BT-Drucksache 16/8097

Weitere Priorisierung des bewaffneten Such- und Rettungsdienstes (Combat Search and Rescue, CSAR)

Vom 13. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8097
16. Wahlperiode 13. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Elke Hoff, Birgit Homburger, Dr. Rainer Stinner, Dr. Karl
Addicks, Christian Ahrendt, Rainer Brüderle, Angelika Brunkhorst, Ernst
Burgbacher, Patrick Döring, Mechthild Dyckmans, Otto Fricke, Paul K. Friedhoff,
Dr. Edmund Peter Geisen, Hans-Michael Goldmann, Miriam Gruß, Joachim
Günther (Plauen), Dr. Christel Happach-Kasan, Heinz-Peter Haustein, Hellmut
Königshaus, Gudrun Kopp, Jürgen Koppelin, Heinz Lanfermann, Sibylle
Laurischk, Harald Leibrecht, Markus Löning, Horst Meierhofer, Patrick Meinhardt,
Jan Mücke, Burkhardt Müller-Sönksen, Dirk Niebel, Hans-Joachim Otto
(Frankfurt), Detlef Parr, Cornelia Pieper, Gisela Piltz, Jörg Rohde, Frank Schäffler,
Dr. Konrad Schily, Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Max Stadler, Florian Toncar,
Christoph Waitz, Dr. Claudia Winterstein, Dr. Volker Wissing, Hartfrid Wolff
(Rems-Murr), Dr. Guido Westerwelle und der Fraktion der FDP

Weitere Priorisierung des bewaffneten Such- und Rettungsdienstes
(Combat Search and Rescue, CSAR)

Zu den Kernaufgaben eines Staates gehört die Fähigkeit, eigene Staatsbürger
aus einer Bedrohung retten und befreien zu können. Dem trägt auch das „Weiß-
buch zur Sicherheitspolitik Deutschlands und zur Zukunft der Bundeswehr
2006“ als zentrales sicherheitspolitisches Dokument der Bundesregierung
Rechnung. Darin wird als Aufgabe der Bundeswehr ausdrücklich der Schutz der
Bundesrepublik Deutschland und seiner Bevölkerung sowie die Rettung und
Evakuierung von Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern benannt. Diese Kernauf-
gabe staatlichen Handelns darf nur in Ausnahmefällen durch Verbündete und
Partner wahrgenommen werden. Sie liegt in nationaler Verantwortung.

Von besonderer Bedeutung für eigene Kräfte im Einsatz ist die Fähigkeit des
bewaffneten Such- und Rettungsdienstes (Combat Search and Rescue, CSAR)
zur Rettung und Rückholung abgeschossener oder notgelandeter Luftfahrzeug-
besatzungen und Passagiere sowie versprengter Personen und für das Heraus-
lösen von Spezialkräften. Sie ist der hoch priorisierten Fähigkeitskategorie
„Überlebensfähigkeit und Schutz“ zugeordnet und dient damit unmittelbar der
erfolgreichen Abwehr von Gefahren für Leben und Gesundheit von Angehöri-
gen der Bundeswehr im Einsatz. Der Aufbau dieser Fähigkeit ist von streit-
kräftegemeinsamer Bedeutung, da hiermit gegebenenfalls auch ein ergänzender
Beitrag zur bewaffneten Rückführung sowie zu Spezialkräftemissionen geleis-
tet werden kann. Die Fähigkeit CSAR stellt aufgrund des hohen Anforderungs-
profils innerhalb der NATO und der EU eine kritische Ressource dar und erfuhr
bisher gemeinsam mit weiteren Projekten zur Verbesserung des Schutzes der
Soldaten im Einsatz laut Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage

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der Fraktion der FDP „CSAR-Fähigkeiten der Bundeswehr“ (Bundestagsdruck-
sachen 16/4254 und 4354) eine entsprechend hohe Priorisierung.

Die Bedeutung der bewaffneten Suche und Rettung beschreibt die von General-
inspekteur, General Wolfgang Schneiderhan, verantwortete Teilkonzeption
„Bewaffnete Suche und Rettung“ folgendermaßen: „Die Option zur Rettung
von über gegnerischem Gebiet abgeschossenen, notgelandeten oder verspreng-
ten Soldaten, die gegebenenfalls in Medien zu Propagandazwecken benutzt
oder als ,menschliche Schutzschilde‘ in der Nähe möglicher Ziele missbraucht
werden könnten, verhindert Erpressbarkeit und verbessert gleichzeitig die
Handlungsfähigkeit und -freiheit der politischen und militärischen Führung.“

Die Bundesrepublik Deutschland hat zur Bereitstellung dieser international kri-
tischen Ressource im Rahmen seiner internationalen Verpflichtungen in NATO
und EU seit dem Jahr 2003 bzw. 2005 die Rolle der Lead Nation übernommen.
Partner in NATO und EU verlassen sich daher darauf, dass die Bundesrepublik
Deutschland diese Fähigkeit in naher Zukunft zur Verfügung stellen wird.

Nach jetziger Planung bekommt die Bundeswehr erst mit der Einführung des
Helikopters NH 90 CSAR ein geeignetes Lufttransportmittel für den „bewaff-
neten Such- und Rettungsdienst.“ Der Zulauf des NH 90 verzögert sich auf-
grund technischer Probleme. In den letzten Jahren ist die Zahl der zu beschaf-
fenden NH 90, die für die Einrüstung von CSAR-Rüstsätzen vorgesehen sind,
schrittweise von 23 über 19 auf 12 Stück reduziert worden. Acht Rüstsätze sol-
len beschafft werden. Das Vorhaben NH 90 CSAR ist bisher weder vertragsreif
durch die Bundesregierung verhandelt worden, noch dem Parlament zur Billi-
gung vorgelegt worden. Die Bundesregierung stellte mit der Antwort auf die
Kleine Anfrage der Fraktion der FDP „CSAR-Fähigkeiten der Bundeswehr“
am 20. Februar 2007 fest, dass die Bundeswehr voraussichtlich ab 2011 eine
erste CSAR-Befähigung aufgebaut haben wird.

Der Sprecher des Bundesministeriums der Verteidigung (BMVg) behauptete in
einer Sprechermeldung vom 27. Januar 2008, die sich auf den in der „WELT am
SONNTAG“ erschienenen Artikel „Bundeswehr kann ihre Soldaten nicht retten“
bezog, dass die Priorität hinsichtlich des Aufbaus der luftgestützten deutschen
CSAR-Fähigkeit innerhalb des Gesamtprogramms NH 90 unverändert sei.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Trifft es zu, dass die ursprünglich für die Haushaltsjahre 2008 ff. vorgesehe-
nen Mittel für die Serienvorbereitung und -fertigung von CSAR-Rüstsätzen
im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2008 gestrichen wurden?

Wenn ja, wieso?

2. In welchem Stadium befinden sich die Verhandlungen über den NH 90
CSAR und den Rüstsätzen CSAR mit Eurocopter Deutschland (ECD)?

3. Welche Auswirkungen hat dies auf den Zulauf von NH 90 CSAR in die
Bundeswehr?

4. Hält die Bundesregierung die Behauptung der Sprechererklärung des BMVg
vom 27. Januar 2007 aufrecht, wonach die Priorität hinsichtlich des Aufbaus
der luftgestützten deutschen CSAR-Fähigkeit innerhalb des NH-90-Gesamt-
programms „unverändert“ bleibe, obwohl die ursprünglich für die Haus-
haltsjahre 2008 ff. vorgesehenen Mittel für die Serienvorbereitung und -fer-
tigung von CSAR-Rüstsätzen im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2008
gestrichen wurden?

5. Wann wird die Bundesrepublik Deutschland in der Lage sein, eigene Sol-
daten mit eigenen CSAR-Fähigkeiten zu suchen und zu retten?

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6. Wann ist mit einem Zulauf der ersten NH 90 CSAR zu rechnen, und wann
mit den ersten CSAR-Rüstsätzen?

7. Wieso ist mittlerweile mehrfach die Stückzahl des NH 90 CSAR reduziert
und sein Zulauf verschoben worden, obwohl die Fähigkeit nach Ansicht der
Bundesregierung hohe Priorität habe (vgl. Antwort 13 der Bundesregierung
auf die Kleine Anfrage der Fraktion der FDP vom 20. Februar 2007, Bun-
destagsdrucksache 16/4354 und Projektsteckbrief NH 90 CSAR, Vorberei-
tung der Vorberatung des Regierungsentwurfs Haushalt 2008/Einzelplan 14
vom 19. September 2007)?

8. Inwieweit wurde durch die Stückzahlreduzierung die CSAR-Auftragserfül-
lung qualitativ und quantitativ (level of ambition) reduziert?

9. Wie bewertet die Bundesregierung den Umstand, dass sich die Bundesrepu-
blik Deutschland bei der Aufgabe CSAR auf befreundete Nationen abstüt-
zen muss, angesichts der Tatsache, dass sie die Rolle der Führungsnation
für CSAR-Aufgaben innerhalb der NATO und der EU übernommen hat?

10. Plant die Bundesregierung durch die weiteren Verzögerungen beim NH 90
und der hohen Priorisierung eine Zwischen- oder Alternativlösung zum
NH 90 CSAR, und wenn nicht, warum?

11. Plant die Bundesregierung den behelfsmäßigen Einsatz von CH 53 GS,
SEA KING, SEA LYNX, UH-1D oder Bo-105 für CSAR-Aufgaben?

12. Warum wird aufgrund der hohen Priorisierung kein bereits am Markt ver-
fügbares und einsatzbewährtes System beschafft (z. B. EC 725)?

13. Wie bewertet die Bundesregierung den Verzicht der norwegischen Streit-
kräfte auf die vorgesehene Option für 10 NH 90 CSAR/SAR, und wie die
damit verbundene Neuausschreibung, und hat die Bundesregierung
Erkenntnisse, warum die norwegischen Streitkräfte auf die vorgesehene
Option verzichtet haben?

14. Welche Pläne haben andere NH-90-Nutzer im Bereich CSAR, und wie weit
sind diese vorangeschritten?

15. Bleibt die Bundesregierung bei ihrer Darstellung, dass im Bedarfsfall nur
über eigene Kräfte frei verfügt werden könne, um den im Einsatz befind-
lichen Luftfahrzeugbesatzungen die notwendige Sicherheit für eine Bergung
zu geben (vgl. Projektsteckbrief NH 90 CSAR, Vorbereitung der Vorbera-
tung des Regierungsentwurfs Haushalt 2008/Einzelplan 14 vom 19. Septem-
ber 2007)?

16. Wäre der NH 90 CSAR in seiner jetzigen Konfiguration in den aktuellen
Einsätzen der Bundeswehr uneingeschränkt, insbesondere unter Hot-and-
high-Bedingungen, einsatzfähig?

Wenn nein, welche Nachrüstungen sind notwendig, und was kosten diese?

17. Werden CSAR-Fähigkeiten für den kommenden Einsatz der deutschen
Quick Reaction Force (QRF) in Afghanistan benötigt, und wenn ja, wer
wird diese stellen?

18. Wer stellt zurzeit für die Bundesrepublik Deutschland in den laufenden
Einsätzen die CSAR-Fähigkeit zur Verfügung, und welche Kosten ent-
stehen der Bundesrepublik Deutschland durch diese Inanspruchnahme?

19. Welche Aufgaben kann die Kerngruppe CSAR bisher erfüllen?

Wann wird sie ihr volles Aufgabenspektrum abdecken können?

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20. Wie unterscheidet sich der NH 90 CSAR vom NH 90 TTH und dem
MH 90?

Über welche Komponenten verfügt bereits der für die CSAR-Rolle vorbe-
reitete NH 90, und was umfasst der CSAR-Rüstsatz?

21. Bis wann müssen Luftfahrzeugbesatzungen CSAR-Verfahren mit dem Bell
UH-1D üben, und wie hoch sind die Mehrkosten für die längere Indienst-
haltung dieses Waffensystems bis zur Einführung des NH 90 CSAR?

22. Wie weit ist der zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Frankreich
vereinbarte Aufbau eines gemeinsamen Zentrums der Europäischen Union
im Bereich CSAR vorangeschritten (vgl. Absatz III, Punkt 6, Erklärung von
Paris des deutsch-französischen Verteidigungsrates vom 22. Januar 2003)?

Berlin, den 13. Februar 2008

Dr. Guido Westerwelle und Fraktion

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