BT-Drucksache 16/8554

Zukunft der Kohleverstromung

Vom 11. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8554
16. Wahlperiode 11. 03. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Hans-Josef Fell, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Cornelia
Behm, Bettina Herlitzius, Winfried Hermann, Peter Hettlich, Ulrike Höfken,
Dr. Anton Hofreiter, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Zukunft der Kohleverstromung

Die Stromerzeugung aus Braun- und Steinkohle ist maßgeblich dafür verant-
wortlich, dass die Energiewirtschaft in Deutschland mit über 300 Mio. Tonnen
Kohlendioxid pro Jahr die bedeutendste Quelle klimaschädlicher Emissionen
ist. Im Vergleich zu Gaskraftwerken belasten selbst modernste Steinkohlekraft-
werke das Klima mehr als doppelt so stark, Braunkohlekraftwerke schneiden
noch schlechter ab.

Bleibt die Kohleverstromung auch künftig das Rückgrat der deutschen Energie-
wirtschaft, wird Deutschland seine selbst gesteckten Klimaschutzziele nicht er-
reichen. Dies gilt umso mehr, da sich die CO2-Abscheidung und Lagerung
(CCS) mehr und mehr als technisch und ökonomisch fragwürdiger Weg erweist
und die Technologie frühestens nach dem Jahr 2020 zur Verfügung stehen
könnte.

Neben der erheblichen CO2-Belastung der Atmosphäre ist die Energiegewin-
nung aus Kohle auch mit erheblichen Emissionen von CO, SO2, NOx und Staub,
Radioaktivität, Schwermetallen wie Quecksilber sowie Dioxinen und weiteren
organischen Verbindungen verbunden. Und auch die Gewinnung der Kohle, un-
abhängig davon ob diese in Deutschland selbst oder anderswo gewonnen wird,
ist mit erheblichen Belastungen der Umwelt verbunden.

So kann der Steinkohleabbau wie kürzlich im Saarland zu hoch gefährlichen
Erdbeben führen. Der oberirdische Braunkohleabbau zerstört großflächig Land-
schaften und Siedlungsflächen und führt zu gravierenden Eingriffen in den Na-
tur- und Wasserhaushalt. Dessen ungeachtet unterstützt die Bundesregierung die
Energiewirtschaft beim Neubau zahlreicher Kohlekraftwerke und beim Auf-
schluss neuer Braunkohleabbaugebiete. Es wird sogar über den Bau von Kohle-
verflüssigungsanlagen nachgedacht.

Bundesweit wächst vor diesem Hintergrund der Widerstand der Bevölkerung
gegen den Neubau von großen zentralen Kohlekraftwerken. Inzwischen wurden
sechs Neubauprojekte zumindest vorerst gestoppt. Weitere stehen auf der Kippe.

Über den entschiedenen Widerstand hinaus spielt dabei mehr und mehr auch die
unsichere ökonomische Basis der Kohlekraftwerke eine bedeutende Rolle. Stei-
gende Anlagenkosten, ein rasantes Wachstum des Kohlepreises und die voraus-
sichtlich ab 2013 zu Buche schlagende vollständige Versteigerung der CO2-
Emissionszertifikate treiben die absehbaren Betriebskosten neuer Kohlekraft-
werke enorm in die Höhe. Sollten dazu auch noch die Zusatzinvestitionen für

Drucksache 16/8554 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

CCS kommen, können die Kraftwerke nicht mehr wirtschaftlich betrieben wer-
den.

Angesichts dieser Perspektive drohen neue Kohlekraftwerke mit hoher Wahr-
scheinlichkeit schon bald zu „Stranded Investments“ zu werden. Diese Strategie
ist vor allem auch im Hinblick auf das Strompreisniveau in Deutschland hoch-
gradig unverantwortlich und wird nicht nur die Klimaschutzbemühungen kon-
terkarieren, sondern kann letztlich sogar die Versorgungssicherheit mit Energie
gefährden.

Wir fragen die Bundesregierung

A. Zum Bau neuer Kohlekraftwerke

1. Wie viele Kohlekraftwerke sind nach Information der Bundesregierung zur-
zeit in Bau, bereits genehmigt oder im Genehmigungsverfahren (bitte nach
Standorten und geplanter Kapazität aufschlüsseln)?

2. Worauf beruht die Einschätzung von Bundesumweltminister Sigmar Gabriel,
dass nur neun Kraftwerke realisiert werden?

Welche der o. g. Kraftwerke werden nach dieser Einschätzung voraussicht-
lich nicht gebaut werden?

3. Wie hoch schätzt die Bundesregierung die durch den Bau neuer Kohlekraft-
werke bis 2020, 2030 bzw. 2040 verursachte CO2-Emission pro Jahr?

4. Welche bestehenden Kraftwerke sind so überaltet, dass sie verbindlich in
den nächsten Jahren bis 2020 vom Netz genommen werden (bitte genaue
Aufschlüsselung nach Standort und Leistung)?

5. In welchem Maße stehen dem Neuausstoß entsprechend Frage 3 CO2-Redu-
zierungen durch die verbindliche Stilllegung alter Kohlekraftwerke bis
2020 gegenüber?

6. Liegen der Bundesregierung verbindliche Zusagen der Kraftwerksbetreiber
über diese Stilllegungen vor oder sind ihr verbindliche Stilllegungspläne der
Kraftwerksbetreiber bekannt?

7. Mit wie viel neuen Kohlekraftwerkskapazitäten bis 2020 sind die Beschlüsse
von Meseberg kompatibel?

8. Welche Maßnahmen unternimmt die Bundesregierung, um mögliche Neu-
bauten von Kohlekraftwerken dergestalt zu beeinflussen, dass sie einen
hohen Prozentsatz an Auskopplung von Prozess- bzw. Heizwärme aufwei-
sen werden?

9. Welche Gesamtfrachten an den Schadstoffen wie SO2, NOx, Staub, Schwer-
metallen, Dioxinen und weiteren organischen Verbindungen werden jähr-
lich in Deutschland durch die Kohleverstromung emittiert?

10. Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung einführen, um die Quecksil-
ber-Emissionen durch Kohlekraftwerke deutlich zu reduzieren (Kohlekraft-
werke gehören zu den größten Emissionsquellen von Quecksilber)?

11. Mit welchen zusätzlichen Emissionen ist durch den geplanten Neubau von
Kohlekraftwerken zu rechnen?

12. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung bezüglich des Standes der
Technik für die geplanten Anlagen vor?

13. Handelt es sich bei den geplanten Anlagen um die beste derzeit verfügbare
Technik hinsichtlich der Effizienz und hinsichtlich der Minimierung von
Gesamtemissionen an Schadstoffen wie SO , NO , Staub, Schwermetallen,
2 x
Dioxinen und weiteren organischen Verbindungen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8554

14. Wie bewertet die Bundesregierung diese Schadstoff-Fracht hinsichtlich der
Gefahren für Umwelt und Gesundheit?

15. Strebt die Bundesregierung über die bestehenden gesetzlichen Regelungen
hinaus eine weitere Reduzierung dieser Emissionen an, und wenn ja, was
plant die Bundesregierung?

16. Welche aktuellen Studien sind der Bundesregierung bekannt, die die Um-
welt- und Gesundheitsbelastung in der Nähe von Kohlekraftwerken unter-
sucht haben?

17. Inwiefern werden angesichts der Folgen des Klimawandels in Deutschland
Vorkehrungen auf Bundesebene getroffen, so dass durch den Bedarf an
Kühlungswasser für Kohlekraftwerke die Gewässerökosysteme (z. B. Er-
halt der Fischfauna und die gefahrlose Wanderung von Fischen) und nach-
haltige Wassernutzungen (z. B. öffentliche Wasserversorgung) dauerhaft
und nachweislich nicht gefährdet werden, vor dem Hintergrund, dass mehr
als 60 Prozent des Wasserverbrauchs in Deutschland durch die Wasserküh-
lung von Kraftwerken anfallen?

18. Welchen Gesamtwirkungsgrad werden die geplanten neuen Anlagen errei-
chen?

Bei welchen der geplanten Anlagen ist eine Kraft/Wärme-Kopplung vorge-
sehen?

19. Wie viel Filterstäube und Verbrennungsrückstände entstehen jährlich in
Deutschland durch die Verstromung von Kohle?

Wie und wo werden diese derzeit in Deutschland entsorgt?

20. Wie viele Dieselautos der nächsten Euro-Norm-Klasse sowie der zukünfti-
gen 130-Gramm-CO2-Klasse stoßen soviel Feinstaub aus wie ein neues
Braun- bzw. Steinkohlekraftwerk der 800-MW-Klasse?

21. Bis wann sollten aus Sicht der Bundesregierung Kohlekraftwerke die glei-
chen niedrigen Feinstaubemissionswerte aufweisen müssen wie Müllver-
brennungsanlagen?

22. Ab wann sollen bei bestehenden Braunkohlekraftwerken Feinstaubfilter
vorgeschrieben werden?

23. Sind der Bundesregierung Staaten bekannt, bei denen Kohlekraftwerke
niedrigere Feinstaubgrenzwerte einhalten müssen als in Deutschland, und
falls ja, welche?

24. Nach welchen Kriterien könnten Standorte beurteilt werden, wenn die kli-
mapolitischen Ziele nur noch eine maximale Anzahl von neuen Kohlekraft-
werken erlauben, und welche Standorte wären das aus Sicht der Bundes-
regierung?

25. Wie viel Cadmium wird bei der Verbrennung von Kohle in Kraftwerken je
Tonne verbrannter Stein- und Braunkohle freigesetzt?

26. Wie viel Radioaktivität wird bei der Verbrennung von Kohle in Deutschland
absolut sowie je Tonne freigesetzt?

27. Wie hoch sind die Radioaktivitätsemissionen aus Kohlekraftwerken im Ver-
gleich zu Kernkraftwerken im Normalbetrieb?

28. Gibt es bezüglich der Radioaktivitätsbelastung Unterschiede zwischen
Steinkohle und Braunkohle zum einen sowie im Falle der Steinkohle Unter-
schiede zwischen der Steinkohle aus verschiedenen Importländern sowie
inländisch geförderter Steinkohle?

Drucksache 16/8554 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

29. Aus welchen Ländern weisen Steinkohleimporte besonders hohe Radio-
aktivitätsbelastungen bei der Verbrennung auf?

30. Gibt es Filter in Kohlekraftwerken, die gezielt radioaktive Teilchen wegfil-
tern?

31. Befürwortet die Bundesregierung die Verbrennung von Petrolkoks sowie
Klärschlamm in Kohlekraftwerken, und falls nein, wie will sie die Verbren-
nung von Petrolkoks sowie Klärschlamm verhindern?

32. Welche Schadstoffe werden bei der Verbrennung von Petrolkoks sowie
Klärschlamm mehr freigesetzt als bei der Verbrennung von Kohle?

33. Beabsichtigt die Bundesregierung Mischgrenzwerte bei Kohlekraftwerken
abzuschaffen, die Schadstoff-Peaks wegmitteln und damit zeitweise deut-
lich höhere Schadstoffbelastungen erlauben?

B. Zur technischen CO2-Minderung im Kraftwerksbestand

34. Wie viel Kohlendioxid wurde bisher in Deutschland durch die Verfeuerung
von Kohle in Kohlekraftwerken freigesetzt (bitte unterteilen in Braun- und
Steinkohle)?

35. Wie viel Kohlendioxid des Steinkohleanteils wurde wiederum durch die
Verbrennung von importierter Kohle sowie Kohle aus inländischer Förde-
rung freigesetzt?

36. Wie viel Kohlendioxid wird die Steinkohle freisetzen, die laut derzeitiger
Planung in Deutschland bis 2018 subventioniert werden soll?

37. Welche bestehenden Kohlekraftwerke in Deutschland könnten aus techno-
logischer Sicht mit einer vorgeschalteten Gasturbine nachgerüstet werden,
um ihren Wirkungsgrad zu erhöhen und die spezifischen CO2-Emissionen
zu reduzieren?

38. Wie hoch schätzt die Bundesregierung das nationale Potenzial an der Um-
setzung dieses Verfahrens ein?

39. Welche bestehenden Kohlekraftwerke in Deutschland könnten aus techno-
logischer Sicht mit einer Gasturbine nachgerüstet werden, um ihre Wir-
kungsgrade zu erhöhen?

40. Wie hoch schätzt die Bundesregierung das diesbezüglich nationale CO2-Re-
duktionspotential ein?

41. Wie beurteilt die Bundesregierung die Forderung, für den Betrieb von Koh-
lekraftwerken einen Mindesteffizienzgrad gesetzlich festzulegen, um so den
CO2-Ausstoß bereits bestehender Anlagen zu verringern.

42. Plant die Bundesregierung die Einführung eines solchen Mindesteffizienz-
grades?

C. Zur Zukunft der Kohleversorgung

43. Wie viel und welche Kohle wird derzeit in Deutschland zur Verstromung ge-
nutzt?

Woher wird die Kohle bezogen (bitte genaue Aufschlüsselung nach Liefer-
ländern)?

44. Wie erklärt die Bundesregierung, dass die Bundesanstalt für Geowissen-
schaften und Rohstoffe im Jahr 2004 von 6,556 Mrd. Tonnen Braunkohle-
reserven, das heißt, zu wirtschaftlichen Bedingungen abbaubare Vorräte,

ausgegangen ist, während sie im Jahr 2006 40,818 Mrd. Tonnen Braun-
kohlereserven benennt?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/8554

45. Welche exakten Kriterien wendet die Bundesanstalt für Geowissenschaften
und Rohstoffe bei der Einstufung als „Braunkohlereserve“, d. h. als wirt-
schaftlich gewinnbaren Vorrat an?

46. Sieht die Bundesregierung anhand der beinahe Versiebenfachung der als
„Reserven“ eingestuften Braunkohlevorräte die Notwendigkeit eines unab-
hängigen Kontrollgremiums, das für mehr Transparenz bei der Erhebung
der Daten der Rohstoffvorräte sorgt?

47. Wie hoch ist die Menge der in den einzelnen aktiven Braunkohletagebauen
gewinnbaren Braunkohlevorräte Ost- und Westdeutschlands?

48. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit einer durch unabhängige
Kontrollgremien in regelmäßigen Abständen ermittelten Erhebung dieser in
den einzelnen Tagebauen noch zu gewinnenden Braunkohlevorräte?

49. Wie beurteilt die Bundesregierung die Notwendigkeit der Nutzung der Vor-
ranggebiete der Lausitzer Braunkohletagebaue Nochten und Welzow-Süd,
für die derzeit Genehmigungsverfahren vorbereitet werden, angesichts der
wegen der hohen Treibhausgasemissionen unsicheren Zukunft der Braun-
kohleverstromung?

50. Wie viele Personen sind derzeit in den Braunkohletagebauen und Braun-
kohlekraftwerken Ost- und Westdeutschlands nach Revieren – unter Abzug
der Personen, die in anderen, nicht mit Braunkohle betriebenen Kraftwerken
der allgemeinen Versorgung der jeweiligen Stromversorgungsunternehmen
arbeiten – beschäftigt?

51. Wie erklärt die Bundesregierung, dass die Braunkohle im Tagebau „Verei-
nigtes Schleenhain“ im Freistaat Sachsen weiterhin abgebaut wird, obwohl
das Oberverwaltungsgericht Bautzen den hierfür bestehenden Braunkohlen-
plan am 12. November 2003 wegen formalen Gründen für nichtig erklärt
hat und bis heute weder ein gültiger neuer Braunkohleplan erarbeitet wurde
noch eine Prüfung der Umweltauswirkungen dieses Tagebaues durchge-
führt wurde?

52. Welche Länder sieht die Bundesregierung zukünftig als Hauptlieferländer
für Steinkohle nach Deutschland?

53. Wie bewertet die Bundesregierung die ökologischen Auswirkungen der
Kohlegewinnung?

Welche Auswirkungen auf die Umwelt hat jeweils die Gewinnung und För-
derung von Braun- und Steinkohle?

Welche sonstigen Schäden entstehen, und kann die Bundesregierung die
Gesamtkosten der Folgeschäden für Deutschland beziffern?

54. Wie bewertet die Bundesregierung die ökologischen Auswirkungen der
Nutzung von heimischer und Importkohle vor dem Hintergrund, dass sie
hinsichtlich der Nutzung von Bioenergien eine Nachhaltigkeitsverordnung
für notwendig erachtet, um die ökologischen Folgen der Nutzung von Bio-
energien zu reduzieren?

55. Wie groß ist nach Erkenntnissen der Bundesregierung die derzeitige Reich-
weite sowohl der west- als auch der ostdeutschen Braunkohlereserven?

56. Welchen Anteil haben daran jeweils die bereits genehmigten und erschlos-
senen Braunkohletagebaue sowohl in West- als auch in Ostdeutschland?

57. Wie beurteilt die Bundesregierung die weltweite Versorgungssicherheit mit
Steinkohle sowohl aktuell sowie während der nächsten 50 Jahre?

Drucksache 16/8554 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

58. Sind der Bundesregierung Pläne von wichtigen Kohleexportländern be-
kannt, wonach diese ihre Kohleexporte in den nächsten Jahren drosseln wol-
len, um den gestiegenen Eigenbedarf zu decken?

59. Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, dass der Import von Steinkohle
nach Deutschland in den nächsten 50 Jahren durch die weltweit steigende
Nachfrage erschwert werden könnte?

60. Hat die Bundesregierung einen weltweiten Überblick über die Verfügbar-
keit von Kohle auf dem Weltmarkt bis 2020?

61. Welche Erkenntnisse liegen der Bundesregierung über den Strommangel in
Südafrika vor, der auch auf Verfügbarkeitsengpässe im internationalen
Kraftwerkskohlenmarkt zurückgeführt wird?

62. Wie beurteilt die Bundesregierung die Preisentwicklung für Importstein-
kohle sowohl aktuell sowie während der nächsten 50 Jahre?

63. Besteht eine steigende, gleichbleibende oder fallende Tendenz beim spezi-
fischen durchschnittlichen Brennwert der in Deutschland geförderten
Braunkohle?

64. Besteht eine steigende, gleichbleibende oder fallende Tendenz beim spezi-
fischen durchschnittlichen Brennwert der weltweit geförderten Steinkohle?

D. Zu den Schäden durch den Abbau von Braun- und Steinkohle

65. Welche Möglichkeit sieht die Bundesregierung, die durch den Braunkohle-
tagebau verursachten Folgeschäden, namentlich Heimatverlust und Verlust
kultureller Identität durch die Umsiedlung Tausender Menschen, finan-
zieller Verlust nicht ausreichend entschädigter Grundstücks- und Eigen-
heimbesitzer, ideeller Verlust durch die Zerstörung von Natur- und Kultur-
landschaften und damit einhergehende Verluste an Artenvielfalt und beste-
henden Ökosystemen, langfristige Schäden an Grundwasser- und Fließwas-
serhaushalten und finanzielle Verluste für die öffentlichen Haushalte, die für
Rekultivierungsmaßnahmen und deren Personalkosten aufkommen, in an-
gemessenem Maße in die betriebswirtschaftliche Kalkulation der Braun-
kohlekraftwerksbetreiber zu integrieren?

66. Wie stellt die Bundesregierung im Rahmen ihrer energiepolitischen Gestal-
tungsspielräume sicher, dass auch im Bereich des Kohlebergbaus und der
Kohleverstromung das bereits anzuwendende Verschlechterungsverbot von
Gewässern und die Vorgabe des guten Gewässerzustands gemäß Artikel 4
Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) nachweislich eingehalten und fristgerecht
erreicht wird?

67. In welchem Maße tragen die Wasserentnahmeentgelte der Bundesländer be-
reits zur Umsetzung der Deckung von Umwelt- und Ressourcenkosten von
Wassernutzungen im Bereich des Kohlebergbaus und der Kohleverstro-
mung bei?

68. Wann und inwiefern wird von der Bundesregierung Artikel 9 Wasserrah-
menrichtlinie (Kostendeckung von Wasserdienstleistungen nach dem Ver-
ursacherprinzip inkl. der Deckung von Umwelt- und Ressourcenkosten)
umgesetzt, um im Kohlebergbau und bei der Kohleverstromung wassereffi-
ziente Nutzungen im Einklang mit den Qualitätsanforderungen der Wasser-
rahmenrichtlinie zu erreichen?

69. Wie erklärt die Bundesregierung, dass gerade die Landkreise Ostdeutsch-
lands, in denen aktiv Braunkohletagebau betrieben wird, in besonderem
Maße von strukturellen Problemen wie Abwanderung, unterdurchschnitt-

liche Geburtenrate und weit unterdurchschnittliches Kaufkraftniveau be-
troffen sind?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/8554

70. Wie viele Millionen Euro wurden in den letzten Jahren zur Entschädigung
von Bergbaubetroffenen gezahlt (bitte unterteilen in Steinkohle- und Braun-
kohle)?

71. Wie hoch ist der Wasserverbrauch im deutschen Steinkohlebergbau und wie
hoch im deutschen Braunkohlebergbau?

72. In welcher Höhe ist der Braunkohleabbau von den normalerweise zu zah-
lenden Gebühren für Wassernutzung befreit?

73. Wie hoch ist der Stromverbrauch im deutschen Steinkohlebergbau und wie
hoch im deutschen Braunkohlebergbau?

74. Welche anderen derartigen Privilegien der Braunkohleförderung sind der
Bundesregierung bekannt, und in welcher Höhe gehen damit Einnahmen
der öffentlichen Kassen verloren?

75. In welcher Höhe beteiligt sich der Staat direkt – oder indirekt über Stein-
kohlesubventionen – an der Entschädigung von Bergbaubetroffenen?

76. Hält die Bundesregierung den Abbau von Steinkohle in Gebieten für verant-
wortbar, in der bereits durch Erdbeben Schäden verursacht wurden, die auch
zu Personenschäden hätten führen können und bei fortgesetztem Bergbau
möglicherweise auch zu schwerwiegenden Personenschäden führen könn-
ten?

77. Wie teilt sich die Verantwortung für Personenschäden infolge von durch
Bergbau induzierten Erdbeben zwischen dem abbauenden Unternehmen
und der Genehmigungsbehörde auf?

78. Befürwortet die Bundesregierung die Nutzung von Kohle aus Regenwald-
gebieten?

Falls nein, was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die Abholzung von
Regenwäldern für den Abbau von Kohle zu verhindern?

79. Liegen der Bundesregierung Erkenntnisse darüber vor, in welchen Kohle-
regionen weltweit durch den Kohleabbau Erdbeben erzeugt wurden, und
falls ja, hält es die Bundesregierung für verantwortbar, aus diesen Gebieten
Kohle zu importieren?

E. Zur sog. Carbon Capture and Storage (CCS)-Technologie

80. Wie beurteilt die Bundesregierung den von der EU-Kommission vorgeleg-
ten Entwurf einer Richtlinie zur Förderung „nachhaltiger Kohlenutzung“?

81. Welchen Änderungs- oder Ergänzungsbedarf hat sie im Rahmen der Ver-
handlungen im EU-Ministerrat vorgebracht?

82. Plant die Bundesregierung Haushaltsmittel zur Förderung der CCS-For-
schung bereitzustellen, und wenn ja, in welcher Höhe?

83. In welcher Form und in welchem Umfang beabsichtigt die Bundesregie-
rung, die Betreiber von Kohlekraftwerken finanziell an der Endlagersuche
für die CO2-Endlagerung zu beteiligen?

84. Wie beurteilt die Bundesregierung den Stopp verschiedener CCS-Projekte
zum Beispiel in Norwegen, Großbritannien und den USA?

85. Sind der Bundesregierung positive Ergebnisse von Forschungs- und Ent-
wicklungsvorhaben der CCS-Technologie im Ausland bekannt?

86. Inwiefern wird bei der Erforschung von CCS-Technologien auch auf mög-
liche Gefahren für das Grundwasserökosystem hin untersucht (Gefahren in-

folge von Entweichungen bzw. Leckagen)?

Drucksache 16/8554 – 8 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

87. Wie viel Prozent des in Kohlekraftwerken erzeugten CO2 wird nach Ein-
schätzung der Bundesregierung in Kohlekraftwerken emittiert werden, die
mit CCS-Technologie ausgestattet würden?

88. Wer soll nach Ansicht der Bundesregierung das Leitungsnetz zur Ablei-
tung von Kohlendioxid von den Kohlekraftwerken zu den Lagerstätten
künftig betreiben?

89. Wie will die Bundesregierung ggf. faire Wettbewerbsbedingungen beim
Zugang zum CCS-Leitungsnetz sicherstellen?

90. Welche Beteiligungsmöglichkeiten für Umwelt- und Naturschutzverbände
sowie für die lokale Bevölkerung beabsichtigt die Bundesregierung für die
Endlagersuche sowie für die Genehmigung von Endlagern für CO2 zu
schaffen?

91. Wie viele zusätzliche Kraftwerke müssten in Deutschland errichtet wer-
den, um den erhöhten Energiebedarf zwischen Kraftwerk und Endlager-
stätte eines gänzlich auf CO2-Sequestrierung umgestellten Stein- und
Braunkohlekraftwerksparks zu befriedigen?

92. Gibt es eine wissenschaftlich anerkannte Definition dessen, was „Capture
Readyness“ bedeutet?

93. Wie definiert die Bundesregierung selbst „Capture Readyness“?

94. Plant die Bundesregierung, im Bau oder im Genehmigungsverfahren be-
findliche Kraftwerke einer Verpflichtung zur späteren Abscheidung von
CO2 zu unterwerfen?

95. Welches wären, wenn eine Pflicht zur Abscheidung von CO2 von der Bun-
desregierung eingeführt werden sollte, die Mindeststandards, die die
Kraftwerke erfüllen müssten?

96. Welche und welcher Anteil der derzeit im Bau oder im Genehmigungsver-
fahren befindlichen Kraftwerke auf der Basis fossiler Brennstoffe können
zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme „Capture Ready“-Standards genüge
leisten?

97. Welche Maßnahmen plant die Bundesregierung in Bezug auf den Neubau
von Kraftwerken mit fossilen Brennstoffen, falls deren zukünftige Betrei-
ber nicht in der Lage sein sollten, den „Capture Ready“-Standards genüge
zu leisten?

98. Hält die Bundesregierung eine Kommerzialisierung der CCS-Technologie
ab dem Jahr 2020 für realistisch angesichts der Aufgabe der CO2-Seques-
trierungsprojekte von Peterhead in Großbritannien durch die Firma British
Petrol und von Halten in Norwegen durch die Firmen Shell und Statoil?

99. Warum bezeichnet die Bundesregierung die CCS als „CO2-arme“ Techno-
logie (Drucksache 16/5059, S. 14), obwohl gerade durch diese Technolo-
gie in großem Umfang CO2 gelagert werden muss?

100. Wie beurteilt die Bundesregierung die Gefahr terroristischer Anschläge
auf mögliche CO2-Lagerstätten?

101. Bis wann soll voraussichtlich der gesamte Kohlekraftwerkspark in
Deutschland mit einer CO2-Abscheidung ausgestattet werden?

102. Liegt aus Sicht der Bundesregierung für die derzeit laufenden CO2-Spei-
cherungsprojekte eine ausreichende Rechtsgrundlage vor?

103. Welche Regelungen plant die Bundesregierung, um alte Kohlekraftwerke
mit CCS-Technologie nachzurüsten?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 9 – Drucksache 16/8554

104. Ab wann will die Bundesregierung CCS für neue Kohlekraftwerke gesetz-
lich vorschreiben?

105. Welche neuen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zur großtech-
nischen Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit der CCS-Technologie seit
dem 20. April 2007 vor?

Welche Studien hierzu hat die Bundesregierung in Auftrag gegeben?

106. Welche neuen Erkenntnisse liegen der Bundesregierung zu Leckageraten,
Betriebszeiträumen und Langzeitsicherheit hinsichtlich potenzieller CO2-
Lagerstätten seit dem 20. April 2007 vor?

Welche Studien hierzu hat die Bundesregierung in Auftrag gegeben?

107. Von welchen Kosten geht die Bundesregierung bei einer CCS-Nachrüs-
tung eines 800-Megawatt Braun- bzw. Steinkohlekraftwerkblockes mit
dem Post-Combustion-Verfahren aus?

108. Was würde dies preislich für eine Kilowattstunde Strom aus solchen Kraft-
werken bedeuten?

F. Zu Alternativen zur Kohleverstromung

109. Sieht die Bundesregierung die Möglichkeit, dass die Stromerzeugung aus
einzelnen Arten regenerativer Energiequellen in absehbarer Zeit wirt-
schaftlicher sein könnte als die durch die hohen CO2-Emissionskosten be-
lastete Braunkohle?

110. Wie schätzt die Bundesregierung die Wirtschaftlichkeit von Kohlekraft-
werken mit CCS im Jahre 2020 ein gegenüber den erneuerbaren Energien,
welche keine Brennstoffkosten haben (Ausnahme Bioenergien) und deren
Technikkosten beständig sinken.

111. Wie sieht die Bundesregierung die Chancen einer zukünftigen Energiever-
sorgung immer größerer Teile Deutschlands auf der Basis erneuerbarer
Energieträger, gekoppelt mit innovativen Techniken des Stromproduk-
tions- und Lastmanagements?

112. Welche Anstrengungen unternimmt die Bundesregierung, großflächige
Forschungsprojekte zu unterstützen, die eine hundertprozentige Stromver-
sorgung mit erneuerbaren Energien gekoppelt mit innovativen Strompro-
duktions- und Lastmanagementsystemen erforschen, und welche Ex-
portchancen sieht die Bundesregierung für diese Technologie?

113. Wie beurteilt die Bundesregierung die Chancen für Investoren, Gasverträ-
ge zu bekommen, die den Bau von Gaskraftwerken als Alternative zu Koh-
lekraftwerken erlaubten?

G. Zum Emissionshandel

114. Welcher Anteil der CO2-Zertifikate sollte aus Sicht der Bundesregierung
in der Emissionshandelsperiode zwischen 2013 und 2020 versteigert wer-
den?

115. Welche Caps strebt die Bundesregierung für die Emissionshandelsperiode
zwischen 2013 und 2020 auf nationaler und europäischer Ebene an?

116. Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass ab 2013 eine voll-
ständige Versteigerung der CO2-Emissionszertifikate im Energiebereich
erfolgt?

117. Wie beurteilt die Bundesregierung die Folgen der vollständigen Versteige-

rung auf die Betriebskosten alter bzw. neu gebauter Kohlekraftwerke?

Drucksache 16/8554 – 10 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

118. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zukunft der Braunkohleverstro-
mung unter den Gesichtspunkten der Preisentwicklung der CO2-Emis-
sionszertifikate und der von der Europäischen Kommission vorgeschlage-
nen Sonderabgaben auf besonders CO2-intensive Kraftwerke?

H. Kohleverflüssigung

119. Welchen voraussichtlichen Braunkohlenbedarf hat eine Kohleverflüssi-
gungsanlage je tausend Tonnen Kraftstoffproduktion?

120. Welche CO2-Mengen werden bei einer Ganzkettenbetrachtung insgesamt,
bei einer Jahresproduktion von 1 000 Tonnen in die Erdatmosphäre frei-
gesetzt?

121. Welche CO2-Menge wird bei der Kohleverflüssigung im Vergleich zur
Herstellung der jeweils gleichen Menge Kraftstoff aus Rohöl zusätzlich in
die Erdatmosphäre freigesetzt?

122. Durch welche Mechanismen sollen diese zusätzlichen CO2-Mengen wie-
der kompensiert werden?

123. Wie viel CO2 würde zusätzlich in die Atmosphäre abgegeben, sollten eines
Tages zehn Prozent der in Deutschland verbrauchten Kraftstoffe unter An-
nahme eines stabilen Kraftstoffverbrauchs über Kohleverflüssigungsanla-
gen erzeugt werden?

124. Unterliegt die Anlage dem Emissionshandel, und falls nein, ist eine ent-
sprechende Aufnahme beabsichtigt?

125. Hat die Bundeswehr Pläne, zukünftig synthetische Kraftstoffe im Allge-
meinen sowie synthetische Kraftstoffe aus Kohle im Besonderen einzuset-
zen?

126. Welche Schadstoffgrenzwerte muss diese Kohleverflüssigungsanlage ein-
halten?

127. Beabsichtigt die Bundesregierung sich in Form von Zuschüssen, Krediten,
Bürgschaften oder anderen Beihilfen an der Finanzierung der Kohlever-
flüssigungsanlage zu beteiligen?

128. Sind der Bundesregierung weitere Pläne für Kohleverflüssigungsanlagen
in Deutschland oder im europäischen Ausland oder in anderen Weltregio-
nen bekannt?

129. Verfolgt die Bundesregierung eine Kohleverflüssigungs-Ausbaustrategie?

130. Wird die Bundesregierung bei ihrer Förderung von Biomass-To-Liquid-
Anlagen vorschreiben, dass diese Anlagen ausschließlich für die Um-
wandlung von Biomasse in Biokraftstoffe genutzt werden, oder will sie
eine Umwandlung von Kohle und/oder Erdgas ebenfalls zugestehen?

131. Genügen die Kapazitäten des derzeitig genehmigten Braunkohletagebaus,
um den Bedarf zu decken, oder müssen neue Fördergebiete erschlossen
werden?

132. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass durch den zusätzlichen
Braunkohlebedarf für die Braunkohleverflüssigungsanlage weitere Dörfer
abgebaggert werden?

Berlin, den 10. März 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

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