BT-Drucksache 16/8776

Nationale und internationale Maßnahmen für einen verbesserten Kampf gegen Drogenhandel und -anbau in Entwicklungsländern

Vom 9. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8776
16. Wahlperiode 09. 04. 2008

Antrag
der Abgeordneten Jürgen Klimke, Dr. Christian Ruck, Maria Eichhorn, Dr. Wolf
Bauer, Ingrid Fischbach, Hartwig Fischer (Göttingen), Anette Hübinger, Hartmut
Koschyk, Bernward Müller (Gera), Dr. Georg Nüßlein, Sibylle Pfeiffer, Dr. Norbert
Röttgen, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Dr. Sascha Raabe, Gregor Amann, Sabine Bätzing, Elvira
Drobinski-Weiß, Detlef Dzembritzki, Gabriele Groneberg, Stephan Hilsberg, Iris
Hoffmann (Wismar), Dr. Bärbel Kofler, Walter Kolbow, Ute Kumpf, Thomas
Oppermann, Christel Riemann-Hanewinckel, Walter Riester, Frank Schwabe,
Dr. Ditmar Staffelt, Hedi Wegener, Dr. Wolfgang Wodarg, Dr. Peter Struck
und der Fraktion der SPD

Nationale und internationale Maßnahmen für einen verbesserten Kampf gegen
Drogenhandel und -anbau in Entwicklungsländern

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Die weitreichende Problematik des Drogenanbaus und -handels in Entwick-
lungsländern und der steigende Drogenkonsum in den Anbauländern sowie der
Drogenmissbrauch in westlich geprägten Staaten sind nach Jahrzehnten der
intensiven Prävention und Bekämpfung immer noch nicht gelöst.

Es muss jedoch festgehalten werden, dass durch die bisherigen Aktivitäten der
internationalen Staatengemeinschaft die massive Ausweitung des internatio-
nalen Drogenanbaus, außer in Afghanistan, gestoppt werden konnte. Dies be-
stätigt auch der Weltdrogenbericht 2008 der Vereinten Nationen als auch die
Bestandsaufnahme über die Umsetzung der Beschlüsse der 20. Sondervoll-
versammlung der Vereinten Nationen aus dem Jahr 1998, die anlässlich der
51. Sitzung der VN-Suchtstoffkommission (CND) im März 2008 vorgenom-
men wurde.

Sollten sich diese Zahlen auf der beschriebenen Basis im UNODC-Bericht
2009 in den nächsten Jahren statistisch und logistisch bestätigen, heißt dies
jedoch nicht, dass das Drogenproblem gelöst ist und Bekämpfungsmaßnahmen
gar eingestellt werden können. Der Fortschritt, der in Anbauregionen, wie Süd-
ostasien erzielt wurde, ist immer mit einer negativen Entwicklung in anderen

Regionen der Welt z. B. Afghanistan verknüpft. Die Minimierung der Anbau-
regionen, die Umweltproblematik, die Verknüpfung von Drogenanbau und
Terrorismus in fragilen Staaten und der gesellschaftszerstörerische Konsum
bleiben jedoch auch weiterhin Aufgaben der Weltdrogenbekämpfung.

Besonders vom Drogenkonsum sind zunehmend die Entwicklungs- und Trans-
formationsländer betroffen: Sie sind nicht mehr nur als Anbauregionen, sondern

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auch in rapide wachsendem Ausmaß als Konsumentenländer und mit den damit
verbundenen gesundheitlichen und sozialen Folgen belastet. Negative Begleit-
erscheinungen, wie Beschaffungskriminalität, Prostitution und Schattenwirt-
schaft, greifen tief in die ohnehin fragilen gesellschaftlichen, politischen, volks-
wirtschaftlichen und sozialen Prozesse dieser Länder ein. Daneben entwickeln
sich die Prognosen für den Drogenschmuggel und den Schmuggel von Stoffen
zur Produktion von Drogen laut dem Weltdrogenbericht 2008 äußerst beängsti-
gend. Die Bekämpfung dieses Missstandes geht weit über die Zuständigkeiten
der Entwicklungspolitik hinaus und erfordert von der internationalen Gemein-
schaft und den einzelnen Staaten die Durchsetzung von Strafverfolgung, Förde-
rung des juristischen Systems und den Kampf gegen Korruption in lokalen,
regionalen und nationalen staatlichen Strukturen. Sollte dies nicht gelingen,
werden die Ziele der internationalen Drogenbekämpfung nicht zu erreichen
sein. Länder ohne Drogenanbau in Zentralamerika, der Karibik und auf dem
Balkan geraten als Transitländer immer weiter unter den Einfluss der organi-
sierten Drogenkriminalität.

Zusätzlich muss konstatiert werden, dass Afrika zunehmend im Fokus der
Drogenkriminalität steht. Die Routen für den Drogenhandel weichen für das
Kokain aus Lateinamerika auf Westafrika und für das Heroin aus Zentral- und
Südostasien auf Ostafrika aus. Es ist die Aufgabe der internationalen Gemein-
schaft, dieser Entwicklung energisch entgegenzuwirken, da sonst in den be-
troffenen afrikanischen Transitländern eine Drogenwirtschaft aus Geldwäsche
und Korruption auf- und ausgebaut wird und die Menschen in diesen Ländern
schnell zu Drogenabhängigen werden können.

Die Anzahl der injizierenden Drogenabhängigen wird weltweit auf rund 13
Millionen Menschen geschätzt, davon leben ca. 78 Prozent in Entwicklungs-
und Transformationsländern. Im Zusammenhang damit steht die besorgnis-
erregende epidemiologische Entwicklung der HIV-Übertragung in Osteuropa,
Zentralasien und Südostasien, die überwiegend durch intravenösen Drogen-
konsum und Prostitution verursacht wird.

Bei der Reduzierung des Konsums von Drogen in westlichen Staaten und den
Anbau- und Transitländern müssen die nationalen und internationalen Instru-
mente noch nachhaltiger eingesetzt werden. Dies gilt für die Verbesserung des
öffentlichen Gesundheitssektors, besonders in Anbau- und Transitländern, ins-
besondere aber für Prävention und Aufklärung in allen betroffenen Staaten.

Zudem leistet eine kohärente entwicklungspolitische Strategie gegen den
Drogenanbau, besonders in Ländern wie Kolumbien, Peru, Bolivien, Afghanis-
tan, Marokko, Laos, Myanmar und vielen anderen Regionen in der Welt einen
nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Bekämpfung des Terrorismus und zur
Stärkung des Rechtstaates.

Die internationale Drogenproblematik enthält drei Hauptelemente, gegen die
im Rahmen einer umfassenden Drogenpolitik vorgegangen werden muss:

● illegaler Anbau und Produktion von Drogen,

● illegaler Drogenhandel und Drogenschmuggel,

● Drogenkonsum, -missbrauch und -abhängigkeit.

Eine umfassende und kohärente Strategie in Bezug auf die internationale
Drogenproblematik lässt sich nur durch die Stärkung der internationalen
Ansätze und eine weitere Verknüpfung von nationalen Strategien im Sinne
eines ausgewogenen Ansatzes zwischen Angebots- und Nachfragereduzierung
erreichen. Dabei ist es wichtig, die Arbeit der multilateralen Organisationen
weiter zu unterstützen. Im Besonderen sollte aber der internationalen Entwick-

lungspolitik im Kampf gegen den Drogenanbau eine stärkere Stimme und
Durchschlagskraft verliehen werden.

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Das derzeitige Drogenkontrollsystem der internationalen Gemeinschaft hat in
den letzten Jahren ehrgeizige Zielsetzungen erreicht. Trotz dieser grundlegen-
den Erfolge gibt es eine Vielzahl von regionalen und strategischen Schwach-
punkten in der internationalen Drogenbekämpfung. Um sie zu beseitigen, ist es
erforderlich, die Verdichtung der Zuständigkeiten und die Bündelung erfolg-
reicher Konzepte mit neuen Ansätzen voranzutreiben. Diese Ansätze müssen in
allen Politikfeldern gleichbedeutend fortgeführt und weiterentwickelt werden.
Wir sind der Auffassung, dass die Entwicklungspolitik in den bisherigen
Bekämpfungsstrategien nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat und ihre
Lösungspotentiale zur Reduzierung des Drogenanbaus noch nicht ausgeschöpft
sind.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt, dass,

● die deutsche Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der Drogenbekämp-
fung seit mehr als 20 Jahren Erfahrung mit Projekten und Politikberatung
erworben hat. Seit 1981 kooperiert die Bundesrepublik Deutschland mit
Thailand, um den Drogenanbau zu verringern. Diese Zusammenarbeit hat
sich ab 1990 auf zahlreiche andere Entwicklungsländer ausgeweitet. Da-
runter Bolivien, Peru, Kolumbien, El Salvador, Laos, Indien, Afghanistan,
Vietnam, Kambodscha, Pakistan und Bangladesh. Durch diese internatio-
nale Kooperation hat die deutsche Entwicklungszusammenarbeit bei der
Drogenbekämpfung umfangreich Reputation und Erfahrungen gesammelt.
Deutschlands Partner bei den Drogenbekämpfungsstrategien sind nicht nur
staatliche Instanzen, sondern schließen auch Nichtregierungsorganisationen,
Gemeinde- und Selbsthilfegruppen mit ein;

● die deutsche Entwicklungszusammenarbeit die Förderung im Bereich der
Drogenbekämpfung seit 1981 mit rund 200 Mio. Euro unterstützt. Davon
entfielen auf die technische Zusammenarbeit 45 Prozent der Mittel, auf die
Projekte der finanziellen Zusammenarbeit 35 Prozent und auf die multi-
laterale Zusammenarbeit mit dem Drogenkontrollprogramm der Vereinten
Nationen 20 Prozent;

● im Zentrum der deutschen Entwicklungszusammenarbeit im Bereich der
Drogenbekämpfung das „Programm zur Förderung der Entwicklungsorien-
tierten Drogenkontrolle in Entwicklungsländern (EOD)“ steht. Kern dieses
Programms sind neben den Maßnahmen der Alternativen Entwicklung auch
die internationale Drogenpolitik sowie die Entwicklung von Strategien und
Instrumenten. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich die Instrumente immer
weiter verfeinert und auf die verschiedenen Bedingungen vor Ort eingestellt.
Negative individuelle und gesellschaftliche Folgen von Drogenproduktion,
-handel und -konsum sollen durch die Schaffung wirtschaftlicher und sozia-
ler Alternativen zum illegalen Anbau von Drogenpflanzen kompensiert wer-
den. Zusätzlich wird versucht, das gesundheitliche und soziale Umfeld und
die Lebensbedingungen für die Menschen vor Ort zu verbessern. Die Kom-
ponenten des Programms beziehen sich daher auf „Alternative Entwick-
lung“, „integrierte lokale und regionale Wirtschaftsförderung“ und „Inte-
grierte Kommunale Drogenpolitik“, die Elemente der Nachfragereduzie-
rung, wie „Prävention des Drogenmissbrauchs“, „Behandlung von Abhängi-
gen“ und „Schadensreduzierung (harm reduction)“ umfasst;

● die Bundesregierung in ihrem „Aktionsplan zur Umsetzung der HIV/Aids-
Bekämpfungsstrategie in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit“, das
vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung (BMZ), dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und dem Bun-
desministerium für Bildung und Forschung (BMBF) getragen wird, die

Wechselwirkung von Entwicklungsprozessen und der HIV/Aids-Pandemie
vor allem in Osteuropa und den Entwicklungsländern erkannt hat, entspre-

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chende Zielvorgaben für die Entwicklungszusammenarbeit gemacht und
konkrete Bausteine zur Erreichung dieser Ziele benannt hat. HIV/Aids bleibt
eine Herausforderung in der ganzen Welt, auch in Europa. Steigende Infek-
tionszahlen in der EU und vor allem in den osteuropäischen Nachbarstaaten
und in Asien erfordern ein verstärktes Engagement staatlicher und nicht-
staatlicher Akteure sowie des privaten Sektors;

● die Projekte der entwicklungsorientierten Drogenkontrolle (EOD) durch die
konsequente Umsetzung dieses Ansatzes etwa in Thailand wesentlich dazu
beigetragen haben, die Opiumproduktion zwischen 1981 und 2000 von 146
Tonnen auf 6 Tonnen zu reduzieren. In Pakistan ist die Anbaufläche für
Schlafmohn von über 9 000 Hektar im Jahr 1992 auf unter 1 000 Hektar im
Jahr 2000 gesunken. Peru und Bolivien konnten die Kokainanbaufläche in
der zweiten Hälfte der 90er Jahre aufgrund einer wirksamen Bündelung von
Law-enforcement- und Entwicklungsmaßnahmen stark zurückdrängen. Die
Erfolge gerade in Südostasien zeigen die Dimensionen, die die EOD bei
intensiverer Nutzung durch alle Staaten erreichen kann. In Südostasien ist es
gelungen, in Zusammenarbeit mit den bilateralen Partnern über einen langen
Zeitraum hinweg dauerhafte Lösungen für die Fragen der Stabilität des
Staates, des politischen Willens und der Investitionsbereitschaft, der Teil-
nahme der Zivilgesellschaft und der Integration in den regionalen Kontext
zu finden sowie Aktionen zur Konfliktminimierung und Strafverfolgung zu
kombinieren und damit nachhaltigen Erfolg zu erzielen. Dabei ist anzu-
merken, dass für diese Erfolge die generellen sektoralen wirtschaftlichen
und infrastrukturellen Verknüpfungen mit der EOD noch nicht voll aus-
geschöpft wurden. Eine Integration dieser Sektoren in das gesamte Ent-
wicklungskonzept würde das EOD-Instrument noch schlagkräftiger in seiner
internationalen Wirksamkeit und Überzeugungskraft werden lassen;

● die Europäische Kommission und der Rat der EU die Drogenbekämpfungs-
problematik mit ihren Drogenstrategien und Aktionsprogrammen seit 1996
aktiv auf der Ebene der Union implementiert haben. Beginnend mit den ge-
meinschaftlichen Programmen zur Suchtprävention, dem Aktionsplan der
Gemeinschaft im Bereich der öffentlichen Gesundheit, dem Aktionsplan im
Bereich Drogenbekämpfung bis hin zum allgemeinen Rahmen der EU-
Drogenstrategie 2005 bis 2012 und dem aktuellen EU-Drogenaktionsplan
2005 bis 2008 bietet die EU unter dem Motto „Geteilte Verantwortung“ im
Kampf gegen Drogenhandel und -anbau Instrumente an. Dies bezieht ins-
besondere die Aktionen der Kommission, aber auch des Rates zur bilatera-
len und multilateralen Zusammenarbeit in internationalen Gremien mit ein
(z. B. Horizontale Gruppe Drogen);

● die Zieldefinitionen der EU-Drogenstrategie und des EU-Drogenaktions-
plans sich mit vielen verschiedenen Lösungsansätzen im Kampf gegen den
Drogenanbau beschäftigen. Die EU-Drogenstrategie für den Zeitraum 2005
bis 2012, die durch Beschluss des Europäischen Rates vom Dezember 2004
verabschiedet wurde, wird nachdrücklich unterstützt. Der darin verankerte
Gedanke eines umfassenden Schutzes der Gesundheit und des Wohlbefin-
dens sowie die Bekämpfung der Drogenherstellung und des internationalen
Drogenhandels muss ein Leitgedanke für alle international involvierten
Organisationen sein. Der daraus resultierende EU-Drogenaktionsplan, der
der Problematik sowohl auf der Ebene des Gesundheitsschutzes als auch auf
der Ebene der Strafverfolgung begegnet, liefert den europäischen Instanzen
als auch den Mitgliedstaaten der EU Leitlinien für die Feststellung ihrer
Prioritäten. Diese Leitlinien konzentrieren sich auf fünf Aktionsbereiche:
Koordinierung, Nachfragereduzierung, Angebotsreduzierung, internationale
Zusammenarbeit sowie Information, Forschung und Evaluation;
● die Vereinten Nationen die Verbindung von Entwicklungszusammenarbeit
und Drogenkontrolle immer stärker bei ihren Aktivitäten zur Drogen-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/8776

bekämpfung beachten und dass das VN-Büro für Drogen- und Verbrechens-
bekämpfung (UNODC) – auf der Grundlage des von der 20. Sondervollver-
sammlung zu Drogenfragen im Jahr 1998 beschlossenen Aktionsplan über
die Internationale Zusammenarbeit bei der Vernichtung illegaler Drogen-
pflanzen und bei der Alternativen Entwicklung (General Assembly Resolu-
tion S-20/4 E) – diese Aktivitäten quantitativ ausgeweitet und qualitativ ver-
bessert hat. Hierzu hat auch eine Evaluation der entwicklungsbezogenen
Maßnahmen von UNODC im Jahr 2005 beigetragen, an der u. a. auch die
GTZ (Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit) mitgewirkt
hat;

● die im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit möglichen multilatera-
len und bilateralen Bemühungen Deutschlands in Afghanistan gegen den
Drogenhandel und -anbau auch mit den Erfahrungen der EOD-Programme
unterfüttert werden. Dies bezieht sich auch auf die bisher von der Bundes-
regierung geleistete Polizeiausbildung und die Bemühungen im Grenz-
management. Grundsätzlich vorbildlich ist aber auch die deutsche Zusam-
menarbeit der „Provincial Reconstruction Teams“ in Afghanistan, in dem
Sicherheit und Entwicklung entscheidend verknüpft werden. Eine gute Ver-
zahnung von militärischer und staatlicher Sicherheit mit Konzepten der
Entwicklungspolitik in Ländern mit prekärer Sicherheitslage kann einen
wichtigen Beitrag zur Flankierung entwicklungsorientierter Drogenkontrolle
leisten.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. in Regierungsverhandlungen und politischen Gesprächen, die mit betroffe-
nen Anbauländern geführt werden, immer auch die Bekämpfung von
Drogenhandel und Drogenproduktion zu berücksichtigen und mit Nach-
druck darauf zu drängen, dass seitens der Partnerregierungen alle legalen
Anstrengungen zur Eindämmung des Drogenanbaus, des Drogenhandels
und der Drogenverarbeitung beschlossen und umgesetzt werden;

2. Konzepte zu erarbeiten, die sektorübergreifend lokalen und regionalen Wirt-
schaftsaufbau- und -förderung, Infrastruktur und ländliche Entwicklung mit
alternativer Entwicklung (EOD) zusammenführen. Gleichzeitig soll über-
prüft werden, inwieweit Kreditlinien für mittelständische Unternehmen und
Mikrofinanzierungen für Farmer effektiv mit den Programmen der alter-
nativen Entwicklung verknüpft werden können. Ziel ist es, neben einer
nachhaltigen Wirtschaftsförderung in Drogenanbauregionen, den Bauern zu
ermöglichen, marktfähige Produkte herzustellen und abzusetzen. In diesem
Zusammenhang muss auch das Entwicklungsinstrument der privat-öffent-
lichen Partnerschaft (PPP) für den Aufbau von außerlandwirtschaftlichen
Betrieben in Drogenanbauregionen verstärkt genutzt werden. In gleicher
Weise soll die EOD-Konzeption durch Alternativkonzepte des außerland-
wirtschaftlichen Dienstleistungsbereichs ergänzt werden wie z. B. den Auf-
bau von sozialen Dienstleistungen etwa für die Gesundheitsversorgung, im
Bildungsbereich und bei der Vergabe von Landtiteln;

3. bei der Erweiterung der EOD-Konzeption besonders den Ansatz der
„Guten Regierungsführung“ auf allen Stufen der Gesellschaft eine Schlüs-
selfunktion zukommen zu lassen, um die innere Stabilität der betroffenen
Entwicklungsländer zu fördern. Erst dieser Faktor wird es ermöglichen,
bewaffnete Konflikte innerhalb der Drogenwirtschaft zu reduzieren. Stabile
und legitimierte Staatlichkeit sind die wichtige „Größe“, um illegalen
Drogenanbau nachhaltig zu begrenzen. Schlüsselstrategien zur „Guten
Regierungsführung“ müssen die Durchsetzung und Förderung von „Rule of

Law“ und die Korruptionsbekämpfung sein sowie die Dezentralisation und
die Stärkung der behördlichen Strukturen. Die EOD-Projekte müssen daher

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in Zukunft die Stabilisierung der Rechtsordnung im Fokus haben. Dies ist
die Vorbedingung, um effektiv die kriminellen Netzwerke in den Entwick-
lungsländern zu bekämpfen;

4. dem Programm der „Entwicklungsorientierten Drogenkontrolle“ im Bereich
der ländlichen Entwicklung stärkere Priorität einzuräumen;

5. zu verinnerlichen, dass zur Herstellung einer internationalen Konsens- und
Dialogfähigkeit der entwicklungspolitische Grundsatz gelten muss, dass am
Verbot des Anbaus von Drogenpflanzen festzuhalten ist, dass jedoch die
Vernichtung von Drogenanbauflächen nur als Ausnahme genutzt werden
darf. Grundsätzlich darf die Vernichtung von Drogenanbauflächen in der
Drogenbekämpfung nicht Mittel erster Wahl sein, sondern nur eine flankie-
rende Maßnahme infolge der alternativen Entwicklungsstrategien darstellen;

6. anzuerkennen, dass für Afghanistan neben der Beendigung der bewaffneten
Auseinandersetzungen und dem Aufbau eines handlungsfähigen Staats-
apparates die erfolgreiche Bekämpfung des Drogenhandels eine Grund-
voraussetzung für den Gesamterfolg des zivilen Wiederaufbaus ist. Bei der
Drogenbekämpfung muss neben dem Aspekt einer effektiven Strafver-
folgung gegen Drogenkriminelle auch die Konzeption und Umsetzung der
Entwicklungszusammenarbeit in allen relevanten Sektoren berücksichtigt
werden und in den Anbauregionen eine zentrale Rolle spielen. Afghanistan
muss in der internationalen Drogenanbaubekämpfung als ein Sonderfall be-
handelt werden, nicht nur aufgrund des immer weiter ansteigenden Mohn-
anbaus, sondern auch aufgrund des engen Beziehungsgeflechtes zwischen
Gewalt, Drogenökonomie und nachhaltiger Entwicklung. Aus diesem Grund
muss die Bundesregierung die langfristige Umsetzung von Konzepten för-
dern, die auf den stufenweisen Ausstieg der Produzenten aus dem Drogen-
anbau zielen – und zwar in deutlich stärkerem Umfang als bisher. Entwick-
lungsorientierte Drogenkontrolle bietet hierbei Maßnahmen und Instrumente
an, die an den spezifischen Bedürfnissen der Bevölkerung ansetzen: Armuts-
minderung, Ernährungssicherung, ländliche Entwicklung sowie Verbesse-
rung des Zugangs zu Basisdienstleistungen im Bereich soziale Infrastruktur
wie Trinkwasser, Bildung, Gesundheit. Einkommen schaffende Maßnahmen,
Berufsbildung im außerlandwirtschaftlichen Bereich sowie der Aufbau von
Markt- und Wirtschaftsstrukturen sind weitere wichtige Aufgaben und Vor-
leistungen. Insbesondere wenn die Menschen Perspektiven sehen und nutzen,
ihren Lebensunterhalt auch ohne den Anbau von Drogen zu bestreiten,
werden sie sich für einen Verzicht auf ihr illegales Handeln entscheiden
können;

7. das Engagement im Bereich der Rechtsberatung der deutschen bilateralen
Entwicklungszusammenarbeit beim Aufbau und der Durchsetzung von
staatlichen Rechtsinstitutionen in Entwicklungsländern mit Drogenanbau-
problemen zu verstärken, um Rechtsstaatlichkeit und Strafverfolgung effek-
tiver durchsetzen zu können;

8. den bilateralen Know-how-Transfer zur Verminderung der Konsumproble-
matik, insbesondere in den Bereichen Prävention, Therapie und soziale
Betreuung und Wiedereingliederung sowie die Zusammenarbeit in den Ent-
wicklungsländern zwischen deutschen Nichtregierungsorganisationen im
Gesundheitsbereich und den Partnern in den jeweiligen Entwicklungs-
ländern verstärkt zu fördern. Im Besonderen sind hier der Austausch von
„best practices“ in der Nachfragereduzierung und die Förderung von Städte-
partnerschaften sowie Anwendungen im Bereich „intelligence sharing“ an-
zumerken. Maßnahmen im Schnittbereich von injizierendem Drogenkon-
sum und der HIV/Aids-Pandemie sollen weiterentwickelt und in Absprache

mit den internationalem Gebern, wie dem Global Fund on HIV/Aids, Tuber-
colosis and Malaria u. a. abgestimmt und koordiniert durchgeführt werden;

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/8776

9. sich in Europa dafür einzusetzen, die gemeinsame europäische Drogen-
politik mit entwicklungspolitischem Akzent auf Kommissionsebene zu
positionieren. Diese gemeinsame Politik muss eine stärkere Betonung im
künftigen EU-Drogenaktionsplans 2009 bis 2012 erfahren – bis hin zu
einer Verankerung von politischer Verantwortung an prominenter Stelle
innerhalb der Kommission;

10. sich dafür einzusetzen, dass die EU ihre Zusammenarbeit mit Drittstaaten
und Regionen weiter ausbaut, insbesondere mit Zentral- und Südostasien
und mit Lateinamerika, aber auch mit Afrika. In diesem Zusammenhang
soll der zwischen der EU und Lateinamerika und der Karibik etablierte
Kooperations-Mechanismus effektiver gestaltet und der 1999 vereinbarte
„Panama Action Plan“ in vollem Umfang umgesetzt werden. Hierzu ist
eine wirkliche Schwerpunktsetzung notwendig, die sich an den konkreten
inhaltlichen Bedürfnissen beider Regionen orientiert;

11. darauf hinwirken, dass bei der Neuformulierung der drogenpolitischen
Grundsätze der Vereinten Nationen, die im März 2009 im Rahmen der
52. Sitzung der VN-Suchtstoffkommission erfolgen wird, dem entwick-
lungspolitischen Ansatz der Drogenkontrolle ein größeres Gewicht ein-
geräumt wird. Insbesondere muss der Aktionsplan über die Internationale
Zusammenarbeit bei der Vernichtung illegaler Drogenpflanzen und bei der
Alternativen Entwicklung, der von der Sondervollversammlung der VN im
Jahr 1998 verabschiedet wurde, dergestalt aktualisiert und fortgeschrieben
werden, dass die für die deutsche und die europäische entwicklungsorien-
tierte Drogenkontrolle gültigen Prinzipien auch auf der VN-Ebene Ein-
gang finden;

12. die Zusammenarbeit mit den zuständigen Stellen und Institutionen auf der
VN-Ebene, insbesondere mit dem VN-Büro für Drogen- und Verbrechens-
bekämpfung (United Nations Office on Drugs and Crime – UNODC) aus-
zubauen und dazu beizutragen, dass die Arbeit der UNODC im Interesse
von Deutschland und Europa weiter gestärkt wird und mehr Einfluss auf
die internationalen Drogenbekämpfungsstrategien erhält. Im Sinne einer
Stärkung deutscher Interessen ist zu überprüfen, inwieweit sich der deut-
sche Einfluss in der Personalpolitik widerspiegelt. Übergeordnetes Ziel der
Bundesregierung muss es sein, die EOD-Projekte als Leitkonzept der
multilateralen Entwicklungspolitik in der Drogenbekämpfung zu ver-
ankern;

13. sich bei den WTO-Verhandlungen zum internationalen Agrarmarkt dafür
einzusetzen, dass die Agrarwirtschaft in Entwicklungsländern größere
Chancen zur Teilnahme am Welthandel erhält;

14. die Strategien zur Bekämpfung der Drogenanbauproblematik in den einzel-
nen Entwicklungsländern immer mit einer regionalen Strategiekomponente
zu verknüpfen. Bei der Konzeption von Ansätzen sind isolierte Betrachtun-
gen zu vermeiden, um den Verschiebungseffekt innerhalb eines Landes
oder über Ländergrenzen hinweg zu verhindern. Dabei muss die Bundes-
regierung beachten, dass bei der Umsetzung von Projekten religiöse Be-
sonderheiten, rechtsstaatliche Grundlagen und die kulturelle Mentalität mit
einbezogen werden. In diesem Zusammenhang muss auch auf die natio-
nalen Drogenbekämpfungsstrategien eingegangen werden. Beispielweise
muss gerade in islamisch geprägten Ländern eine Zusammenarbeit mit den
religiösen Autoritäten herbeigeführt werden, um über die kulturellen und
religiös gewachsenen Strukturen Akzeptanz und Unterstützung für die
Drogenbekämpfung zu schaffen;

Drucksache 16/8776 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
15. für die weitere wissenschaftliche Unterfütterung der EOD-Konzeption eine
Studie im Bereich „Gegenseitige Bedingung zwischen Drogenanbau und
Konflikten auf lokaler Ebene in Entwicklungsländern“ durchzuführen. Bis-
her gibt es Ansätze im Bereich der Evaluation in Ost-Afghanistan, jedoch
fehlt hier noch tiefergehendes Wissen über die Konfliktsituation in den
Drogen produzierenden Ländern Myanmar, Kolumbien, Peru und Bolivien,
um neue Antworten gegen Drogenanbau finden zu können;

16. unter Bezugnahme auf die Resolution 1325 auch die Rolle von Frauen in
den Drogen produzierenden Regionen zu berücksichtigen und durch die
Unterstützung von frauenspezifischen Erwerbsfeldern die Potentiale von
Frauen bei der Zurückdrängung des Drogenanbaus zu nutzen.

Berlin, den 9. April 2008

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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