BT-Drucksache 16/8729

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. -16/8045- Beratungsqualität für Erwerbslose verbessern - Personal der Grundsicherungsträger qualifizieren und ihm Zukunftsperspektiven geben

Vom 8. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8729
16. Wahlperiode 08. 04. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Katja Kipping, Klaus Ernst, Dr. Lothar Bisky,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE.
– Drucksache 16/8045 –

Beratungsqualität für Erwerbslose verbessern – Personal der
Grundsicherungsträger qualifizieren und ihm Zukunftsperspektiven geben

A. Problem

Die Hartz-Reformen haben die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik grundlegend
verändert. Die Zusammenführung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe durch
Hartz IV sollte dazu beitragen, institutionelle Doppelstrukturen abzuschaffen
und insbesondere Langzeiterwerbslose besser in Arbeit zu vermitteln. Der Kon-
flikt um die institutionelle Ausgestaltung der Grundsicherung für Arbeitsuchen-
de lenkte und lenkt weiter davon ab, dass die wesentliche Frage aus der Perspek-
tive der betroffenen Arbeitsuchenden die Qualität der erbrachten Dienstleistung
vor Ort darstellt. Hier zeigen sich aber massive Defizite, die zahlreiche Gründe
haben.

B. Lösung

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, die Beratungsqualität für Er-
werbslose u. a. durch folgende Maßnahmen zu verbessern:

1. Durch die kurz- und mittelfristige Personalplanung der Bundesagentur für
Arbeit ist ein ausreichender Stamm von unbefristet Beschäftigten in der
Grundsicherung für Arbeitsuchende zu garantieren. Parallel ist die Personal-
planung so auszurichten, dass die Fallzahlen der jeweils zu betreuenden Hil-
fesuchenden deutlich gesenkt werden sowie die Tätigkeit der Kundenbetreue-
rinnen und Kundenbetreuer durch ausreichende Freiräume für qualifizierte
und individuelle Betreuung und Beratung charakterisiert ist.
2. Das Personal für die Aufgaben der Beratung und Vermittlung muss zielge-
richtet und ausreichend qualifiziert werden. Bei den örtlichen Trägern sind
für die spezifischen Bedürfnisse konkreter Zielgruppen (z. B. Menschen mit
Behinderung, Berufsrückkehrerinnen und Berufsrückkehrer, Alleinerziehen-
de, Wohnungslose) ausgebildete Fallmanagerinnen und Fallmanager ein-
zustellen und das Weiterbildungsangebot für Beschäftigte quantitativ und
qualitativ auszubauen.

Drucksache 16/8729 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Die Trennung der Erwerbslosen bei der Beratung, der Vermittlung und der
Zuweisung von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen in zwei Klassen – je
nach Zugehörigkeit der oder des Erwerbslosen zum Zweiten Buch Sozial-
gesetzbuch (SGB II) oder Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) – wird
aufgehoben, um bei diesen Leistungen einen offenen Zugang für alle Er-
werbslosen zu gewährleisten.

4. Das System der Zielvereinbarungen zwischen dem Bundesministerium für
Arbeit und Soziales, der Bundesagentur für Arbeit und den Trägern der
Grundsicherung vor Ort wird so weiterentwickelt, dass Beratung über soziale
Rechte neben der Verringerung von Hilfebedürftigkeit und der Vermittlung in
Arbeit als gleichberechtigte Ziele formuliert und verfolgt werden.

5. Die organisatorische und finanzielle Unterstützung von unabhängiger Bera-
tung für Erwerbslose wird gefördert.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Fraktion
DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme des Antrags.

D. Kosten

Kostenüberlegungen wurden nicht angestellt.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8729

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/8045 abzulehnen.

Berlin, den 17. März 2008

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Vorsitzender

Andrea Nahles
Berichterstatterin

tungsqualität für Erwerbslose u. a. durch folgende Maßnah- zelfallentscheidungen, wie sie beispielsweise im Bereich der

men zu verbessern:

1. Durch die kurz- und mittelfristige Personalplanung der
Bundesagentur für Arbeit sei ein ausreichender Stamm

Kosten der Unterkunft zu treffen seien, erleichterten. Man
halte die Trennung der Regelkreise des SGB II und des
SGB III für sinnvoll, da Langzeitarbeitslose eine andere
Drucksache 16/8729 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Andrea Nahles

I. Verfahren
1. Überweisungen

Der Antrag der Fraktion DIE LINKE. auf Drucksache
16/8045 ist in der 142. Sitzung des Deutschen Bundestages
am 14. Februar 2008 an den Ausschuss für Arbeit und
Soziales zur federführenden Beratung sowie an den Finanz-
ausschuss, den Haushaltsausschuss, den Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend und den Ausschuss
für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur
Mitberatung überwiesen worden.

2. Voten der mitberatenden Ausschüsse

Der Finanzausschuss, der Haushaltsausschuss, der Aus-
schuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und der
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung haben in ihren Sitzungen am 5. März 2008 mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der Frak-
tion DIE LINKE. beschlossen, die Ablehnung des Antrags
zu empfehlen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage
Nach Ansicht der Antragsteller haben die Hartz-Reformen
die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik grundlegend verändert.
Die Zusammenführung der Sozial- und Arbeitslosenhilfe
durch Hartz IV habe dazu beitragen sollen, institutionelle
Doppelstrukturen abzuschaffen und insbesondere Langzeit-
erwerbslose besser in Arbeit zu vermitteln. Der Konflikt um
die institutionelle Ausgestaltung der Grundsicherung für
Arbeitsuchende würde davon ablenken, dass die wesentliche
Frage aus der Perspektive der betroffenen Arbeitsuchenden
die Qualität der erbrachten Dienstleistung vor Ort darstelle.
Hier würden sich aber massive Defizite zeigen, die zahl-
reiche Gründe hätten.

Durch Hartz IV sei eine neue Spaltung zwischen den Er-
werbslosen eingeführt worden: Je nach formaler Zuständig-
keit – SGB II (Hartz IV) oder SGB III (Arbeitslosenver-
sicherung) – würden sich die Art und Qualität der Dienstleis-
tung unterscheiden. Für die Bearbeitung von Anträgen und
die persönliche Betreuung bei den örtlichen Trägern der
Grundsicherung für Arbeitsuchende seien zahlreiche Perso-
nen ohne ausreichende fachliche Qualifikation eingesetzt
worden. Hinzu käme, dass 13 509 von 54 700 Beschäfti-
gungsverhältnissen befristet seien, sodass gut eingearbeitete
Beschäftigte vom Wegfall ihrer Arbeitsplätze bedroht seien.
Schließlich fehle es an unabhängiger Beratung durch Instan-
zen, die nicht gleichzeitig Kostenträger der Grundsicherung
für Arbeitsuchende seien.

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, die Bera-

planung so auszurichten, dass die Fallzahlen der jeweils
zu betreuenden Hilfesuchenden deutlich gesenkt werde
sowie die Tätigkeit der Kundenbetreuerinnen und Kun-
denbetreuer durch ausreichende Freiräume für qualifi-
zierte und individuelle Betreuung und Beratung charakte-
risiert werde.

2. Das Personal für die Aufgaben der Beratung und Vermitt-
lung müsse zielgerichtet und ausreichend qualifiziert wer-
den. Bei den örtlichen Trägern seien für die spezifischen
Bedürfnisse konkreter Zielgruppen (z. B. Menschen mit
Behinderung, Berufsrückkehrerinnen und Berufsrück-
kehrer, Alleinerziehende, Wohnungslose) ausgebildete
Fallmanagerinnen und Fallmanager einzustellen und das
Weiterbildungsangebot für Beschäftigte quantitativ und
qualitativ auszubauen.

3. Die Trennung der Erwerbslosen bei der Beratung, der
Vermittlung und der Zuweisung von arbeitsmarktpoli-
tischen Maßnahmen in zwei Klassen – je nach Zugehö-
rigkeit der oder des Erwerbslosen zum SGB II oder zum
SGB III – solle aufgehoben werden, um bei diesen Leis-
tungen einen offenen Zugang für alle Erwerbslosen zu
gewährleisten.

4. Das System der Zielvereinbarungen zwischen dem Bun-
desministerium für Arbeit und Soziales, der Bundesagen-
tur für Arbeit und den Trägern der Grundsicherung vor
Ort solle so weiterentwickelt werden, dass Beratung über
soziale Rechte neben der Verringerung von Hilfebedürf-
tigkeit und der Vermittlung in Arbeit als gleichberech-
tigte Ziele formuliert und verfolgt werden.

5. Die organisatorische und finanzielle Unterstützung von
unabhängiger Beratung für Erwerbslose solle gefördert
werden.

III. Beratung und Abstimmungsergebnis
im federführenden Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag auf
Drucksache 16/8045 in seiner 79. Sitzung am 5. März 2008
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die
Stimmen der Fraktion DIE LINKE. beschlossen, die Ableh-
nung des Antrags zu empfehlen.

Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU lehnten den
Antrag ab. Zunächst halte man das stetige Anführen von Ein-
zelfällen für problematisch. Die meisten Widersprüche, die
bei Gericht Erfolg hätten, seien solche, die sich gegen Ent-
scheidungen der Behörde richteten, für die es vom Gesetz-
geber keine strenge Reglementierung gäbe. Man begrüße die
gegebenen regionalen Entscheidungsfreiheiten, da sie Ein-
von unbefristet Beschäftigten in der Grundsicherung für
Arbeitsuchende zu garantieren. Parallel sei die Personal-

Beratung benötigten, als Menschen, die erst seit kurzem
arbeitslos seien. Da der Antrag zu mehr Dirigismus, mehr

Betreuung durch die Agenturen für Arbeit und die ARGEn verbessert werden. Man lehne den Antrag ab.

Berlin, den 17. März 2008

Andrea Nahles
Berichterstatterin
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/8729

Eingriffen von oben nach unten und zu einer Hemmung der
Flexibilität führe, lehne man ihn ab.

Die Mitglieder der Fraktion der SPD lehnten den Antrag
ab. Vergleiche man die Zahlen der Widersprüche in der
Grundsicherung für Arbeitsuchende mit der Zahl der Wider-
sprüche in anderen Bereichen, so könne man hier keine Be-
sonderheiten oder Auffälligkeiten feststellen. Dies sei ein
deutlicher Hinweis darauf, dass die Antragsbearbeitung in
der Grundsicherung von keiner schlechteren Qualität sei als
woanders. Die Menschen hätten ein breites Spektrum an
Möglichkeiten, sich gegen Entscheidungen, mit denen sie
nicht zufrieden seien, zur Wehr zu setzen. Hierzu gehöre
auch, den Rechtsweg zu beschreiten und vor dem Sozial-
gericht Klage zu erheben. Die Fraktion der SPD setze sich
dafür ein, die Zahl der befristeten Stellen auf ein Minimum
zu beschränken und sie in unbefristete Stellen umzuwandeln.
Wer einem Arbeitsuchenden eine Perspektive aufzeigen sol-
le, müsse selber eine gesicherte Perspektive haben. Hier
habe man in 2007 schon viel erreicht und 4 000 zusätzliche
feste Stellen geschaffen. In 2008 werden weitere 3 000 Stel-
len folgen. Natürlich gebe es noch Schulungsbedarf. Dies sei
angesichts der sehr komplexen Materie auch nicht verwun-
derlich. Die Fraktion DIE LINKE. solle aber nicht so tun, als
würden in den ARGEn und Optionskommunen nur Ama-
teure arbeiten. Die Mitarbeiter dort hätten viel geleistet. Man
lehne den Antrag ab.

Die Mitglieder der Fraktion der FDP lehnten den Antrag
ab. Der Antrag setze an der berechtigten Kritik an, dass die

nicht ausreichend sei, um in einer Vielzahl der Fälle eine In-
tegration in den ersten Arbeitsmarkt zu erreichen. Die Maß-
nahmen sind jedoch nicht zielführend, da sie das Grund-
problem nicht lösen. Richtig wäre es, die Betreuung und
Beratung aller Arbeitsuchenden in eine Hand, die der Kom-
munen, zu geben. So würden langwierige Abstimmungspro-
zesse mit den Arbeitsagenturen überflüssig und doppelte
Verwaltungsstrukturen abgeschafft.

Die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE. führten aus, man
habe anhand einzelner Beispiele strukturelle Probleme ver-
deutlicht. Es lägen Zahlen vor, die auf strukturelle Probleme
in der Beratungsqualität hindeuteten. Es stelle sich außerdem
die Frage, ob das gegenwärtige System der Zielvereinbarung
nicht gerade mutige Entscheidungen erschwere. Man wolle
in erster Linie auf ein strukturelles Interessensdilemma hin-
weisen. Dieses läge vor, wenn die Stelle, die beraten solle,
gleichzeitig zur Auszahlung und Einsparung verpflichtet sei.

Die Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
waren der Ansicht, dass man die Problematik durchaus ernst
nehmen müsse und dass es sich nicht nur um Einzelfälle
handle. Man benötige für die SGB-II-Empfänger Unterstüt-
zungsmaßnahmen, die über die vorhandenen Maßnahmen
hinausgingen. Es sei ferner nicht die Aufgabe des Bundes,
unabhängige Beratungsstellen einzurichten, sondern Auf-
gabe der Kommunen. Man halte die Einführung eines
flächendeckenden Beratungssystems für falsch. Vielmehr
benötige man verbesserte Verfahrensrechte für die Betroffe-
nen, insbesondere die Widerspruchsmöglichkeiten müssten

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