BT-Drucksache 16/7719

Beschlüsse der Innenministerkonferenz gegen Rechtsextremismus

Vom 10. Januar 2008


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7719
16. Wahlperiode 10. 01. 2008

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Sevim Dag˘delen und der
Fraktion DIE LINKE.

Beschlüsse der Innenministerkonferenz gegen Rechtsextremismus

Der Umgang mit Rechtsextremismus war ein Thema auf der Berliner Konferenz
der Innenminister (IMK) von Bund und Ländern vom 6. bis 7. Dezember 2007.
Die Innenminister beschlossen auf Initiative von Berlins Innensenator Erhard
Körting (SPD), rechtsextreme Vereine und Stiftungen von finanziellen Zuwen-
dungen des Staates abzuschneiden. Bei „parteinahen Bildungseinrichtungen“
sollten zukünftig staatliche Mittel dann nicht mehr gewährt werden, wenn ver-
fassungsfeindliche Inhalte vermittelt werden (AFP-Meldung vom 7. Dezember
2007).

Weiterhin soll rechtsextremen Vereinen, die verfassungsfeindliche Ziele verfol-
gen, keine Gemeinnützigkeit zugestanden werden oder, wenn sie diese schon
haben, entzogen werden, sagte Erhard Körting im Anschluss an die IMK. Dafür
könnte die Abgabenordnung neu gefasst werden, die die Gemeinnützigkeit
regelt.

Kritiker wie der Vorsitzende der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes –
Bund der Antifaschisten/Antifaschistinnen VVN-BdA Heinrich Fink nennen die
IMK-Beschlüsse eine Phantomdebatte, da die NPD momentan weder auf Bun-
des- noch auf Landesebene über eine staatlich finanzierte Parteistiftung verfü-
gen kann. Allerdings hat die NPD in Sachsen für das von ihr gegründete „Bil-
dungswerk für Heimat und nationale Identität“ Fördergelder beantragt. Einen
Anspruch auf Fördergelder hätte die Partei erst, wenn ihr 2009 erneut der Sprung
in den Landtag gelingen sollte (http://www.berlinonline.de).

In der Antwort der Bundesregierung auf die Große Anfrage der Fraktion DIE
LINKE. „Zur Entwicklung der extremen Rechten und die Maßnahmen der
Bundesregierung“ heißt es in der Antwort zu Frage 179: „Die Vermeidung
der steuerrechtlichen Anerkennung der Gemeinnützigkeit von verfassungs-
widrigen Körperschaften ist Teil der ganzheitlichen Strategie der Bundesregie-
rung zur Bekämpfung extremistischer und terroristischer Organisationen.“
(Bundestagsdrucksache 16/1009). Bereits am 30. März 2001 hatte der deutsche
Bundestag mit den Stimmen aller Fraktionen beschlossen, „dass keine Zu-
schüsse von Bundesbehörden und -institutionen an Organisationen, Stiftungen
und Verlage gewährt werden, die rechtsextremes Gedankengut fördern oder

verbreiten“ (Bundestagsdrucksache 14/5456). Allerdings hat der hessische
Innenminister Volker Bouffier auf der IMK gefordert, nicht nur rechtsextre-
mistischen sondern auch „links- oder ausländerextremistischen parteinahen
Stiftungen und Vereinen sollten sämtliche staatlichen Geldquellen genommen
werden“ (Handelsblatt 6. Dezember 2007).

Drucksache 16/7719 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie ist der genaue Wortlaut der Beschlüsse der IMK vom 6. und 7. De-
zember 2007 zur Entziehung staatlicher finanzieller Beihilfen für rechts-
extreme Vereine und Stiftungen?

2. Wie sollen die Beschlüsse der IMK zur Entziehung staatlicher finanzieller
Beihilfen für rechtsextreme Vereine und Stiftungen in Bund und Ländern
konkret umgesetzt werden?

3. Nach welchen Kriterien soll zukünftig festgestellt werden, ob eine Organi-
sation, Vereinigung oder Stiftung verfassungsfeindliche Inhalte im Sinne
der IMK-Beschlüsse vertritt?

4. Welche Stiftungen oder Vereine sind der Bundesregierung bekannt, die von
den IMK-Beschlüssen betroffen sind?

5. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über bestehende oder geplante
Parteistiftungen der NPD und DVU auf Landes- und Bundesebene?

6. Welche sonstigen rechtsextremen bzw. rechtsextrem beeinflussten Stiftun-
gen sind der Bundesregierung bekannt?

7. Welche als gemeinnützig anerkannten rechtsextremen oder rechtsextrem
beeinflussten Gruppierungen, Vereine oder Institutionen sind der Bundes-
regierung bekannt?

8. Von welchen rechtsextremen oder rechtsextrem beeinflussten Parteien,
Gruppierungen, Vereinen oder Institutionen ist der Bundesregierung be-
kannt, dass sie in den letzten fünf Jahren staatliche Gelder erhielten?

a) Was für Gelder waren das (Wahlkampfkostenrückerstattung etc.)?

b) Um welche Höhe von Geldern handelte es sich?

c) Welchen Anteil an den Finanzen der genannten Gruppierungen oder In-
stitutionen machen die staatlichen Gelder aus?

9. Inwieweit bezieht sich der Beschluss der IMK außer auf rechtsextreme und
rechtsextrem beeinflusste Stiftungen und Vereinigungen auch auf andere
Stiftungen und Vereinigungen, die nach Meinung des Bundes oder der
Landesregierungen verfassungsfeindliche Inhalte vertreten?

10. Worin unterscheiden sich die auf der IMK vom 6. und 7. Dezember 2007
gefassten Beschlüsse zur Entziehung staatlicher Mittel für rechtsextreme
Organisationen und Stiftungen vom Beschluss des Deutschen Bundestages
vom 30. Mai 2001, „dass keine Zuschüsse von Bundesbehörden und -insti-
tutionen an Organisationen, Stiftungen und Verlage gewährt werden die
rechtsextremes Gedankengut fördern oder verbreiten“?

11. Welche Kenntnisse hat die Bundesregierung über die Umsetzung des Be-
schlusses des Deutschen Bundestages vom 30. Mai 2001?

a) Bei welchen Vereinigungen, Organisationen und Stiftungen wurde ge-
prüft, ob sie unter den Beschluss fallen, und wie war das Ergebnis die-
ser Prüfung?

b) Welchen Vereinen wurde die Gemeinnützigkeit aufgrund dieses Be-
schlusses entzogen?

c) Bei welchen Vereinigungen, Organisationen und Stiftungen hält die
Bundesregierung derzeit eine Überprüfung für angezeigt, und welche
Maßnahmen will sie dazu ergreifen?

d) Wie beurteilt die Bundesregierung insgesamt die Wirksamkeit des
Beschlusses des Deutschen Bundestages, und auf welche über die Fra-
gen 11a und 11b hinausgehenden Tatsachen und Erkenntnisse stützt sie

sich dabei?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7719

12. Welche rechtlichen Möglichkeiten sieht die Bundesregierung, auch ohne
Gesetzesänderungen Vereinen die Gemeinnützigkeit abzuerkennen, wenn
diese rechtsextreme Inhalte vertreten?

Berlin, den 10. Januar 2008

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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