BT-Drucksache 16/8105

Stand und Bewertung der Rentenüberleitung 18 Jahre nach der Wiedervereinigung

Vom 13. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8105
16. Wahlperiode 13. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Uwe Barth, Jens Ackermann, Christian
Ahrendt, Joachim Günther (Plauen), Heinz-Peter Haustein, Hellmut Königshaus,
Heinz Lanfermann, Jan Mücke, Cornelia Pieper, Christoph Waitz, Dr. Karl Addicks,
Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, Ernst Burgbacher, Patrick Döring,
Mechthild Dyckmans, Ulrike Flach, Paul K. Friedhoff, Dr. Edmund Peter Geisen,
Miriam Gruß, Dr. Christel Happach-Kasan, Elke Hoff, Gudrun Kopp, Jürgen
Koppelin, Sibylle Laurischk, Harald Leibrecht, Ina Lenke, Markus Löning,
Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt, Burkhardt Müller-Sönksen, Hans-Joachim
Otto (Frankfurt), Detlef Parr, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Dr. Konrad Schily,
Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer Stinner, Florian Toncar,
Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff (Rems-Murr), Martin Zeil,
Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Stand und Bewertung der Rentenüberleitung 18 Jahre nach der Wiedervereinigung

Seit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 sind 18 Jahre vergangen. Auf
Grundlage des Rentenüberleitungsgesetzes (RÜG) wurden die Anwartschaften
und Ansprüche der Versicherten in den neuen Bundesländern zum 1. Januar
1992 in das System der gesetzlichen Rentenversicherung (SGB VI) überführt.
Diese Überleitung hat für die Betroffenen große finanzielle Vorteile gebracht,
denn in diesem Rahmen wurden die Renten in den neuen Bundesländern deut-
lich angehoben. Bis heute fühlen sich aber viele Personen in den Neuen Ländern
durch einzelne, spezielle Regelungen der Rentenüberleitung benachteiligt. Die
Petitionen, Anfragen und Vorschläge der Betroffenen zur Änderung dieser
Sonderregelungen hat die Bundesregierung bisher abgelehnt. Nach Pressebe-
richten möchte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel nun noch in dieser Legis-
laturperiode im Rahmen einer „DDR-Schlussbilanz“ die Hinterlassenschaften
der DDR abschließend aufarbeiten und bat die Abgeordneten der Fraktion der
CDU/CSU aus den neuen Ländern, eine Liste noch offener Fragen, etwa im
Rentenrecht, zu erstellen.

Der meist diskutierte Punkt aus dem Bereich der Rentenüberleitung ist die
unterschiedliche Rentenberechnung in Ost und West. Die Rentenberechnung in
neuen und alten Bundesländern unterscheidet sich zum einen durch die unter-
schiedlichen Rentenwerte Ost/West und zum anderen durch die unterschiedliche
Berechnung der persönlichen Entgeltpunkte Ost/West. Dabei liegt der Renten-
wert Ost 12,1 Prozent (2007) unter dem Rentenwert West. Bei der Ermittlung
der persönlichen Entgeltpunkte werden dagegen die Löhne in den Neuen Bun-
desländern um etwa 16 Prozent (2007) hochgewertet (Anlage 10 zum SGB VI).
Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung erhält man aufgrund dieser
verschiedenen Berechnung im Ergebnis für die Rentenversicherungsbeiträge
eines Jahres in den neuen Ländern einen höheren Rentenzahlanspruch als in den

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alten Bundesländern. Dennoch wird vielfach im Gefühl der Benachteiligung der
Beitragszahler und Rentner in den neuen Ländern eine Anhebung des Renten-
werts Ost gefordert. Es stellt sich die Frage, ob die dargestellte, 1992 eingeführte
Berechnungsweise, getrennt nach Ost und West, wirklich heute noch angemes-
sen ist und zu öffentlich vermittelbaren Ergebnissen führt oder ob nicht eine ein-
heitliche Rentenberechnung angestrebt werden sollte. Denn nach Angaben des
Rentenversicherungsberichts 2007 wird sich die Angleichung nur sehr langsam
vollziehen, 2011 wird der Rentenwert Ost immer noch 11,8 Prozent unter dem
Wert West liegen. Dabei müssten die Interessen der Beitragszahler und Rentner
in Ost und West berücksichtigt werden.

Daneben beklagen verschiedene Berufsgruppen aus der ehemaligen DDR, dass
Besonderheiten des DDR-Rentenrechts, die ihnen besondere Ansprüche ver-
schafft hatten, nicht ausreichend bei der Rentenüberleitung berücksichtigt wur-
den. Es stellt sich hier die Frage, ob das Entfallen dieser rentenrechtlichen
Sonderregelungen durch das Ziel eines einheitlichen Rentenrechts und die dar-
gestellte Hochwertung der Löhne und damit auch der Renten in den neuen
Bundesländern gerechtfertigt werden kann. Folgende Gruppen seien hier bei-
spielhaft genannt, deren rentenrechtlichen Sonderansprüche nicht in das gesamt-
deutsche Rentenrecht übernommen wurden:

Angehörige des so genannten mittleren medizinischen Personals verweisen
darauf, dass die im DDR-Rentenrecht für diese Gruppe vorgesehenen besonde-
ren Steigerungssätze nicht in die Rentenberechnung nach SGB VI aufgenom-
men wurden. Für diese Steigerungssätze wurden keine Beiträge entrichtet. Ge-
fordert wird nun eine rentenrechtliche Beachtung dieser Steigerungssätze.

Verschiedene Berufsgruppen der technischen Intelligenz wurden in der DDR
nicht in einem Zusatzversorgungssystem berücksichtigt und dieser Nachteil
spiegelt sich heute in ihrer Rentenberechnung nach SGB VI wider. Sie fordern,
dass auch sie gestellt werden, als ob sie einem Zusatzversorgungssystem in der
DDR angehört hätten.

Ehemalige Professoren aus der DDR, die nach 1991 im Dienst übernommen
wurden, beklagen, dass ihre Altersversorgung gegenüber den bis 1996 aus-
geschiedenen Professoren niedriger ausfällt.

In der ehemaligen DDR geschiedene Personen haben nach DDR-Recht keinen
Versorgungsausgleich erhalten. Sie fordern, vergleichbar mit bundesdeutschem
Recht behandelt zu werden und ebenfalls zusätzliche Rentenanwartschaften, aus
einem nachgeholten Versorgungsausgleich, zu erhalten.

Es gibt daneben zahlreiche weitere Gruppen von Versicherten, die sich von den
Regeln des Rentenüberleitungsgesetzes und der Nichtbeachtung ihrer zu DDR-
Zeiten festgeschriebenen Ansprüche in ihren Rechten verletzt sehen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie bewertet die Bundesregierung den Stand der Rentenüberleitung im Jahr
2008, insbesondere hinsichtlich der langsamen Angleichung der Rentenwerte
und der Löhne in den letzten Jahren sowie der damit einhergehenden Lohn-
hochwertung nach Anlage 10 zum SGB VI?

2. Plant die Bundesregierung, den Rentenwert Ost wie bisher gesetzlich vorge-
sehen über die Lohnentwicklung anzupassen, oder soll er künftig nach einer
anderen Methodik schneller an den Rentenwert West angepasst werden?

3. Ist das 1992 eingeführte System der Hochwertung von Löhnen in den neuen
Bundesländern bei gleichzeitig niedrigerem Rentenwert Ost 18 Jahre nach
der Einheit nach Ansicht der Bundesregierung ein System, das auch in den
nächsten Jahren beibehalten werden sollte?

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4. Wann wird es nach Ansicht der Bundesregierung zu einer Angleichung der
Rentenwerte in Ost und West kommen, wenn man das heutige System bei-
behält?

5. Wie rechtfertigt es sich, dass es auch in den alten Bundesländern struktur-
schwache Regionen gibt, für die aber keine solche Hochwertung der Löhne
bei niedrigerem Rentenwert vorgenommen wird?

6. Welchen Grund gibt es dafür, dass man für einen gleich hohen Renten-
versicherungsbeitrag in den neuen Bundesländern einen höheren Renten-
anspruch erhält als in den alten Bundesländern?

7. Wie würde es sich nach Ansicht der Bundesregierung auf die Höhe der
Renten auswirken, die auf Entgeltpunkten Ost beruhen, wenn der Renten-
wert Ost an den Rentenwert West angeglichen würde und zugleich die
Hochwertung der Löhne nach Anlage 10 zum SGB VI entfiele?

8. Beträfe dies auch Entgeltpunkte und Renten, die zu DDR-Zeit erworben
wurden?

9. Wie hoch war nach heutiger Rechtslage die Bruttorente eines Standard-
rentners (Durchschnittsverdienst, 45 Beitragsjahre) in den neuen Bundes-
ländern im Jahr 2007, und wie hoch wäre sie, wenn man stattdessen für
das Jahr 2007 den Rentenwert Ost an den Rentenwert West angleichen und
dafür die Hochwertung der Löhne nach Anlage 10 zum SGB VI entfallen
lassen würde?

10. Einen wie hohen monatlichen und jährlichen Rentenanspruch erwarb je-
mand, der in den neuen Bundesländern im Jahr 2006 sozialversicherungs-
pflichtig arbeitete, dabei 2 500 Euro monatlich verdiente und Anfang 2007
in Rente ging (Rentenanspruch also nur für die Beiträge in diesem einen
Jahr 2006, unterstellt die Voraussetzungen für eine gesetzliche Rente seien
ansonsten gegeben)?

11. Welchen Rentenanspruch für diese Beiträge im Jahr 2006 erwarb eine
Person mit dem gleichen Gehalt, wenn sie in den alten Bundesländern arbei-
tete?

12. Wie hoch waren die Ansprüche in den beiden vorangehenden Fragen, wenn
sie den Verdienst für 2007 und Rentenzugang im ersten Halbjahr 2008 be-
treffen?

13. Wie hoch ist die Rente eines Versicherten, der jährlich den Durchschnitts-
lohn West verdiente, bzw. 80 Prozent oder 120 Prozent davon, wenn er
18 Jahre lang in den neuen bzw. alten Bundesländern einzahlte und im ers-
ten Halbjahr 2008 in Rente ging?

14. In welchen rentenrechtlichen Bereichen sind noch Verfahren vor welchen
Gerichten anhängig von Gruppen, die sich durch die Rentenüberleitung be-
nachteiligt fühlen?

15. Ist die Bundesregierung der Auffassung, die Rentenansprüche der ehemals
im Gesundheits- und Sozialwesen Beschäftigten seien in zufriedenstellen-
der Weise mit dem Rentenüberleitungsgesetz berücksichtigt worden, ins-
besondere trotz der nicht übernommenen besonderen Steigerungssätze des
DDR-Rentenrechts, und wie begründet die Bundesregierung ihre Auf-
fassung?

16. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Rentenüberleitung die
Rentenanwartschaften und Rentenansprüche der ehemaligen Mitglieder des
Balletts der ehemaligen DDR ausreichend berücksichtigt und ihnen eine
ausreichende Versorgungslage gewährleistet, und wie begründet die Bun-
desregierung ihre Auffassung?

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17. Plant die Bundesregierung hier Änderungen zu Gunsten der Betroffenen?

18. Sieht die Bundesregierung die Altersversorgung der Professorinnen und
Professoren, die nach der Wiedervereinigung im Dienst übernommen wur-
den und erst nach 1996 in Rente gehen als ausreichend und zufriedenstel-
lend geregelt an, trotz der Tatsache, dass die Betroffenen sich über einen
Altersversorgungsgrad von nur 30 bis 40 Prozent gegenüber 70 Prozent
ihrer Kollegen in den alten Bundesländern und den ebenfalls besser versorg-
ten Kollegen, die nach 1990 nicht übernommen wurden, beschweren?

19. Wie begründet die Bundesregierung ihre Auffassung und plant die Bundes-
regierung in diesem Bereich Veränderungen zu Gunsten der Betroffenen?

20. Strebt die Bundesregierung eine einheitliche Regelung der Altersversor-
gung für Angehörige der ehemaligen technischen Intelligenz der DDR an,
oder will sie die gegenwärtige Rechtslage bestehen lassen, nach der grund-
sätzlich nur für solche Angehörige der ehemaligen technischen Intelligenz
der DDR eine Zusatzversorgung anerkannt wird, die auch zu DDR-Zeiten
in eine Zusatzversorgung einbezogen waren oder hätten einbezogen werden
müssen, und wie begründet die Bundesregierung ihre Haltung?

21. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Rentenansprüche der ehe-
mals in der Braunkohleveredelung der DDR Tätigen im heutigen Renten-
recht ausreichend berücksichtigt werden, und wie begründet die Bundes-
regierung ihre Auffassung?

22. Plant die Bundesregierung hier Änderungen?

23. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Versorgungslage der ehe-
maligen Reichsbahner zufriedenstellend geregelt ist, und wie begründet die
Bundesregierung ihre Auffassung?

24. Plant die Bundesregierung hier Veränderungen zu Gunsten der Betroffenen?

25. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Hochwertung der Löhne
nach Anlage 10 zum SGB VI es rechtfertigen kann, dass die genannten Be-
sonderheiten des DDR-Rentenrechts nicht in das gesamtdeutsche Renten-
recht überführt wurden, und wie begründet die Bundesregierung ihre Auf-
fassung?

26. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele Petitionen seit der Wieder-
vereinigung zum Themenbereich „Rentenüberleitung“ eingereicht worden
sind?

27. Ist der Bundesregierung bekannt, wie viele dieser Verfahren im Ergebnis
positiv beschieden worden sind, wie viele gegenwärtig noch offen sind, und
welche Bereiche betreffen sie speziell?

Berlin, den 13. Februar 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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