BT-Drucksache 16/8412

zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/7739- Gleichstellung von Frauen und Männern in den Gremien des Bundes tatsächlich durchsetzen

Vom 5. März 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8412
16. Wahlperiode 05. 03. 2008

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (13. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln),
Britta Haßelmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/7739 –

Gleichstellung von Frauen und Männern in den Gremien des Bundes
tatsächlich durchsetzen

A. Problem

Der Antrag beklagt unter Bezugnahme auf den Vierten Bericht der Bundes-
regierung über den Anteil von Frauen in wesentlichen Gremien im Einflussbe-
reich des Bundes (Drucksache 16/4385), auch fast 14 Jahre nach Inkrafttreten
des Gesetzes über die Berufung und Entsendung von Frauen und Männern in
Gremien des Bundes sei das Ziel einer geschlechterdemokratischen Gremien-
besetzung im Einflussbereich des Bundes nicht erreicht. Neben der fehlenden
politischen Bereitschaft der Verantwortlichen macht der Antrag hierfür auch
Mängel des Gesetzes verantwortlich und schlägt entsprechende Änderungen
vor.

B. Lösung

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/7739 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stimmen der Fraktio-
nen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

C. Alternativen

Annahme des Antrags auf Drucksache 16/7739.

D. Kosten

Keine

Drucksache 16/8412 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/7739 abzulehnen.

Berlin, den 5. März 2008

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Kerstin Griese
Vorsitzende

Dr. Eva Möllring
Berichterstatterin

Renate Gradistanac
Berichterstatterin

Ina Lenke
Berichterstatterin

Elke Reinke
Berichterstatterin

Irmingard Schewe-Gerigk
Berichterstatterin

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8412

Bericht der Abgeordneten Dr. Eva Möllring, Renate Gradistanac, Ina Lenke,
Elke Reinke und Irmingard Schewe-Gerigk

I. Überweisung der Vorlage

Der Antrag auf Drucksache 16/7739 wurde in der 136. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 17. Januar 2008 dem
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur
federführenden Beratung sowie dem Rechtsausschuss zur
Mitberatung überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlage

Der Antrag auf Drucksache 16/7739 fordert, das Bundes-
gremienbesetzungsgesetz noch vor der Sommerpause 2008
zu novellieren und dabei insbesondere folgende Änderun-
gen aufzunehmen:

– Seien in einem Gremium im Bereich des Bundes Frauen
oder Männer zu einem geringeren Anteil als 30 Prozent
vertreten, sollten neu zu besetzende Sitze in diesem Gre-
mium frei bleiben, wenn es der berufenden Stelle nicht
gelinge, Benennungsvorschläge zu erwirken, die der
erheblichen Unterrepräsentanz entgegenwirkten. Aus-
nahmen sollten nur zugelassen werden, soweit es die
Aufgabenstellung des Gremiums zwingend erfordere;
die Gründe hierfür müssten schriftlich dargelegt werden.

– Die Möglichkeiten der Abweichung von dem gesetzlich
vorgeschriebenen Instrument der Doppelbenennung soll-
ten an deutlich engere gesetzliche Voraussetzungen ge-
bunden werden. Bei jeder unterbliebenen Doppelbenen-
nung sollten der berufenden Stelle die Gründe schriftlich
dargelegt werden; diese habe nicht ausreichend begrün-
dete Benennungen oder Vorschläge zurückzuweisen.

– Die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten bei der Beset-
zung der Gremien solle gestärkt werden, insbesondere
durch ihre Beteiligung am Vorschlagsverfahren bei der
Berufung durch eine entsprechende Klarstellung in § 19
des Bundesgleichstellungsgesetzes.

– Diese vorgeschlagenen Änderungen sollten auch für die
Entsendung in Gremien außerhalb des Bereichs des Bun-
des gelten, für die der Bund ein Besetzungsrecht habe.

– Klarstellend sollten die vorschlagsberechtigten Stellen
für Gremien im Bereich des Bundes um Parteien, Parla-
mente, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände er-
gänzt werden.

III. Stellungnahme des mitberatenden Ausschusses

Der Rechtsausschuss hat in seiner 91. Sitzung am 5. März
2008 mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktionen DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung des An-
trags empfohlen.

IV. Inhalt der Beratung im federführenden
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend

Der Ausschuss hat die Vorlage in seiner 51. Sitzung am
5. März 2008 beraten. Er empfiehlt mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die Stim-
men der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Ablehnung des Antrags.

In den Ausschussberatungen führte die Fraktion BÜNDNIS
90/DIE GRÜNEN aus, das Bundesgremienbesetzungsgesetz
sei im Jahr 1994 erlassen worden. Zu diesem Zeitpunkt seien
die Hälfte der Beiräte, Kommissionen und sonstigen Gremien
des Bundes ohne Beteiligung von Frauen besetzt gewesen.
Leider entfalte das Gesetz auch heute noch keine ausrei-
chende Wirkung. Der Frauenanteil sei um nicht einmal ein
Prozent pro Jahr gestiegen. Noch im Jahr 2005 sei nicht ein-
mal jedes fünfte Mitglied in diesen Gremien eine Frau gewe-
sen. Der Antrag schlage deshalb vor, bei Gremien mit einem
Anteil von weniger als 30 Prozent neu zu besetzende Sitze frei
zu lassen, wenn sie nicht mit einer Vertreterin bzw. einem Ver-
treter des unterrepräsentierten Geschlechts besetzt werden
könnten. Weiterhin enthalte das Bundegremienbesetzungs-
gesetz eine Regel zur Doppelbenennung, nach der die vor-
schlagsberechtigte Stelle immer einen Mann und eine Frau
benennen solle. Von den hierzu bestehenden Ausnahmerege-
lungen werde jedoch zu starker Gebrauch gemacht und es
gebe nur unzureichende Kontrollmechanismen. Deshalb for-
dere der Antrag deutlich enger gefasste Ausnahmeregelungen
und eine Zurückweisungsmöglichkeit bei unzureichenden
Begründungen für eine unterbliebene Doppelbenennung. Um
insgesamt ein besseres Funktionieren zu gewährleisten, wolle
der Antrag auch die Rolle der Gleichstellungsbeauftragten bei
der Besetzung der Gremien stärken. In § 19 des Bundes-
gleichstellungsgesetzes solle klargestellt werden, dass die
Gleichstellungsbeauftragten künftig am Vorschlagsverfahren
für diese Berufungen zu beteiligen seien. Im Sinne einer Klar-
stellung sollten schließlich die vorschlagsberechtigten Stel-
len für Gremien im Bereich des Bundes um Parteien, Parla-
mente, Länder, Gemeinden und Gemeindeverbände ergänzt
werden.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN führte weiter
aus, mit einer solchen Gesetzesänderung könne der Bund
sich als Vorbild erweisen und seiner Aufgabe nachkommen,
Artikel 3 des Grundgesetzes tatsächlich umzusetzen.
Deutschland könne es sich auch im internationalen Ver-
gleich nicht leisten, aufgrund der Unterrepräsentanz von
Frauen undemokratisch besetzte Gremien zu haben.

Die Fraktion der CDU/CSU hielt die bestehende Situation
ebenfalls für unbefriedigend, wies aber zugleich darauf hin,
dass in der Bundesverwaltung in dieser Wahlperiode der
Anteil von Frauen in den Abteilungen, Unterabteilungen
und Referaten des Bundes gegenüber der vorherigen Wahl-
periode ganz erheblich gestiegen sei, nämlich bei den Abtei-
lungen von 9 auf 15 Prozent, bei den Unterabteilungen von
8,6 auf 14,7 Prozent und bei den Referaten von 13,5 auf

Drucksache 16/8412 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

20 Prozent. Dies zeige deutlich, dass man bei einem ent-
sprechenden Willen der Beteiligten auch ohne Gesetzesän-
derungen gut vorankommen könne. Es sei zu hoffen, dass
diese Entwicklung auch im Hinblick auf das Bundesgremi-
enbesetzungsgesetz künftig zu einer besseren Beteiligung
von Frauen führen werde.

Mit Blick auf die einzelnen Forderungen des Antrags hielt
es die Fraktion der CDU/CSU für fraglich, ob ein Mindest-
frauenanteil von 30 Prozent durch eine Quotenregelung tat-
sächlich erreicht werden könnte. Die Gremien würden re-
gelmäßig von verschiedenen Instanzen bzw. Institutionen
besetzt. Wenn als Sanktion für die mangelnde Beteiligung
von Frauen künftig Sitze frei blieben, werde automatisch
die eine Institution der anderen die Verantwortung hierfür
zuschieben wollen. Hinzu komme, dass es sich oft um sehr
hohe Gremien handele, bei denen teilweise sogar vorge-
schrieben sei, dass nur Frauen und Männern vorgeschlagen
werden könnten, die sich bereits in bestimmten Positionen
befänden. Da jedoch in diesen Positionen oft keine Frauen
vertreten seien, wäre es die bessere Strategie, von unten
nach oben zu arbeiten und ein Kaskadenprinzip einzufüh-
ren, anstatt an dem oberen Level eine Quote vorzuschrei-
ben. Darüber müsse nachgedacht werden, wenn auch im
nächsten Berichtszeitraum zum Bundesgremienbesetzungs-
gesetz keine weiteren Fortschritte erzielt würden.

Auch die Fraktion der FDP beklagte den mangelnden An-
teil von Frauen in den Gremien des Bundes. Sie bezweifelte
allerdings die Wirksamkeit von Quoten. Da das Bundesgre-
mienbesetzungsgesetz von 1994 keine ausreichende Wir-
kung entfaltet habe, bedürfe es anderer Instrumente, um die
Gleichberechtigung von Frauen voranzubringen. In diesem
Zusammenhang wies die Fraktion der FDP auch auf ihre
Forderung nach einer Ratifizierung des 12. Zusatzprotokolls
zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und
Grundfreiheiten von 1950 hin. Inhalt des Zusatzprotokolls
sei ein allgemeines Rechtsgleichbehandlungsgebot, mit dem
das in der Konvention bisher enthaltene, an konkrete Kon-
ventionsrechte gebundene Diskriminierungsverbot auf eine
universelle Ebene erhoben werde.

Die Fraktion der SPD betonte, der Ausschuss sei sich wohl
einig in dem Bestreben, Frauen stärken zu wollen. Teilweise
werde dazu auf freiwillige Selbstverpflichtungen gesetzt,

während andere lieber ordnungspolitisch und auch mit Quo-
ten arbeiten wollten. Die Vertreterin der SPD erklärte, sie
persönlich gehöre zu der letzteren Gruppe, da Quoten nach
ihrer Erfahrung ein gutes Mittel seien, um dynamisch vo-
ranzukommen. Natürlich könne man bei der Beteiligung
von Frauen auch positive Entwicklungen verzeichnen; ins-
gesamt schreite der Prozess jedoch nicht schnell genug
voran. Trotz der deshalb bestehenden Sympathien für den
vorliegenden Antrag könne die Fraktion der SPD dem mit
Rücksicht auf bestehende Koalitionsvereinbarungen der
CDU, CSU und SPD nicht zustimmen. Kritisch zu bewerten
sei auch die Forderung des Antrags, die vorschlagsberech-
tigten Stellen um Parteien, Parlamente, Länder etc. zu er-
gänzen. Dies sei vor dem Hintergrund der föderalen Struk-
tur Deutschlands nicht durchführbar.

Die Fraktion DIE LINKE. unterstützte den Antrag auf
Drucksache 16/7739, wies allerdings darauf hin, dass auch
unter der rot-grünen Regierung der letzten Wahlperiode
wichtige Gremien (Hartz-Kommission) nicht oder nur unzu-
reichend mit Frauen besetzt worden seien.

Der Vertreter der Bundesregierung betonte, dass die gegen-
wärtige Situation unbefriedigend sei. Das Ministerium habe
verschiedentlich auf die Funktion und die Aufgaben der
Gleichstellungsbeauftragten im Rahmen des Bundesgremi-
enbesetzungsgesetzes hingewiesen. Zur Lösung des Pro-
blems dürfe indes die Unterrepräsentanz von Frauen nicht
isoliert betrachtet werden, sondern es bedürfe eines umfas-
senden Ansatzes. Der Vertreter der Bundesregierung wies
beispielhaft auf die bereits verabschiedeten Regelungen
zum Elterngeld und insbesondere zu den Partnermonaten
hin, die ihre volle Wirkung erst noch entfalten müssten. Auf
mittlere Sicht werde dies auch zu einem veränderten Rollen-
verständnis führen. Letztlich werde eine bessere Beteili-
gung von Frauen nur zu erreichen sein, wenn von unten
Frauen und Männer nachwüchsen, die auch auf Bundes-
ebene verantwortliche Positionen übernehmen könnten.
Hierfür sei eine Strategie erforderlich, die gleichzeitig das
Leben in einer Familie mit Kindern und das Einschlagen
bestimmter Laufbahnen ermögliche. Vorschläge wie das
Unbesetztlassen von Gremiensitzen könnten demgegenüber
allenfalls eine Signalwirkung entfalten, würden jedoch nicht
die Teilhabe von Frauen in Gremien verbessern.
Berlin, den 5. März 2008

Dr. Eva Möllring
Berichterstatterin

Renate Gradistanac
Berichterstatterin

Ina Lenke
Berichterstatterin

Elke Reinke
Berichterstatterin

Irmingard Schewe-Gerigk
Berichterstatterin

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