BT-Drucksache 16/8006

Gefährdung des Mittelmoseltals durch den Bau der B 50neu im Bereich Bernkastel-Kues

Vom 7. Februar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/8006
16. Wahlperiode 07. 02. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Lutz Heilmann, Dorothee Menzner, Alexander Ulrich und der
Fraktion DIE LINKE.

Gefährdung des Mittelmoseltals durch den Bau der B 50neu im Bereich
Bernkastel-Kues

Um eine direkte Verbindung zwischen den belgischen und niederländischen
Häfen ins Rhein-Main-Gebiet und weiter nach Osteuropa zu schaffen, erfolgten
bereits in der Vergangenheit Teilausbauten der Straßeninfrastruktur in Belgien.
In der Bundesrepublik Deutschland wurde der Teilabschnitt der A 60 ergänzt
und über das Bundesautobahn (BAB)-Kreuz Wittlich (Kreis Bernkastel-Witt-
lich, Rheinland-Pfalz) an die A 1 angeschlossen. Der wirtschaftliche Nutzen
dieser Infrastrukturausbauten soll sich aber erst mit einer durchgehenden Ver-
bindung zur A 60 ergeben. Es ist geplant, diese Verbindung im Anschluss an
das BAB-Kreuz Wittlich über eine Bundesfernstraße (B 50neu), einschließlich
eines Brückenbauwerks (Hochmoselübergang zwischen Zeltingen-Rachtig und
Ürzig), weiterzubauen und über den so genannten Zubringer Longkamp an die
bestehende, im Ausbau befindliche B 50 anzubinden. Vom Autobahnkreuz
Wittlich bis Platten besteht bereits Baurecht. Ein ergänzender Planfeststellungs-
beschluss für das Teilstück von Platten bis Longkamp ist am 28. Dezember
2000 ergangen und gilt zurzeit in der Fassung vom 26. Oktober 2006 ergänzt
am 7. November 2007. Der Trassenentwurf sieht vor, dass die B 50neu durch
die Wittlicher Senke, dann ansteigend in offener Tunnelbauweise über die
Moselhöhe bei Ürzig über den Hochmoselübergang auf dem „Moselsporn“ auf
der anderen Moselseite weitergeführt wird. In diesem Bauabschnitt an der Mit-
telmosel liegt eines der bedeutenden Weinanbaugebiete der Bundesrepublik
Deutschland, sowohl in wirtschaftlicher, touristischer und kultureller Hinsicht.
Auf gut 6 000 Hektar werden etwa 65 Prozent des Weinbauertrags an Mosel,
Saar, Ruwer erwirtschaftet.

Die gewählte Trassenführung über den Weinhängen birgt jedoch eine große
Gefahr für Bevölkerung und Wirtschaft. Die Weinbauhänge auf der rechten
Moselseite unterhalb des Plateaus (Moselsporn) sind durch hydrologische Ein-
wirkungen instabil. Dem Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz
sind „Probleme mit Rutschungen und Felsstürzen an der Mittelmosel bekannt“
(http://www.lgb-rlp.de/mittelmosel.98.html). In der Veröffentlichung wird da-
vor gewarnt, dass diese Rutschungen bei Straßenbaumaßnahmen erhebliche

Schäden und Mehrkosten in Millionenhöhe verursachen würden. Eine 2005 vom
besagten Landesamt für Geologie vorgelegte aktuelle „Hangstabilitätskarte“ be-
legt diese geomorphologischen Verwerfungen in diesem Gebiet. In den letzten
zehn Jahren sind bereits eine Reihe von Stabilitätsmaßnahmen, insbesondere
oberhalb des Ortes Graach vorgenommen worden. In Graach sind zudem bereits
eine Reihe Häuser von ansässigen Winzern betroffen. Die Häuser weisen breite
Risse auf, verursacht durch permanente leichte Rutschungen der Hänge.

Drucksache 16/8006 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Die geplante B 50neu, die vierstreifig erstellt werden soll, ist auch für den
Schwerlasttransport (40-Fuß-Container) vorgesehen. Da der Hinterlandverkehr
für Seehäfen immer mehr an Bedeutung zunehmen wird, ist zu befürchten, dass
Schwerlastverkehr in großem Ausmaß zu erheblichen ständigen Erschütterun-
gen führen wird und dadurch die bestehenden Rutschungsaktivitäten innerhalb
der Weinhänge verstärken würde. Auch der Einsatz schwerer Baumaschinen in
der Bauzeit könnte die Hanginstabilitäten weiter befördern und zu Hangabrissen
führen.

Die im Moseltal liegenden Orte und die wirtschaftliche Existenz der Winzer sind
zudem von Bergbaurelikten mit hohen toxischen Belastungen von Blei, Kupfer,
Arsen und Anderem bedroht, die sich in den Hängen über der Mosel, überwie-
gend auf der Gemarkung von Bernkastel-Kues und Graach befinden. Diese
„ökotoxischen Schwermetalle im Abstrombereich von Bergbaurelikten im
Hunsrück“ (Ministerium für Umwelt und Forsten, Rheinland-Pfalz, 1999)
bedeuten vor allem dann eine weitere Gefährdung von Bevölkerung und
(Wein-)Wirtschaft, wenn ihre derzeitige Ruhe durch eine Mobilisation während
der Bauarbeiten gestört wird. Es steht zu befürchten, dass diese ökotoxikolo-
gischen Hinterlassenschaften dann nicht mehr im Boden gebunden bleiben, son-
dern freigesetzt werden. Das kann neben Bernkastel-Kues, Wehlen und Graach
möglicherweise auch die auf der anderen Seite der Hänge liegende Stadt Traben-
Trarbach betreffen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche besondere Bedeutung hat nach Auffassung der Bundesregierung der
Bau der B 50neu für die wirtschaftliche Entwicklung des Landkreises Bern-
kastel-Wittlich?

2. In welchem Planungsstand befinden sich die einzelnen Bauabschnitte, und
wann rechnet die Bundesregierung jeweils mit dem Vorliegen eines rechts-
kräftigen Planfeststellungsbeschlusses?

3. Welche aktuellen Kostenschätzungen liegen für den Bau der B 50neu ein-
schließlich des Hochmoselübergangs vor (Angaben insgesamt und für alle
Bauabschnitte getrennt)?

4. Wie hoch sind die Kosten für die aufwendige Gründung der Pfeiler des
Hochmoselübergangs im Ürziger Geröllhang?

5. Wird das Land Rheinland-Pfalz Anteile der Kosten für den Bau der B 50neu
übernehmen?

Wenn ja, für welche Bauabschnitte, und in welcher Höhe?

6. Welche Kosten entstehen dem Land Rheinland-Pfalz für die notwendigen
Zubringer (Erden/Lösnich und Longkamp) zur B 50neu?

7. Warum wird die lange Zeit geplante Realisierung der B 50neu über eine
Öffentlich-Private-Partnerschaft auf Grundlage des Fernstraßenbauprivat-
finanzierungsgesetzes (F-Modell) nicht mehr weiterverfolgt (Begründung)?

8. Warum wurde angesichts des Scheiterns so lange an einer Privatfinanzie-
rung festgehalten?

9. Wie, in welchem Zeitraum, und ggf. zu Lasten des Baus welcher anderer
Projekte bzw. deren zeitlich verzögerter Fertigstellung beabsichtigt die Bun-
desregierung die nun erforderlichen zusätzlichen Bundesmittel bereitzustel-
len?

10. Wann rechnet die Bundesregierung mit der durchgängigen Befahrbarkeit

der B 50neu?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/8006

11. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Hangstabili-
tätskarte Mittelmosel des Landesamtes für Geologie und Bergbau Rhein-
land-Pfalz von 2005 einerseits für die Trassenführung auf dem Plateau
oberhalb von Erden, Zeltingen-Rachtig und Graach, andererseits für die Be-
völkerung und die Weinwirtschaft?

12. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Studie über
„Bindung und Mobilität ökotoxischer Schwermetalle im Abstrombereich
von Bergbaurelikten im Hunsrück“ hinsichtlich der Trassenführung der
B 50neu?

13. Durch welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung die Freiset-
zung des ökotoxischen Abraums und Verunreinigung der in den Hängen
vorhandenen Gewässer verhindern?

a) Muss dieser ökotoxische Abraum ganz oder teilweise entsorgt werden?

b) Wie hoch sind voraussichtlich die dadurch entstehenden Kosten?

14. Ist nach Auffassung der Bundesregierung die dauerhafte Befestigung und
Sicherung der instabilen Hanglagen während der Bauphase möglich?

15. Durch welche konkreten Maßnahmen will die Bundesregierung Hangrut-
schungen aufgrund der Erschütterungen durch schwere Baufahrzeuge wäh-
rend der Bauphase verhindern?

Wenn ja, wie hoch sind voraussichtlich die dadurch entstehenden Kosten?

16. Wird die Bundesregierung einen Entschädigungsfonds für die von der Bau-
maßnahme B 50neu betroffenen Winzer, ihre Familien, Häuser und Produk-
tionsbetriebe einrichten?

17. Hält die Bundesregierung trotz offensichtlicher Hanginstabilitäten und
hoher ökotoxischer Gefährdungen daran fest, den Hochmoselübergang bei
Zeltingen-Rachtig und Ürzig zu bauen?

a) Wenn ja, warum, und kann die Bundesregierung die Gefährdung der
Bevölkerung und des Weinanbaus bei der bestehenden Trassenvariante
definitiv ausschließen?

b) Wenn nein, welche anderen Trassenführungen kommen in Betracht, und
kann dabei der vorgesehene Standort des Hochmoselübergangs bei
Rachtig beibehalten werden?

Berlin, den 5. Februar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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