BT-Drucksache 16/82

Sicherheit der biometriegestützten Reisepässe

Vom 23. November 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/82
16. Wahlperiode 23. 11. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Sicherheit der biometriegestützten Reisepässe

Die am 1. November 2005 eingeführten neuen Reisepässe mit biometrischen
Daten sind nach Medienberichten sowie nach Einschätzung von Datenschützern
nicht hinreichend sicher. Mitglieder des „Chaos-Computer-Club“ führten in der
„Monitor“-Sendung vom 3. November 2005 aus, sie bräuchten für das Knacken
der Sicherheitscodes „allenfalls Wochen“. Ein Professor, der am Institut für
Halbleitertechnik an der Universität Aachen lehrt, erklärte in dieser Sendung,
bei den verwendeten RFID-Chips sei „eine Schwachstelle per sei eingebaut“, es
sei ausgeschlossen, dass die angestrebte Haltbarkeit von zehn Jahren erreicht
werden könne. Auch eine Studie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informa-
tionstechnik kommt zu dem Ergebnis, dass vor dem „Echtbetrieb“ der biometri-
schen Systeme „eine gründliche Untersuchung der Funktionstüchtigkeit, der Er-
kennungsleistung und der Überwindungssicherheit sinnvoll und notwendig“
wäre. Nur kurze Zeit nach Einführung der neuen Pässe berichtete schließlich
„DER TAGESSPIEGEL“ am 17. November 2005 über massive Probleme mit
dem RFID-Chip, der „leicht kaputtgehen“ könne.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Ist der Bundesregierung bekannt, dass die Konferenz der Datenschutzbeauf-
tragten von Bund und Ländern am 1. Juni 2005 eine Entschließung verab-
schiedet hat, derzufolge die technische Reife, der Datenschutz sowie die tech-
nische und organisatorische Sicherheit der biometrischen Systeme bisher
„nicht in ausreichendem Maße gegeben“ seien, und wenn ja, welche Folge-
rungen hat die Bundesregierung hieraus gezogen?

2. Trifft es zu, dass dem Bundesdatenschutzbeauftragen der als intern dekla-
rierte Teil der BioP-II-Studie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informa-
tionstechnik (BSI) nicht zugänglich gemacht wurde?

Wenn ja, warum wurde ihm dieser Teil vorenthalten und was ist dessen
Inhalt?

3. Trifft es zu, dass bislang keine international gültigen Regelungen bestehen,
die gewährleisten, dass biometrische Daten deutscher Staatsbürger nicht in
externen Datenbanken gespeichert werden, zumal bei Passkontrollen in

Nicht-EU-Ländern, und wenn ja, welche Konsequenzen beabsichtigt die
Bundesregierung zu ziehen, um das Grundrecht auf informationelle Selbstbe-
stimmung zu gewährleisten?

4. Teilt die Bundesregierung die Ansicht des Bundesdatenschutzbeauftragten,
wonach biometrische Merkmale auch nutzbar sind, um Krankheitsbilder fest-
zustellen und die ethnische Zugehörigkeit des Passträgers zuzuordnen (mit

Drucksache 16/82 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Begründung), und wenn ja, welche Sicherheitsregelungen wurden getrof-
fen, um einen solchen Missbrauch der neuen Pässe zu verhindern?

5. Ist der Bundesregierung der Abschlussbericht der BioP-II-Studie des Bun-
desamts für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) bekannt?

6. Ist ihr insbesondere bekannt, dass das BSI „vor dem Echtbetrieb in einer
konkreten Anwendung eine gründliche Untersuchung der Funktionstüchtig-
keit, der Erkennungsleistung und der Überwindungssicherheit“ für „sinn-
voll und notwendig“ hält, und wenn ja, welche Folgerungen hat die Bundes-
regierung hieraus gezogen?

7. Ist der Bundesregierung die Einschätzung des BSI, „Benutzerfreundlichkeit
und Bedienbarkeit“ des neuen Passes seien „verbesserungsfähig“, bekannt
und wenn ja, welche Folgerungen hat die Bundesregierung hieraus gezo-
gen?

8. Ist der Bundesregierung bekannt, dass der BioP-II-Studie zufolge die
Falschrückweisungsrate der biometrischen Systeme zwischen 1 und 23 Pro-
zent liegt, und wenn ja, welche Folgerungen hat die Bundesregierung daraus
gezogen?

9. Ist der Bundesregierung bekannt, dass der BioP-II-Studie zufolge der „Ein-
fluss von Alterungseffekten auf die Erkennungsleistung biometrischer Sys-
teme bisher noch nicht ausreichend untersucht“ worden ist?

10. Welche Standards bezüglich des Applikationsprofils und der Belastbarkeit
der RFID-Chips wurden seitens der Herstellerfirmen gesetzt?

11. Trifft es zu, dass die Herstellerfirmen keine Garantie dafür übernehmen,
dass die RFID-Chips zehn Jahre lang funktionstüchtig sind und dass die
Verträge mit den Herstellerfirmen zumindest teilweise geheim sind (Moni-
tor vom 3. November 2005), und wenn ja, warum?

12. Trifft es zu, dass es kein Recht auf kostenlosen Umtausch gibt, wenn der
RFID-Chip vor Ablauf der zehnjährigen Gültigkeitsdauer des Reisepasses
defekt ist?

13. Mit welchen Konsequenzen müssen Personen rechnen, die bei Kontrollen
mit einem defekten RFID-Chip angetroffen werden?

14. Wurden Untersuchungen durchgeführt, um eine gesundheitliche Gefähr-
dung von Grenzbeamten durch die Funkstrahlung der RFID-Systeme aus-
zuschließen?

Wenn ja, welche und mit welchen Ergebnissen?

Wenn nein, auf welcher Grundlage glaubt die Bundesregierung eine solche
Gefährdung ausschließen zu können?

15. a) Sind der Bundesregierung Untersuchungen aus den Niederlanden be-
kannt, wonach es bei ähnlichen Passprojekten zu Haarrissen an den
Chips gekommen ist?

b) Ist der Bundesregierung weiterhin bekannt, dass in der Schweiz derzeit
ein auf fünf Jahre angelegter Probebetrieb mit biometriegestützten Päs-
sen läuft, an dem sich die Bürgerinnen und Bürger freiwillig beteiligen
können?

c) Warum hat die Bundesregierung auf eine längere Erprobungsphase in
Deutschland verzichtet?
16. a) Welche Kosten entstehen durch die Einführung der neuen Pässe (bitte
aufschlüsseln)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/82

b) Wie teuer ist ein einzelnes Lesegerät zur Kontrolle von Fingerabdrücken
und Gesicht/Iris, wie es an den Grenzen zum Einsatz kommen soll?

Berlin, den 23. November 2005

Ulla Jelpke, Petra Pau
Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

Kleine Anfrage
Sicherheit der biometriegestützten Reisepässe

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