BT-Drucksache 16/7631

Deutsch-französische Zusammenarbeit in der Integrationspolitik

Vom 19. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7631
16. Wahlperiode 19. 12. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Dr. Hakki Keskin, Dr. Diether Dehm, Alexander Ulrich, Petra Pau,
Jan Korte und der Fraktion DIE LINKE.

Deutsch-französische Zusammenarbeit in der Integrationspolitik

Seit geraumer Zeit erfolgt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und
Frankreich eine rege Kooperation im Bereich der Migrations- und Integrations-
politik. Dementsprechend wurde anlässlich des 6. deutsch-französischen
Ministerrats im März 2006 die bilaterale Initiative „Integration und Chancen-
gleichheit“ gestartet. Ziel der Initiative soll ein offener Erfahrungsaustausch
sein, um insbesondere die Integrationssituation jugendlicher und sozial benach-
teiligter Migrantinnen und Migranten zu verbessern. Deutschland und Frank-
reich werden als bevölkerungsreichste Mitgliedsländer der Europäischen Union
allgemein als Motor des europäischen Integrationsprozesses wahrgenommen.
Darüber hinaus hat es in den letzten Jahren in beiden Ländern analoge Ent-
wicklungen in der Migrations- und Integrationspolitik gegeben: die „zivile
Integration“ wurde zunehmend einer sanktionsbehafteten, gesetzlichen Konditio-
nierung unterworfen und die legale Einwanderung soll fortan stärker anhand
ökonomischer Nützlichkeitskriterien gesteuert werden, wie dies in beiden Län-
dern die Debatten um die Förderung des Zuzugs von Höchstqualifizierten
zeigen. Übereinstimmung zwischen beiden Ländern besteht augenscheinlich
auch dahingehend, die Einreise von Flüchtlingen deutlich zu erschweren, indem
Forderungen nach einer stärkeren Sicherung der EU-Außengrenzen erhoben
werden. Bei der Zusammenkunft des deutsch-französischen Ministerrats am
12. November 2007 bildete Integration das Schwerpunktthema. Bereits im Vor-
feld des Ministerrats hat die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria
Böhmer, bei ihrem Treffen am 23. Oktober 2007 mit Frankreichs Minister für
Einwanderung, Integration, nationale Identität und Ko-Entwicklung, Brice
Hortefeux, betont, dass beide Länder beim Thema Integration eine „Vorreiter-
rolle“ in Europa übernehmen wollen. Deshalb bestärkt die intensivierte,
deutsch-französische Kooperation den Eindruck, dass Deutschland und Frank-
reich beabsichtigen, ihre nationale Integrationspolitik künftig noch stärker
anzugleichen und die Umsetzung der im EU-Reformvertrag vorgesehenen
gemeinsamen Einwanderungs- und Asylpolitik auf EU-Ebene mit einem
gemeinsamen Vorgehen richtungsweisend beeinflussen wollen.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Wie schätzt die Bundesregierung die gemeinsame deutsch-französische Ini-
tiative „Integration und Chancengleichheit“ und deren Konsequenzen für die
integrationspolitische Umsetzung in beiden Ländern ein?

2. Welche konkreten Projekte sind aus dieser Initiative bereits entstanden, und
anhand welcher Kriterien werden diese evaluiert (bitte einzeln auflisten)?

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3. Welche Zwischenbilanz zieht die Bundesregierung bei den einzelnen Pro-
jekten der Initiative (bitte einzeln auflisten)?

4. Welche Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der deutsch-
französischen Zusammenarbeit für die Migrations- und Integrationspolitik
der EU, und welche konkreten Initiativen wird sie diesbezüglich auf EU-
Ebene vorschlagen?

5. Beabsichtigt die Bundesregierung im Bereich der Migrations- und Integra-
tionspolitik auf EU-Ebene sich im Vorfeld künftig enger mit Frankreich ab-
zustimmen, und falls ja, welche konkreten Bereiche würde dies betreffen?

6. Inwieweit sind die in Deutschland und Frankreich geschaffenen, gesetz-
lichen Neuregelungen zum Familiennachzug und zur Durchführung von ob-
ligatorischen Sprachtests in den Herkunftsländern bereits Ausdruck einer
intensiveren Zusammenarbeit beider Länder?

7. In welchen Bereichen der Migrations-, Asyl- und Integrationspolitik (bspw.
Staatsbürgerschaft, Umgang mit Legalisierung von Menschen ohne Auf-
enthaltstitel) erkennt die Bundesregierung Unterschiede in der politischen
Praxis zwischen Deutschland und Frankreich?

8. Wie erklärt sich die Bundesregierung, dass trotz überwiegend guter Franzö-
sischkenntnisse von Migrantinnen und Migranten in Frankreich zum Teil er-
hebliche und ähnliche Integrationsdefizite bestehen wie in Deutschland, und
welche Rückschlüsse zieht die Bundesregierung hieraus für die Bedeutung
des Erwerbs von Deutschkenntnissen in ihrer eigenen, integrationspoliti-
schen Konzeption?

9. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus dem deutsch-französi-
schen Erfahrungsaustausch bezüglich der gleichstellungspolitischen Situa-
tion von Menschen mit Migrationshintergrund bei der einbürgerungs- und
aufenthaltsrechtlichen Stellung, der Arbeitsmarktintegration und den Bil-
dungschancen in beiden Ländern gewonnen?

10. Welche Konsequenzen hat die Bundesregierung hieraus für ihre eigene
Gleichstellungspolitik gegenüber Migrantinnen und Migranten im bundes-
deutschen Aufenthalts- und Einbürgerungsrecht, bei der Arbeitsmarktinte-
gration und im öffentlichen Dienst sowie bei den Bildungschancen gezogen?

11. Zu welchen Erkenntnissen gelangte die Bundesregierung bei der deutsch-
französischen Initiative bezüglich der Geschlechtergerechtigkeit unter der
Migrantenbevölkerung in beiden Ländern?

12. Wurden konkrete Ergebnisse der deutsch-französischen Initiative bei der
Erarbeitung des Nationalen Integrationsplans durch die Bundesregierung
berücksichtigt, und falls ja, in welcher Weise und in welchen Bereichen ge-
schah dies?

13. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung aus der deutsch-französi-
schen Initiative hinsichtlich der Bedeutung einer integrativen Stadtentwick-
lungsförderung gewonnen, und welche eigenen integrationspolitischen
Konsequenzen zieht sie hieraus?

Berlin, den 14. Dezember 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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