BT-Drucksache 16/7947

Haftbarmachung von Taxifahrern bei der Beförderung von "illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen"

Vom 29. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7947
16. Wahlperiode 29. 01. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Sevim Dag˘delen, Lutz Heilmann und der
Fraktion DIE LINKE.

Haftbarmachung von Taxifahrern bei der Beförderung von „illegal aufhältigen
Drittstaatsangehörigen“

In den letzten Wochen haben verschiedene Fälle angeblicher „Schleusungen“
für Aufmerksamkeit gesorgt, in deren Mittelpunkt jeweils Taxifahrer standen.
Ihnen wurde von dänischer bzw. schwedischer Seite vorgeworfen, Drittstaats-
angehörige über die Grenze „geschleust“ zu haben. Ein betroffener Taxifahrer
saß 50 Tage in Dänemark im Gefängnis, ein weiterer sitzt in Schweden in Un-
tersuchungshaft. Noch ein weiterer Taxifahrer wurde ebenfalls in Dänemark
festgenommen.

Die Taxifahrer und ihre Selbstorganisationen zeigen sich von diesen Vorgängen
schockiert. Die festgenommenen Kollegen standen alle in einem guten Ruf, so
dass keinesfalls von einer vorsätzlichen „Schleusung“ die Rede sein könne.
Irritierend ist für die betroffenen Taxifahrer auch, dass die „Geschleusten“
selbst in Dänemark bzw. Schweden nicht in Haft genommen wurden, sondern
nach Stellen eines Asylantrags in eine entsprechende Unterkunft eingewiesen
wurden.

Für weitere Irritationen sorgte schließlich auch eine deutsche Staatsanwältin.
Nach Angaben der „tageszeitung“ vom 11. Januar 2008 meinte diese, die Taxi-
fahrer wüssten meist, dass „die Fahrgäste Ausweislose sind“. Schließlich han-
dele es sich meistens, so wird die Staatsanwältin wiedergegeben, um dunkelhäu-
tige Fahrgäste, die den Taxifahrer „irgendwo in der Stadt“ oder „auf der grünen
Wiese“ ansprechen würden. Solche Fahrgäste zu transportieren sei, ob nun
grenzüberschreitend oder nicht, „Beihilfe zum illegalen Aufenthalt“. Auch die-
ser Tatvorwurf überrascht, da ein „illegaler Aufenthalt“ ohne Probleme auch
ohne Taxifahrten verwirklicht werden kann und nicht erkennbar ist, worin nun
der genaue „Tatbeitrag“ bei einer Taxifahrt bestehen soll.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welche Fälle sind der Bundesregierung aus den Jahren 2005 bis 2007 be-
kannt, in denen Taxifahrer aus der Bundesrepublik Deutschland in den
Nachbarstaaten wegen des Verdachts der (vorsätzlichen) Schleusung oder

Beihilfe zum illegalen Grenzübertritt einer Strafverfolgung ausgesetzt
waren (bitte einzeln aufführen)?

2. In welcher Art ist die Bundesregierung in diesen Fällen aktiv geworden, um
den betroffenen Taxifahrern zu helfen und eine baldestmögliche Freilassung
zu erreichen, und wenn nicht, warum nicht?

Drucksache 16/7947 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Welche Initiativen wird die Bundesregierung ergreifen, um zukünftig zu ver-
hindern, dass Taxifahrer wegen solcher Tatvorwürfe in Haft genommen wer-
den?

4. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung eines Sprechers der Bundespoli-
zei (zitiert in der tageszeitung vom 11. Januar 2008), dass für Taxifahrer bei
der Beförderung von Drittstaatsangehörigen andere Regeln gälten als für
Bus- und Bahnfahrer, die bei einer Beförderung von Personen ohne gültige
Passpapiere nicht zur Rechenschaft gezogen werden?

Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage beruht diese unterschiedliche Behand-
lung?

5. Sind der Bundesregierung Absprachen zwischen Polizeibehörden der invol-
vierten EU-Staaten bekannt, verstärkt Taxifahrer bzw. ihre Fahrgäste zu kon-
trollieren und die Taxifahrer strafzuverfolgen?

a) Bestehen diesbezüglich Absprachen zwischen der Bundespolizei und der
dänischen Grenzpolizei?

b) Bestehen diesbezüglich Absprachen zwischen der Bundespolizei und der
schwedischen Grenzpolizei?

c) Bestehen diesbezüglich Absprachen mit anderen Nachbarstaaten der Bun-
desrepublik Deutschland, soweit sie Teil des Schengenraums sind?

6. Trifft es nach Ansicht der Bundesregierung zu, dass sich Taxifahrer bei
grenzüberschreitenden Fahrten die Ausweise zeigen lassen müssen, um die
Aufenthalts- und Grenzübertrittsberechtigung ihrer Fahrgäste zu prüfen?

a) Wenn ja, welche Rechtsgrundlagen bestehen hierfür auf nationaler und
EU-Ebene?

b) Wenn ja, welche Formen der Qualifikation für solche an sich hoheitlichen
Aufgaben (Ausweiskontrolle) werden den Taxifahrern angeboten?

c) Wenn ja, welche Maßnahmen werden durchgeführt, um Taxifahrer im
Erkennen von ge- und verfälschten Ausweispapieren zu schulen?

d) Wenn ja, welche Fortbildungsmaßnahmen für Taxifahrer werden angebo-
ten, damit diese die ausländer-, europa- und visumsrechtlichen Grund-
lagen erwerben können, um feststellen zu können, welche Personen-
gruppen aus welchen Ländern mit welchem Aufenthaltsstatus welche
Ausweis- oder Visabescheinigungen benötigen, um eine Grenze über-
schreiten zu dürfen?

7. Werden auch im deutschen Grenzraum durch die Bundespolizei regelmäßig
Kontrollen von Taxifahrgästen und Taxifahrern durchgeführt?

Wenn ja, in wie vielen Fällen wurden dabei in den Jahren 1995 bis heute von
der Bundespolizei (bzw. vom Bundesgrenzschutz) unerlaubte Grenzübertritte
bzw. Beihilfen hierzu jährlich festgestellt, und gegen wie viele Taxifahrer aus
der Bundesrepublik Deutschland bzw. aus welchen Nachbarstaaten wurde
Anzeige wegen Beihilfe zur unerlaubten Einreise gestellt?

8. Teilt die Bundesregierung die in der Vorbemerkung wiedergegebene Auffas-
sung, dass es sich bei der Beförderung von Fahrgästen ohne gültigen Aufent-
haltstitel um „Beihilfe zum illegalen Aufenthalt“ handele?

Wenn ja, welche Rechtsgrundlagen bestehen hierfür auf nationaler und EU-
Ebene, und wie ist die Rechtsprechung?

9. Welche Folgen hätte es nach Ansicht der Bundesregierung, wenn Taxifahrer
in Großstädten mit hohem migrantischen Bevölkerungsanteil regelmäßig die

Ausweispapiere ihrer Fahrgäste kontrollieren würden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7947

10. Sind Taxifahrer, wenn sie mit Fahrgästen eine EU-Binnengrenze überque-
ren, generell verpflichtet, sich deren Ausweis oder Pass zeigen zu lassen?

a) Genügt bereits ein Ausweis oder muss ein Reisepass vorgelegt werden,
und wenn nur ein Ausweis vorgelegt wird, wie soll hieraus die Berechti-
gung zum Grenzübertritt hervorgehen, da er weder Visa noch Aufent-
haltstitel enthält?

b) Müssen nur bestimmte Menschen von Taxifahrern „kontrolliert“ wer-
den, etwa Drittstaatsangehörige, und wenn ja, wie sollen diese äußerlich
vom Taxifahrer erkannt werden, und inwieweit wäre eine solche selek-
tive Kontrollpraxis vereinbar mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungs-
gesetz?

11. Treffen Berichte zu, dass auch Privatpersonen, die „Tramper“ (über die
Grenze) mitnehmen, mit Verfahren wegen des Verdachts der Schleusung
rechnen müssen, falls ihre Fahrgäste nicht die notwendigen Pass- oder Ein-
reisepapiere besitzen?

12. Inwiefern erfüllen auch andere Formen des gewerblichen Umgangs mit
Menschen ohne Aufenthaltstitel den Tatbestand der „Beihilfe zum uner-
laubten Aufenthalt“ (z. B. Verkauf von Lebensmitteln oder Medikamen-
ten)?

Berlin, den 25. Januar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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