BT-Drucksache 16/8809

zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Zeil, Frank Schäffler, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/676- Keine Vorzugsbehandlung der Deutschen Post AG bei der Umsatzsteuer

Vom 11. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8809
16. Wahlperiode 11. 04. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Martin Zeil, Frank Schäffler, Rainer Brüderle,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/676 –

Keine Vorzugsbehandlung der Deutschen Post AG bei der Umsatzsteuer

A. Problem

Der deutsche Post- und Zustellmarkt ist mit dem Auslaufen der Exklusivlizenz
für die Deutsche Post AG seit dem Jahresbeginn 2008 vollständig liberalisiert.
Die unmittelbar dem Postwesen dienenden Umsätze der Deutschen Post AG
bleiben weiterhin von der Umsatzsteuer befreit (§ 4 Nr. 11b Umsatzsteuer-
gesetz). Als solche Umsätze werden von der Bundesregierung die flächen-
deckend angebotenen Universaldienstleistungen der Deutschen Post AG beur-
teilt. Dies sind die Beförderung von Briefsendungen bis 2 000 Gramm, von
adressierten Paketen bis 20 Kilogramm sowie von Zeitungen und Zeitschriften.

B. Lösung

Mit dem Antrag wird angestrebt, die Bundesregierung aufzufordern, die Wei-
sung des Bundesministeriums der Finanzen vom 18. Februar 2000 zurück-
zunehmen und die von der nordrhein-westfälischen Landesfinanzverwaltung
beabsichtigte Umsatzbesteuerung des Universaldienstleistungsbereichs der
Deutschen Post AG zuzulassen. Ferner soll die vorhandene Interessenkollision
zwischen der Bundesregierung und der Deutschen Post AG aufgelöst werden.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.

C. Alternativen
Beibehaltung der bestehenden Rechtslage.

D. Kosten

Angaben zu den finanziellen Auswirkungen auf die Haushalte des Bundes und
der Länder werden in der Vorlage nicht ausgewiesen.

Drucksache 16/8809 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/676 abzulehnen.

Berlin, den 9. April 2008

Der Finanzausschuss

Eduard Oswald
Vorsitzender

Lydia Westrich
Berichterstatterin

Dr. Volker Wissing
Berichterstatter

III. Stellungnahmen der mitberatenden
und bat um abschließende Ausschusserörterung.
Ausschüsse

Der Ausschuss für Wirtschaft und Technologie hat in

Die Koalitionsfraktionen verdeutlichten im Verlauf dieser
Erörterungen, dass der Befreiungstatbestand des § 4 Nr. 11b
UStG auf die für das deutsche Recht verbindliche 6. EG-
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8809

Bericht der Abgeordneten Lydia Westrich und Dr. Volker Wissing

I. Überweisung

Der Deutsche Bundestag hat den Antrag auf Drucksache 16/
676 in seiner 51. Sitzung am 21. September 2006 dem
Finanzausschuss federführend sowie dem Ausschuss für
Wirtschaft und Technologie und dem Haushaltsausschuss
zur Mitberatung überwiesen.

Die mitberatenden Ausschüsse haben die Vorlage in ihren
Sitzungen am 9. April 2008 erörtert.

Der Finanzausschuss hat den Antrag in seiner 89. Sitzung
am 9. April 2008 behandelt und seine Beratungen abge-
schlossen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach § 4 Nr. 11b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) sind die
unmittelbar dem Postwesen dienenden Umsätze der Deut-
schen Post AG steuerfrei. In dem Antrag wird darauf Bezug
genommen, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift
nicht eindeutig bezeichnet sei und unterschiedliche Aus-
legungen zum Begriff des Postwesens beständen. Das weite
Begriffsverständnis des Postgesetzes und der Kompetenz-
vorschriften des Grundgesetzes lasse sich nicht ohne weite-
res auf das Umsatzsteuergesetz übertragen. Angesichts der
Öffnung des Postmarktes für den Wettbewerb sprechen sich
die Antragsteller in dem im Jahre 2006 vorgelegten Antrag
dafür aus, die Steuerbefreiung auf den seinerzeit noch im
Bereich der Exklusivlizenz der Deutschen Post AG beste-
henden Monopolbereich zu beschränken, da die zu befürch-
tenden Wettbewerbsverzerrungen ungerechtfertigt seien.
Zudem spreche die europarechtliche Betrachtung für die Be-
schränkung der Steuerbefreiung auf den Exklusivbereich.

In dem Antrag wird darauf hingewiesen, dass die damalige
Bundesregierung mit Einzelweisung vom 18. Februar 2000
angeordnet habe, dass die Deutsche Post AG neben dem
Bereich der Exklusivlizenz auch für den Bereich der Univer-
saldienstleistungen von der Umsatzsteuer zu befreien sei.
Damit werde steuerlich die Deutsche Post AG gegenüber
Mitwettbewerbern bevorzugt und Marktzutrittsschranken
aufgebaut. Zudem sei der Anschein einer Interessenkollision
und der Verletzung von Verfahrensvorschriften beim Zustan-
dekommen der Weisung nicht ausgeräumt worden.

Die Bundesregierung sei vor diesem Hintergrund aufzufor-
dern, die Weisung des Bundesministeriums der Finanzen
vom 18. Februar 2000 zurückzunehmen und die Umsatz-
besteuerung des Universaldienstleistungsbereichs der Deut-
schen Post AG zuzulassen. Ferner soll die vorhandene Inte-
ressenkollision zwischen der Bundesregierung und der
Deutschen Post AG aufgelöst werden.

tionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen,
den Antrag abzulehnen.

Der Haushaltsausschuss empfiehlt mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
die Ablehnung des Antrags.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse
im federführenden Ausschuss

Der Finanzausschuss empfiehlt mit der Mehrheit der Ko-
alitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stim-
men der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE., den Antrag
abzulehnen.

Die Bundesregierung hat in der Ausschussberatung an-
gekündigt, § 4 Nr. 11b UStG an die Entwicklung der Libera-
lisierung auf dem Postmarkt anpassen zu wollen. Nach
Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe a der Mehrwertsteuer-System-
richtlinie (bisher Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe a der
6. EG-Richtlinie) sei für Postdienstleistungen öffentlicher
Posteinrichtungen, die dem Gemeinwohl dienen, eine Steu-
erbefreiung bei der Umsatzsteuer vorzusehen. Unter die
Steuerbefreiung seien die Postdienstleistungen aller Unter-
nehmer zu fassen, die die Voraussetzungen der Mehrwert-
steuer-Systemrichtlinie erfüllten. Dementsprechend strebe
die Bundesregierung an, die Mehrwertsteuer-Befreiung für
flächendeckende Universaldienste in der Postbranche zu er-
halten. Maßgebend sei insofern insbesondere, dass mit der
Steuerbefreiung für diese Leistungen sichergestellt werden
solle, dass Postdienstleistungen weiterhin für die breite Be-
völkerung erschwinglich blieben. Unter die Begünstigung
sollten deshalb Leistungen von Unternehmen fallen, die eine
Versorgung der Gesamtbevölkerung zuverlässig gewährleis-
ten, indem flächendeckend und bundesweit die Gesamtheit
des Leistungsspektrums der Postuniversaldienstleistungen
angeboten werde. Nicht zu begünstigen seien dagegen Ge-
schäftskundenprodukte, für die individuelle Absprachen ge-
troffen worden seien. Die Bundesregierung strebe an, noch
im April 2008 einen Gesetzentwurf im Bundeskabinett zu
verabschieden.

Die Koalitionsfraktionen der CDU/CSU und SPD nahmen
auf die Ankündigung der Bundesregierung Bezug, nach der
sie einen Gesetzentwurf vorzulegen beabsichtige, in dem die
künftige Behandlung der Deutschen Post AG bei der Um-
satzsteuer geklärt werde. Die Koalitionsfraktionen regten an,
die abschließende parlamentarische Behandlung des Antrags
in Verbindung mit den Beratungen zu der angekündigten
Gesetzesvorlage vorzunehmen. Die antragstellende Fraktion
der FDP äußerte sich zu dem Verfahrensvorschlag ablehnend
seiner 60. Sitzung mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Frak-

Richtlinie (seit 1. Januar 2007: Artikel 132 Abs. 1 Buch-
stabe a der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie) zurückgehe,

Blick auf die Infrastrukturlasten und die Verpflichtung zur
flächendeckenden Versorgung der Bürger mit Postdienst-
leistungen gerechtfertigt erscheine. So sei der Deutschen
Post AG auferlegt worden, eine hohe Zahl von Postfiliale/
Agenturen und Briefkästen sowie einen täglichen Service
auch in dünn besiedelten Gebieten aufrecht zu erhalten.

Die Fraktion der FDP machte geltend, dass im Gegensatz
zur Deutschen Post AG private Anbieter von Postdienstleis-
tungen in voller Höhe mit der Umsatzsteuer von 19 Prozent
belastet seien. Der Wettbewerb auf dem Postmarkt werde auf
diese Weise erheblich eingeschränkt. Es werde eine künst-
liche Marktzugangsbarriere aufgebaut, die Unternehmen
von dem Eintritt in den deutschen Postmarkt fernhalte und
im Ergebnis die von den Verbrauchern nachgefragten
Dienstleistungen kostspieliger werden lasse. Neben der be-
reits entfallenen Exklusivlizenz sei die Umsatzsteuerbefrei-
ung das wichtigste Wettbewerbshemmnis auf dem Post-
markt, da die Wettbewerber gezwungen seien, gegenüber
nicht vorsteuerberechtigten Verwaltungen, Kreditinstituten
oder Versicherungen mindestens 19 Prozent günstiger anzu-

des öffentlichen Auftrags genau zu beobachten sei, und ver-
wies auf Entwicklungen bei der Breitband-Infrastruktur, die
bereits heute ein teilweise lückenhaftes Angebot aufweise.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vertrat die Auf-
fassung, dass die vollständige steuerrechtliche Gleich-
stellung der Postdienstleistungsunternehmen herzustellen
sei. Sie trat für die Aufhebung der Umsatzsteuerbefreiung
ein und wies in diesem Zusammenhang auf von der EU-
Kommission vorgelegte Modelle hin. Die EU-Kommission
habe im Oktober 2006 drei Vorschläge unterbreitet, die zum
einen eine öffentliche Ausschreibung der Universaldienst-
leistungen, des weiteren Ausgleichszahlungen an die Uni-
versaldienste erbringenden Unternehmen sowie schließlich
die Einrichtung eines Ausgleichsfonds vorsähen. Die Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisierte, dass mit der
Fortführung der Umsatzsteuerbefreiung ein von der EU-
Kommission nicht vorgesehenes Ausgleichsverfahren für
die Erbringung der Universaldienstleistungen erhalten blei-
be, das zudem die am wenigsten zielgerichtete Förderung
des Gemeinwohls erbringe.

Berlin, den 9. April 2008

Der Finanzausschuss

Lydia Westrich
Berichterstatterin

Dr. Volker Wissing
Berichterstatter
Drucksache 16/8809 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

nach der die von öffentlichen Posteinrichtungen ausgeführ-
ten Dienstleistungen und die dazugehörenden Lieferungen
von Gegenständen umsatzsteuerfrei zu stellen seien. Vor die-
sem Hintergrund sei auf das von der Europäischen Kommis-
sion gegen Schweden eingeleitete Vertragsverletzungsver-
fahren zu verweisen. Die EU-Kommission beanstande in der
Sache, dass Schweden die vollständige Besteuerung aller
Postdienstleistungen vorgegeben habe und sich damit nicht
in Übereinstimmung mit geltendem EU-Recht bewege. Für
die in Deutschland erbrachten, unmittelbar dem Postwesen
dienenden Umsätze ergebe sich hieraus die Folgerung, dass
die Universaldienstleistungen nach der Post-Universal-
dienstleistungsverordnung (PUDLV) weiterhin umsatzsteu-
erfrei zu belassen seien, da ansonsten eine im Widerspruch
zur Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie stehende Bestimmung
geschaffen werde.

Die Koalitionsfraktionen betonten darüber hinaus, dass die
Steuerbefreiung für die Umsätze, die unmittelbar zum Kern-
bereich der Postdienstleistungen gehörten, insbesondere mit

bieten, um zur Deutschen Post AG konkurrenzfähig zu sein.
Die fortbestehende Befreiung der Universaldienstleistungen
nach § 4 Nr. 11b UStG sichere das privatisierte Unterneh-
men in staatsmonopolistischer Weise ab. Auch der angekün-
digte Gesetzentwurf schließe durch die Eingrenzung des
Befreiungstatbestandes auf flächendeckend tätige Anbieter
die Mitwettbewerber der Deutschen Post AG aus. Vor die-
sem Hintergrund sei die vom Bundesministerium der Finan-
zen gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen ergangene
Weisung eine politisch falsche Entscheidung.

Die Fraktion DIE LINKE. legte dar, das Angebot der Deut-
schen Post AG unterscheide sich von dem der Mitbewerber
grundlegend. Insbesondere komme die Deutsche Post AG
dem öffentlichen Auftrag einer staatlichen Daseinsfürsorge
nach und stelle die flächendeckende Versorgung mit Post-
dienstleistungen sicher. Dies rechtfertige die bestehende
Umsatzsteuerbefreiung für Universaldienstleistungen. Die
Fraktion DIE LINKE. merkte an, dass die weitere Erfüllung

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