BT-Drucksache 16/7612

Wald als Kohlendioxid-Senke

Vom 17. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7612
16. Wahlperiode 17. 12. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius,
Winfried Hermann, Peter Hettlich, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Dr. Anton Hofreiter,
Sylvia Kotting-Uhl, Undine Kurth (Quedlinburg), Nicole Maisch und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Wald als Kohlendioxidsenke

In der internationalen und nationalen Öffentlichkeit wird seit Jahren darüber dis-
kutiert, ob es sinnvoll ist, die Funktion von Wäldern als Kohlendioxidsenke im
Rahmen des Treibhausgashandels zu berücksichtigen, und wenn ja, wie dies
umgesetzt werden könnte. Vor allem Waldbesitzer bringen diese Forderung in
die Debatte ein, da sie sich über die Honorierung der Kohlendioxidsenkenfunk-
tion von Wäldern und eine Vergütung der ökologischen Leistungen ihrer Wälder
und damit einen Deckungsbeitrag für ihre Bewirtschaftung erhoffen. Viele Um-
weltpolitiker versprechen sich davon hingegen eher Anreize gegen die Entwal-
dung und für eine Wiederaufforstung entwaldeter Gebiete und Regionen.

Die Vorschläge und Forderungen im Zusammenhang mit der Kohlendioxid-
senkenfunktion der Wälder sind bisher nur zu einem geringen Teil aufgegriffen
worden. Zwar ermöglicht das Kyoto-Protokoll grundsätzlich die Berücksichti-
gung von Waldsenkenprojekten. Demgegenüber ist eine Berücksichtigung von
Kohlendioxidsenken in Wäldern im Rahmen des EU-Emissionshandels bisher
noch nicht möglich.

Grundsätzlich macht es Sinn, die Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern
bzw. Senkenprojekte im Wald im Rahmen der internationalen Klimapolitik und
des Treibhausgashandels zu berücksichtigen, um Anreize für die Aufforstung
und für den Erhalt von Wäldern und evtl. auch für die Holzvorratsanreicherung
zu setzen. Poltisches Gewicht als Einwand hat allerdings die Befürchtung, die
Einbeziehung von Waldsenkenprojekten in den Emissionshandel könnte dazu
führen, dass das technische und ökonomische Potenzial der Vermeidung von
Kohlendioxidemissionen nicht ausgeschöpft wird. Es muss daher sichergestellt
werden, dass die Berücksichtigung der Senkenfunktion nicht zu einem Verzicht
von Emissionsminderungsmaßnahmen führt.

Die Frage, ob die finanziellen Erwartungen der Waldbesitzer an die Einbezie-
hung der Kohlendioxidsenkenleistung der Wälder erfüllt werden, wird von der
konkreten rechtlichen Ausgestaltung abhängen. Dabei ist zunächst zu berück-

sichtigen, dass den möglichen Einnahmen für die Vergütung der Kohlendioxid-
senkenleistung von Wäldern auch relevante Kosten für die Erhebung bzw. Zer-
tifizierung dieser Senkenleistung gegenüber stehen.

Unter der Voraussetzung, dass nur die Holzvorräte im Wald berücksichtigt wer-
den, ergibt sich daraus, dass Senkenprojekte nur in einem großen Maßstab öko-
nomisch sinnvoll sein können, und auch nur dann, wenn noch ein großes Poten-

Drucksache 16/7612 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

zial für die Erhöhung des Holzvorrates besteht. Dies dürfte vor allem bei
Wiederaufforstungen gegeben sein. Für bestehende Wälder dürften sich
Waldsenkenprojekte hingegen erst dann rechnen, wenn den Waldbesitzern auch
die Senkenleistung von Holzprodukten zugerechnet wird. Vor diesem Hinter-
grund ist die Frage politisch zu beantworten, ob und in welchem Maße die Sen-
kenleistungen von Holzprodukten den Waldbesitzern angerechnet werden sol-
len. Hier besteht das methodische Problem, dass die Holzprodukte eine sehr
unterschiedliche Lebensdauer haben, und es unterschiedlich lange dauert, bis sie
wieder zu Kohlendioxid abgebaut werden. Hier wären Mittelwerte zu ermitteln.

Zu berücksichtigen ist auch, dass der Wald nicht nur eine Senke von Kohlen-
dioxid sein kann, sondern im Fall von Waldbränden, Brandrodungen und von
Kahlschlägen auch eine Quelle. Eine Berücksichtigung der Senkenfunktion
ohne die Anrechnung dieser Quellen macht klima- und waldpolitisch keinen
Sinn. Eine solche Lösung wäre abzulehnen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. In welchem Ausmaß erwartet die Bundesregierung infolge des Klimawan-
dels eine natürliche Erhöhung bzw. eine Abnahme der Holzvorräte in den
deutschen Wäldern?

2. Befürwortet die Bundesregierung die Aufnahme der Kohlendioxidsenken-
funktion von Wäldern in die Treibhausgasbilanzen bzw. von Waldsenken-
projekten und in den EU-Treibhausgashandel?

3. Auf welche Art und Weise sollte den Waldbesitzern aus Sicht der Bundes-
regierung eine Anrechnung der Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern
bei den Treibhausgasbilanzen finanziell zu Gute kommen?

4. Wie könnte aus Sicht der Bundesregierung eine finanzielle Vergütung einer
Anrechnung der Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern bei den Treib-
hausgasbilanzen finanziert werden?

5. Auf welche Art und Weise sollten aus Sicht der Bundesregierung die Koh-
lendioxidsenkenfunktion von Wäldern im Rahmen des EU-Treibhausgas-
handels berücksichtigt werden?

6. Auf welche Art und Weise sollten aus Sicht der Bundesregierung bei der
Anrechnung der Kohlendioxidsenkenfunktion diejenigen Wälder berück-
sichtigt werden, die zu Quellen von Kohlendioxid werden?

7. Wie lang ist nach Erkenntnissen der Bundesregierung schätzungsweise die
durchschnittliche Nutzungsdauer und damit die Dauer der Kohlendioxid-
speicherung von Holz, das aus deutschen Wäldern stammt?

8. Wie werden sich die durchschnittliche Nutzungsdauer und damit die Dauer
der Kohlendioxidspeicherung von Holz angesichts der Zunahme der Ener-
gieholznutzung entwickeln?

9. Auf welche Art und Weise und in welchem Umfang sollten vor dem Hinter-
grund der durchschnittlichen Nutzungsdauer von Holz die Senkenfunktion
der Holzprodukte bei der Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern aus
Sicht der Bundesregierung berücksichtigt werden?

10. Ist es aus Sicht der Bundesregierung berechtigt, die Verwendung von Holz
als Energieholz als Kohlendioxidsenke anzuerkennen, obwohl das in Holz
gebundene Kohlendioxid wieder freigesetzt wird, und die Nutzung von
Energieholz damit gemeinhin als kohlendioxidneutral angesehen wird, und
wenn ja, wie begründet sie diese Haltung.?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7612

11. Auf welche Art und Weise sollte aus Sicht der Bundesregierung die Erfas-
sung bzw. Zertifizierung der Senkenleistung von Wäldern geleistet werden,
um im Rahmen des EU-Treibhausgashandels anerkannt zu werden?

12. Welche Initiativen hält die Bundesregierung für sinnvoll, um den Schutz der
EU-Wälder vor Bränden insbesondere in Südeuropa voranzubringen?

13. Wie schätzt die Bundesregierung die Kohlendioxidspeicherfähigkeit von
Waldböden ein?

14. Wie bewertet die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Diskussion
um die Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern die Forderung nach einer
Ausweitung der Erstaufforstung in der Bundesrepublik Deutschland, in der
EU und weltweit?

15. Mit welchen Mitteln will die Bundesregierung die Erstaufforstung in der
Bundesrepublik Deutschland, in der EU und weltweit voranbringen?

16. Wie bewertet die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Diskussion
um die Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern die Forderung nach
wirksamen Kahlschlagsverboten, um einen Abbau der stehenden Kohlen-
dioxidvorräte und des Bodenhumus zu verhindern?

17. Wie bewertet die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Diskussion
um die Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern die Forderung nach einer
Überführung von Altersklassenwäldern in Dauerwälder?

18. Wie bewertet die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Diskussion
um die Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern die Forderung nach einer
Erhöhung der Holzvorräte pro Flächeneinheit in den deutschen Wäldern?

19. Wie bewertet die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Diskussion
um die Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern die Forderung nach
einem Baumartenwechsel hin zu Baumarten, die mehr Kohlenstoff langfris-
tig fixieren?

20. Wie bewertet die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Diskussion
um die Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern die Forderung nach Um-
triebszeitverlängerungen in den Wäldern?

21. Wie bewertet die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Diskussion
um die Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern die Forderung nach einer
Erhöhung des Totholzanteils in den Wäldern?

22. Wie bewertet die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Diskussion
um die Kohlendioxidsenkenfunktion von Wäldern die Forderung nach einer
Erhöhung der Bestandsdichte von Wirtschaftswäldern?

23. Hält es die Bundesregierung für sinnvoll, kohlendioxidspeichernde Maß-
nahmen in die GAK-Förderungsgrundsätze (GAK – Gemeinschaftsaufgabe
Agrar-Struktur und Küstenschutz) aufzunehmen, und wenn ja, welche?

Berlin, den 17. Dezember 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.