BT-Drucksache 16/8538

Klimaschutz im Verkehr - Kfz-Steuer schnellstmöglich auf CO2-Bezug umstellen

Vom 12. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8538
16. Wahlperiode 12. 03. 2008

Antrag
der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz Kuhn, Peter Hettlich, Dr. Anton
Hofreiter, Bärbel Höhn, Kai Gehring und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Klimaschutz im Verkehr – Kfz-Steuer schnellstmöglich auf CO2-Bezug umstellen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:

Der Klimawandel ist die größte ökologische Herausforderung weltweit. Der
Straßenverkehr trägt in besonderem Maße zum Klimawandel bei. Der Trans-
portsektor allein ist in der EU für rund 70 Prozent des Ölverbrauchs verantwort-
lich und 96 Prozent der Kraftstoffe sind fossiler Herkunft. Im Straßenverkehr
entstehen rund 20 Prozent aller europäischen CO2-Emissionen. Während die
Treibhausgasemissionen der Gemeinschaft zwischen 1990 und 2004 in allen an-
deren Sektoren (Energie, Haushalt, Industrie, Gewerbe) um 5 Prozent gesunken
sind, hat der CO2-Ausstoß des Verkehrs in diesem Zeitraum um 26 Prozent zu-
genommen. Der Straßenverkehr ist der Bereich mit den zweithöchsten Treib-
hausgasemissionen in der EU und in Deutschland. Wenn dieser Trend ungebro-
chen anhält, werden die in anderen Bereichen (Industrie, Energiewirtschaft,
Haushalte) erzielten Fortschritte und Einsparungen zunichte gemacht.

Um den Klimawandel zu stoppen, müssen auch im Verkehrsbereich ambitio-
nierte Klimaschutzziele mit konkreten Zeitplänen formuliert und durch geeig-
nete Maßnahmen unterstützt werden. Dabei ist eine umfassende Klimaschutz-
strategie für den Verkehr notwendig, welche die Ökologisierung aller Verkehrs-
träger, deren effiziente Verknüpfung sowie die Vermeidung und Verlagerung
von Verkehr zum Ziel hat. Eine wichtige Maßnahme zur notwendigen Effizienz-
steigerung im Transportsektor ist die Umstellung der Kfz-Steuer auf die Bemes-
sungsgrundlage CO2. Für die klimapolitische Wirksamkeit der Steuer ist zentral:
Je mehr CO2 ein Fahrzeug emittiert, desto stärker muss die Steuer pro Gramm
des Treibhausgases stufenweise angehoben werden.

Die Einführung einer CO2-basierten Kfz-Steuer für Personenkraftwagen wird
ebenfalls von der EU-Kommission in einem Richtlinienvorschlag vom 5. Juli 2005
(KOM (2005) 261 endg.) gefordert. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
hat die Bundesregierung bereits in mehreren Anträgen (Bundestagsdrucksachen
16/2073, 16/4429, 16/4431) aufgefordert, einen entsprechenden Gesetzentwurf
vorzulegen. Die Bundesregierung selbst hat in ihrem Koalitionsvertrag zwischen

CDU/CSU und SPD von 2005 formuliert: „Zur Senkung des Kraftstoffver-
brauchs von Fahrzeugen und der Verminderung von CO2-Emissionen im gesam-
ten Straßenverkehr werden wir wirksame Anreize für die Einführung hocheffi-
zienter Antriebe durch eine am CO2- und Schadstoffausstoß orientierte Kfz-
Steuer schaffen.“ Im vergangenen Jahr wurden – verstärkt durch die Bericht-
erstattung des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) und die welt-
weite Klimadebatte – mehrfach Ankündigungen vom Bundesminister für Um-

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welt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Sigmar Gabriel, und Bundesminister
für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, laut. Zuständig für
die Umstellung der Steuer ist jedoch das Bundesministerium der Finanzen.

Die Umstellung auf die Bemessungsgrundlage CO2 ist auch Bestandteil des In-
tegrierten Energie- und Klimaprogramms der Bundesregierung vom 5. Dezem-
ber 2007. In der Maßnahme 18 wird erneut angekündigt, die Kraftfahrzeug-
steuer für Personenkraftwagen in erster Linie emissionsabhängig auszugestal-
ten, um Anreize für eine stärkere Nachfrage nach verbrauchs- und schadstoff-
armen Fahrzeugen zu schaffen. Ganze zwei Jahre nach ihrem Antritt beschließt
die Bundesregierung damit lediglich Eckpunkte zur Umstellung der Kfz-Steuer.
Gemäß den Vorgaben soll die Reform erst zum 1. Januar 2009 erfolgen und bei
Neuwagen die Bemessungsgrundlage von Hubraum auf CO2 umstellen. Linear
sollen ab 100 g CO2/km die Steuersätze für Neufahrzeuge der Euro-Normen
2 bis 4 angehoben werden. Bei Altfahrzeugen (für den am 31. Dezember 2008
vorhandenen Fahrzeugbestand) soll die bisherige hubraum- und schadstoffbezo-
gene Besteuerung fortgeführt werden. Für Altfahrzeuge, die in 2008 erstmals
zugelassen werden, soll die jeweils günstigere Besteuerung gelten.

Die Kraftfahrzeugsteuer ist derzeit eine reine Ländersteuer, die im Jahr 2006
ca. 8,9 Mrd. Euro in die Landeshaushalte eingebracht hat. Deshalb muss eine
Änderung der Kfz-Steuer mit den Bundesländern abgestimmt werden. Im Rah-
men der Föderalismusreform I in der 15. Legislaturperiode war über einen mög-
lichen Steuertausch der Kfz-Steuer gegen die Versicherungssteuer zwischen
Bund und Ländern diskutiert worden. Dies hätte den Vorteil, dass dann alle
Kfz- bezogenen Steuern eine Bundesangelegenheit wären und eine konsistentere
Steuerpolitik erfolgen könnte. Die Verhandlungen blieben jedoch aufgrund der
finanziellen Ausgleichsforderungen der Länder bis heute ohne Erfolg. Auch
heute bestehen die Länder vor allem auf Aufkommensneutralität; dies sowohl
im Bezug auf die heutigen Einnahmen als auch in Bezug auf prognostizierte Ein-
nahmenzuwächse (weitere Zunahme des höher besteuerten Dieselaufkommens).

Die Finanzministerkonferenz der Länder hat sich am 31. Januar 2008 einstimmig
dazu bereit erklärt, die Kfz-Steuer an den Bund gegen einen „adäquaten, voll-
ständigen, dauerhaften und dynamischen Ausgleich“ zu übertragen. Sie schlägt
vor, dass der Bund seine Bereitschaft erklärt, „zu einem noch zu verhandelnden
definierten Zeitpunkt der Übernahme der Kfz-Steuer zuzustimmen“. Dieser Vor-
schlag ist auch Gegenstand der Verhandlungen über die Föderalismuskommis-
sion II.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,

– die Verhandlungen mit den Ländern im Rahmen der Föderalismusreform II
über die Übertragung der Kfz-Steuer auf den Bund mit dem Ziel abzuschlie-
ßen:

1. im Rahmen der Neuordnung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und
Ländern die Kfz-Steuer in eine Bundessteuer umzuwandeln, denn nur so
verfügt der Bund mit allen energiebezogenen Verkehrsabgaben (Mineral-
ölsteuer, Kfz-Steuer, LKW-Maut) über die zentralen abgabenpolitischen
Instrumente für mehr Umwelt- und Klimaschutz im Verkehr,

2. sich mit den Ländern über eine nach Volumen und Entwicklungsperspek-
tiven angemessene Kompensation zu einigen;

– unabhängig von diesen Verhandlungen schnellstmöglich einen mit den Län-
dern abgestimmten Gesetzentwurf vorzulegen, der die Umstellung der Be-
messungsgrundlage für die Kfz-Steuer auf den CO2-Ausstoß noch innerhalb

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8538

dieses Jahres regelt. Der Gesetzentwurf soll sich an folgenden Eckpunkten
orientieren:

3. Hoch emittierende Fahrzeuge werden aufgrund ihrer höheren Klimaschäd-
lichkeit stärker belastet, gering emittierende Fahrzeuge werden dagegen
deutlich entlastet. Die Besteuerung ist daher nicht linear, sondern progres-
siv zu gestalten, d. h. Fahrzeuge, die überdurchschnittlich viel CO2 aussto-
ßen, sollen überproportional besteuert werden.

4. Fahrzeuge bis zu einem CO2-Ausstoß von 120 g/km sind für die Dauer von
vier Jahren steuerfrei zu stellen; diese Steuerbefreiung ist zum 1. Januar
2012 auf Fahrzeuge mit weniger als 100 g/km und zum 1. Januar 2015 auf
Fahrzeuge mit weniger als 80 g/km abzusenken. Dieselfahrzeuge ohne ge-
regelten Partikelfilter sind von dieser Steuerbefreiung ausgenommen.

5. Der Tarif für Benziner der Euro-Norm 4 soll so ausgestaltet werden, dass
bei einem CO2-Ausstoß zwischen 121 und 140 g/km jedes Gramm CO2 mit
50 Cent besteuert wird. Jeweils 20 weitere Gramm werden mit dem jeweils
doppelten Steuersatz belegt. Dies führt zu einem Steuersatz von maximal
16 Euro für jedes Gramm oberhalb von 220 g CO2/km erhoben.

6. Dieselfahrzeuge werden, wie bisher auch, mit einem höheren Kfz-Steuer-
satz belegt, um den Steuervorteil bei der Mineralölsteuer von rund 18 Cent
auszugleichen. Die Förderung von Nachrüstpartikelfiltern bleibt erhalten.
Fahrzeuge ohne geregelten Partikelfilter zahlen einen Aufschlag von
10 Prozent auf die Kfz-Steuer.

7. Die Kfz-Steuer ist ab dem 1. Januar 2009 für alle Neufahrzeuge einzufüh-
ren. Für Altfahrzeuge bis einschließlich Erstzulassung 31. Dezember 2000
wird die bisherige hubraum- und schadstoffbezogene Besteuerung beibe-
halten. Für Altfahrzeuge, die seit 1. Januar 2001 erstmals für den Verkehr
zugelassen wurden, wird eine Günstigerprüfung durchgeführt, d. h. dass
jeweils der Tarif zur Anwendung kommt, der günstiger ist.

8. Die Neuregelung der Kfz-Steuer soll analog für alle Fahrzeugarten ein-
schließlich Motorräder und Nutzfahrzeuge vorgenommen werden.

Berlin, den 12. März 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Aktuell wird die Kfz-Steuer im Wesentlichen nach Hubraum bemessen. Dabei
gilt: Je größer das Auto, desto höher ist die Steuer. Die letzte große Kfz-Steuer-
reform ist heute über zehn Jahre her. 1997 wurde festgelegt, dass besonders för-
derwürdige Fahrzeuge zeitweilig von der Kfz-Steuer befreit werden oder die
Steuer für diese Autos vermindert wird. Schadstoffarme Fahrzeuge bekamen so
erheblich ermäßigte Steuersätze. Im Gegenzug wurden die Steuersätze für die
Fahrzeuge mit alten Euro-Normen bis 2004 regelmäßig weiter angehoben (Ver-
schärfung der EU-Abgasnormen für klassische Luftschadstoffe wie Stickoxide,
Benzol, Schwefeldioxid, Partikel). Damit wurde für die Konsumenten ein An-
reiz gesetzt, neue, effizientere und schadstoffärmere Autos zu kaufen. Der Flot-
tenaustausch erfolgte in Deutschland daher schneller als in anderen Ländern.
Erst Ende 2005 mit dem Inkrafttreten der Euro-Norm 4 liefen die bisher gültigen

steuerlichen Förderungen für schadstoffarme Fahrzeuge aus.

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In der Debatte um die Reform der Kfz-Steuer wurde auch vorgeschlagen, die
Kfz-Steuer im Zuge einer Erhöhung der Mineralölsteuer als eigenständige
Steuer abzuschaffen. Eine Umlegung der Steuer würde aber bedeuten, den
Mineralölsteuersatz für Diesel um 34 Cent pro Liter und den für Benzin um im-
merhin noch 13 Cent/l zu erhöhen, um die gleichen Einnahmen zu erzielen wie
vorher. Angesichts der hohen Kraftstoffpreise wäre die Akzeptanz der Bür-
gerinnen und Bürger gering. Zudem würde der so genannte Tanktourismus
weiter angeregt werden.

Die Kfz-Steuer soll deshalb als ökologisches Lenkungsinstrument erhalten blei-
ben. Damit sich sparsame und umweltfreundliche Fahrzeuge rascher am Markt
durchsetzen und die Einsparpotenziale im Straßenverkehr schneller erschlossen
werden, bedarf es zusätzlicher Anreize. Die Kfz-Steuer ist hierfür eine der wirk-
samsten „Steuerungssteuern“. Auch beim gesundheitspolitisch notwendigen
Fördergesetz zur Nachrüstung von Dieselfahrzeugen mit Rußpartikelfiltern wird
der Erlass für die Nachrüstung über die Kfz-Steuer abgewickelt. Derlei Hand-
lungsmöglichkeiten würde man bei der Abschaffung der Steuer aus der Hand
geben.

Anreizprogramme mit befristeten Steuernachlässen wie jenem für das vorzeitige
Erreichen einer Schadstoffnorm (zuletzt Euro 4) haben in der Vergangenheit
dazu geführt, dass die Industrie schneller effizientere Autos mit verbesserten
Schadstoffnormen angeboten hat, als gesetzlich verlangt war. Diese Förderung
wirkte zu Gunsten von Umwelt und Gesundheit sowie Technologieentwicklung.

Für den Kunden spielt bei der Anschaffung eines Autos die Steuerklasse eine re-
lativ große Rolle. Fahrzeuge mit alter Technik sind teurer und lassen sich daher
schlechter wieder verkaufen. Autokäufer erhalten nur bei einer Beibehaltung der
Kfz-Steuer einen wirksamen Anreiz, sich für CO2-arme Modelle zu entscheiden.

Die Steuertabelle nach dem grünen Reformvorschlag für Pkw der Euro-Norm 4:

CO2-Stufe (g/km) Benziner Diesel (mit Partikelfilter)

Bis 120 Steuerbefreiung für fünf Jahre Steuerbefreiung für fünf Jahre

121 bis 140 0,50 € vom ersten bis
max. 140 Gramm CO2

1,50 € vom ersten bis
max. 140 Gramm

141 bis 160 1,00 € für jedes Gramm CO2
dieser Stufe

3,00 € für jedes Gramm CO2
dieser Stufe

161 bis 180 2,00 € für jedes Gramm CO2
dieser Stufe

6,00 € für jedes Gramm CO2
dieser Stufe

181 bis 200 4,00 € für jedes Gramm CO2
dieser Stufe

12,00 € für jedes Gramm CO2
dieser Stufe

201 bis 220 8,00 € für jedes Gramm CO2
dieser Stufe

24,00 € für jedes weitere
Gramm CO2

ab 220 16,00 € für jedes weitere
Gramm CO2

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