BT-Drucksache 16/8098

Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland

Vom 13. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8098
16. Wahlperiode 13. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Christoph Waitz, Hans-Joachim Otto (Frankfurt), Dr. Karl
Addicks, Christian Ahrendt, Uwe Barth, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst,
Ernst Burgbacher, Patrick Döring, Ulrike Flach, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff,
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Elke Hoff,
Hellmut Königshaus, Gudrun Kopp, Heinz Lanfermann, Sibylle Laurischk,
Harald Leibrecht, Ina Lenke, Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt,
Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz,
Jörg Rohde, Frank Schäffler, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Dr. Rainer
Stinner, Florian Toncar, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Martin Zeil, Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland

Im Jahr 2008 werden wesentliche medienpolitische Weichenstellungen vorge-
nommen. Dazu gehören die im Kompromiss der Europäischen Kommission mit
der Bundesrepublik Deutschland im Dezember 2006 vereinbarte Definition des
öffentlich-rechtlichen Auftrages und die zukünftige Ausgestaltung der Finan-
zierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Die Ministerpräsidenten haben auf ihrer Tagung im September 2007 beschlos-
sen, das Finanzierungsmodell der Rundfunkfinanzierung weiterzuentwickeln.
Zwei Modelle sind Teil der Schlussberatungen: Zum einen die sogenannte
Haushaltsabgabe und zum anderen eine in Anlehnung an das bestehende Finan-
zierungsmodell modifizierte gerätebezogene Rundfunkgebühr. Die Steuerfinan-
zierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und die allgemeine und personen-
bezogene Medienabgabe wurden dagegen verworfen.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 11. September 2007 ein Urteil
über das Verfahren der Festsetzung der Rundfunkgebühren verkündet. Darin
stellt das BVerfG unter anderem fest:

„Das bedeutet aber weder, dass gesetzliche Programmbegrenzungen von vorn-
herein unzulässig wären, noch, dass jede Programmentscheidung einer Rund-
funkanstalt finanziell zu honorieren wäre (vgl. BVerfGE 90, 60 <92>). In der
Bestimmung des Programmumfangs sowie in der damit mittelbar verbundenen
Festlegung ihres Geldbedarfs können die Rundfunkanstalten nicht vollständig
frei sein. Denn es ist ihnen verwehrt, ihren Programmumfang und den damit
mittelbar verbundenen Geldbedarf (vgl. BVerfGE 87, 181 <201>) über den
Rahmen des Funktionsnotwendigen hinaus auszuweiten. […]

„Der Gesetzgeber kann die Funktion des öffentlichrechtlichen Rundfunks in
abstrakter Weise festlegen und damit auch den Finanzbedarf umgrenzen (vgl.
BVerfGE 90, 60 <95>).“

Drucksache 16/8098 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die Bundesrepublik Deutschland – und damit die für Angelegenheiten des
Rundfunks zuständigen Länder – muss bis 2009 den Auftrag des öffentlich-
rechtlichen Rundfunks präzise definieren, um dem Kompromiss mit der Euro-
päischen Kommission im Beihilfestreit in einem grundlegenden Punkt mit
Inkrafttreten des 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrags nachzukommen. ARD
und ZDF haben sich in diesem Kompromiss verpflichtet, die Wahrnehmung
öffentlich-rechtlicher Aufgaben und wirtschaftliche Betätigung klarer zu tren-
nen. Ein Drei-Stufen-Test (Public-Value-Test) soll zukünftig klären, ob ein
Angebot dem öffentlich-rechtlichen Grundversorgungsauftrag entspricht, einen
gesellschaftlichen Mehrwert bedeutet und somit aus Gebührenmitteln finan-
ziert werden darf.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Sollte nach Ansicht der Bundesregierung an dem derzeitigen gerätebezoge-
nen Rundfunkgebührenmodell mit Einzug der Gebühren durch die Gebüh-
reneinzugszentrale (GEZ) festgehalten werden, und wie begründet die Bun-
desregierung ihre Einschätzung?

2. Teilt die Bundesregierung die Meinung, dass es vorteilhafter wäre, das
Modell der derzeit bestehenden gerätebezogenen Rundfunkgebühr beizube-
halten, damit das Rundfunkgebührenmodell nicht als neue Beihilfe gegen-
über der Europäischen Kommission notifizierungspflichtig wird, und wel-
che Begründung liegt dieser Auffassung zugrunde?

3. Welches Modell der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks be-
vorzugt die Bundesregierung, und mit welcher Begründung fiel die Wahl auf
dieses Modell?

4. Warum ist eine allgemeine, personenbezogene Medienabgabe nicht mehr
Gegenstand der Beratungen?

5. Hält die Bundesregierung die derzeitige Höhe der Rundfunkgebühr, die laut
Bericht der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkan-
stalten (KEF) zum 1. Januar 2009 um 0,95 Euro auf 17,98 Euro steigt, in
Zeiten, in denen die Bürgerinnen und Bürger wegen hoher Steuerlast und
hoher Inflation Nettolohnverluste hinnehmen müssen, für angemessen, und
welche Begründung liegt dem zugrunde?

6. Sollen nach dem Willen der Bundesregierung weiterhin Privatpersonen und
Gewerbetreibende der Rundfunkgebührenpflicht unterfallen, und welche
Begründung liegt dem zugrunde?

7. Sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit, weiterhin an der Überprüfung
der Bürgerinnen und Bürger durch die Rundfunkgebührenbeauftragten der
Rundfunkanstalten festzuhalten, und wenn ja, aus welchen Gründen?

8. Hat die Bundesregierung bereits ein Konzept für die anstehenden medien-
politischen Entscheidungen, die sich insbesondere aus dem Bundesverfas-
sungsgerichtsurteil vom 11. September 2007 und aus dem im Dezember
2006 mit der Europäischen Kommission geschlossenen Kompromiss zur
vorläufigen Beendigung des Beihilfeverfahrens über die Verwendung der
Rundfunkgebühren in Deutschland erstellt, und wenn ja, wie sieht dieses
Konzept aus?

9. In welcher Form hat sich die Bundesregierung bislang in die Verhandlungen
zum 11. Rundfunkänderungsstaatsvertrag und zur Umsetzung des mit der
Europäischen Kommission über die Verwendung der Rundfunkgebühren in
Deutschland geschlossenen Kompromisses eingebracht?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8098

10. Wie soll die Definition des öffentlich-rechtlichen Auftrages ausgestaltet
sein?

11. Unterstützt die Bundesregierung die abstrakte Festlegung des Auftrags für
den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, und welche Begründung liegt dieser
Auffassung zugrunde?

12. Führt die Neudefinition des öffentlich-rechtlichen Auftrags nach Ansicht
der Bundesregierung zu einer Um- und Begrenzung des Finanzbedarfs der
öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, und welche Begründung liegt
dieser Auffassung zugrunde?

13. Ist die Begrenzung des Finanzbedarfs der öffentlich-rechtlichen Rundfunk-
anstalten notwendig, und welche Gründe liegen der Auffassung der Bun-
desregierung zugrunde?

14. Gehört das Angebot von 22 Fernseh- und 56 Hörfunkprogrammen sowie
weiterer umfangreicher digitaler Angebote im Internet und via DVB-H und
DMB verbreitete Angebote durch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkan-
stalten noch zur Grundversorgung, und welche Begründung liegt der An-
sicht der Bundesregierung zugrunde?

15. Soll der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach Meinung der Bundesregie-
rung über einen möglichst weiten Auftrag oder einen engeren Auftrag ver-
fügen, und welche Begründung liegt dieser Ansicht zugrunde?

16. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sich der öffentlich-rechtliche
Rundfunk künftig stärker auf Kernaufgaben wie Kultur, Bildung und Infor-
mation konzentrieren sollte – und zwar auch in der Hauptsendezeit und in
den Hauptprogrammen –, und warum verfolgt die Bundesregierung diesen
Ansatz?

17. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass der öffentlich-rechtliche
Rundfunk – gleichsam eines Gegengewichts zum privaten Rundfunk –
50 Prozent der deutschen Programmangebote abdecken muss, soll dies im
neu zu definierenden Auftrag – mit allen finanziellen Folgen – zum Aus-
druck kommen, und warum ist die Bundesregierung dieser Auffassung?

18. Was muss die Bundesregierung für die Sicherung des Erfolgs der Digita-
lisierung im Rundfunkbereich – insbesondere in gesetzgeberischer und
wirtschaftlicher Sicht – unternehmen, und welche Maßnahmen sind hierzu
von Seiten der Bundesregierung geplant?

19. Sollte die Durchführung des so genannten Public-Value-Tests durch
externe, den Rundfunkanstalten nicht mittelbar oder unmittelbar zuzuord-
nende Experten überwacht werden, und welche Gründe liegen dieser Auf-
fassung zugrunde?

20. In welcher Form soll die kommerzielle Betätigung von ARD und ZDF
künftig kontrolliert werden?

21. In welchem Rahmen soll sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Zu-
kunft an externen Unternehmen beteiligen können?

22. Unterstützt die Bundesregierung die rein kommerzielle Betätigung und die
Beteiligung an externen Unternehmen durch die öffentlich-rechtlichen
Rundfunkanstalten, und welche Begründung liegt dem zugrunde?

23. Wie beurteilt die Bundesregierung die Pläne, elektronische Programmfüh-
rer und Plattformbetreiber einer Regulierung durch den Gesetzgeber zu
unterwerfen?

Drucksache 16/8098 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
24. Verstoßen ARD und ZDF durch ihre Digitalstrategien gegen den mit der
Europäischen Kommission ausgehandelten Kompromiss, der zur Einstel-
lung des Beihilfe-Verfahrens über die Verwendung von Rundfunkgebühren
in Deutschland führte, und welche Begründung liegt dieser Auffassung zu-
grunde?

25. Welche Regelungen sind im Entwurf des 11. Rundfunkänderungsstaatsver-
trags vorgesehen, um den Bedingungen des mit der Europäischen Kom-
mission gefundenen Kompromisses nachzukommen, und wie lautet der
Wortlaut?

26. Wie beurteilt die Bundesregierung die Initiative von EU-Wettbewerbskom-
missarin Neelie Kroes, einen konstruktiven Meinungsaustausch über die
Gestaltung des künftigen Rahmens für staatlichen Beihilfen für den öffent-
lich-rechtlichen Rundfunk zu schaffen?

Berlin, den 12. Februar 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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