BT-Drucksache 16/9064

Entwicklung der Einbürgerungszahlen im Jahr 2007 und Änderungsbedürftigkeit des Staatsangehörigkeitsgesetzes

Vom 5. Mai 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/9064
16. Wahlperiode 05. 05. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Sevim Dag˘delen, Ulla Jelpke, Jan Korte und der Fraktion
DIE LINKE.

Entwicklung der Einbürgerungszahlen im Jahr 2007 und Änderungsbedürftigkeit
des Staatsangehörigkeitsgesetzes

Nach Inkrafttreten des reformierten Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000,
als die Zahl der Einbürgerungen aufgrund von Sondereffekten mit 186 688
einen Höhepunkt erreichte, sank die Zahl der Einbürgerungen beständig, auf
bis zu 117 241 im Jahr 2005. Die Staatsministerin für Migration, Flüchtlinge
und Integration, Dr. Maria Böhmer, versuchte im Deutschen Bundestag hinge-
gen den Eindruck zu erwecken, die Einbürgerungszahlen hätten „sich seit 2000
nach anfänglichem Rückgang auf hohem Niveau stabilisiert“ (Plenarprotokoll
16/144, S. 15189). Im Jahr 2006 habe sich die Zahl der Einbürgerungen um 6,2
Prozent auf 124 832 erhöht, zudem liege die durchschnittliche Zahl der Einbür-
gerungen über Vergleichwerten der 90er Jahre (vgl. ebd.). Allerdings war die
Zahl der Einbürgerungen im Jahr vor der Änderung des Staatsangehörigkeits-
rechts (1999) mit 143.267 deutlich höher als heute, und es ist fraglich, ob die
geringfügige Steigerung im Jahr 2006 tatsächlich eine Trendwende darstellt,
zumal das Staatsangehörigkeitsrecht im August 2007 in etlichen Punkten noch
einmal verschärft wurde. Hinzu kommt, dass die Bundesrepublik Deutschland
mit 1,72 Prozent (2006) eine im europäischen Vergleich sehr niedrige Einbür-
gerungsquote (Einbürgerungen gemessen an der Zahl der Nicht-Staatsangehöri-
gen) und damit einen erheblichen Nachholbedarf aufweist.

Als Gründe für die geringe Zahl von Einbürgerungen in Deutschland gelten
unter anderem (vgl. das Protokoll der Anhörung in der 54. Sitzung des Innen-
ausschusses des Deutschen Bundestages vom 10. Dezember 2007 zum Staats-
angehörigkeitsrecht): die abschreckende Wirkung von Diskussionen über Ver-
schärfungen des Staatsangehörigkeitsrechts und über Einbürgerungstests, das
Prinzip der Vermeidung der Mehrstaatigkeit, sowie hohe Einbürgerungsgebüh-
ren und Sprachanforderungen.

Aus Sicht der CDU/CSU soll eine Einbürgerung erst nach einer „erfolgreichen“
Integration erfolgen, wobei hohe Anforderungen gestellt werden müssten. Der
Abgeordnete Stephan Mayer (Altötting) (CDU/CSU) etwa sagte: „Nach unse-
rer Auffassung bedarf es hoher Hürden, wenn man das Ziel erreichen möchte,
deutscher Staatsangehöriger zu werden. (…) Der Erwerb der deutschen Staats-

angehörigkeit kann immer erst am Ende eines gelungenen, erfolgreich geglück-
ten Integrationsprozesses stehen“ (Plenarprotokoll 16/120, S. 12543 f.).

Diese so genannte Schlusssteinthese verkennt nach Ansicht des Sachver-
ständigen und Richters am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Uwe Berlit
jedoch „den Prozesscharakter von Integration“. „Es ist ein Prozess, der sowohl
von den Einzubürgernden als auch von der Gesellschaft und dem Staat zu ge-

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stalten ist (…)“ (Protokoll der 54. Sitzung des Innenausschusses des Deutschen
Bundestages, S. 36). „Gegenüber den sukzessiven, teils überzogenen Verschär-
fungen der letzten Jahre“ im Staatsangehörigkeitsrecht ist seiner Auffassung
nach „ein Umdenken angezeigt“ (ebd., S. 9).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen sind im Jahr 2007 insgesamt und differenziert nach

a) Staatsangehörigkeit (zehn häufigste Herkunftsländer)

b) Alter

c) Geschlecht

d) Rechtsgrundlage der Einbürgerung

e) Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet nach Jahren

f) Bundesland

eingebürgert worden (bitte jeweils zur Vergleichbarkeit in Prozenten auch
die Abweichungen vom Vorjahreswert angeben)?

2. Wie hoch war die Einbürgerungsquote im Jahr 2007 in der Bundesrepublik
Deutschland (bitte auch getrennt nach Bundesländern und zur Vergleichbar-
keit zudem in Prozenten jeweils die Abweichung vom Vorjahreswert an-
geben), und welche Erkenntnisse zu aktuellen Einbürgerungsquoten der
anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union hat die Bundesregierung?

3. In wie vielen Fällen erfolgte die Einbürgerung im Jahr 2007 unter Hinnahme
des Fortbestands der bisherigen Staatsangehörigkeit (bitte auch getrennt
nach Bundesländern sowie jeweils in Prozenten den Anteil an allen Ein-
bürgerungen und zur Vergleichbarkeit die prozentuale Abweichung vom
Vorjahreswert angeben)?

4. Um welche Staatsangehörigkeiten handelte es sich in Bezug auf Frage 3
(bitte die zehn häufigsten Herkunftsländer und jeweils den prozentualen
Anteil der Fälle an allen Einbürgerungen angeben)?

5. Welche Herkunftsländer sehen faktisch keine Entlassungen aus der Staats-
angehörigkeit vor, und welche Änderungen gibt es diesbezüglich gegenüber
2006?

6. Wie sind die deutlich geringeren Einbürgerungsquoten in den südlichen
Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg (je 1,14 Prozent gegenüber
dem Bundesdurchschnitt von 1,72 Prozent in 2006, vgl. Statistisches Bundes-
amt, Fachserie 1, Reihe 2.1.) zu erklären?

a) Müsste angesichts der vergleichsweise guten Einkommens- und Beschäf-
tigungssituation in diesen Bundesländern nicht mit eher höheren Ein-
bürgerungsquoten gerechnet werden (bitte begründen)?

b) Ist die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der in diesen Bundesländern
lebenden Nichtdeutschen niedriger als in anderen Bundesländern oder
welche anderen denkbaren aufenthalts- oder staatsangehörigkeitsrecht-
lichen Erklärungsfaktoren gibt es nach Auffassung der Bundesregierung?

c) Welche Kenntnisse über die Verwaltungspraxis in diesen Bundesländern
hat die Bundesregierung, die die deutlich niedrigeren Einbürgerungs-
quoten erklären könnten, insbesondere in Bezug auf Sprachanforderun-
gen und die Handhabung von Sprachtests und -nachweisen?

d) Welche Kenntnisse über die politischen und gesellschaftlichen Bedingun-

gen in diesen Bundesländern hat die Bundesregierung, die die deutlich
unterdurchschnittlichen Einbürgerungsquoten erklären könnten?

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e) Welche Auswirkungen hat nach Auffassung der Bundesregierung eine
mögliche diskriminierende Wirkung des in Baden-Württemberg ver-
wandten „Gesprächsleitfadens“, der kritisch auch „Muslim-Test“ genannt
wird (bitte auch in Anbetracht der Antworten zu den Fragen 6a bis 6d be-
gründen)?

f) Welche Auswirkungen hat nach Auffassung der Bundesregierung eine
mögliche abschreckende Wirkung der in Bayern praktizierten Befragung
anhand einer umfassenden Liste „extremistischer und extremistisch
beeinflusster Organisationen“ (bitte auch in Anbetracht der Antworten zu
den Fragen 6a bis 6d begründen)?

g) Wie bewertet die Bundesregierung die deutlich voneinander abweichen-
den Einbürgerungsquoten zwischen einzelnen Bundesländern in An-
betracht des Umstandes, dass es um den Erwerb der deutschen Staats-
angehörigkeit (und nicht einer Bundeslandszugehörigkeit) geht, der im
gesamten Bundesgebiet in etwa vergleichbar geregelt und praktiziert
werden sollte?

h) Sieht die Bundesregierung diesbezüglich Änderungsbedarf, etwa durch
vereinheitlichte Anwendungshinweise oder gesetzliche Verbote der in den
genannten Bundesländern verwandten „Gesinnungstests“ bzw. „Listen-
Befragungen“ (bitte begründen)?

7. Unter welchen genauen Umständen und in wie vielen Fällen erfolgten in
Baden-Württemberg Einbürgerungsgespräche unter Verwendung des be-
sagten „Gesprächleitfadens“ (prozentualer Anteil an der Gesamtzahl der
Anträge bzw. Verfahren in 2006 und 2007)?

a) Wie viele Einbürgerungsanträge wurden daraufhin nicht weiter verfolgt,
eingestellt oder abgelehnt?

b) Wie hoch war der Anteil türkischer Staatsangehöriger an diesen Ge-
sprächen, und wie hoch war deren Anteil an den Einbürgerungsanträgen
bzw. -verfahren insgesamt?

c) Sieht die Bundesregierung in einer möglichen überdurchschnittlichen
Befragung türkischer Staatsangehöriger eine Diskriminierung (bitte be-
gründen)?

8. Unter welchen genauen Umständen und in wie vielen Fällen mussten in
Bayern Einbürgerungsbewerberinnen und -bewerber im Rahmen von Ein-
bürgerungsgesprächen Auskünfte zur „Auflistung extremistischer und extre-
mistisch beeinflusster Organisationen“ machen (prozentualer Anteil an der
Gesamtzahl der Anträge bzw. Verfahren in 2006 und 2007)?

Wird die nach ihrer Mitgliederzahl drittstärkste politische Kraft in Deutsch-
land, die Partei DIE LINKE., aktuell auf dieser Liste geführt, und wenn ja,
wie bewertet die Bundesregierung dies?

9. Was sind nach Kenntnis der Bundesregierung die Gründe dafür, dass Berlin
die Einbürgerungszahlen überdurchschnittlich steigern konnte (2006 um
ca. 15 Prozent)?

a) Könnten die beiden Einbürgerungskampagnen des Landes eine ent-
sprechende positive Wirkung gehabt haben, und plant die Bundesregie-
rung ähnliche Initiativen, wenn ja, welche, wenn nein, warum nicht?

b) Könnte der ausdrückliche Hinweis der Berliner Einbürgerungskampagne
auf die Möglichkeit einer Einbürgerung unabhängig von der Lebensunter-
haltssicherung für unter 23-Jährige eine entsprechende positive Wirkung
gehabt haben, und wenn ja, wie begründet die Bundesregierung vor die-

sem Hintergrund die Rücknahme dieser klaren Regelung durch das Richt-
linienumsetzungsgesetz?

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10. Rechnet die Bundesregierung mit einem Rückgang der Einbürgerungszahlen
aufgrund der Änderungen infolge des Richtlinienumsetzungsgesetzes in
Bezug auf

a) erhöhte Sprachanforderungen,

b) massiv erhöhte Anforderungen bei außer Betracht bleibenden Straftaten,

c) eine möglicherweise abschreckende Wirkung von Einbürgerungstests,

d) die Abschaffung der vormals begünstigenden Sonderregelung für Heran-
wachsende bis zum 23. Lebensjahr?

Wenn ja, in welchen jeweiligen Größenordnungen, und wenn nein, und wie
begründet sie jeweils ihre Auffassung?

11. Welche „Verjährungsregelungen“ gelten in Bezug auf die außer Betracht
bleibenden Straftaten (§ 12a des Staatsangehörigkeitsgesetzes – StAG),
d. h. unter welchen Umständen und nach welchen Zeiträumen können oder
sollen länger zurück liegende Straftaten nicht mehr als Grund gegen eine
Einbürgerung gelten?

a) Warum gibt es keine Sonderregelung in Bezug auf Straftaten, die nur
nach dem Asylverfahrens- bzw. Aufenthaltsgesetz begangen werden
können, wie es etwa in § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 AufenthG der Fall ist,
und plant die Bundesregierung eine entsprechende Gesetzesänderung,
wenn nein, warum nicht?

b) Falls es keine „Verjährungsregelungen“ in Bezug auf die außer Betracht
bleibenden Straftaten (§ 12a StAG) geben sollte, wie ist dies nach Auf-
fassung der Bundesregierung vereinbar mit dem Grundsatz der Ver-
hältnismäßigkeit staatlichen Handelns?

c) Falls es keine solche „Verjährungsregelungen“ geben sollte, wie ist dies
nach Auffassung der Bundesregierung vereinbar mit Artikel 8 EMRK
(Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten; vgl.
Ausschussdrucksache 16(4)311 A, S. 6) und völkerrechtlichen Verpflich-
tungen, den Erwerb der Staatsangehörigkeit nicht unverhältnismäßig zu
erschweren?

d) Falls es keine solche „Verjährungsregelungen“ geben sollte, wie ist dies
nach Auffassung der Bundesregierung vereinbar mit dem von der
Bundesrepublik unterzeichneten und 2004 in Kraft getretenen Euro-
päischen Übereinkommen über die Staatsangehörigkeit (Artikel 6
Nr. 3.: „Bei der Festlegung der Einbürgerungsbedingungen darf ein Ver-
tragsstaat keine Aufenthaltsdauer von mehr als zehn Jahren vor der An-
tragstellung vorsehen“; nach Nr. 4 müssen in bestimmten Fällen, etwa
bei im Land Geborenen, kürzere Fristen gelten)?

12. a) Unter welchen konkreten Umständen wird in der Einbürgerungspraxis
vom Nachweis der Lebensunterhaltssicherung als Bedingung für eine
Einbürgerung abgesehen,

b) bzw. in welchen konkreten Situationen haben Einbürgerungsbewerbe-
rinnen und -bewerber nach Ansicht der Bundesregierung den Bezug
öffentlicher Leistungen „nicht zu vertreten“ (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3
StAG),

c) und welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, in welchem
quantitativen Umfang von dieser Regelung Gebrauch gemacht wird?

13. a) Unter welchen konkreten Umständen wird in der Einbürgerungspraxis
von einer Gebührenerhebung abgesehen oder werden Gebühren ge-
senkt,

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/9064

b) bzw. wann muss nach Auffassung der Bundesregierung von „Gründen
der Billigkeit oder des öffentlichen Interesses“ gemäß § 38 Abs. 2
Satz 5 StAG ausgegangen werden,

c) und welche Kenntnisse hat die Bundesregierung darüber, in welchem
quantitativen Umfang von dieser Regelung Gebrauch gemacht wird?

14. Welche gesetzlichen Änderungen plant die Bundesregierung infolge der
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 25. Mai 2006 (2 BvR
669/04) bzw. des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Februar 2008
(BVerwG 5 C 4.07, 5.07, 14.07 und 15.07) zur Rücknahme „erschlichener“
Einbürgerungen in Bezug auf

a) nicht „zeitnahe“ Rücknahmeentscheidungen,

b) von einer Rücknahmeentscheidung mitbetroffene Dritte, insbesondere
Kinder,

c) und falls sie trotz der „Appelle“ der Justiz an den Gesetzgeber und der
Erkenntnisse aus der Anhörung vom 10. Dezember 2007 keine dies-
bezüglichen Änderungen plant, warum jeweils nicht?

15. In wie vielen Fällen wurden Einbürgerungen in den Jahren 2000 bis 2007
jährlich aus welchen Gründen zurückgenommen, und wie viele Fälle
wurden bestandskräftig (bitte auch nach Bundesländern differenzieren)?

16. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Anhörung des
Innenausschusses des Deutschen Bundestages vom 10. Dezember 2007,
insbesondere in Bezug auf

a) die einhellig formulierte ablehnende Einschätzung der Sachverständi-
gen zur „Optionspflicht“ nach § 29 StAG,

b) die nahezu einmütig von den Sachverständigen geforderte Aufweichung
des Prinzips der Vermeidung der Mehrfachstaatsangehörigkeit,

c) die von vielen Sachverständigen geforderte Sonderregelung (Amnestie)
für (ehemalige) Deutsche, die ihre deutsche Staatsangehörigkeit infolge
einer Wiedereinbürgerung in die alte Staatsangehörigkeit verloren haben,
insbesondere in Hinblick auf die drohenden unverhältnismäßigen Folgen
(Verlust des Aufenthaltsrechts nach Jahrzehnten des Aufenthalts) und in
Hinblick auf deren in die „Illegalität“ hineingeborenen Kinder?

17. Über welche Erkenntnisse und Zahlen verfügt die Bundesregierung aktuell
zum Umfang des Verlusts der deutschen Staatsangehörigkeit infolge des
Wiedererwerbs der vorherigen Staatsangehörigkeit allgemein?

a) In wie vielen Fällen wurde der Verlust bereits „aktenkundig“ (bitte nach
Jahren, Bundesländern und den fünf am häufigsten betroffenen Staats-
angehörigkeiten differenziert antworten sowie bitte die Zahl der betrof-
fenen Minderjährigen angeben)?

b) In wie vielen Fällen laufen entsprechende Ermittlungen (durch wen?),
ohne dass der Verlust bereits feststünde (bitte nach Jahren, Bundes-
ländern und den fünf am häufigsten betroffenen Staatsangehörigkeiten
differenziert antworten)?

c) Von wie vielen Fällen, in denen der Verlust der deutschen Staatsangehö-
rigkeit per Gesetz bereits eingetreten ist, jedoch keine öffentliche Stelle
hiervon Kenntnis hat, geht die Bundesregierung derzeit ungefähr aus?

d) Wie hoch schätzt die Bundesregierung die Zahl der in die „Illegalität“
hineingeborenen und in Deutschland „als Deutsche“ lebenden Kinder
von – formaljuristisch gesehen – ehemaligen Deutschen, die faktisch

ohne die erforderliche Aufenthaltserlaubnis in Deutschland leben, weil
sie als „Deutsche“ gelten?

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e) Welche Kenntnisse oder Schätzungen liegen der Bundesregierung dazu
vor, in wie vielen Fällen Betroffene, bei denen der Verlust der deutschen
Staatsangehörigkeit festgestellt wurde, danach (wieder) eine befristete
bzw. eine unbefristete Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnis er-
hielten bzw. wie viele sich inzwischen unter welchen Bedingungen
wieder einbürgen lassen konnten, und in welchen Bundesländern gab es
nach Kenntnis der Bundesregierung welche Sonderregelungen für die-
sen Personenkreis?

f) Welche Kenntnisse oder Schätzungen liegen der Bundesregierung dazu
vor, in wie vielen Fällen es Betroffenen, bei denen der Verlust der deut-
schen Staatsangehörigkeit festgestellt wurde, nicht gelang, ein Aufent-
haltsrechts welcher Art auch immer zu erlangen und die entsprechend
ausreisen mussten?

g) Unter welchen rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen genau
führt nach Ansicht der Bundesregierung der Verlust der deutschen Staats-
angehörigkeit nach Erwerb einer weiteren zum Verlust auch des Aufent-
haltsrechts in Deutschland (bitte in Auseinandersetzung mit den Aus-
führungen des Sachverständigen Dr. Reinhard Marx (Anhörungsproto-
koll der 54. Sitzung des Innenausschusses des Deutschen Bundestages,
S. 68 f.) beantworten)?

18. Sind der Bundesregierung die Ausarbeitungen der Wissenschaftlichen
Dienste des Deutschen Bundestages zu einem Vergleich des Einbürge-
rungsrechts in Bezug auf fünf europäische Länder bekannt (vom März bzw.
Mai 2007), und ist die Bundesregierung bereit, vor diesem Hintergrund
eine Erleichterung des Einbürgerungsrechts zu prüfen, etwa in Hinblick auf

a) den Verzicht auf Nachweise eines eigenständigen Lebensunterhalts
(Großbritannien, Niederlande),

b) den Verzicht auf Prüfungen der Sprachkenntnisse (Spanien, Italien),

c) eine Herabsenkung der Mindestaufenthaltsdauer auf fünf Jahre (Frank-
reich, Italien (EPD, 6. September 2006)),

d) den Verzicht auf eine Einbürgerungsgebühr (Spanien, Italien)?

Wenn nein, warum jeweils nicht?

19. Welche konkreten negativen Auswirkungen gibt es nach Kenntnis der
Bundesregierung in den Ländern Belgien, Frankreich, Großbritannien und
Irland, die nach Auskunft der Bundesregierung in ihrem Staatsangehörig-
keitsrecht „keine oder keine generelle Vermeidung von Mehrstaatigkeit“
vorsehen (vgl. Bundestagsdrucksache 16/8333, Frage 29b), und falls der
Bundesregierung keine negativen Auswirkungen bekannt sind, mit welchen
Gründen rechtfertigt sie ihr Festhalten an dem Prinzip einer prinzipiellen
Vermeidung der mehrfachen Staatsangehörigkeit?

20. Welche Gründe haben nach Kenntnis der Bundesregierung dazu geführt,
dass die Zahl der Einbürgerungen serbisch-montenegrinischer Staats-
angehöriger von 2005 auf 2006 überdurchschnittlich stark um 43 Prozent
gestiegen ist?

Berlin, den 2. Mai 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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