BT-Drucksache 16/7874

Neue Kooperationen von Universitäten mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen

Vom 22. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7874
16. Wahlperiode 22. 01. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Petra Sitte, Cornelia Hirsch, Volker Schneider (Saarbrücken)
und der Fraktion DIE LINKE.

Neue Kooperationen von Universitäten mit außeruniversitären
Forschungseinrichtungen

Der Senat von Berlin betreibt im Rahmen eines Masterplans zur Stärkung von
Wissenschaft und Forschung die Schaffung eines Institutes, in dem die Kapa-
zitäten der Spitzenforschung international sichtbar werden sollen. Nach Auf-
fassung des zuständigen Senators sollen an dieser Einrichtung in Form einer
Stiftung nicht nur exzellente Bereiche der Universitäten, sondern auch außer-
universitäre Forschungseinrichtungen und private Unternehmen beteiligt wer-
den. Die neue Einrichtung soll Promotions- und Graduierungsrecht bekommen.
Während die Präsidenten der Universitäten und Vertreter von Wissenschafts-
organisationen das Vorhaben ablehnen, hat sich der Direktor der Max-Planck-
Gesellschaft positiv zu dem Vorhaben geäußert.

Die Max-Planck-Gesellschaft und die Johann-Gutenberg-Universität Mainz
planen die Ausgliederung eines „Max Planck Graduate Center Mainz“ in Form
einer GmbH, das ebenfalls das Recht zur Promotion erhalten soll.

Diese Vorhaben unterscheiden sich von bestehenden Kooperationsformen wie
etwa der „Jülich Aachen Research Alliance (JARA)“ von RWTH Aachen und
Forschungszentrum Jülich und dem „Karlsruhe Institut of Technology (KIT)“,
die eine Kooperation unter Wahrung der unterschiedlichen Profile von univer-
sitärer und außeruniversitärer Forschung umsetzen und in denen das Promo-
tionsrecht eindeutig bei den Universitäten verbleibt.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Welchen Kenntnisstand hat die Bundesregierung über die Planung der
genannten privatrechtlich organisierten gemeinsamen Einrichtungen von
außeruniversitären Forschungseinrichtungen und Universitäten in Mainz und
Berlin, insbesondere zur Vergabe von Graduierungsberechtigungen sowie zu
Vergütung und Lehrverpflichtung an diesen Einrichtungen?

2. Sind der Bundesregierung weitere geplante oder existierende Einrichtungen
außerhalb von Universitäten bekannt, die unter Mitwirkung außeruniversi-
tärer Forschungsorganisationen das Recht zur Verleihung von akademischen

Graden bekommen sollen oder bereits bekommen haben?

3. Wie bewertet die Bundesregierung die Bemühungen der Landesregierungen
von Berlin und Rheinland-Pfalz zur Schaffung gemeinsamer Forschungs-
einrichtungen mit Graduierungsrechten?

Drucksache 16/7874 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

4. Teilt die Bundesregierung die von Fachkollegien wie etwa der Deutschen
Physikalischen Gesellschaft (DPG) sowie von der Gruppe der TU9 in der
Presse geäußerte Befürchtung, dass durch eine mittel- oder unmittelbare
Vergabe des Promotionsrechtes an außeruniversitäre Einrichtungen die
bewährte und für die Universitäten Profil bildende Einheit von Forschung
und Lehre aufgelöst würde (bitte mit Begründung)?

5. Teilt die Bundesregierung die Auffassung der HRK (Beschluss der Mitglie-
derversammlung vom 27. November 2007) und weiterer Organisationen,
dass eine faktische Herauslösung von Forschungseinheiten aus Universitä-
ten (sog. Filetierung) durch die Schaffung neuer Einrichtungen auch die
Qualität der Lehre beeinträchtigt (bitte mit Begründung)?

6. Teilt die Bundesregierung die Befürchtung des Verbundes TU9 (Presse-
erklärung vom 9. Januar 2008), dass die mittel- oder unmittelbare Vergabe
des Promotionsrechtes an außeruniversitäre Einrichtungen das Interesse
dieser Einrichtungen an Kooperationen mit Universitäten stark senken
würde (bitte mit Begründung)?

7. Unterstützt die Bundesregierung die Forderung von Naturwissenschaftlern
aus dem Bereich Biochemie (Offener Brief, FAZ vom 8. Januar 2008), die
Grundlagenforschung in Deutschland durch einen verstärkten Einbezug der
Max-Planck-Institute in die Universitäten stärker im Hochschulbereich zu
konzentrieren (bitte mit Begründung)?

8. Wie bewertet die Bundesregierung die Auffassung des Wissenschaftsrates
(Empfehlungen zur künftigen Rolle der Universitäten im Wissenschafts-
system 2006 und 2000), dass die Universitäten „Organisationszentren der
Wissenschaft“ darstellen sollten, die außeruniversitäre und industrielle
Forschung unter Wahrung der jeweiligen Profile einbinden?

9. Sieht die Bundesregierung in der Gründung neuer gemeinsamer Institu-
tionen auf privatrechtlicher Basis eine Beeinträchtigung des erklärten Ziels
der Exzellenzinitiative, die universitäre Spitzenforschung zu stärken (bitte
mit Begründung)?

10. Welche Grundsätze verfolgt die Bundesregierung für Kooperationsmodelle
zwischen Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen
und -organisationen im Rahmen ihrer Beteiligung an der Gemeinsamen
Wissenschaftskonferenz (GWK)?

11. In welchem Umfang nehmen Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft
nach Kenntnis der Bundesregierung derzeit Aufgaben in der universitären,
grundständigen Lehre wahr?

12. Welches besondere Profil soll die Max-Planck-Gesellschaft in der Grund-
lagenforschung im Verhältnis zu den Universitäten aus Sicht der Bundes-
regierung zukünftig ausbilden?

13. Welche Organisationsmodelle für solche Kooperationen führen aus Sicht
der Bundesregierung am besten zur angestrebten Stärkung beider Koope-
rationspartner, insbesondere unter Berücksichtigung der häufigen Ausstat-
tungsdifferenzen?

14. Welche Regelungen zu Formen und Modalitäten von Kooperationen außer-
universitärer mit universitären Einrichtungen will die Bundesregierung in
den einschlägigen Gesetzesvorhaben, etwa dem so genannten Wissen-
schaftsfreiheitsgesetz, verankern?

15. Wie will die Bundesregierung erreichen, dass in derartigen Kooperationen
Mitbestimmungsrechte sowohl im Rahmen der akademischen Selbstver-

waltung wie auch im Bereich der betrieblichen Mitbestimmung gesichert
werden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7874

16. Welche Position vertritt die Bundesregierung in Bezug auf die Vergabe des
Promotionsrechtes an außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, insbe-
sondere unter Berücksichtigung der Qualifizierung der Promovierenden in
der Lehre?

17. Plant die Bundesregierung die Vorschläge (u. a. des ERC-Präsidenten
Ernst-Ludwig Winnacker in der FAZ vom 30. Oktober 2007) zur Gründung
einer oder mehrerer „Bundes-Universitäten“ – mit besonderer, grundständi-
ger Förderung durch den Bund – aufzugreifen?

Wenn ja, in welcher Weise?

Berlin, den 17. Januar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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