktion und -handel sowie Kriminalität auf. Guerillas,
Paramilitärs, organisiertes Verbrechen, transnationale Terroristen, Drogen- und
Waffenhändler wirken immer häufiger grenzüberschreitend zusammen. Dabei
nutzen und schaffen sich diese rechtsfreie Räume und wirken somit destabili-
sierend. Diese Gefahren sind eine Herausforderung nicht nur für die LAK-Staa-
ten, sondern auch für andere Regionen einschließlich Europas und der interna-
tionalen Gemeinschaft.

In den LAK-Staaten ist ein Großteil der weltweit vorhandenen biologischen
Vielfalt beheimatet. Diese Schatzkammern, insbesondere in Amazonien, aber
auch in anderen Naturregionen von der Karibik bis zu den Galapagos Inseln
sind durch kurzfristige Interessen in höchster Gefahr. Bei dem in der Millen-
niumserklärung vereinbarten Ziel, zum Schutz des globalen Klimas die Entwal-
dung zu stoppen, ist kein Fortschritt erzielt worden. Es ist im Interesse der
Weltgemeinschaft, gemeinsam mit den LAK-Staaten zu tragfähigen Lösungen
zur Bewahrung der Schöpfung und der Erhaltung der natürlichen Lebensgrund-
lagen zu kommen.

Die LAK-Staaten haben zwar grundsätzlich die Chancen erkannt, die in einer
regionalen Integration liegen, allerdings verläuft der Integrationsprozess regio-
nal höchst unterschiedlich und vorwiegend schleppend. So sind zum Beispiel
die Integrationsbemühungen innerhalb des Mercosur zurzeit eher von Stagna-
tion gekennzeichnet.

Die Arbeit der politischen Stiftungen, Kirchen und Nichtregierungsorganisatio-
nen trägt in erheblichem Maße zum Aufbau und zur Stärkung der Zivilgesell-
schaft sowie zur Stärkung der politischen Institutionen und Strukturen in LAK
bei. Besonders bei Fragen von Good Governance, der Herausbildung des Parti-
zipationsprinzips sowie der Sensibilisierung von Eliten und deren Verantwor-
tung haben Stiftungen eine große Bedeutung.

Nachhaltige Partnerschaft und politischer Dialog bedürfen eines kulturellen
Fundaments. Die Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik leistet hierzu u. a. mit
ihren Kulturprogrammen, dem Wissenschaftsaustausch und den deutschen

Auslandsschulen einen wichtigen Beitrag. Sie trägt damit maßgeblich dazu bei,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/9073

kulturelle Vielfalt zu schützen, Kulturdialog und -kooperation zu vertiefen und
Bildungschancen zu verbessern.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass

– die Bundesregierung zeitnah vor dem EU-LAK-Gipfel einen EU-Latein-
amerika-Dialog eröffnet hat, bei dem sich hochrangige europäische und
lateinamerikanische Politiker und Politikerinnen und Expertinnen und Ex-
perten mit einer Haushalts- und Steuerpolitik für sozialen Zusammenhalt
und für den Kampf gegen die Armut auseinandergesetzt haben;

– die im neuen Konzept des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zu-
sammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für die entwicklungspolitische Zu-
sammenarbeit mit LAK genannten Schwerpunkte – Good Governance,
Umwelt- und Klimaschutz und Förderung der Trinkwasserver- und Ab-
wasserentsorgung – und die länderübergreifende Form der Zusammenarbeit
kohärent angepasst werden sollen;

– es Deutschland während seines EU-Vorsitzes gelungen ist, die Zusammenar-
beit EU-LAK deutlich voran zu bringen. So konnten im ersten Halbjahr
2007 die Assoziierungsverhandlungen mit der Andengemeinschaft und mit
Zentralamerika erfolgreich gestartet und die strategische Partnerschaft EU-
Brasilien angebahnt werden. Während seines EU-Vorsitzes hat Deutschland
auch den Weg dazu gebahnt, dass am 16. Dezember 2007 ein umfassendes
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA) der EU mit dem „Forum der
karibischen AKP-Staaten“ (CARIFORUM) unterzeichnet werden konnte;

– Deutschland durch seinen Beitritt zur Karibischen Gemeinschaft
(CARICOM) als Beobachter sowie durch den bevorstehenden Beitritt zum
zentralamerikanischen Integrationssystem SICA ebenfalls als Beobachter
einen Beitrag zur Unterstützung der regionalen Integrationsbemühungen
leistet;

– durch die Unterzeichnung der Gemeinsamen Erklärung zwischen Deutsch-
land und Mexiko im April 2007 eine Intensivierung der bilateralen Bezie-
hungen zwischen den beiden Staaten vereinbart wurde;

– die EU nach dem vierten EU-LAK-Gipfel vom Mai 2006 eine verstärkte
Partnerschaft mit möglichen Maßnahmen in den Bereichen politischer Dia-
log, Handel und Investitionen, Stabilität und Wohlstand, Zusammenarbeit
und gegenseitiges Verständnis anstrebt;

– die EU mit ihrem Lateinamerika-Dokument zur regionalen Programmierung
2007 bis 2013 Ziele der künftigen sowie die Einordnung der bisherigen re-
gionalen Entwicklungszusammenarbeit vorgelegt hat, für deren Umset-
zung Gemeinschaftsfinanzierung, Übereinstimmung mit der Gemeinschafts-
politik, Komplementarität, Kohärenz und Maximieren der Effizienz im
Sinne der Pariser Erklärung von 2005 Teil der Programmierung sind;

– das BMZ ein Partnerschaftsabkommen zur Förderung der erneuerbaren
Energien und der Energieeffizienz mit der Interamerikanischen Entwick-
lungsbank (IDB) geschlossen hat und die IDB, einflussreicher Partner mit
18 Prozent ihres Gesamtportfolios im Energiesektor, sowie die UN-Wirt-
schaftskommission für Lateinamerika (CEPAL) bei ihren Ansätzen und
Maßnahmen für Energie, Ressourcenschutz und soziale Kohäsion unter-
stützt;

– die Bundesregierung bei der Reform der IDB und der Definition der vier
Schwerpunkte „Reform der sozialen Sektoren“, „Modernisierung des Staa-
tes“, „Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit“, „Regionale Integration“ in

Übereinstimmung mit den europäischen Partnern mitwirken konnte und

Drucksache 16/9073 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

diese in ihrem Konzept „Zur Bekämpfung der Armut – Unsere Ziel in den
regionalen Entwicklungsbanken“ berücksichtigt;

– die Bundesregierung in der Zusammenarbeit mit LAK auch für die Pro-
bleme der Menschenrechtsverletzungen, der Marginalisierung der indigenen
Völker, der Gleichstellung von Frauen oder der Staatsentwicklung und
Rechtsstaatlichkeit Vorschläge der Kooperation und des Dialogs erarbeitet
hat.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. mit der zügigen Umsetzung der Konzeptionen der bilateralen und europäi-
schen Entwicklungskooperation gemeinsam mit den LAK-Staaten eine stra-
tegische Partnerschaft für die gemeinsame Lösung von Problemen in wich-
tigen Zukunftssektoren anzustreben und

a) sie konsequent auf eine effiziente Armutsbekämpfung und die Verbesse-
rung unverzichtbarer sozialer Dienstleistungen und den Aufbau sozialer
Sicherungssysteme, Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung und Um-
welt- und Ressourcenschutz auszurichten,

b) im Rahmen der Stärkung von Good Governance die notwendige Unter-
stützung und Beratung bei der Bewältigung dortiger Strukturprobleme in
den Bereichen Staat und Gesellschaft, Rechtssystem und Rechtssicherheit,
Herstellung von Steuergerechtigkeit, Aufbau des Finanz- und Bankensek-
tors zu gewährleisten,

c) damit gleichzeitig zur Intensivierung der Politik-, Wirtschafts-, Wissen-
schafts- und Hochschulbeziehungen beizutragen;

2. die bilaterale Zusammenarbeit der Bundesregierung mit LAK außenpoli-
tisch kohärent und entwicklungsverträglich zu gestalten, und ODA-Mittel
(Official Development Assistance) auch in LAK für partnerschaftlich ver-
einbarte Schwerpunkte einzusetzen;

3. die Entwicklungskooperation in Abstimmung mit den EU-Partnerstaaten
und der EU-Kommission zu intensivieren und gleichzeitig eine Verbesse-
rung der Qualität sowie eine bessere Kohärenz und Koordinierung der Ent-
wicklungszusammenarbeit der EU-Mitgliedstaaten zu erreichen. Hierzu
muss auch entsprechend der Paris Deklaration eine Bündelung der entwick-
lungspolitischen Initiativen der EU-Kommission für LAK zählen;

4. den politischen und entwicklungspolitischen Dialog mit den Regierungen in
LAK zu intensivieren, um zu erreichen,

a) dass diese von den Eliten ihrer Länder mehr gesellschaftspolitische und
soziale Verantwortung einfordern,

b) dass die Schwerpunkte Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, Tropenwald-
schutz sowie erneuerbare Energien und Energieeffizienz komplementär
durch länderübergreifende Ansätze und durch Kooperation mit den Re-
gionalbanken verstärkt werden,

c) dass die regionalen Organisationen indigener Völker institutionell ge-
stärkt werden,

d) dass die bestehenden regionalen Vorhaben und Dialoge zu den Themen
„Frauenrechte und Gender“, „Jugend und Gewalt“ sowie „Soziale Kohä-
sion“ unterstützt werden;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/9073

5. Entscheidungen auf Regierungsebene der Bundesregierung, der EU- und
LAK-Staaten auf geschlechtergerechte Kohärenz zu prüfen, und mit den
lateinamerikanischen und karibischen Partnerregierungen zu erreichen,
dass Frauen an allen Kooperations- und Entscheidungsprozessen aktiv be-
teiligt werden, und dass Frauen und Mädchen rechtliche Gleichstellung
und der Zugang zu Bildung, Gesundheit und Eigentum gewährleistet wird;

6. mit gezielter Beratung den Auf- und Ausbau regionaler Zusammen-
schlüsse, wie z. B. die Integrationsbemühungen innerhalb des Mercosur, so-
wie die Zusammenarbeit länderübergreifender Organisationen zu unter-
stützen und damit die regionale Integration von LAK zu befördern. In der
regionalen Gestaltung und bei der Umsetzung der dazu notwendigen insti-
tutionellen Reformen und der verantwortlichen Regierungsführung sollen
die LAK-Partner darin bestärkt werden, Parlamente und Zivilgesellschaf-
ten und hier insbesondere die indigenen Völker und Frauen zu beteiligen.
Durch Beratung und Unterstützung von gemeinsamer konsequenter Kor-
ruptionsbekämpfung, Bürokratieabbau und Rechtssicherheit sollen ent-
wicklungsförderliche Investitionen der LAK in Produktion, Handel, soziale
Sicherungssysteme, Gesundheit und Bildung erleichtert werden. Zur Un-
terstützung des Kapazitätsaufbaus für regionale Zusammenschlüsse sollten
ergänzend zu Verwaltung, Rechtswesen oder Technologietransfer auch
Maßnahmen für Marktanalyse/Bedarfsanalyse und Entwicklung von Mar-
ketingstrategien sowie Austauschprogramme für Ausbildung, Studium und
Weiterbildung sowohl zwischen der EU und den LAK-Regionen als auch
unter den LAK-Regionen angeboten werden;

7. sich für den Abbau von Marktbarrieren und Exporterstattungen einzuset-
zen und dabei darauf zu achten, dass diese – im Interesse der Stabilität der
Region LAK – zu einer sozial gerechten Entwicklung führen und den be-
nachteiligten Bevölkerungsschichten zugute kommen. Neben der Berück-
sichtigung der Festlegungen der WTO-Entwicklungsrunde in Doha ist da-
her ebenfalls die Einhaltung der international vereinbarten Umwelt- und
Sozialstandards, Menschenrechtsstandards und die Gleichstellung von
Frauen sowie das Vorsorgeprinzip, der Verbraucherschutz, die Transparenz
der Kapitalflüsse und Korruptionsbekämpfung im Dialog mit den LAK zu
fordern und zu fördern. Gleichzeitig sollte die Einhaltung internationaler
Abkommen auf diesen Gebieten, insbesondere der OECD-Leitlinien, des
UN Global Compact und von EITI-Vereinbarungen (Extractive Industries
Transparency Initiative) durch multinationale Unternehmen von den EU-
Staaten sichergestellt werden;

8. die LAK-Regionen und die EU darin zu bestärken, mehr Gewicht auf In-
vestitionen in eine faire und ökologische Produktion – einschließlich nach-
wachsenden Rohstoffen zur Energiegewinnung – zu legen, die mindestens
den Anforderungen der europäischen Siegel entsprechen und dazu auch
Public Private Partnership (PPP) zu nutzen;

9. sich in der EU dafür auszusprechen, in den Verhandlungen über Abkom-
men mit Zentralamerika, der Andengemeinschaft und Mercosur Verein-
barungen anzustreben, die mindestens den international geltenden Stan-
dards und Transparenzregeln der WTO-Entwicklungsrunde entsprechen;

10. in den Kooperationssektoren Wirtschaftsförderung, Sozialsystemförde-
rung/Aufbau sozialer Sicherungssysteme sowie Umwelt- und Ressourcen-
schutz noch stärker als bisher das Instrument der Entwicklungspartner-
schaft mit der Wirtschaft zu nutzen;

11. auf der Grundlage der Rio-Deklaration, der Konvention zu Klima und bio-
logischer Vielfalt sowie der Walderklärung dazu beizutragen, dass die Län-

der in LAK die dauerhafte Erhaltung und die nachhaltige Bewirtschaftung

Drucksache 16/9073 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

der global bedeutsamen natürlichen Ressourcen, der Tropenwälder und der
biologischen Vielfalt leisten können. Der Umwelt- und Ressourcenschutz
einschließlich des Tropenwaldschutzes muss in angemessenem Rahmen in
die Entwicklungszusammenarbeit mit den LAK-Partnerländern integriert
werden. Hierzu soll die strategische Partnerschaft mit der IDB und der
CEPAL vertieft und die Zusammenarbeit mit der EITI-Initiative gestärkt
werden;

12. in der Entwicklungszusammenarbeit mit den LAK-Partnerländern wieder
einen gezielteren Schwerpunkt bei der Förderung der ländlichen Entwick-
lung und der Unterstützung der Neugestaltung der Agrarpolitik sowie der
Ausrichtung auf ökologisch-soziale Produktion für fairen Handel zu set-
zen. Dazu gehören insbesondere Ansätze für eine umfassende Landreform
und das Entstehen effizienter mittelständischer agrarischer Produktions-
strukturen sowie die Bereitstellung von Mikrokrediten für klein- und mit-
telbäuerliche Betriebe. Wichtig ist hierzu auch die Unterstützung beim
Aufbau von Katastern und Flächennutzungsplanung. Insbesondere im
LAK-Kontext ist hervorzuheben, dass eine nachhaltige ländliche Entwick-
lung unverzichtbar ist für eine dauerhafte Eindämmung des Drogenanbaus.
Mit der Schaffung von attraktiven legalen Einkommensmöglichkeiten
muss dazu beigetragen werden, ländlichen Bevölkerungsgruppen Alterna-
tiven zum Anbau von Drogen aufzuzeigen;

13. weiterhin Strategien zur Bekämpfung des Drogenanbaus zu unterstützen
und dafür Sorge zu tragen, dass der internationale Marktzugang für Pro-
dukte, die den Drogenanbau substituieren, im Kontext der WTO weiter
erleichtert wird. Dabei sollte mit den betroffenen Ländern als mögliche
Maßnahme eine stärkere Öffnung ihrer Märkte geprüft werden. Im Rah-
men der EU und der WTO könnten konditionierte Handelserleichterungen
nach dem Vorbild der „Everything-But-Arms-Initiative“ (EBA) geprüft
werden („Everything But Drugs“);

14. insbesondere mit den Schwellenländern der LAK bei der Einrichtung leis-
tungsfähiger Finanz- und Bankensysteme partnerschaftlich zusammen zu
arbeiten. Zusätzlich zur Förderung stabiler nationaler Finanzsektoren und
entsprechender Kontrollmechanismen sind die internationalen Bemühun-
gen zur Schaffung allgemein gültiger Regelungen für Insolvenzkrisen un-
abhängiger Staaten konsequent voranzutreiben;

15. bei der Lösung der Schuldenproblematik darauf zu achten und durch
Monitoringprozesse zu prüfen, dass die durch die internationalen und bila-
teralen Entschuldungsmaßnahmen zugunsten der LAK-Länder freigewor-
denen Mittel für die Umsetzung der Millenniumsziele und den Demokra-
tisierungsprozess eingesetzt werden. Vor allem für die ärmsten Länder
Lateinamerikas und der Karibik müssen auch die im Rahmenwerk für
Schuldentragfähigkeit definierten Kriterien für die Sicherung langfristiger
Schuldentragfähigkeit und Neuverschuldung Geltung haben;

16. auf die Regierungen in LAK einzuwirken, eine stärkere Integration der in-
digenen Bevölkerungsgruppen in die politischen Prozesse voranzutreiben
und auch im rechtlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereich
Grundlagen für deren stärkere Beteiligung zu schaffen;

17. im Rahmen deutscher Beratungsmaßnahmen in Sektoren wie Demokratie-
förderung, Good Governance, Staatsmodernisierung oder Förderung der
regionalen Integration intensiv auf die bewährte Arbeit der politischen
Stiftungen zurückzugreifen und diese weiter engagiert zu unterstützen. Die
politischen Stiftungen sollen sich zudem verstärkt der Aufgabe stellen, so-
zialstaatliches Denken und Verantwortungsbewusstsein unter den Eliten

der LAK zu intensivieren;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/9073

18. gemeinsam mit der EU zur Stärkung und zum Austausch der Parlamente
durch geeignete Maßnahmen beizutragen;

19. mit LAK einen Dialog über die besondere Bedeutung von Reformen des
Justizsystems zu führen, da nur auf diese Weise Rechtsstaatlichkeit ge-
sichert und gefestigt, die konsequente Verfolgung von Verbrechen gegen
die Menschlichkeit ermöglicht, Straflosigkeit beendet werden kann. Ein
verlässliches Justizsystem ist zudem wichtige Voraussetzung für die
Investitionstätigkeit der Privatwirtschaft und damit für die gedeihliche
wirtschaftliche Entwicklung der LAK-Staaten;

20. auf bi- und multilateraler Ebene auf die Notwendigkeit von Aussöhnung
hinzuweisen und weiterhin die Wahrheitskommissionen zu unterstützen;

21. die Sicherheitszusammenarbeit im Sinne der Europäischen Sicherheitsstra-
tegie mit Lateinamerika vor allem in Ländern mit erhöhtem und akutem
Präventionsbedarf auszubauen und dabei insbesondere die Drogen- und
Korruptionsbekämpfung, den Kampf gegen Waffenschmuggel und Men-
schenhandel sowie die Terrorismusbekämpfung zu verstärken. Krisenprä-
vention, Konfliktlösung, Friedensentwicklung und Demokratisierungshilfe
(einschließlich Wahlbeobachtung) müssen als Querschnittsaufgaben fort-
gesetzt werden, bei denen insbesondere die auf diesen Gebieten erfolg-
reiche OAS als Partner stärker genutzt werden sollte. Auch sollten weiter-
hin der Dialog zwischen Staat und Zivilgesellschaft und Mechanismen der
gewaltfreien Konfliktbearbeitung gefördert werden;

22. die gewachsenen gesellschaftlichen, akademischen und kulturellen Kon-
takte zwischen Deutschland und seinen lateinamerikanischen Partnern
ebenso zu stärken wie die universitäre und außeruniversitäre gegenwarts-
bezogene LAK-Forschung in Deutschland, sowie die gute Qualität und den
ausgezeichneten Ruf deutscher Auslandschulen in LAK durch deren syste-
matische Positionierung zu bewahren bzw. weiter auszubauen, um eine
Anbindung an Deutschland und Europa zu erreichen. Langfristig wün-
schenswert wäre dabei intensivierte Hochschul- und Wissenschaftszusam-
menarbeit mit den LAK-Ländern, in der die komparativen Vorteile der
deutschen Bildungs- und Forschungsinstitutionen und nachfrageorientierte
Ausbildungszusammenarbeit einschließlich gemeinsamer Exzellenzzentren
mit Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen in LAK stärker genutzt
und, wo notwendig, durch Stipendien, auch im Rahmen des Deutschen
Akademischen Austauschdienstes, für lateinamerikanische Wissenschaftler
flankiert werden. Es soll geprüft werden, ob die gezielte Vergabe von Sti-
pendien sowohl für das Studium in LAK wie in Deutschland schwerpunkt-
mäßig an Studierende aus sozial und finanziell schwachen Familien mög-
lich ist.

Berlin, den 7. Mai 2008

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.