BT-Drucksache 16/8741

Studienfinanzierung ausbauen - Soziale Hürden abbauen

Vom 8. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8741
16. Wahlperiode 08. 04. 2008

Antrag
der Abgeordneten Cornelia Hirsch, Dr. Petra Sitte, Dr. Lukrezia Jochimsen,
Volker Schneider (Saarbrücken) und der Fraktion DIE LINKE.

Studienfinanzierung ausbauen – Soziale Hürden abbauen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung sind Studiengebühren nicht nur
eine hohe soziale Hürde zur Aufnahme eines Studiums, sondern stehen zudem
für eine gesellschaftspolitisch schädliche Auffassung eines Studiums als indivi-
duelle Investition und von Studierenden als Kundinnen und Kunden der Hoch-
schule. Dennoch haben mittlerweile sieben Landesregierungen ungeachtet aller
berechtigten Proteste von Studierenden, Schülerinnen/Schülern und Gewerk-
schaften allgemeine Gebühren ab dem ersten Semester eingeführt. Vorbereitet
wurde diese Entwicklung nicht zuletzt durch die Entscheidungen sozialdemo-
kratisch geführter Landesregierungen, so genannte Studienkonten einzuführen.

Die Bundesregierung hat dem Gebührenkurs der Bundesländer bisher weitge-
hend tatenlos zugesehen. Weder bei den Verhandlungen zum Hochschulpakt I
noch im Rahmen der Exzellenzinitiative hat sie klar Position gegen die Cam-
pusmaut bezogen. Auch bei der Föderalismusreform I hat sie keinerlei Anstren-
gungen unternommen, die Unentgeltlichkeit der Bildung im Grundgesetz zu
verankern. Stattdessen gab sie den Landesregierungen für ihren unsozialen Kurs
sogar mehrmals Rückendeckung. Hier ist unter anderem ihre Zusage an die Kre-
ditanstalt für Wiederaufbau ein Studienkreditprogramm aufzulegen zu nennen
oder die immer wieder öffentlich geäußerte Unterstützung für allgemeine Stu-
diengebühren der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette
Schavan.

Hinzu kommt, dass sowohl die BAföG-Novelle der rot-grünen Bundesregierung
2001 als auch die BAföG-Novelle der Großen Koalition im vergangenen Jahr
weit hinter den Anforderungen an eine bedarfsdeckende, repressionsfreie und
elternunabhängige Studienfinanzierung zurückgeblieben sind. Insbesondere die
Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge war unzureichend. Obwohl Stu-
dierende nach den Berechnungen des Deutschen Studentenwerks mindestens
einen Gesamtbedarf von 694 Euro im Monat haben, was einer Erhöhung der
BAföG-Sätze um 19 Prozent entspricht, ist bisher zum 1. Oktober bzw. 1. Au-

gust 2008 lediglich eine Erhöhung um rund 10 Prozent geplant. Der Zeitpunkt
für die Vorlage des nächsten BAföG-Berichts ist im Zuge der BAföG-Novelle
um ein Jahr nach hinten verschoben, womit eine weitere Verschleppung der
erforderlichen Erhöhung der BAföG-Sätze droht.

Eine Folge dieser Politik ist, dass die Studienanfängerinnen-/Studienanfänger-
quote seit Jahren kontinuierlich sinkt. Zuletzt gab das Statistische Bundesamt
an, dass nur noch 36,6 Prozent eines Altersjahrgangs ein Studium aufnehmen.

Drucksache 16/8741 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Mit dem Rückgang der Studienanfängerinnen-/Studienanfängerquote verschärft
sich die soziale Ungleichheit unter der Studierendenschaft. Laut der 18. Sozial-
erhebung des Deutschen Studentenwerks nehmen 83 Prozent aller Akademike-
rinnen-/Akademikerkinder, aber nur 17 Prozent aller Arbeiterkinder ein Stu-
dium auf. Im Jahre 2006 kamen gerade einmal 13 Prozent der Studierenden aus
der sozialen Herkunftsgruppe „niedrig“; aus der Herkunftsgruppe „hoch“ stam-
men dagegen 38 Prozent.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

1. aktiv darauf hinzuwirken, dass das Studium in allen Bundesländern gebüh-
renfrei wird bzw. bleibt. Insbesondere muss hierzu dem ratifizierten UN-
Sozialpakt zur Gültigkeit verholfen werden, indem die Ablehnung von
Studiengebühren in den Landeshochschulgesetzen zur Voraussetzung an der
Beteiligung zum Hochschulpakt gemacht wird oder im Zuge der geplanten
Föderalismusreform II die Unentgeltlichkeit der Bildung im Grundgesetz
verankert wird;

2. festzulegen, dass die Erhöhung der BAföG-Sätze zukünftig automatisch an
die Erhöhung der Lebenshaltungskosten gekoppelt wird. Die beschlossene
Erhöhung zum Wintersemester 2008/2009 muss verdoppelt werden, um zu-
mindest in Ansätzen eine kostendeckende Förderung zu erreichen;

3. den Darlehensanteil beim BAföG Schritt für Schritt zurückzunehmen mit
dem Ziel das BAföG wieder auf eine Vollförderung umzustellen. Außerdem
muss es Ziel sein, die Studienkredite der Kreditanstalt für Wiederaufbau
überflüssig zu machen, damit das Studium nicht zur Schuldenfalle wird. Ge-
rade Frauen haben aufgrund ihres im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen
niedrigeren Durchschnittsverdienstes und unterbrochener Erwerbsbiografien
größere Schwierigkeiten, sich für ein Studium zu verschulden und diese
Schulden zu begleichen;

4. eine kurzfristige BAföG-Novelle auf den Weg zu bringen, die das BAföG an
die aktuellen Herausforderungen an den Hochschulen anpasst. Dazu gehört
insbesondere, dass Studierenden durch die Umstellung der Studiengänge auf
Bachelor und Master keine Nachteile entstehen und die diskriminierende Al-
tersgrenze von 30 Jahren aufgehoben wird. Darüber hinaus muss klargestellt
werden, dass eingetragene Lebenspartnerschaften im BAföG durchgehend
gegenüber der Ehe gleichgestellt sind;

5. sich in der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK) unmissverständ-
lich gegen den Aufbau eines öffentlich-privaten Stipendiensystems aus-
zusprechen und von Anfang an jede Form der Mitarbeit des Bundes an solch
einem Projekt zu verneinen;

6. die begonnene Orientierung hin auf den Ausbau der Begabtenförderung zu-
gunsten eines weiteren Ausbaus des BAföG zu ändern;

7. das BAföG für Schülerinnen und Schüler in der Oberstufe sowie für Aus-
zubildende in schulischen Ausbildungsgängen auszubauen, um dem sozialen
Knick im Bildungstrichter nach der zehnten Klasse entgegenzuwirken.

Berlin, den 8. April 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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