BT-Drucksache 16/7811

Polizeiliche Todesschüsse im Zuge des sogenannten Deutschen Herbstes

Vom 17. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7811
16. Wahlperiode 17. 01. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Jan Korte, Ulla Jelpke, Petra Pau und der Fraktion DIE LINKE.

Polizeiliche Todesschüsse im Zuge des sogenannten Deutschen Herbstes

Am 29. Oktober 2007 antwortete die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage
der Fraktion DIE LINKE. (Bundestagsdrucksache 16/6712) „Einsatz von
Schusswaffen im Kampf gegen den Linksterrorismus“. In dieser Anfrage wurde
nach verschiedenen Statistiken und Fallzahlen bezüglich polizeilicher Todes-
schüsse bei der Verfolgung von wirklichen und/oder vermeintlichen RAF-Terro-
risten und nach getöteten oder verletzten unbeteiligten Dritten gefragt. Die Ant-
wort der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache 16/6892) lässt jedoch einige
Fragen offen und wirft neue auf.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In der Antwort zu Frage 1 der Fragesteller nennt die Bundesregierung sieben
Personen. Warum fehlen in der Aufzählung die Personen Wolfgang Grams
(1993) und Werner Sauber (1975)?

a) Warum wurde Werner Sauber, der 1975 bei einem Schusswechsel mit der
Polizei getötet wurde, als „Verletzter“ bei der Beantwortung der Frage 2
auf Bundestagsdrucksache 16/6892 (Verletzte) genannt und nicht bei der
Beantwortung der Frage 1 auf Bundestagsdrucksache 16/6892 (Getötete)?

b) Welche Quellen hat die Bundesregierung zur Beantwortung der Frage 1
auf Bundestagsdrucksache 16/6892 herangezogen?

c) Warum verfügt die Bundesregierung über keine Aufstellung über verletzte
oder getötete mutmaßliche RAF-Mitglieder?

d) Ist der Bundesregierung die Aufstellung des Institutes für Bürgerrechte
und Öffentliche Sicherheit (CILIP) bekannt, das vor rund 30 Jahren be-
gonnen hat, polizeiliche Todesschüsse aufzulisten?

e) Wenn ja, ist diese Quelle zur Beantwortung der Kleinen Anfrage der
Linksfraktion herangezogen worden?

f) Wenn nein, warum nicht?

g) Ist der Bundesregierung in diesem Zusammenhang die vom „Russel-Tri-
bunal“ zusammengestellte Dokumentation für die Jahre 1971 bis 1978, die

ebenfalls polizeiliche Todesschüsse im Zuge der Terrorismusbekämpfung
auflistet, bekannt?

h) Wenn ja, ist diese Dokumentation als Quelle zur Beantwortung der Klei-
nen Anfrage der Linksfraktion genutzt worden?

i) Wenn die Dokumentation der Bundesregierung bekannt war, warum ist sie
als Quelle nicht genutzt worden?

Drucksache 16/7811 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

2. Warum wurden die von der Bundesregierung aufgezählten getöteten fünf
unbeteiligten Dritten namenlos in der Beantwortung der Kleinen Anfrage
aufgelistet?

a) Welche Gründe sprachen für eine Anonymisierung?

b) Welche Quellen wurden zur Auflistung der getöteten unbeteiligten Dritten
durch die Bundesregierung herangezogen?

c) Gibt es vollständige amtseigene Quellen im Bundesinnenministerium
über im Zuge der Verfolgung von mutmaßlichen RAF-Mitgliedern getöte-
ten oder verletzten unbeteiligten Dritten?

d) Wenn nein, warum nicht?

3. Worauf ist der Umstand zurückzuführen, dass der Bundesregierung die ge-
naue Zahl der von der RAF und anderen terroristischen Gruppen in der Zeit
von 1970 bis 1998 Getöteten bekannt ist, sie aber „nicht alle Fälle eines
Schusswaffengebrauchs (seitens der Polizei/d. Verf.), insbesondere Warn-
schüsse ohne Schadensfolge“ auflisten kann und die entsprechende Auflis-
tung in der Antwort der Bundesregierung deswegen „nicht als abschließend
angesehen werden kann“?

4. Ist der Vorbehalt, dass „insbesondere Warnschüsse ohne Schadensfolge“
nicht in die übermittelte Auflistung eingeflossen sein könnten, so zu verste-
hen, dass möglicherweise auch nicht lediglich zur Warnung abgegebene
Schüsse oder Warnschüsse mit Schadensfolge in der Auflistung nicht erfasst
sein könnten?

5. Kann die Bundesregierung ausschließen, dass es von Polizisten abgegebene
Schüsse mit Todesfolge gibt, die nicht in der Auflistung enthalten sein könn-
ten?

6. Führt die Bundesregierung oder eine ihr nachgeordnete Bundesbehörde eine
zuverlässige allgemeine Statistik über den polizeilichen Schusswaffenge-
brauch, insbesondere über solchen mit Todesfolge?

a) Wenn ja, seit welchem Zeitpunkt wird eine solche Statistik geführt, und
wie viele Fälle sind darin aufgelistet?

b) Wenn nicht, welche Gründe sprechen nach Ansicht der Bundesregierung
gegen die Führung einer solchen Statistik?

7. Ist es in der Hauptzeit terroristischer Aktivitäten in der Bundesrepublik, von
1971 bis 1980, häufiger als in den jeweils zwei Jahrzehnten davor und danach
zum Schusswaffengebrauch durch Polizisten gekommen, insbesondere zum
Schusswaffengebrauch mit Schadensfolge (bitte nach Jahreszahl und mit
Nennung der Zahlen für die beiden Schadensfolgen a) verletzt und b) Tod
bzw. verletzt mit Todesfolge für den gesamten Zeitraum der 50 Jahre von
1951 bis 2000 auflisten)?

8. Dass für das Jahr 1999 infolge der seinerzeit erfolgten Umstellung auf elek-
tronische Datenerfassung keine statistischen Übersichten vorliegen würden
und somit eine Beantwortung der Frage kurzfristig nicht möglich sei, worauf
die Bundesregierung bei der Beantwortung der Frage 6 verweist.

a) Wie kam es zu der Datenpanne?

b) Sind der Bundesregierung ähnliche oder weitere Datenverluste im Zuge
der Umstellung auf eine elektronische Datenerfassung bei der Bundes-
regierung oder ihr nachgeordneter Behörden bekannt (bitte einzeln auflis-
ten)?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7811

c) Warum ist dieser Datenverlust nicht behoben und die elektronische Daten-
sammlung vervollständigt worden, schließlich liegt die genannte Umstel-
lung bereits acht Jahre zurück?

d) Hat die Bundesregierung nach der Beantwortung der Kleinen Anfrage die
Vervollständigung der angesprochenen Datensammlung unverzüglich in
Auftrag gegeben?

e) Wenn ja, wann wird das Problem behoben sein und den Fragestellern eine
vollständige Auskunft übergeben?

f) Wenn nein, warum wurde die Rekonstruktion bislang nicht veranlasst?

Berlin, den 10. Januar 2008

Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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