BT-Drucksache 16/8162

Ausgestaltung eines Holding-Modells zur Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG

Vom 15. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8162
16. Wahlperiode 15. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Winfried Hermann, Fritz Kuhn, Dr. Anton Hofreiter, Bettina
Herlitzius, Peter Hettlich, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Ulrike Höfken,
Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch
und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Ausgestaltung eines Holding-Modells zur Teilprivatisierung der
Deutsche Bahn AG

Im November 2007 fand im Kanzleramt ein Spitzentreffen unter Leitung des
Bundesministers für besondere Aufgaben und Chef des Bundeskanzleramtes
Dr. Thomas de Mazière mit Bahnchef Hartmut Mehdorn, dem Bundesminister
der Finanzen Peer Steinbrück und dem Bundesminister für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung Wolfgang Tiefensee statt. Dabei wurde die Idee eines „Hol-
dingmodells“ entwickelt, das durch eine Neuorganisation der Deutschen Bahn
AG (DB AG) eine Teilprivatisierung der Transportgesellschaften möglich ma-
chen soll, ohne dass dazu ein Gesetz notwendig wäre.

Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ am 11. November 2007 soll
nach diesem Modell eine Finanzholding unterhalb der DB AG Holding und
oberhalb der Bereiche Personenfernverkehr, Personennahverkehr, Güterverkehr
und Logistik gegründet werden, die dann bis zu 49 Prozent privatisiert werden
könnte. In anderen Berichten werden unter dem Dach der neuen Finanzholding
lediglich die Personenverkehrs- und Logistiksparte zusammengefasst („FINAN-
CIAL TIMES DEUTSCHLAND“ vom 4. Februar 2008). Die DB AG Holding
und die Eisenbahninfrastrukturgesellschaften würden demnach nicht privatisiert.
Die genaue Ausgestaltung des Modells ist bis heute unklar.

Laut einem Bericht der „FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND“ vom 4. Feb-
ruar 2008 bereite die Konzernspitze der DB AG bereits „die Teilprivatisierung
unter Hochdruck“ vor. Dazu gehöre beispielsweise die Einrichtung eines
Datenraumes, in dem sich die potenziellen Investoren detailliert über das
Unternehmen informieren könnten. Am 1. Februar 2008 sollen der Vorstands-
vorsitzende Hartmut Mehdorn und der Bahn-Finanzvorstand Diethelm Sack
dem Artikel zufolge dem Aufsichtsratspräsidium der DB AG einen entspre-
chenden Plan vorgelegt haben.

Am 9. Februar 2008 berichtete die „Süddeutsche Zeitung“, dass auch die Bun-
desregierung plane, noch in diesem Jahr Teile der DB AG auf der Basis des
Holding-Modells zu privatisieren. Der Bundesminister für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung Wolfgang Tiefensee arbeite „mit Hochdruck“ daran, Teile
des Unternehmens noch 2008 an private Investoren zu verkaufen. Dabei solle
das von der SPD geforderte Volksaktien-Modell keine Rolle spielen.

Drucksache 16/8162 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welches Modell der Teilprivatisierung der DB AG vertritt die Bundes-
regierung aktuell?

2. Wie genau soll das jetzt in den Medien diskutierte so genannte Holding-
Modell ausgestaltet sein?

a) Welche bisherigen Gesellschaften der DB AG werden der neuen Hol-
ding unterstellt?

b) Wird es Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge zwischen der
neuen Holding und der bisherigen DB AG Holding geben?

c) In welcher Rechtsform wird die Holding eingesetzt?

d) Werden Doppelmandatierungen im Aufsichtsrat von neuer und alter
Holding erlaubt sein?

3. In welcher Weise soll ein dauerhafter Verbleib der neu zu schaffenden
Holding unter dem Dach der DB-Holding sichergestellt werden, um eine
eigentumsrechtlich vollständige Trennung von Netz und Betrieb dauerhaft
auszuschließen, wie es z. B. die Gewerkschaft Transnet wünscht?

4. Treffen die Medienberichte zu, dass der Vorschlag für ein konkretes Hol-
ding-Modell schon den Mitgliedern des Aufsichtsrates zugeleitet wurden?

5. Wann sollen der Aufsichtsrat und die Hauptversammlung über das Hol-
ding-Modell entscheiden?

6. Wird die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag das Holding-Modell
vor einer Beschlussfassung im Aufsichtsrat der DB AG zur Beratung vor-
legen, und wenn ja, wann, und in welcher Form?

7. Inwieweit ersetzt das Holding-Modell eine gesetzgeberische Entscheidung
über die Teilprivatisierung der DB AG, wie sie mit dem Gesetzentwurf
über die teilweise Kapitalprivatisierung der DB AG im Rahmen des Eisen-
bahnneuordnungsgesetzes bereits zur Beratung in den Deutschen Bundes-
tag eingebracht worden ist?

a) Falls ja, wird der Gesetzentwurf für die teilweise Kapitalprivatisierung
der DB AG dann zurückgezogen?

b) Wenn nein, warum nicht?

8. Welches Ergebnis hatte die vom Koalitionsausschuss beauftragte Prüfung
des „Volksaktien-Modells“ der SPD?

9. Wird eine Teilprivatisierung nach dem „Volksaktien-Modell“ von der Bun-
desregierung weiter verfolgt?

10. Stimmt die Bundesregierung zu, dass – wie zahlreiche Gutachten belegen –
aus Artikel 87e Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) folgt, dass der Bund den
entscheidenden Einfluss auf das Schienennetz ausüben können muss?

a) Kann die Bundesregierung ausschließen, dass diese Einflussnahme-
möglichkeiten durch das Modell weiter erschwert werden?

b) Welche Argumente sprechen aus Sicht der Bundesregierung dafür, dass
das Holding-Modell aus gesetzgeberischer Sicht ohne gesetzliches
Votum mit Artikel 87e GG vereinbar ist?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8162

11. Ist die Teilprivatisierung unter dem Dach einer Holding mit den europa-
rechtlichen Vorgaben zu einer Trennung von Netz und Transport verein-
bar?

Falls ja, ist nicht zumindest die grundlegende Zielrichtung der Vorgaben
beeinträchtigt, wenn beide Geschäftsbereiche weiter unter einem Dach ge-
führt werden und verdeckte zweckwidrige Einflussnahmen damit nicht
ausgeschlossen werden können?

12. Wie wird beim Holding-Modell gewährleistet, dass private Investoren kei-
nen Zugriff auf die Eisenbahninfrastrukturunternehmen des Bundes haben?

a) Wie kann dies gewährleistet werden, wenn der Vorstandsvorsitzende
der Gesamtholding DB AG auch Vorgesetzter der Holdingtöchter oder
gar selbst deren Vorstandsvorsitzender ist?

b) Welche Interessenskonflikte erwachsen aus der personellen Doppel-
funktion (Chef der Gesamtholding und Chef der geplanten Teil-Holding
für die Transportsparten)?

Berlin, den 15. Februar 2008

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.