BT-Drucksache 16/782

Zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union

Vom 28. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/782
16. Wahlperiode 28. 02. 2006

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dagdelen, Dr. Hakki Keskin,
Kersten Naumann, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Zum Stand des Gesetzgebungsverfahrens zur Umsetzung aufenthalts-
und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union

Das Bundesministerium des Innern hat mit Schreiben vom 3. Januar 2006 den
mit der Problematik befassten Verbänden die Gelegenheit zur Stellungnahme
zum Referentenentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Umsetzung auf-
enthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union (vom 3. Januar
2006) bis zum 31. Januar 2006 gegeben. Trotz der Kürze der Frist – es handelt
sich immerhin um einen fast 270 Seiten umfassenden Entwurf – haben einige
Verbände Stellungnahmen abgegeben. Unserer Kenntnis nach waren dies: der
Deutsche Gewerkschaftsbund, der Hohe Kommissar für Flüchtlinge der Verein-
ten Nationen, die Evangelische Kirche in Deutschland gemeinsam mit dem
Katholischen Büro, die Türkische Gemeinde in Deutschland, der Jesuiten-
Flüchtlinsgdienst, der Flüchtlingsrat NRW, das Diakonische Werk der Evangeli-
schen Kirche, der Paritätische Wohlfahrtsverband, der Verband binationaler
Familien und Partnerschaften, Pro Asyl e. V., die Bundesweite Arbeitsgemein-
schaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer, der Deutsche
Caritasverband, Amnesty International und das Deutsche Instititut für Men-
schenrechte. Sämtliche Stellungnahmen sind im Internet auf den Seiten der be-
treffenden Verbände abrufbar, eine Sammlung findet sich auf der Seite des
Flüchtlingsrats Berlin.

Die eingegangenen Stellungnahmen der Verbände nehmen überwiegend eine
sehr kritische Haltung zu den verschiedenen Aspekten des Referentenentwurfs
ein und machen auf erhebliche Mängel sowie die Notwendigkeit einer öffent-
lichen Anhörung und grundlegenden Überarbeitung des Gesetzentwurfs auf-
merksam. Dies betrifft insbesondere die Neuregelungen beim Ehegattennach-
zug, Bestimmungen zum Freiheitsentzug (Festnahme durch Mitarbeiter der Aus-
länderbehörden) und die als mangelhaft erachtete Umsetzung der Richtlinien be-
treffend den Flüchtlingsschutz (insb. der „Qualifikationsrichtlinie“). Bedauert
wird unter anderem auch, dass die Bundesregierung nicht die Gelegenheit nutzt,
unabhängig von der Umsetzung der Richtlinien einige notwendige Reformen am
Aufenthalts-, Asylverfahrens- und Asylbewerberleistungsgesetz vorzunehmen,
wie die Einführung einer dauerhaften Bleiberechtsregelung, die Aufhebung der

Residenzpflicht, die Abschaffung des Sachleistungsprinzips gemäß Asylbewer-
berleistungsgesetz und allgemein die Verbesserung der sozialen Lage von Mig-
rantinnen und Migranten .

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Von welchen Organisationen und Einzelpersonen hat die Bundesregierung
Stellungnahmen zum genannten Referentenentwurf erhalten (bitte auflisten)?

Drucksache 16/782 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
2. Wie lässt sich die in den Stellungnahmen geäußerte Kritik nach den dort ge-
wählten Schwerpunkten zusammenfassen, und bei welchen dieser Schwer-
punkte gab es Gemeinsamkeiten der Stellungnahmen?

3. Wie verhält sich die Bundesregierung zur Kritik der Verbände und zu den um-
fangreichen Änderungs- und Verbesserungsvorschlägen der Stellungnahmen?

In welcher Form werden diese bei der Überarbeitung des Referentenentwurfs
berücksichtigt (falls die Bundesregierung eine Überarbeitung nicht für not-
wendig erachtet: bitte begründen)?

a) Welche Stellung nimmt die Bundesregierung insbesondere zu der Kritik
ein, der Referentenentwurf setze die Regelungen zum Flüchtlingsschutz
nur ungenügend um, wie dies in den Stellungnahmen des UNHCR (insb.
S. 3 ff., Innen-ADrs 16(4)24)), der gemeinsamen Stellungnahme der
Evangelischen Kirche in Deutschland und des Katholischen Büros (insb.
S. 4), des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (insb. S. 6 f.), von Pro Asyl
(insb. S. 4 f.), des Caritasverbandes (S. 20 f.) und von Amnesty Internatio-
nal (S. 1 f.) dargelegt wird?

b) Welche Stellung nimmt die Bundesregierung insbesondere zu der Kritik
ein, die neuen Regelungen zum Ehegattennachzug verstießen gegen Artikel
6 des Grundgesetzes (GG), gegen Artikel 8 der Europäischen Menschen-
rechtskonvention sowie gegen die EU-Richtlinie zur Familienzusammen-
führung und seien auch ungeeignet, den vorgeblich verfolgten Zweck der
„Bekämpfung von Scheinehe“ zu erreichen (siehe hierzu insbesondere die
Stellungnahme des Verbands binationaler Familien und Partnerschaften,
sowie von Pro Asyl (S. 8) und des Flüchtlingsrates NRW (S. 4))?

c) Welche Stellung nimmt die Bundesregierung insbesondere zu der Kritik
ein, die in dem Referentenentwurf vorgesehene mögliche Festnahme aus-
reisepflichtiger Ausländer durch Mitarbeiter der Ausländerbehörden ver-
stoße gegen das grundgesetzlich festgelegte Prinzip nach Artikel 104 GG
und Artikel 5 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), nach
dem eine Freiheitsentziehung in jedem Fall einer vorherigen richterlichen
Anordnung bedarf und verhältnismäßig sein muss, wie es zum Beispiel in
der Stellungnahme des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes (S. 2 f.), des Flücht-
lingsrates NRW (S. 2), von Pro Asyl (S. 3 f.), der Kirchen (S. 14) dargelegt
wird (ähnlich auch in Bezug auf weitere Formen der Inhaftierung: Zurück-
weisungshaft, Durchbeförderungsgewahrsam usw.)?

d) Welche Stellung nimmt die Bundesregierung insbesondere zu der Kritik
ein, das Änderungsgesetz werde nicht genutzt, um dringend erforderliche
Änderungen des Aufenthaltsgesetzes vorzunehmen, insbesondere betref-
fend einer Vermeidung von Kettenduldungen, einer Bleiberechtsregelung,
der Verbesserung der medizinischen und psychologischen Versorgung von
Asylbewerbern und Flüchtlingen und der Entkriminalisierung der huma-
nitären Hilfe für Menschen ohne legalen Aufenthaltsstatus?

4. Welchen Zeitplan verfolgt die Bundesregierung derzeit für das weitere
Gesetzgebungsverfahren?

5. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Richtlinien im Bereich des Asyl-,
Flüchtlings- und Aufenthaltsrechts, die in naher Zukunft in den zuständigen
Gremien der EU beschlossen werden und dann in nationales Recht umgesetzt
werden müssen, und was wird dort geregelt werden?

Berlin, den 20. Februar 2006

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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