BT-Drucksache 16/8723

Abkommen über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland

Vom 4. April 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8723
16. Wahlperiode 04. 04. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Petra Pau, Ulla Jelpke, Kersten Naumann und der Fraktion
DIE LINKE.

Abkommen über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung
und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität zwischen den USA und der
Bundesrepublik Deutschland

Am 11. März 2008 paraphierten die Bundesministerin der Justiz, Brigitte
Zypries, und der Bundesminister des Innern, Dr. Wolfgang Schäuble, zusam-
men mit ihren amerikanischen Amtskollegen, dem Justizminister Michael
Bernard Mukasey und dem Minister für Innere Sicherheit, Michael Chertoff,
ein bilaterales Abkommen über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Be-
kämpfung schwerwiegender Kriminalität.

In einer Pressemitteilung des BMI vom 11. März 2008 heißt es u. a. zu den
Zwecken und Zielen des Abkommens:

„Im Interesse einer effektiven Prävention und Strafverfolgung bei schwerwie-
gender Kriminalität, insbesondere im Bereich der Terrorismusbekämpfung,
verfolgen Deutschland und die USA das Ziel, den Informationsaustausch aus-
zubauen. Beide Staaten sehen in dem frühzeitigen Austausch von Informatio-
nen eine wesentliche Voraussetzung, um ihren Sicherheitsbehörden bei grenz-
überschreitenden Aktivitäten von Terroristen die Möglichkeit zu geben,
Bedrohungen rechtzeitig zu erkennen und abzuwehren, bevor Schaden eintritt.

Das Abkommen sieht deshalb vor, dass nach Maßgabe des jeweils geltenden
nationalen Rechts im Einzelfall auch ohne Ersuchen personenbezogene Daten
übermittelt werden können, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass
diese Personen terroristische Straftaten oder Straftaten, die hiermit im Zusam-
menhang stehen, begehen werden oder eine Ausbildung zur Begehung von ter-
roristischen Straftaten durchlaufen oder durchlaufen haben. Übermittelt werden
Daten zur Identifizierung der Personen (z. B. Name, Geburtsdatum, Staatsange-
hörigkeit, daktyloskopische Daten) und Informationen zu Umständen, die den
Tatverdacht begründen.

Das Abkommen schafft ferner die Grundlage für einen automatisierten Aus-
tausch von Fingerabdruck- und DNA-Daten im Hit/No-Hit-Verfahren nach Vor-
bild des Vertrags von Prüm, der im Jahr 2005 zwischen mehreren EU-Mitglied-
staaten geschlossen wurde.“
An anderer Stelle der BMI-Pressemitteilung wird ausgeführt: „Im Bereich der
DNA-Datensätze handelt es sich um eine zukunftgerichtete Regelung, da nach
dem Abkommen ein Austausch von Datensätzen unter dem Vorbehalt der
Gegenseitigkeit steht und die USA die hierfür erforderlichen rechtlichen und
technischen Voraussetzungen noch schaffen müssen.“

Drucksache 16/8723 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Der Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, kritisierte das Abkom-
men, weil die „Datenschutzvorkehrungen weit unter dem Niveau, das bei
Datenübermittlungen in Europa üblich ist“ bleiben (Pressemitteilung des Bun-
desbeauftragten für Datenschutz, Peter Schaar, vom 11. März 2008). Weiter kri-
tisierte Schaar, dass eine unabhängige Datenschutzkontrolle fehle „und die
Regelungen zur Zweckbindung unzureichend“ seien. „Unklar ist zudem, wel-
che US-Stellen auf die Daten zugreifen dürfen, denn es gibt in den USA allein
17 000 unabhängig voneinander agierende Strafverfolgungsbehörden. Umso
bedauerlicher ist, dass man sich nicht einmal auf eine nationale Kontaktstelle
einigen konnte. Bemerkenswert ist auch, dass die Betroffenen weder ein Aus-
kunftsrecht hinsichtlich der über sie gespeicherten Daten haben noch die Ver-
wendung ihrer Daten in den USA gerichtlich überprüfen lassen können. Unklar
bleibt zudem, in welchen Fällen Daten abgerufen werden können. Zwar wird
auf die Verfolgung und Verhinderung schwerwiegender Kriminalität und des
Terrorismus verwiesen. In dem Abkommen wird aber darauf verzichtet, ver-
bindlich festzulegen, was darunter zu verstehen ist. Deshalb ist zu befürchten,
dass nicht nur Daten von Terrorverdächtigen oder Kriminellen betroffen sein
werden“ (Pressemitteilung des Bundesbeauftragten für Datenschutz, Peter
Schaar, vom 11. März 2008).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Seit wann wurde zwischen der US-Regierung und der Bundesregierung
über dieses Abkommen verhandelt?

2. Welches bundesdeutsche Ministerium war federführend bei den Verhand-
lungen zu diesem Abkommen?

3. In welchem Zusammenhang stehen die Treffen vom Mai 2007 und 30. No-
vember/1. Dezember 2007 zwischen verschiedenen europäischen Innen-
ministern und dem Minister für Homeland Security der USA, Michael
Chertoff, mit dem jetzt paraphierten Abkommen?

4. Welche „Wissenschaftler und Experten“ (www.kas.de/wf/de/71.5454) ha-
ben an diesen Treffen jeweils teilgenommen?

5. Welche Vereinbarungen über den zu gestaltenden „transatlantischen Raum
der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts“ wurden auf diesen Treffen ver-
einbart, wer wurde jeweils für die Federführung bestimmt, und in welchem
Stadium befinden sich die einzelnen Vorhaben jetzt?

6. Ab wann wurden welche parlamentarischen Gremien über diese Verhand-
lungen und die Ziele des jetzt paraphierten Abkommens unterrichtet?

7. Inwiefern teilt die Bundesregierung die Auffassung des Bundesbeauftrag-
ten für Datenschutz, Peter Schaar, dass ohne diplomatischen Eklat eine Ab-
lehnung des Abkommens durch den deutschen Bundestag nicht mehr mög-
lich sei?

8. Ab wann wurde der Bundesbeauftragte für Datenschutz über diese Ver-
handlungen und die Ziele dieses Abkommens unterrichtet?

9. Welche der 17 000 unabhängig operierenden amerikanischen Strafverfol-
gungsbehörden haben Zugriff auf die Daten aus dem Datenaustauschab-
kommen (bitte einzeln auflisten), und wie sind jeweils die datenschutz-
rechtlichen Bestimmungen dieser Strafverfolgungsbehörden?

10. Welche für die Gefahrenabwehr zuständigen US- und BRD-Behörden (ein-
schließlich der Nachrichtendienste) haben Zugriff auf diese Daten?

11. Welche Umstände haben dazu geführt, dass keine nationale Kontaktstelle

für den Datenaustausch benannt werden konnte?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8723

12. Wie wurde in dem Abkommen „schwerwiegende Kriminalität“ definiert,
und wie wurde der frühzeitige Austausch von Daten zur Bekämpfung des
„Terrorismus“, zur rechtzeitigen Erkennung und Abwehr von Bedrohun-
gen definiert, die im Zusammenhang mit Terrorismus stehen können?

13. Welche Hürden haben Deutschland und die USA beim Austausch von
Informationen über sogenannte Gefährder bisher behindert, und welche
davon wurden weggeräumt, um „Daten über Extremisten, denen An-
schläge zugetraut werden, (…) künftig ohne formales Ersuchen über den
Atlantik“ übermitteln zu können (sas/kps REUTERS 111403 Mrz 08)?

14. Welche Paragraphen des deutschen Strafrechts erfassen den Tatbestand
„wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass diese Personen terroris-
tische Straftaten oder Straftaten, die hiermit in Zusammenhang stehen, be-
gehen werden“ (PM BMI 11. März 2008), und welche US-amerikanischen
Gesetze korrespondieren mit diesen Tatbeständen (letztere bitte in deut-
scher Übersetzung aufführen)?

15. Ist dieses Abkommen als Pilotprojekt für weitere Staaten der EU gedacht,
und wenn ja, wann und wo wurde dieses Projekt mit wem erörtert, und auf
welche Weise wurde der Bundesregierung die Federführung übertragen
(vgl. ddp, „DNA und Fingerabdrücke aus Übersee vom 11. März 2008)?

Berlin, den 31. März 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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