BT-Drucksache 16/81

Gefährdung der Pressefreiheit

Vom 23. November 2005


Deutscher Bundestag Drucksache 16/81
16. Wahlperiode 23. 11. 2005

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke und der Fraktion DIE LINKE.

Gefährdung der Pressefreiheit

Offenkundig illegale Abhör- und Beschattungsmethoden des Bundesnachrich-
tendienstes (BND) haben zu einer starken Beunruhigung in der Öffentlichkeit
über die Gefährdung der Pressefreiheit geführt. Wie bekannt wurde, hat der
BND in der Vergangenheit mehrfach Journalisten bis in ihre Privatsphäre hinein
observiert. 1993 geriet der Leiter des Instituts für Friedensforschung in Weil-
heim ins Visier des Geheimdienstes. Über einen noch unbekannten Zeitraum
hinweg hat der BND nach Angaben des Leiters dieses Instituts 50 bis 60 Jour-
nalisten und Wissenschaftler, die das Institut aufsuchten, erfasst, identifiziert
und wenigstens einige von ihnen noch über Monate hinweg beschattet (SPIE-
GEL ONLINE, 14. November 2005). Dabei sollen sich die Geheimdienstmitar-
beiter als Beamte des Landeskriminalamtes ausgegeben haben.

Nach Medienberichten soll es in den Jahren 1997 und 1998 noch weitere Fälle
gegeben haben, in denen der BND mit geheimdienstlichen Methoden gegen
Journalisten vorging. Außerdem soll es die Praxis geben, dass der Geheimdienst
Mitarbeiter in verschiedenen Redaktionen führt, die gezielt mit Informationen
beliefert werden, an deren Lancierung der BND ein Interesse hat.

Staatliche Eingriffe in die Pressefreiheit beklagt auch der Deutsche Journalisten-
Verband (DJV), nach dessen Angaben es im Zeitraum von 1987 bis 2000 insge-
samt 150 Überwachungsoperationen gegen Journalisten gegeben hat. Der DJV
verabschiedete deswegen auf seiner Verbandstagung am 9. November 2005 eine
Resolution, in der es heißt: „Politiker und Staatsanwälte missbrauchen zuneh-
mend ihre Macht durch tiefe Eingriffe in das verfassungsrechtliche Gut der Pres-
sefreiheit.“

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchem Umfang wurde in den 1990er Jahren gegen das Weilheimer
Institut für Friedensforschung bzw. seinen Leiter ermittelt?

a) Wie viele Ermittler waren an den Maßnahmen beteiligt?

b) Über welchen Zeitraum erstreckten sich die Maßnahmen?

c) Welche Methoden wurden genau eingesetzt?
2. Gegen wie viele weitere Personen wurden im Zusammenhang mit diesen
Maßnahmen ebenfalls geheimdienstliche Ermittlungen geführt?

a) Was war jeweils der Anlass für die Aufnahme dieser Personen in die Maß-
nahmen?

b) Über welchen Zeitraum erstreckten sich die Maßnahmen?

Drucksache 16/81 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

c) Welche Methoden wurden dabei eingesetzt?

d) Wie viele Ermittler waren daran beteiligt?

3. Welche Kosten sind insgesamt durch den Einsatz gegen das Weilheimer
Institut für Friedensforschung bzw. dessen Leiter entstanden (bitte auf-
schlüsseln)?

4. Trifft es zu,

a) dass sich Mitarbeiter des BND gegenüber Dritten als Angehörige des
bayerischen Landeskriminalamtes ausgegeben haben, um die Operation
gegen das Weilheimer Institut durchführen zu können (DER SPIEGEL
46/2005);

b) dass Mitarbeiter des BND gefälschte Dienstausweise des bayerischen
Innenministeriums benutzt haben, um von einem Einwohnermeldeamt
ein Passbild eines beschatteten Journalisten ausgehändigt zu erhalten
(DER SPIEGEL 46/2005)?

5. Waren an der damaligen Aktion Polizeidienststellen beteiligt, und wenn ja,
in welcher Form?

6. Waren das Kanzleramt sowie das Bundesinnenministerium von den Maß-
nahmen gegen das Weilheimer Institut unterrichtet?

7. Trifft es zu, dass der derzeitige BND-Präsident, August Henning, bereits
Ende Juli 2005 von diesen Maßnahmen unterrichtet worden ist?

Wenn ja,

a) warum wurden bis heute weder juristische noch disziplinarische Schritte
eingeleitet,

b) warum wurde die Öffentlichkeit durch den BND-Präsidenten nicht früh-
zeitig von diesem Skandal informiert?

8. Trifft es zu, dass das Weilheimer Institut im Jahr 1994 auf Veranlassung des
BND vom Finanzamt einer Steuertiefenprüfung unterzogen wurde?

9. Trifft es zu, dass der damalige BND-Präsident, Konrad Porzner, aus Anlass
der Überwachungsmaßnahmen gegen das Weilheimer Institut ein Rechts-
gutachten in Auftrag gegeben hat (DER SPIEGEL 46/2005), und wenn ja,
was ist der Inhalt dieses Gutachtens?

10. a) Ist die Bundesregierung der Ansicht, die Operationen gegen das Weil-
heimer Institut für Friedensforschung seien von der damals gültigen
Rechtslage gedeckt gewesen?

Wenn ja, bitte begründen.

Wenn nein, welche juristischen und disziplinarischen Schritte will die
Bundesregierung einleiten?

b) Welche Rechtsgrundlage besteht nach Ansicht der Bundesregierung für
die Anwendung nachrichtendienstlicher Methoden seitens des BND ge-
gen Journalisten im Inland?

c) Welche internen Vorschriften gibt es im BND für die Anwendung nach-
richtendienstlicher Methoden gegen Journalisten im Inland?

11. Trifft es zu, dass der BND in den Jahren 1997 und 1998 über Quellen
im Medienbereich verfügte, denen im Austausch für eine im Interesse des
BND liegende Berichterstattung Informationen zugespielt wurden (DER
SPIEGEL 46/2005)?
12. Wie viele Journalisten wurden im Zeitraum seit 1993 vom BND als infor-
melle Mitarbeiter angeworben?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/81

13. Verfügt der BND auch heute noch über Ansprechpartner im Medienbereich,
von denen er Informationen bezieht?

Wenn ja,

a) um wie viele handelt es sich;

b) welche Gegenleistungen erhalten diese Kontaktpersonen dafür;

c) auf welcher Rechtsgrundlage und welchen internen Vorschriften basiert
diese Zusammenarbeit;

d) ist es zutreffend, dass Journalisten auch auf andere Journalisten angesetzt
werden und dem BND Informationen über diese zukommen lassen?

14. Hat die Obervierung von Journalisten jemals nachweisbar zur Aufklärung
von Straftatbeständen geführt?

Wenn ja, bitte darlegen.

15. Trifft es zu, dass zu den vom BND beschatteten Personen auch der damalige
Mitarbeiter der Hanns-Seidel-Stiftung W. S. gehörte (DER SPIEGEL
46/2005)?

Wenn ja, was wurde diesem vorgeworfen, und welche Maßnahmen wurden
gegen ihn durchgeführt?

16. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass angesichts der bisher ausge-
bliebenen strafrechtlichen Schritte gegen die an illegalen Operationen betei-
ligten BND-Mitarbeiter sowie weitere Mitwisser grundlegende Änderungen
hinsichtlich der parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste sowie die
Schaffung eindeutiger Straftatbestände erforderlich sind, um die Pressefrei-
heit zu sichern?

17. Wie häufig haben Bundes- und Landesbehörden im Zeitraum seit 2002 bei
Journalisten

a) das Telekommunikationsgeheimnis verletzt,

b) das Postgeheimnis verletzt,

c) Hausdurchsuchungen vorgenommen?

18. Beabsichtigt die Bundesregierung, die noch vorhandenen Unterlagen über
die BND-Maßnahmen gegen Journalisten zu veröffentlichen

(wenn nein oder wenn nur teilweise Veröffentlichung geplant ist, bitte be-
gründen)?

Berlin, den 23. November 2005

Ulla Jelpke
Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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