BT-Drucksache 16/8008

Antimuslimischer Rassismus und Rechtsextremismus

Vom 7. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8008
16. Wahlperiode 07. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Antimuslimischer Rassismus und Rechtsextremismus

In populistischen und rassistischen Kampagnen gegen „den Islam“ sieht die
extreme Rechte – nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland – aktuell ein
Erfolgsrezept für ihre Propaganda. Solche Kampagnen sollen als Eintrittsticket
von Rechtspopulisten und Rechtsextremen zur politischen Mitte dienen. So kon-
statierte die Studie „Deutsche Zustände 2006“ des Bielefelder Soziologen Wil-
helm Heitmeyer eine „steigende Islamophobie“ in der Bundesrepublik Deutsch-
land auch unter Gebildeten. Gut ein Viertel aller befragten Deutschen meinte,
Muslime sollten in Zukunft nicht mehr in die Bundesrepublik Deutschland zu-
wandern. Die Abwehr gegen den Islam zieht sich der Studie zufolge durch alle
Schichten (http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,455473,00.html).

Statt der platten Parole „Ausländer raus“ wird der Rassismus rechter und
rechtsextremer Gruppen oft hinter populistischen Parolen wie Verteidigung der
„deutschen Leitkultur“ und des „christlichen Abendlandes“ gegen „Islamisie-
rung“ und „Moscheebau“ versteckt. So hieß es in einem Demonstrationsaufruf
der NPD in Hessen zum 20. Oktober 2007: „Stoppt die Islamisierung Deutsch-
lands – Keine Großmoschee in Frankfurt-Hausen!“ (http://www.kleve.npd.de).

In Berlin versuchte die NPD, innerhalb der Protestbewegung gegen den
Moscheebau in Heinersdorf ihre Positionen zu artikulieren.

Die vom Kölner Ratsherr der extrem rechten Gruppierung „Pro Köln“ Manfred
Rouhs gegründete Partei „Pro NRW“ mit Ablegern in fast einem Dutzend nord-
rhein-westfälischen Kommunen will sich als „Anti-Islam-Partei“ etablieren. In
München macht eine „Bürgerbewegung Pro München“ Wahlkampf mit dem
Widerstand gegen den Bau einer Moschee im Stadtteil Sendling. Die im Januar
2005 gegründete „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ unter dem Vorsitz von
Pro-Köln-Ratsherr Manfred Rouhs dient als bundesweiter Dachverband dieser
Gruppierungen. Wo keine neuen Moscheen geplant seien, werde halt gegen die
bestehenden gekämpft, erklärte Pro-NRW-Funktionär Markus Beisicht. Der
nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hält einen Erfolg der antiislamischen
Kampagne von „Pro NRW“ und ähnlichen Gruppierungen für möglich und
glaubt, dass diese im Westen der Bundesrepublik Deutschland bei Wahlen die
NPD überflügeln könnten (Spiel mit der Angst, DER SPIEGEL 1/2008).

Gegen Moscheenbau in der Bundesrepublik Deutschland engagiert sich auch

der als Dachverband entsprechender Bürgerinitiativen gegründete Bundesver-
band der Bürgerbewegungen zur Bewahrung von Demokratie, Heimat und
Menschenrechten (BdB e. V.).

Neben parteipolitischen Projekten mit explizit antiislamischer Ausrichtung und
Bürgerinitiativen gegen Moscheeneubauten gibt es eine zunehmende Zahl
islamkritischer Internetseiten, auf denen häufig in rassistischer, beleidigender,

Drucksache 16/8008 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

hasserfüllter und oft gewaltverherrlichender Weise gegen Muslime und den
Islam sowie generell gegen Migranten aus Ländern des Nahen und Mittleren
Ostens gehetzt wird. Insbesondere das Weblog „Politically Incorrect“ (http://
www.pi-news.net/) ist mit seinen nach eigenen Angaben 10 000 bis 20 000 täg-
lichen Besuchern zu einem zentralen Forum der Islamhasser in der Bundes-
republik Deutschland geworden. So malen sich Kommentatoren des Blogs aus,
H-Bomben über Mekka und Medina abzuwerfen, nachdem sie „jeden Moslem,
der sich anmaßt, ehemals christlichen Boden mit seiner Existenz zu beflecken“,
niedergemacht haben (Freier Hass für freie Bürger, Frankfurter Allgemeine
Sonntagszeitung, 21. Oktober 2007).

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Stellenwert hat nach Kenntnis der Bundesregierung die Agitation
gegen Muslime, den Islam oder Moscheeneubauten bei Rechtsextremen in
der Bundesrepublik Deutschland (bitte auch nach Organisationen aufschlüs-
seln)?

2. Trifft nach Einschätzung der Bundesregierung die von der Studie „Deutsche
Zustände 2006“ ausgemachte „steigenden Islamophobie“ in der Bundes-
republik Deutschland zu?

a) Wenn ja, sieht die Bundesregierung darin eine Gefährdung des öffent-
lichen Friedens, des friedlichen Zusammenlebens der Menschen und des
Grundrechts auf Religionsfreiheit?

b) Wenn ja, welche Maßnahmen gedenkt die Bundesregierung gegen eine
anwachsende Islamophobie in der Bundesrepublik Deutschland zu ergrei-
fen?

3. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse hat die Bundesregierung
über die Beteiligung rechtsextremer Gruppierungen an Bürgerinitiativen und
Protesten gegen den Bau von Moscheen in der Bundesrepublik Deutschland
(bitte aufschlüsseln nach Ort, Anlass, Zeitpunkt, beteiligten Gruppierungen)?

4. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen der Bundesregie-
rung über die „Bürgerbewegung Pro Deutschland“ sowie den darin zusam-
mengeschlossenen Gruppierungen vor?

a) Welche einzelnen Gruppierungen oder Untergliederungen gehören nach
Informationen der Bundesregierung zur Bürgerbewegung Pro Deutsch-
land, und über wie viele Mitglieder verfügen diese?

b) Wie ist nach Informationen der Bundesregierung das Verhältnis von Pro
Deutschland zur Bürgerbewegung Pro NRW einzuschätzen?

c) Sind der Bundesregierung Äußerungen rassistischen oder volksverhetzen-
den Charakters durch Funktionäre oder in Veröffentlichungen der Bürger-
bewegung Pro Deutschland sowie den darin zusammengeschlossenen
Gruppierungen bekannt, und wenn ja, welche, wann, und von wem?

d) Bestehen nach Erkenntnissen der Bundesregierung Kontakte der Bürger-
bewegung Pro Deutschland zu rechtsextremen Einzelpersonen, und wenn
ja, zu welchen?

e) Inwieweit sieht die Bundesregierung Anhaltspunkte, dass sich die Aktivi-
täten der Bürgerbewegung Pro Deutschland und ihrer angeschlossenen
Organisationen und Äußerungen ihrer Funktionäre und Mitlieder gegen
das friedliche Zusammenleben der Menschen in der Bundesrepublik
Deutschland, die Völkerverständigung oder gegen das Grundrecht auf
Religionsfreiheit richten oder geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu
gefährden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8008

5. Welche verfassungsschutzrelevanten Erkenntnisse liegen der Bundesregie-
rung über den Bundesverband der Bürgerbewegungen zur Bewahrung von
Demokratie, Heimat und Menschenrechten (BdB e. V.) vor?

a) Wie viele und welche Gruppierungen mit welcher Mitgliederzahl gehören
nach Informationen der Bundesregierung dem BdB an?

b) Welche Aktivitäten des BdB sind der Bundesregierung bekannt (bitte auf-
schlüsseln nach Ort, Zeitpunkt, Art der Veranstaltung, Teilnehmerzahl)?

c) Sind der Bundesregierung Äußerungen rassistischen oder volksverhetzen-
den Charakters durch Funktionäre oder in Veröffentlichungen des BdB
bekannt, und wenn ja, welche, wann, und von wem?

d) Bestehen nach Erkenntnissen der Bundesregierung Kontakte des BdB zu
rechtsextremen Organisationen oder rechtsextremen Einzelpersonen, und
wenn ja, zu welchen?

e) Inwieweit sieht die Bundesregierung Anhaltspunkte, dass sich die Aktivi-
täten des BdB und Äußerungen seiner Funktionäre und Mitlieder gegen
das friedliche Zusammenleben der Menschen in der Bundesrepublik
Deutschland, die Völkerverständigung oder gegen das Grundrecht auf
Religionsfreiheit richteten oder geeignet sind, den öffentlichen Frieden zu
gefährden?

6. Welche deutschsprachigen Internetportale, in denen in hasserfüllter, gewalt-
verherrlichender, rassistischer oder fremdenfeindlicher Weise gegen Muslime
oder den Islam gehetzt wird, sind der Bundesregierung bekannt?

a) Welche Verbreitung haben diese Internetportale?

b) Sind der Bundesregierung einschlägige Strafverfahren gegen die Verant-
wortlichen dieser Internetseiten bekannt, und wenn ja, welche?

c) Inwieweit sieht die Bundesregierung eine Gefährdung des öffentlichen
Friedens durch derartige Internetseiten?

7. Inwieweit sind der Bundesregierung antimuslimische, rassistische und ge-
waltverherlichende Äußerungen des Internetportals Politically Incorrect be-
kannt?

a) Hält die Bundesregierung derartige Äußerungen für geeignet, den öffent-
lichen Frieden oder das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören?

b) Hat die Bundesregierung Kenntnis von Anzeigen gegen das Internetportal
Politically Incorrect, und wenn ja, was waren die Gründe für die Anzei-
gen, und wie viele waren es?

c) Welche Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, gegen strafrechtlich
relevante Äußerungen auf dem Internetportal Politically Incorrect vorzu-
gehen?

Berlin, den 1. Februar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.