BT-Drucksache 16/8756

Weltnaturschutzgipfel 2008 in Bonn - Biologische Vielfalt schützen, nachhaltig und gerecht nutzen

Vom 9. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8756
16. Wahlperiode 09. 04. 2008

Antrag
der Abgeordneten Cajus Caesar, Marie-Luise Dött, Dr. Christian Ruck, Katherina
Reiche (Potsdam), Michael Brand, Dr. Maria Flachsbarth, Josef Göppel, Andreas
Jung (Konstanz), Jens Koeppen, Hartmut Koschyk, Katharina Landgraf, Ingbert
Liebing, Bernward Müller (Gera), Dr. Georg Nüßlein, Ulrich Petzold, Dr. Norbert
Röttgen, Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und der Fraktion der CDU/CSU
sowie der Abgeordneten Heinz Schmitt (Landau), Marco Bülow, Dirk Becker,
Petra Bierwirth, Gerd Bollmann, Martin Burkert, Ulrich Kelber, Ute Kumpf,
Lothar Mark, Dr. Matthias Miersch, Marko Mühlstein, Detlef Müller (Chemnitz),
Thomas Oppermann, Christoph Pries, Frank Schwabe, Dr. Peter Struck
und der Fraktion der SPD

Weltnaturschutzgipfel 2008 in Bonn – Biologische Vielfalt schützen, nachhaltig
und gerecht nutzen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Vom 19. bis 30. Mai dieses Jahres findet in Bonn die 9. Vertragsstaatenkonferenz
des Übereinkommens über die biologische Vielfalt – Convention on Biological
Diversity, CBD – statt. Dieses Übereinkommen ist mit seinen 190 Vertrags-
parteien ein globales Instrument eines modernen Umgangs mit den natürlichen
Lebensgrundlagen. Es vereint den Schutz der Natur mit ihrer nachhaltigen Nut-
zung und setzt die wirtschaftliche Dimension dieser Nutzung auf die politische
Agenda einschließlich ihrer sozialen Belange sowie der damit verbundenen Ver-
teilung der ökonomischen Vorteile. Die CBD ist eines der wesentlichen Ergeb-
nisse der Diskussion der 80er und 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts im
Rahmen der Vereinten Nationen über eine nachhaltige Entwicklung. Sie ist bei
den Bemühungen zur Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen das im
globalen Maßstab wichtigste Instrument.

Es ist unbestritten, dass die natürlichen Lebensgrundlagen, von denen auch das
menschliche Leben abhängig ist, weltweit einem immer stärkeren Druck ausge-
setzt sind. Viele Ökosysteme zeigen deutliche und wachsende Zeichen der De-
generation oder gar der Zerstörung, so dass sie ihre für das Leben unabdingbaren
Funktionen nicht mehr aufrechterhalten können. Der ökonomische Wert dieser

Funktionen wird von Wissenschaftlern auf rund 30 Billionen US-Dollar jährlich
geschätzt, wobei diese Monetarisierung nicht zu der irrigen Annahme verführen
darf, die natürlichen Lebensgrundlagen seien durch bezahlbare Technik ersetz-
bar.

Als politische Konsequenz haben die Staats- und Regierungschefs beim Welt-
gipfel für nachhaltige Entwicklung 2002 in Johannesburg beschlossen, dass bis
zum Jahr 2010 der augenblickliche Rückgang an biologischer Vielfalt deutlich

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verringert werden muss. Darüber hinaus hat sich die Europäische Union bei
ihrem Gipfeltreffen in Göteborg das ehrgeizigere Ziel gesetzt, den Verlust der
biologischen Vielfalt bis 2010 zu stoppen. Sie hat dazu in der europäischen Bio-
diversitätsstrategie eine Vielzahl von Maßnahmen zur Umsetzung durch die
Mitgliedstaaten vorgeschlagen.

Es ist deshalb sehr zu begrüßen, dass die Bundesregierung zur 9. Vertragsstaa-
tenkonferenz des Übereinkommens nach Deutschland eingeladen hat. Zwei
Jahre vor dem Ziel 2010 kommt dieser letzten Konferenz eine wegweisende
Bedeutung zu. Entsprechend groß sind Aufgabe und Verantwortung Deutsch-
lands als Gastgeber und kommendem Vorsitzland der CBD, alles für einen
Erfolg der Vertragsstaatenkonferenz zu unternehmen. Diese Vertragsstaatenkon-
ferenz bietet auch eine große Chance, in der Öffentlichkeit für einen stärkeren
Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen zu werben.

Zurzeit schwindet die biologische Vielfalt weltweit in einer noch nie da gewese-
nen Geschwindigkeit. Der Verlust der genetischen Vielfalt, der Artenvielfalt und
ganzer Ökosysteme, der hauptsächlich durch Übernutzung (Raubbau) hervorge-
rufen wird, bedeutet einerseits einen Wertverlust an sich, hat aber auch erheb-
liche negative wirtschaftliche und soziale Auswirkungen bis hin zu großer Ar-
mut der betroffenen Menschen und existentieller Not. Die nationalen und
internationalen Maßnahmen, die bislang ergriffen wurden, um dem Verlust an
biologischer Vielfalt entgegenzuwirken, reichen nicht aus.

Bis zu 90 Prozent der heute bekannten Tier- und Pflanzenarten kommen in Ent-
wicklungsländern vor. Besonders in Regenwäldern und Korallenriffen findet
sich eine herausragende Konzentration biologischer Vielfalt, die mehrheitlich zu
den so genannten Hotspots zählt. Diese Gebiete sind höchst gefährdet, da gerade
in vielen Entwicklungsländern die Armut der Menschen einerseits und einfluss-
reiche Interessengruppen andererseits Raubbau und Übernutzung der natür-
lichen Ressourcen vorantreiben. Dies verschlechtert wiederum die Lebens-
bedingungen gerade der Armen in Entwicklungsländern, für die biologische
Vielfalt eine unmittelbare Existenzgrundlage bildet. Armutsbekämpfung auf der
Grundlage nachhaltiger Entwicklung und nachhaltiger Nutzung der Biodiversi-
tät dient daher dem Erhalt der Biodiversität. Umgekehrt dient der Erhalt der Bio-
diversität auch der Armutsbekämpfung. Beides hängt voneinander ab und führt
nur gemeinsam dauerhaft zum Erfolg. Auch der Ressourcenverbrauch in den
entwickelten Ländern und die damit verbundene Nachfrage erhöhen den Druck
auf die verbliebenen intakten Ökosysteme. Angesichts der zusätzlichen nega-
tiven Auswirkungen des Klimawandels auch auf die Biodiversität, für den die
armen Länder nicht verantwortlich sind, ergibt sich ein weiteres Argument für
eine umfassende Hilfe bei der Bewahrung von biologischer Vielfalt in Entwick-
lungsländern.

II. Der Deutsche Bundestag begrüßt:

Die Bundesregierung hat am 7. November 2007 eine ambitionierte „Nationale
Strategie zur biologischen Vielfalt“ im Kabinett beschlossen. Damit kommt die
Bundesrepublik Deutschland ihrer Verpflichtung nach, eine Bestandsaufnahme
der Biodiversität im nationalen Rahmen durchzuführen und Ziele und Maßnah-
men zu benennen, um die biologische Vielfalt in Deutschland zu sichern.

Die Bundesregierung hat außerdem zur 9. und letzten Vertragsstaatenkonferenz
des Übereinkommens über die Biologische Vielfalt vor dem „Stichjahr 2010“
nach Deutschland eingeladen. Dieser Konferenz kommt aufgrund des engen
Zeitrahmens eine wegweisende Bedeutung zu. Deutschland als Gastgeber muss
sich seiner Verantwortung für einen Erfolg der Vertragsstaatenkonferenz be-
wusst sein.

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Eine Reihe wichtiger Diskussionen und Entscheidungen für den Erhalt biologi-
scher Vielfalt steht an. Unter anderem geht es um Vielfalt der Arten und Sorten
in der Landwirtschaft (Agrobiodiversität), die für die Ernährungssicherheit der
Menschheit von großer Bedeutung ist. Es geht auch um Maßnahmen gegen vom
Menschen eingeschleppte invasive gebietsfremde Arten, die in manchen Regio-
nen erhebliche wirtschaftliche und ökologische Schäden anrichten.

Neben diesen Themen werden auf der 9. Vertragsstaatenkonferenz folgende
Schwerpunkte gesetzt:

● Schutz und nachhaltige Nutzung der Wälder

Bevölkerungswachstum und steigender Wohlstand führen weltweit zu einer
höheren Nachfrage nach agrarischen Rohstoffen und somit zum weiteren Flä-
chenverbrauch mit erheblichen Auswirkungen auf die Wälder.

Die nahezu ungebremste Vernichtung insbesondere der tropischen Re-
genwälder ist bereits jetzt ein Problem für die gesamte Menschheit. Knapp
30 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen gehen auf Brandrodung der tro-
pischen Wälder und den Verlust von Torfböden zurück. Jährlich gehen etwa
13 Mio. Hektar Waldfläche verloren; der Verlust der von den letzten Urwäl-
dern bedeckten Fläche seit 2000 wird auf jährlich 6 Mio. Hektar geschätzt.
Damit verschwinden nicht nur ökologisch unschätzbare Flächen und Funk-
tionen, auch die Lebensgrundlagen der dort lebenden indigenen Völker
werden vernichtet.

Wichtigste Ansatzpunkte einer Politik für den Walderhalt müssen sein die
verstärkte Unterstützung waldreicher Entwicklungsländer bei der Schaffung
und Einhaltung verlässlicher und angemessener Rahmenbedingungen und
beim Aufbau kompetenter staatlicher Institutionen zur Politikgestaltung und
zur Umsetzung einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Naturressourcen-
politik sowie für die wirtschaftlichen Interessen, die zum Rückgang der Wäl-
der führen, Alternativen zu entwickeln. Neben der Bereitstellung finanzieller
Unterstützung kann die Zusammenarbeit auch den Know-how- und Techno-
logietransfer umfassen. So kann die Bereitstellung satellitengestützter Erd-
beobachtung den Entwicklungsländern ein wichtiges Instrument zur Eindäm-
mung der Entwaldung – vor allem durch illegalen Holzeinschlag – an die
Hand geben. Sicherzustellen ist dabei in jedem Fall, dass der örtlichen Bevöl-
kerung aus solchen Initiativen nach Möglichkeit neue Entwicklungspoten-
tiale durch den Walderhalt eröffnet werden. Dabei ist die Wiederaufforstung
mit standorttypischen Pflanzen – auch zum Schutz des Bodens und zur Ver-
hinderung der Bodenerosion – ein wichtiger Aspekt. Maßnahmen zur Redu-
zierung des illegalen Holzeinschlags, wie die EU-Initiative zur Rechtsdurch-
setzung, Politikgestaltung und zum Handel im Forstsektor (FLEGT),
verdienen in Zukunft ebenfalls vermehrte Aufmerksamkeit.

● Schutz und nachhaltige Nutzung der Meere und Küsten

Intakte Meeres- und Küstenökosysteme leisten einen bedeutenden Beitrag
für die Ernährung und für den Küstenschutz. Der weltweite Rückgang der
Mangrovenbestände, die Zerstörung der Korallenriffe, die intensive und häu-
fig umweltzerstörende Fischerei sind aktuelle Beispiele für den Raubbau, der
ungebrochen an Küsten und in Meeren betrieben wird. Bei sorgsamerem Um-
gang mit den Küsten hätte der Tsunami Ende 2005 weniger verheerende Fol-
gen gehabt.

Die großen Fischfangflotten, die beispielsweise vor den Küsten Afrikas
fischen, sind auch eine Ursache für die wachsende Armut indigener und
lokaler Fischer, die in den Küstenregionen wohnen und sich überwiegend von

Fischfang ernähren.

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Es kommt jetzt darauf an, dass die zunehmende Besiedelung weiterer Küs-
tenregionen in Einklang mit den ökologischen Erfordernissen erfolgt und
dass strenge Regeln für die Fischerei angewandt und durchgesetzt werden.
Nur noch 4 Prozent der Weltmeere sind von Menschen weitgehend unbe-
rührt. Die Einrichtung von Schutzgebieten in den Meeren ist deshalb drin-
gend notwendig, um ihren Anteil weltweit von derzeit 1 auf 10 Prozent anzu-
heben.

● Einrichtung von Schutzgebieten und ihre Finanzierung

Die 7. Vertragsstaatenkonferenz der CBD im Jahr 2004 hat ein Arbeitspro-
gramm zur Einrichtung eines weltweiten Schutzgebietssystems bis 2010 an
Land und bis 2012 auf See verabschiedet. Unter Schutzgebieten sind sowohl
solche Gebiete zu verstehen, in denen keinerlei Nutzung stattfinden soll, als
auch Gebiete mit einer nachhaltigen Nutzung in abgestufter Intensität. Das
Modell der UNESCO-Biosphärenreservate mit ihren Kern- und Entwick-
lungszonen ist für diese Zusammenführung von Schutz und Nutzung ein gu-
ter Ansatzpunkt mit Modellcharakter. Entscheidende Frage der Umsetzung
dieses Arbeitsprogramms ist die Finanzierung der notwendigen Maßnahmen.

Es ist dringend notwendig, neue Finanzierungsinstrumente zu finden, wie
z. B. die Vergütung für ökologische Dienstleistungen oder den Erhalt bzw.
die kostenpflichtige Nutzung globaler Umweltgüter, nicht zuletzt, um den
„strukturellen“ Konkurrenznachteil dieser Güter und Leistungen gegenüber
nicht nachhaltigen Bewirtschaftungsformen auszugleichen. Bereits vorhan-
dene Finanzierungsinstrumente müssen weiterentwickelt werden.

● Gerechte Gestaltung der wirtschaftlichen Nutzung der biologischen Vielfalt

Die Natur bietet mit natürlichen Heilstoffen bzw. Heilmitteln, die auf Natur-
stoffen beruhen, Lösungen für viele medizinische Probleme; sie bietet die
Ausgangssubstanzen für chemische Forschung und Anwendung und sie bie-
tet Lösungen für technische Fragen (Bionik). Der Wachstumsmarkt der Bio-
technologie ist zunehmend auf Naturstoffe angewiesen. Die diesbezüglichen
Potentiale der Natur für unsere Zukunft sind unabsehbar. Eine gerechte Auf-
teilung der sich aus einer solchen Nutzung der Natur ergebenden Vorteile
zwischen den Nutzern und den Staaten mit reicher biologischer Vielfalt (Be-
reitstellern) ist unabdingbar. Staaten mit einer großen biologischen und gene-
tischen Vielfalt – meist Entwicklungsländer – und deren indigene Völker
müssen angemessen an den Gewinnen, die Forschungsinstitute und Firmen in
Industriestaaten mit der Nutzung der genetischen Ressourcen erzielen, betei-
ligt werden.

Bei der Vertragsstaatenkonferenz in Bonn kommt es darauf an, die inhalt-
lichen Kernelemente wie die Frage des gerechten Zugangs zu genetischen
Ressourcen und des Vorteilsausgleichs (access and benefit sharing, ABS)
einer völkerrechtlich verbindlichen Vereinbarung zu diesem Komplex und
den weiteren Verhandlungsweg für die Ausformulierung des so genannten In-
ternationalen Regimes bis zum Jahr 2010 zu beschließen. An diesem Prozess
sind die indigenen Völker und lokalen Gemeinschaften angemessen zu betei-
ligen.

● Nachhaltige Produktion der Biomasse zur Energieerzeugung

Der Biodiversitätsverlust in Entwicklungs- und Schwellenländern wird
erheblich durch die wachsende Weltbevölkerung und die Konsummuster der
Industriestaaten verursacht. Unser Energie- und Rohstoffverbrauch führt in
allen Teilen der Welt zur Intensivierung der Landnutzung und vielfach zur

Übernutzung natürlicher Ressourcen in Entwicklungsländern. Monokulturen
beispielsweise zur Gewinnung von Soja und Palmöl zu Lasten von Waldflä-

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chen oder Mooren oder einseitige Fruchtfolgen beschleunigen den Rückgang
der Arten und zerstören Lebensräume, die auch als Kohlenstoffspeicher eine
fundamentale Rolle bei der natürlichen Regulierung des Klimas spielen.

Aufgrund der stetig zunehmenden nicht nachhaltigen Produktion von Pflan-
zen zur Erzeugung von Energie und der daraus drohenden negativen öko-
logischen und sozialen Auswirkungen in den Entwicklungsländern wurde
dieses Thema als neuer Tagesordnungspunkt auf die Agenda der 9. Vertrags-
staatenkonferenz gesetzt. Es ist dringend notwendig, international Regeln
und wirksame Zertifizierungssysteme zu vereinbaren und angemessene So-
zial- und Umweltstandards festzulegen, damit der Energiehunger vor allem
der Industrie- und Schwellenländer nicht durch soziale Marginalisierung und
Raubbau – mit weiterem Schwund an biologischer Vielfalt – in den Entwick-
lungsländern gestillt wird. Zugleich sollten für und zusammen mit der betrof-
fenen Bevölkerung in den Entwicklungsländern Alternativen einer nachhal-
tigen Nutzung entwickelt und unterstützt werden. Zudem ist sicherzustellen,
dass eine Ausdehnung der Produktion von Agrarrohstoffen nicht in Konkur-
renz zur Lebensmittelversorgung gerät.

III. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

● die Gastgeberrolle Deutschlands für die 9. Vertragsstaatenkonferenz des
Übereinkommens über die biologische Vielfalt und den anschließenden
zweijährigen Vorsitz zu nutzen, für einen modernen Umgang mit den natür-
lichen Lebensgrundlagen einzutreten, der sowohl Lebensräume nutzungsfrei
schützt als auch nachhaltige Nutzungen zulässt, dem Raubbau und der nicht
nachhaltigen Nutzung Einhalt gebietet und darüber hinaus auch die sozialen
und kulturellen Dimensionen der Naturnutzung einbezieht;

● bei der 9. Vertragsstaatenkonferenz auf konkrete Schritte für die Verwirk-
lichung des beschlossenen weltweiten Netzes von Schutzgebieten sowie Ge-
bieten mit nachhaltiger Bewirtschaftung als „Netz des Lebens“ bis 2010 auf
Land und bis 2012 zur See hinzuwirken und dabei insbesondere auch die Be-
lange der örtlichen Bevölkerung zu berücksichtigen;

● die EU-Partner und weitere Geber zum Mitwirken an einer Initiative zur
Finanzierung dieses weltweiten „Netzes des Lebens“ zu gewinnen;

● sich weiter einzusetzen für einen verbesserten Schutz der Wälder durch die
im Waldarbeitsprogramm der CBD beschlossene Einrichtung von Wald-
schutzgebieten und Waldgebieten mit differenzierter Nutzung; hierbei gilt es
besonders, den illegalen Holzeinschlag und den damit verbundenen Handel
zu verhindern;

● im Rahmen einer Nachfolgeregelung zum Kyoto-Protokoll einen Mechanis-
mus zu unterstützen, der dauerhaft die Reduktion von nationalen Treibhaus-
gasemissionen aus der Zerstörung kohlenstoffspeichernder Ökosysteme in
Entwicklungsländern sicherstellt. Damit sollen sowohl die Ziele des Klima-
schutzes als auch die Ziele des Biodiversitätsschutzes erreicht werden;

● die vorhandenen Finanzierungsinstrumente für Maßnahmen zum Schutz und
zur nachhaltigen Nutzung der biologischen Vielfalt bedarfsgerecht einzuset-
zen und im Rahmen der zur Verfügung stehenden Ausgaben zusammen mit
der KfW Entwicklungsbank ggf. neue zu entwickeln;

● den Einsatz von GPS (Global Positioning System) und satellitengestützter
Erdbeobachtung, wie bereits seit langem in der Landwirtschaft üblich, zur
Überprüfung von Vereinbarungen und zur Sammlung weiterer wissenschaft-
licher Daten verstärkt zu nutzen;

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● sich dafür einzusetzen, dass auf der 9. Vertragsstaatenkonferenz wesentliche
Elemente eines internationalen Regelungswerks zum Zugang zu genetischen
Ressourcen und gerechtem Vorteilsausgleich identifiziert werden und ein kla-
res Verhandlungsmandat für eine rechtsverbindliche Regelung auf der CBD
festgelegt wird, damit die Arbeiten an diesem internationalen Regime bis
2010 abgeschlossen werden können. Zur Sicherstellung der Wirksamkeit
sollte diese rechtsverbindliche Regelung klar definierte Anreize und Sank-
tionen enthalten;

● bei Initiativen des Biodiversitätserhalts die Wahrnehmung entwicklungs-
politischer Erfordernisse – besonders die Armutsbekämpfung und den Schutz
indigener Völker – sicherzustellen (z. B. durch die Sicherung langfristiger
Nutzungs- bzw. Eigentumsrechte vor allem am Produktionsfaktor Boden);
hierbei gilt es insbesondere ein Augenmerk darauf zu richten, dass auch für
die Einkommen und Erträge aus Finanzierungsinstrumenten eine sozial
gerechte Verteilung sichergestellt werden kann und der Rückgang von wert-
vollem Acker- und Grünland sowohl in Entwicklungs- und Schwellenländern
als auch in den Industrieländern gestoppt wird;

● die Forschung im Bereich der biologischen Vielfalt dahingehend zu verstär-
ken, dass rasch die zur Einrichtung und zum Management des „Netzes des
Lebens“ notwendigen wissenschaftlichen Daten erhoben und zur Verfügung
gestellt werden können; dies gilt insbesondere im Hinblick auf die großen
noch vorhandenen Wissenslücken über die biologische Vielfalt in den Mee-
ren;

● durch entwicklungspolitische Maßnahmen im Bildungssektor in der Bevöl-
kerung der betroffenen Länder eine nachhaltige Grundlage zu schaffen für
ein besseres Verständnis der eigenen Lebensgrundlagen und -bedingungen,
z. B. gemeinsam mit den Partnerländern das Thema Umweltbildung einzu-
führen bzw. verstärkt zu unterstützen und so die Menschen in die Lage zu ver-
setzen, den Wert ihrer Umwelt zu schätzen, ihr eigenes Interesse am Erhalt
zu erkennen und verantwortlich mit den natürlichen Ressourcen umzugehen;

● sich dafür einzusetzen, dass die Produktion von Biomasse und Agrarkraft-
stoffen keine negativen Auswirkungen auf die weltweite biologische Vielfalt
haben und dass Leitlinien für Gewinnung von Bioenergie entwickelt werden,
die ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitskriterien genügen. Die gute
fachliche Praxis in Land- und Forstwirtschaft ist danach auszurichten;

● sich dafür einzusetzen, dass Biomasse und Hölzer aus nicht nachhaltiger Be-
wirtschaftung von der Einfuhr in die EU ausgeschlossen werden, und in dieser
Hinsicht bei der EU auf eine Weiterentwicklung von FLEGT zu dringen;

● zusammen mit den betroffenen Ländern Wege zu entwickeln, die der entstan-
denen Holzindustrie und den dort beschäftigten Menschen weiter Arbeit und
Einkommen ermöglichen, etwa durch Holzverarbeitung aus nachhaltiger
Nutzung oder aus Plantagen, die auf gerodeten Böden durch Aufforstung ent-
standen sind. Dies schließt Hilfen beim Aufbau einer nachhaltigen Holzwirt-
schaft mit ein. Dieser Ansatz – nachhaltige Nutzung sowie auskömmliches
Einkommen für die Beschäftigten – muss ebenfalls auch für andere Bevölke-
rungsgruppen (z. B. Fischer, Sammler von Pflanzen etc.) gelten;

● Optionen für eine völkerrechtlich verbindliche Vereinbarung zum Schutz der
Wälder und für eine nachhaltige Holzwirtschaft zu entwickeln und ihren
CBD-Vorsitz bis 2010 zu nutzen, dies in die internationale Diskussion einzu-
bringen;

● sich national wie international für eine einheitliche und anerkannte Kenn-
zeichnung von Produkten mit einem Siegel zum Nachweis einer nachhaltigen

Herstellung und einer nachhaltigen Lieferkette einzusetzen, an dem sich Ver-

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braucherinnen und Verbraucher bei ihrer Kaufentscheidung orientieren und
ihren Konsum nachhaltig gestalten können;

● weiter die Initiative zur Schaffung eines wissenschaftlichen Weltbiodiver-
sitätsrates (International Mechanism of Scientific Expertise on Biodiversity,
IMoSEB) – ähnlich dem Weltklimarat IPCC – zu unterstützen;

● den Schutz und die nachhaltige Nutzung der biologischen Vielfalt als einen
herausragenden Sektor der deutschen Entwicklungszusammenarbeit zu ver-
stehen, bei den Partnerländern für eine bilaterale Schwerpunktsetzung zu
werben und Vorhaben im Bereich der Biodiversität von privaten Trägern ver-
stärkt zu unterstützen;

● sich dafür einzusetzen, dass Mittel der internationalen Organisationen (Glo-
bal Environment Facility – GEF –, Weltbank, Europäische Kommission,
Europäischer Entwicklungsfonds – EEF – etc.) vermehrt für Initiativen und
Vorhaben des Biodiversitätserhalts verwendet werden;

● die Notwendigkeit des Erhalts der natürlichen Lebensgrundlagen und ihrer an
dem Prinzip der Nachhaltigkeit orientierten Nutzung im Vorfeld der Konfe-
renz einer breiten Öffentlichkeit zu vermitteln und die gesamtgesellschaft-
lichen Folgen des Biodiversitätsverlustes öffentlichkeitswirksam zu kommu-
nizieren.

Berlin, den 9. April 2008

Volker Kauder, Dr. Peter Ramsauer und Fraktion
Dr. Peter Struck und Fraktion

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