BT-Drucksache 16/83

Verdacht auf geheime CIA-Gefangenlager in Osteuropa und US-Flugbewegungen auf deutschen und europäischen Flugplätzen mit geheimen Gefangenen

Vom 23. November 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/83
16. Wahlperiode 23. 11. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Michael Leutert, Wolfgang Gehrcke, Ulla Jelpke,
Monika Knoche, Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und der Fraktion DIE LINKE.

Verdacht auf geheime CIA-Gefangenenlager in Osteuropa und US-Flugbewegun-
gen auf deutschen und europäischen Flugplätzen mit geheimen Gefangenen

Nach Medienberichten, darunter die US-Tageszeitung Washington Post, unter-
hält der amerikanische Geheimdienst CIA Geheimgefängnisse in Ost-Europa.
Die Washington Post berichtete unter Berufung auf amerikanische und auslän-
dische Offizielle von bis zu acht Geheimgefängnissen in Osteuropa. Menschen-
rechtsorganisationen glauben anhand von Flugplänen die Standorte der Gefäng-
nisse entdeckt zu haben. Länder wie Polen und Rumänien werden verdächtigt,
solche zu unterhalten. Da diese Länder Mitglieder der EU oder im Anwärtersta-
dium sind, läge ein grober Verstoß gegen die Menschrechts- und Anti-Folter-
Konvention vor, die alle 25 EU-Länder unterzeichnet haben. Darüber hinaus
wird in den Medien von amerikanischen Geheimflügen mit gefangenen mut-
maßlichen Terroristen berichtet. Die Regierungen von Spanien, Norwegen,
Finnland und Schweden haben Untersuchungen zu Zwischenlandungen von
amerikanischen Flugzeugen mit geheimen Gefangenen an Bord eingeleitet.
Deutschland ist aber nach Meinung zahlreicher Experten als Transitland für der-
artige Gefangenentransporte genutzt worden, wobei vor allem der vom US-Mi-
litär genutzte Flughafen Ramstein, aber auch der Flughafen Frankfurt/Main ge-
nannt werden (vgl. SPIEGEL vom 21. November 2005, Presseerklärung von
Human Rights Watch vom 7. November 2005). Ein italienisches Gericht geht
davon aus, dass CIA-Agenten bereits im Februar 2003 einen Verdächtigen ent-
führt und auf dem Militärflughafen Ramstein „umgeladen“ haben. Damit läge
ein eklatanter Verstoß gegen deutsches und europäisches Recht vor. Die EU hat
sich bereits wegen aktueller internationaler Pressemeldungen damit beschäftigt.
Die Zeitung „Le Monde diplomatique“ bezeichnete bereits in ihrer Ausgabe von
April 2005 Deutschland als zentralen Umschlagplatz („key base“) für die vom
CIA durchgeführten Transporte. In Medienberichten wurden zum Teil sehr de-
taillierte Angaben darüber gemacht, welche Flugzeuge insbesondere die CIA
zum Transport von Gefangenen nutzt und wie häufig diese Flugzeuge in
Deutschland gelandet sind.

Die Öffentlichkeit ist darüber nicht zuletzt deswegen stark besorgt, weil sich zu-
gleich Berichte mehren, denen zufolge Verdächtige bei Vernehmungen durch

US-Behörden bzw. von diesen Beauftragten misshandelt werden. Die Nutzung
deutschen Hoheitsgebietes für den Zweck, Gefangene zu misshandeln oder sie
einer Misshandlung zuzuführen, wäre etwa nach Meinung des Internetmagazins
german-foreign-policy „Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschheit“ (Mel-
dung vom 5. November 2005). Die Besorgnis wird dadurch vermehrt, dass auch
nach Einschätzung von Justizstellen in mindestens einem Fall ein Verdächtiger
von US-Behörden aus Mailand entführt und nach Ramstein transportiert wurde,

Drucksache 16/83 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

wo er in ein Flugzeug nach Ägypten verbracht wurde. Ein Delikt, das die Staats-
anwaltschaft Zweibrücken dazu bewogen hat, Ermittlungen aufzunehmen (hier-
zu zahlreiche Presseberichte, etwa Berliner Zeitung vom 22. November 2005).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Hat die Bundesregierung Kenntnis davon, dass bzw. ob US-Behörden in Ost-
europa geheime Gefängnisse unterhalten?

2. Besteht die Möglichkeit, dass deutsche Flughäfen für geheime Gefangenen-
transporte missbraucht werden können?

3. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass die US-Basis in Ramstein für
den Transport geheimer Gefangener missbraucht worden ist?

4. Wird die Bundesregierung in jedem Fall von den US-Behörden über die Be-
wegungen auf den von den US-Streitkräften genutzten Flughäfen in Deutsch-
land informiert, insbesondere über Güter und Personen, die sich an Bord
(zwischen)landender und startender Flugzeuge befinden?

5. Ist der Bundesregierung bekannt, dass nach Informationen von Human
Rights Watch („Statement on U. S. Secret Detention Facilities in Europe“
vom 7. November 2005), von „Le monde diplomatique“ (April 2005) sowie
des SPIEGELS vom 21. November 2005 Flugzeuge, die gewöhnlich als Ge-
fangenentransporter dienen, in Deutschland zwischenlanden?

Wenn ja: Wie häufig war dies im Zeitraum seit dem 11. September 2001 der
Fall (bitte einzeln aufschlüsseln)?

6. a) Welche Rechtsgrundlage existiert nach Ansicht der Bundesregierung da-
für, dass andere Staaten in Gewahrsam befindliche Personen durch
Deutschland bzw. den deutschen Luftraum transportieren?

b) Hat die Bundesregierung jemals gegenüber US-Behörden ihre Zustim-
mung zu derartigen Transporten erteilt?

c) Wurden der Bundesregierung Zusagen in Bezug auf die Behandlung der
Gefangenen gemacht?

Wenn ja, welche Garantien für die Einhaltung dieser Zusagen wurden ge-
geben?

7. Wie oft haben sich im Zeitraum ab 11. September 2001 Flugzeuge

a) mit der Registrierungsnummer N313 P (Boeing 737),

b) mit der Registrierungsnummer N379P (Gulfstream V),

c) der Linien „Tepper Aviation“, „Pegasus Technologies“ und „Aero Con-
tractors“ im deutschen Luftraum bewegt sowie Landungen durchgeführt
(bitte einzeln aufschlüsseln)?

d) Welche weiteren, als Gefangenentransportflugzeuge der CIA bekannten,
Flugzeuge haben sich in diesem Zeitraum im deutschen Luftraum bewegt
sowie Landungen durchgeführt (bitte einzeln aufschlüsseln)?

8. Hat die Bundesregierung Erkenntnisse darüber, ob bei diesen Landungen
Personen an Bord waren oder umgestiegen sind, die sich im Gewahrsam von
US-Behörden befanden?

(Wenn ja, bitte nach Anzahl, gegen die Personen gerichteten Tatvorwürfen,
Datum und Reiseziel aufschlüsseln).

9. Haben deutsche Sicherheitsbehörden Kenntnis davon, dass bzw. ob US-Be-
hörden bei der Vernehmung von Gefangenen im Zusammenhang mit der so

genannten Bekämpfung des Terrorismus Foltermethoden anwenden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/83

Wenn ja, um welche deutschen Behörden handelt es sich dabei und wie ha-
ben sie Kenntnis davon erhalten?

10. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass

a) Entführungen von Tatverdächtigen,

b) deren Unterbringung in geheim gehaltenen Gefängnissen,

c) deren psychische oder physische Misshandlung,

d) die Verweigerung eines Rechtsbeistands

Verstöße gegen das Recht auf ein faires Verfahren im Sinne des Artikels 6
der Europäischen Menschenrechtkonvention darstellen?

11. Teilt die Bundesregierung die Ansicht, dass deutsche Behörden verpflichtet
sind, eine Strafanzeige zu stellen und Ermittlungen einzuleiten, wenn sie zu
der Erkenntnis kommen, dass Behörden oder Amtsträger anderer Staaten
Gefangene misshandeln oder Personen entführen, insbesondere

a) wenn diese Taten auf deutschem Boden bzw. im deutschen Luftraum er-
folgen,

b) sich an diesen Taten mutmaßlich Beteiligte auf deutschem Boden bzw.
im deutschen Luftraum aufhalten?

12. Trifft die Meldung des Internetmagazins german-foreign-policy vom 5. No-
vember 2005 zu, dass Mitarbeiter des Bundesinnenministeriums auf eine
Anfrage dieses Internetmagazins ausgeführt haben, eventuelle Transporte
Gefangener über deutsche Flughäfen seien nicht Sache deutscher Behörden,
sondern eine Angelegenheit der USA?

Wenn ja, wie begründet die Bundesregierung diese Ansicht?

13. Beabsichtigt die Bundesregierung, eigene Ermittlungen über die Existenz
von US-Geheimgefängnissen in Europa und die möglicherweise illegale
Beförderung von Gefangenen durch Deutschland anzustellen?

Wenn nein, warum nicht?

14. Ist die Bundesregierung bereit, im Falle, dass sich die Existenz geheimer
CIA-Gefängnisse in Osteuropa bestätigen sollte, dies vor die europäische
Kommission zu tragen und entsprechenden Druck auf diese Staaten zur Ein-
haltung der Menschenrechts- und Anti-Folter-Konvention auszuüben?

Berlin, den 23. November 2005

Michael Leutert
Wolfgang Gehrcke
Ulla Jelpke
Monika Knoche
Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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