BT-Drucksache 16/8445

zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Brigitte Pothmer, Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/7838- Arbeitslosengeld II unbürokratisch berechnen und auszahlen - Rechts- und Planungssicherheit für Leistungsbeziehende schaffen

Vom 6. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8445
16. Wahlperiode 06. 03. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Markus Kurth, Brigitte Pothmer,
Irmingard Schewe-Gerigk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/7838 –

Arbeitslosengeld II unbürokratisch berechnen und auszahlen –
Rechts- und- Planungssicherheit für Leistungsbeziehende schaffen

A. Problem

Nach Ansicht der Antragsteller ist es sinnvoll, bedürftigkeitsabhängige Sozial-
transfers wie das Arbeitslosengeld II im Wesentlichen als pauschalen Betrag
auszuzahlen, da es zum einen mehr Autonomie für Leistungsbeziehende bedeu-
tet, wenn diese selbständig Konsumentscheidungen treffen können und nicht
mit detaillierten Begründungen größere Anschaffungen einzeln beantragen
müssen, und zum anderen die Sozialverwaltung von aufwändigen Einzelprü-
fungen entlastet.

B. Lösung

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, dem Grundsatz pauschalierter
Regelleistungen Rechnung zu tragen und die „Verordnung zur Berechnung von
Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen
beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld“ im Sinne dieses Grundsatzes zu überar-
beiten.

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion der FDP

C. Alternativen

Annahme des Antrags auf Drucksache 16/7838.
D. Kosten

Kostenüberlegungen wurden nicht angestellt.

Drucksache 16/8445 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/7838 abzulehnen.

Berlin, den 3. März 2008

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales

Gerald Weiß (Groß-Gerau)
Vorsitzender

Stefan Müller (Erlangen)
Berichterstatter

zu überarbeiten. Insbesondere sei durch klarstellende Formu- allerdings den Eindruck, dass es in dem Antrag eher um

lierungen sicherzustellen, dass eine Anrechnung von Ver-
pflegungsleistungen bei stationären Aufenthalten oder Teil-
verpflegungen in Kindertagesstätten und Schulen grund-

Leistungsausweitung gehe, und weise darauf hin, dass es
zielgerichteter sei, den Leistungsbeziehern eine Perspektive
dahingehend zu eröffnen, dass sie einen Job bekommen und
Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8445

Bericht des Abgeordneten Stefan Müller (Erlangen)

I. Überweisung

Der Antrag auf Drucksache 16/7838 ist in der 142. Sitzung
des Deutschen Bundestages am 14. Februar 2008 an den
Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Beratung überwiesen
worden.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Nach Ansicht der Antragsteller sei es sinnvoll, bedürftig-
keitsabhängige Sozialtransfers wie das Arbeitslosengeld II
im Wesentlichen als pauschalen Betrag auszuzahlen, da es
zum einen mehr Autonomie für Leistungsbeziehende be-
deute, wenn diese selbständig Konsumentscheidungen tref-
fen könnten und nicht mit detaillierten Begründungen grö-
ßere Anschaffungen einzeln beantragen müssten, und zum
anderen die Sozialverwaltung von aufwändigen Einzelprü-
fungen entlaste.

Voraussetzung für die Pauschalierung von Regelleistungen
sei jedoch, dass die Regelsätze das verfassungsmäßig gebo-
tene soziokulturelle Existenzminimum individuell sicherten.
Dies bedeute, dass die Regelleistung in ihrer Höhe tatsäch-
lich das Existenzminimum abdecken müsse. Gleichzeitig
seien – trotz des generellen Vorrangs der Pauschalierung –
individuelle Besonderheiten, die sich nicht im Regelschema
abbilden ließen, zu berücksichtigen.

Die von der Bundesregierung beschlossene und seit dem
1. Januar 2008 gültige „Verordnung zur Berechnung von
Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Ein-
kommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozial-
geld“ – kurz Arbeitslosengeld-II-Verordnung – widerspräche
dem Grundsatz pauschalierter Regelleistungen. Die neuen
Regelungen der Arbeitslosengeld-II-Verordnung sähen An-
rechnungen von vermeintlichen Einkommen auf die pau-
schalierte Regelleistung vor, ohne jedoch Aufschläge für
besondere Mehraufwendungen zu ermöglichen. Dezentrale
Armutsbekämpfungsstrategien würden durch eine unbe-
stimmt formulierte Ermächtigung zur Anrechnung von Ver-
pflegungsleistungen im Verordnungstext konterkariert. In-
dem auf eine Konkretisierung der Verpflegungsleistungen
verzichtet werde, schaffe man ein Einfallstor für eine eben-
falls systemwidrige Anrechnung von karitativen Verpfle-
gungsleistungen in Kindergärten und Schulen. Auch bei der
Berechnung der Einkommen von Selbständigen, die ergän-
zendes Arbeitslosengeld II beziehen, wurden bisher keine
Bedingungen geschaffen, die für Rechtsklarheit und Verwal-
tungsvereinfachung sorgten.

Die Bundesregierung soll aufgefordert werden, dem Grund-
satz pauschalierter Regelleistungen Rechnung zu tragen und
die „Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur
Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim
Arbeitslosengeld II/Sozialgeld“ im Sinne dieses Grundsatzes

Beurteilung der Notwendigkeit von Ausgaben künftig wie-
der das Steuerrecht zum Maßstab der Bewertung tatsächlich
notwendiger Ausgaben zu machen.

III. Beratung und Abstimmungsergebnisse im
Ausschuss

Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hat den Antrag
auf Drucksache 16/7838 in seiner 78. Sitzung am 20. Fe-
bruar 2008 abschließend beraten.

Mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD
gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE. und
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenhaltung der
Fraktion der FDP wurde beschlossen, die Ablehnung des
Antrags auf Drucksache 16/7838 zu empfehlen.

Die Mitglieder der Fraktion der CDU/CSU waren der An-
sicht, man könne individuellen Einzelfällen nicht durch eine
gesetzliche Verordnung gerecht werden, ohne ein System
aufbauen zu müssen, welches hinterher kaum noch zu
durchblicken sei. Zudem könne man nicht gleichzeitig büro-
kratische Einzelfallprüfungen bemängeln und auf der ande-
ren Seite einen Anspruch auf individuelle Mehraufwendun-
gen fordern. Diese Ansprüche müssten ebenfalls durch die
Jobcenter überprüft werden, welche bereits mit bürokra-
tischen Einzelfallprüfungen überfrachtet seien. Darüber
hinaus sei Arbeitslosengeld II keine rentengleiche Dauer-
leistung für einen unbegrenzten Zeitraum. Wenn man Son-
derbedarfe für Übergrößen verlange, dann müsse auch kon-
kretisiert werden, was als Sonderbedarf für angemessen
gehalten werde und was nicht. Vielmehr sei es wichtiger,
den Menschen mit konkreten Angeboten auf eine Beschäfti-
gung wieder eine sinnvolle Alternative zum ALG-II-Bezug
zu geben.

Die Mitglieder der Fraktion der SPD betonten, dass mit
der neuen Verordnung eine Klarstellung der geltenden
Rechtslage erfolgt sei. Insbesondere habe man durch die
Einführung einer Bagatellgrenze sichergestellt, dass bei-
spielsweise ein kostenloses Mittagessen in der Schule oder
im Kindergarten nicht als zusätzliches Einkommen ange-
rechnet werde. Auch bei den meisten Aufenthalten in einem
Krankenhaus, die im Durchschnitt 8,5 Tage dauerten, oder
einer anderen stationären Einrichtung werde es künftig
keine Anrechnung der Verpflegung als Einkommen mehr
geben. Dies sei eine entscheidende Verbesserung für die
Menschen. Die Forderung nach einer Nichtanrechnung kari-
tativer Zuwendungen wie beispielsweise Lebensmittel- oder
Möbelspenden sei bereits geltende Rechtslage und sei damit
erfüllt. Man lehne den Antrag daher ab.

Die Mitglieder der Fraktion der FDP begrüßten grundsätz-
lich die Pauschalisierung von Sozialtransfers. Man habe
sätzlich nicht als Einnahmen auf die Regelleistungen vorge-
nommen werden dürfe. Bei selbständig Tätigen sei zur

am Arbeitsleben teilhaben. Man werde sich daher bei der
Abstimmung enthalten.

Drucksache 16/8445 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE. führten aus, dass
man die ALG-II-Verordnung als falsch konzipiert sehe. In-
haltlich sei sie mehr als mangelhaft. Man teile sowohl die
grundsätzlichen Erwägungen als auch die konkreten Forde-
rungen des Antrags. Insbesondere eine Ermessensentschei-
dung durch die Grundsicherungsträger bei der Überprüfung
der Betriebsausgaben von Selbständigen, die ergänzendes
ALG II beziehen, halte man für nicht praktikabel, da in den
Jobcentern dadurch noch mehr bürokratischer Aufwand er-
zeugt werde, diese sich aber vielmehr auf gute Beratung und
Vermittlung konzentrieren sollten. Man stimme dem Antrag
daher zu.

Die Mitglieder der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
vertraten die Auffassung, dass es nochmals einer Überprü-
fung der Arbeitslosengeld-II-Verordnung bedürfe. Im Juli
2007 habe es 77 000 Selbständige gegeben, die ergänzend
auf Arbeitslosengeld II angewiesen seien. Die Neuregelung,
dass nur Betriebsausgaben abzusetzen seien, die dem Le-

bensstandart eines Arbeitslosengeld-II-Empfängers entsprä-
chen, habe zur Folge, dass ein Selbständiger seinen Be-
triebsablauf nicht mehr planen und gestalten könne. Man sei
der Ansicht, dass gerade durch solche Rechtsverordnungen
Systeme geschaffen würden, die man kaum noch durch-
schauen könne. Die getroffene Pauschalierungsregelung
sollte genau diese Einzelfallstreitigkeiten verhindern.

Berlin, den 3. März 2008

Stefan Müller (Erlangen)
Berichterstatter

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