BT-Drucksache 16/7432

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Elke Hoff, Dr. Rainer Stinner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP -16/393- Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr herstellen - Wehrpflicht aussetzen 2. zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Kai Gehring, Alexander Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/6393- Wehrpflicht überwinden - Freiwilligenarmee aufbauen

Vom 3. Dezember 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7432
16. Wahlperiode 03. 12. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Verteidigungsausschusses (12. Ausschuss)

1. zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Elke Hoff, Dr. Rainer
Stinner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP
– Drucksache 16/393 –

Zukunftsfähigkeit der Bundeswehr herstellen – Wehrpflicht aussetzen

2. zu dem Antrag der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Kai Gehring, Alexander
Bonde, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/6393 –

Wehrpflicht überwinden – Freiwilligenarmee aufbauen

A. Problem

Die sicherheitspolitische Lage hat sich mit dem Ende des Kalten Krieges grund-
legend geändert. Neue Einsatz- und Bedrohungszenarien sind die Folge. Als
Reaktion hierauf hat die Bundesrepublik Deutschland ihre Streitkräfte einem
Transformationsprozess unterworfen, der auch zu einer Reduzierung des Um-
fangs der Bundeswehr geführt hat.

Die Anträge der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN knüpfen
hieran an und fordern – in unterschiedlichen Nuancierungen – die Bundesregie-
rung auf, die Wehrpflicht auszusetzen und die Bundeswehr in eine Freiwilligen-
armee umzustrukturieren. Beide Fraktionen stimmen darin überein, dass die
Wehrpflicht mittlerweile weder dem Erfordernis der Wehrgerechtigkeit entspre-
che noch sicherheitspolitisch begründbar sei.

B. Lösung

Zu Nummer 1
Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/393 mit den Stimmen der
Fraktionen CDU/CSU, SPD und DIE LINKE. gegen die Stimmen der
Fraktion der FDP und bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Drucksache 16/7432 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Zu Nummer 2

Ablehnung des Antrags auf Drucksache 16/6393 mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktionen FDP
und DIE LINKE.

C. Alternativen

Annahme der genannten Anträge.

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7432

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

1. den Antrag auf Drucksache 16/393 abzulehnen,

2. den Antrag auf Drucksache 16/6393 abzulehnen.

Berlin, den 14. November 2007

Der Verteidigungsausschuss

Ulrike Merten
Vorsitzende

Jürgen Herrmann
Berichterstatter

Dr. Hans-Peter Bartels
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Paul Schäfer (Köln)
Berichterstatter

Winfried Nachtwei
Berichterstatter

Austausch mit der Gesellschaft stelle sie doch einen so tiefen
Einschnitt in die individuelle Freiheit der jungen Bürger dar,

die Integration von Streitkräften in die Gesellschaft anbe-
lange, so seien hier nicht die Wehrform, sondern die Perso-
dass sie von einem demokratischen Rechtsstaat nur dann
abgefordert werden könne und dürfe, wenn es die äußere
Sicherheit des Staates wirklich gebiete. Diese sei jedoch
nicht durch konventionelle Angriffe bedroht. Bei einer in-

nalauswahl und die Praxis der Inneren Führung entschei-
dend. Auch der Zivildienst könne die Wehrpflicht nicht
begründen, da er Ersatz für nicht geleisteten Wehrdienst sei.
Im Übrigen habe das Festhalten der Bundesregierung an den
Drucksache 16/7432 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Bericht der Abgeordneten Jürgen Herrmann, Dr. Hans-Peter Bartels, Birgit
Homburger, Paul Schäfer (Köln) und Winfried Nachtwei

I. Überweisung
1. Antrag auf Drucksache 16/393

Der Antrag auf Drucksache 16/393 wurde in der 115. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 20. September 2007 an
den Verteidigungssausschuss zur federführenden Beratung
und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuss, den
Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie den Haushalts-
ausschuss überwiesen.

2. Antrag auf Drucksache 16/6393

Der Antrag auf Drucksache 16/6393 wurde in der 115. Sit-
zung des Deutschen Bundestages am 20. September 2007 an
den Verteidigungssausschuss zur federführenden Beratung
und zur Mitberatung an den Auswärtigen Ausschuss, den
Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Ausschuss für
Familie, Senioren, Frauen und Jugend, den Ausschuss für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sowie den
Haushaltsausschuss überwiesen.

II. Wesentlicher Inhalt der Vorlagen
1. Antrag auf Drucksache 16/393

Der Antrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 16/393
weist darauf hin, dass sich die sicherheitspolitische Lage
zum Ende des letzten Jahrhunderts grundlegend geändert
und zu einer massiven militärischen Kräfteverschiebung
geführt habe. Massenarmeen entsprächen nicht mehr den
heutigen sicherheitspolitischen Erfordernissen. Frieden und
Freiheit seien im Interesse der Menschen im Rahmen der
Völkergemeinschaft herbeizuführen und zu sichern. Wo not-
wendig müsse dies – als Ultima Ratio – auch mit militäri-
schen Mitteln geschehen.

Deutschland habe seine neue Rolle verantwortungsvoll an-
zunehmen und die Bündnisfähigkeit der Bundeswehr als
wesentliches Instrument deutscher Friedenspolitik konse-
quent und nachhaltig zu verbessern. Die Bundeswehrstruk-
tur der Zukunft müsse ohne Abstriche den Anforderungen
entsprechen, die von NATO und EU an die deutschen
Streitkräfte gestellt würden, um uneingeschränkt bündnis-
fähig zu sein. Die NATO fordere aber von Deutschland
keine Wehrpflichtarmee, sondern Streitkräfte, die gut aus-
gebildet, modern ausgerüstet, voll einsatzbereit und schnell
verlegbar seien. Dafür benötige die Bundeswehr keine
Grundwehrdienstleistenden.

Bei allen positiven Auswirkungen der Wehrpflicht etwa im
Hinblick auf die Führungskultur der Streitkräfte oder den

Wehrpflichtarmee aufgegeben werden. Die Durchführung
der Wehrpflicht sei ferner zutiefst ungerecht, da derzeit fast
60 Prozent der 420 000 jährlich zur Verfügung stehenden
jungen Männer keinen Wehr- oder Ersatzdienst leisten müss-
ten.

Je schneller die Wehrpflicht ausgesetzt werde, desto besser
sei die Bundeswehr in der Lage, die neu gestellten Aufgaben
zu bewältigen. Attraktivitätssteigernde Maßnahmen für die
Bundeswehr der Zukunft seien dabei ebenso erforderlich wie
die unverzügliche und umfassende Modernisierung der Aus-
rüstung zum Schutz der Soldaten und zur Wirkungssteige-
rung im Einsatz.

2. Antrag auf Drucksache 16/6393

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Drucksache 16/6393 betont, dass von einer „allgemeinen“
Wehrpflicht für Männer schon seit vielen Jahren keine Rede
mehr sein könne. Aus der derzeitigen Personalstruktur der
Streitkräfte resultiere ein eklatanter Mangel an Wehrgerech-
tigkeit, weil durch den Transformationsprozess der Streit-
kräfte der Anteil der Wehrpflichtigen von 44 Prozent im Jahr
1989 auf mittlerweile nur noch 12 Prozent gesunken sei. Da
demnach die Bundeswehr zu 88 Prozent aus Freiwilligen
bestehe, sei der Ausstieg aus der Wehrpflicht bereits weit-
gehend vollzogen. Angesichts der nur beschränkt zur Ver-
fügung stehenden Zahl von Dienstposten für Grundwehr-
dienstleistende sowie freiwillig länger Wehrdienst Leistende
könnten von den jährlich 400 000 wehrpflichtigen jungen
Männern etwa 340 000, selbst wenn sie wollten und bei bes-
ter Gesundheit wären, keinen Wehrdienst leisten. Wenn je-
doch 50 Prozent eines Geburtsjahrgangs aus- oder untaug-
lich gemustert würden und 25 Prozent Zivildienst leisteten,
werde die Wehrpflicht zur Farce und der Wehrdienst mit all
seinen damit verbundenen Nachteilen zur Ausnahme.

Abgesehen davon sei die Beibehaltung der Wehrpflicht
sicherheitspolitisch nicht mehr zu begründen, da die
Sicherheit Deutschlands auch ohne Wehrpflicht gewähr-
leistet werden könne. Denn nicht mehr die traditionelle
Landesverteidigung sei strukturbestimmend, sondern die
Teilnahme an multilateraler Krisenbewältigung. Für diese
Aufgabe im Dienste kollektiver Sicherheit bedürfe es Streit-
kräfte, die nicht nur ihr militärisches Handwerk beherrsch-
ten, sondern auch über „soft skills“ verfügten.

Das von Wehrpflichtbefürwortern angeführte Rekrutie-
rungsargument könne die allgemeine Wehrpflicht schon des-
halb nicht begründen, weil unter Effizienzgesichtspunkten
ein Grundwehrdienst von nur noch neun Monaten eine Ver-
geudung knapper (Ausbildungs-)Ressourcen sei. Was zudem
telligent angelegten Streitkräftestruktur im Rahmen einer
Freiwilligenarmee müsse zudem keiner der Vorteile einer

Zivildienstplätzen bei gleichzeitiger drastischer Reduzie-
rung der Zahl der Wehrdienstplätze das Prinzip der allgemei-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/7432

nen Wehrpflicht auf den Kopf gestellt. Diese strukturelle
Ungleichbehandlung von Kriegsdienstverweigerern müsse
beendet werden.

Der bereits eingeleitete Übergang zur Freiwilligenarmee
könne durch die Verbesserung der Nachwuchsgewinnung
und die Einführung eines attraktiven, freiwilligen und fle-
xiblen Kurzdienstes von zwölf bis 24 Monaten beschleunigt
werden. Die Kurzdienstleistenden müssten die freiwillig
länger Wehrdienst Leistenden und schrittweise die Grund-
wehrdienstleistenden ersetzen. Der Kurzdienst würde den
Adressatenkreis auf Frauen und jene jungen Männer ausdeh-
nen, die zwar von der Wehrpflicht befreit, aber dennoch an
einem attraktiven Dienst in den Streitkräften interessiert
seien. Insgesamt müsse er in ein verbessertes Konzept der
Nachwuchsgewinnung, Personalbetreuung, Politischen Bil-
dung und Berufsförderung integriert werden.

III. Stellungnahmen der mitberatenden Ausschüsse

Zu Nummer 1 (Antrag auf Drucksache 16/393)

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag auf Druck-
sache 16/393 in seiner 52. Sitzung am 7. November 2007
beraten und mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion der
FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN die Ablehnung empfohlen.

Der Innenausschuss hat den Antrag auf Drucksache 16/393
in seiner 52. Sitzung am 7. November 2007 beraten und mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktion der FDP die Ablehnung empfohlen.

Der Rechtsausschuss hat den Antrag auf Drucksache 16/393
in seiner 78. Sitzung am 7. November 2007 beraten und mit
den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD, DIE LINKE.
und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gegen die Stimmen der
Fraktion der FDP die Ablehnung empfohlen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat den Antrag auf Drucksache 16/393 in seiner 43. Sitzung
am 7. November 2007 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktion der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktionen DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
empfohlen.

Der Haushaltsausschuss hat den Antrag auf Drucksache
16/393 in seiner 55. Sitzung am 8. November 2007 beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und
SPD gegen die Stimmen der Fraktion der FDP bei Stimm-
enthaltung der Fraktionen DIE LINKE. und BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Ablehnung empfohlen.

Zu Nummer 2 (Antrag auf Drucksache 16/6393)

Der Auswärtige Ausschuss hat den Antrag auf Drucksache
16/6393 in seiner 52. Sitzung am 7. November 2007 beraten
und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU, SPD
und FDP gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN bei Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE.
die Ablehnung empfohlen.

den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und DIE LINKE. die
Ablehnung empfohlen.

Der Rechtsausschuss hat den Antrag auf Drucksache 16/6393
in seiner 78. Sitzung am 7. November 2007 beraten und mit
den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen
die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und DIE LINKE. die
Ablehnung empfohlen.

Der Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
hat den Antrag auf Drucksache 16/6393 in seiner 43. Sitzung
am 7. November 2007 beraten und mit den Stimmen der
Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung
der Fraktionen FDP und DIE LINKE. die Ablehnung emp-
fohlen.

Der Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung hat den Antrag auf Drucksache 16/6393 in
seiner 49. Sitzung am 7. November 2007 beraten und mit den
Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktionen FDP und DIE LINKE. die
Ablehnung empfohlen.

Der Haushaltsausschuss hat den Antrag auf Drucksache
16/6393 in seiner 55. Sitzung am 8. November 2007 be-
raten und mit den Stimmen der Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gegen die Stimmen der Fraktionen FDP, DIE
LINKE. und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Ablehnung
empfohlen.

IV. Beratungsverlauf und Beratungsergebnisse im
federführenden Ausschuss

Der Verteidigungsausschuss hat die Vorlagen in seiner
66. Sitzung am 14. November 2007 abschließend beraten.
Er empfiehlt mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU,
SPD und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion
der FDP bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN die Ablehnung des Antrags auf Druck-
sache 16/393.

Auch zu dem Antrag auf Drucksache 16/6393 empfiehlt der
Verteidigungsausschuss mit den Stimmen der Fraktionen der
CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei Stimmenthaltung der
Fraktionen FDP und DIE LINKE. die Ablehnung.

Die Fraktion der CDU/CSU unterstreicht ihr klares Be-
kenntnis zur Wehrpflicht, wie es zudem im Koalitionsvertrag
vom November 2005 niedergelegt sei, auch wenn sie sich
keineswegs dagegen aussprechen wolle, im Rahmen der
Transformation auch die Wehrpflicht weiter zu entwickeln.
Trotz neuer Aufgabenfelder stehe die Aufgabe der Lan-
desverteidigung an erster Stelle. In diesem Zusammenhang
spiele die Wehrpflicht eine große Rolle. Daneben sei die
Wehrpflicht auch im Hinblick auf die Verankerung der
Bundeswehr in der Bevölkerung sowie für die Nachwuchs-
gewinnung von größter Bedeutung. Wie der Bericht des Bun-
desministeriums der Verteidigung über verfassungskonfor-
Der Innenausschuss hat den Antrag auf Drucksache 16/6393
in seiner 52. Sitzung am 7. November 2007 beraten und mit

me Wehr- bzw. Einberufsgerechtigkeit mit Zahlen belege, sei
auch die Wehrgerechtigkeit gesichert. Ebenso sei der zwei-

phische Wandel in Deutschland hin zu einer überalterten Ge-
sellschaft werde Auswirkungen auch auf die Fähigkeit zur
Verteidigung und möglicherweise auch die Bereitschaft hier-
zu haben. Die Wehrpflicht sei daher ein wichtiger Baustein
und ein Symbol dafür, dass es in diesem Bereich eine kollek-
tive Verantwortung gebe. Eine andere Frage sei, wie die aus
der Wehrpflicht resultierende Einberufungspraxis gehand-
habt werde. So sei zweifelhaft, ob diese noch mit der verän-
derten Berufs- und Arbeitswelt korrespondiere. Auch über
die Frage der Einberufungsgerechtigkeit müsse stets neu
nachgedacht werden. So relativiere sich die Ausschöpfungs-
quote in Bezug auf die Jahrgangsstärke. Wenn von einem
Jahrgang letztlich überhaupt nur 24 Prozent der jungen Män-
ner zur Verfügung stünden, sei dies nicht unproblematisch.
Andererseits zeige ein Blick auf die Nachbarländer, dass bei
Einführung einer Freiwilligenarmee nicht zuletzt im Hinblick
auf die Mannschaftsdienstgrade die Gefahr bestehe, nicht die
mitdenkenden Soldaten zu erhalten, die eine nach den Prin-
zipien der Inneren Führung aufgebaute Armee benötige.

Seitens der Fraktion der FDP wird darauf hingewiesen,
dass von durchschnittlich jährlich 420 000 zur Verfügung
stehenden Männern lediglich 70 000 oder knapp 17 Prozent
ihren Wehrdienst leisteten. Selbst unter Berücksichtigung
derjenigen, die einen Ersatzdienst ableisteten, würden jähr-
lich insgesamt nur 175 000 Männer ihren Pflichtdienst
ableisten. Wenn damit ca. 60 Prozent eines Jahrgangs über-
haupt keinen Dienst leisten müssten, könne weder von einer
Wehr- noch einer Dienstgerechtigkeit gesprochen werden.
Laut Bundesverfassungsgericht sei es im Übrigen erfor-
derlich, dass die Ausnahmetatbestände in diesem Bereich
sachgerecht seien und dem Gedanken einer allgemeinen
staatsbürgerlichen Pflicht Rechnung trügen, was jedoch vor-
liegend nicht der Fall sei. Insbesondere die Tauglichkeitskri-
terien würden dazu benutzt, die Anzahl der potentiellen

dass die Wehrpflicht obsolet sei. Die Wehrgerechtigkeit sei
nicht mehr gewährleistet, zumal eine steigende Zahl von
Wehrpflichtigen nicht einmal mehr gemustert werde. Dage-
gen würden Wehrdienstverweigerer größtenteils zum Zivil-
dienst eingezogen. Abgesehen davon bedeute der Wehr-
dienst eine Ungleichbehandlung von Männern und Frauen.
Den Anträgen der Fraktionen FDP und BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN könne man sich aufgrund der Antragsbegründun-
gen nicht positiv anschließen, auch wenn das verfolgte Ziel
– die Aussetzung der Wehrpflicht – begrüßt werde.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisiert, dass
von Wehrdienstbefürwortern die Problematik des mit dem
Dienst verbundenen Grundrechtseingriffs im Grunde negiert
und ausgeklammert werde. Tatsächlich sei der Grundrechts-
eingriff jedoch so massiv, dass die Wehrpflicht nur unter der
Voraussetzung gerechtfertigt bleiben könne, dass sie un-
verzichtbar und alternativlos für die Aufrechterhaltung der
äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei.
Bloße Nützlichkeitserwägungen seien demnach als Begrün-
dung für die Wehrpflicht nicht ausreichend. Bemerkenswert
sei im Hinblick auf die geforderte Alternativlosigkeit auch,
dass die Regierungsfraktionen unter Hinweis auf den Koali-
tionsvertrag eine Prüfung von Alternativen gar nicht mehr
vornähmen. Abgesehen davon könne auch von Wehrgerech-
tigkeit keine Rede mehr sein, wenn man sich nicht auf einen
rein formalen Begriff von Wehrgerechtigkeit zurückziehen
wolle. Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte gleich
belastende Pflicht sei nicht mehr gegeben, wenn von einem
Jahrgang mittlerweile nur noch eine kleine Minderheit zum
Dienst herangezogen werde. Vor diesem Hintergrund plädie-
re man – ggf. als Übergangslösung – für einen freiwilligen
flexiblen Kurzdienst von zwölf bis 24 Monaten für Männer
und Frauen.

Berlin, den 27. November 2007

Jürgen Herrmann
Berichterstatter

Dr. Hans-Peter Bartels
Berichterstatter

Birgit Homburger
Berichterstatterin

Paul Schäfer (Köln)
Berichterstatter

Winfried Nachtwei
Berichterstatter
Drucksache 16/7432 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

fellos erhebliche Eingriff in die Grundrechte junger Männer,
den der Wehrdienst darstelle, höchstrichterlich durch das
Bundesverwaltungsgericht gedeckt. Die Ausschöpfungsquo-
te liege derzeit unter Berücksichtigung der zusätzlich einbe-
rufenen 6 700 Wehrpflichtigen bei ca. 74 Prozent. Berück-
sichtige man den demographischen Wandel, so könne davon
ausgegangen werden, dass die Ausschöpfungsquote auf lan-
ge Sicht sogar auf bis zu 84 Prozent steigen werde.

Aus Sicht der Fraktion der SPD stellt die Wehrpflicht auch
einen Teil der Sicherheitsvorsorge für die deutsche Ge-
sellschaft dar, da niemand voraussehen könne, wie sich die
weltweite Sicherheitslage entwickeln werde. Der demogra-

Wehrpflichtigen je nach Bedarf einzugrenzen. Anders lasse
sich kaum erklären, warum die Zahl der als untauglich Ge-
musterten von 14,2 Prozent im Jahr 2004 auf mittlerweile
40,6 Prozent gestiegen sei. Abgesehen davon stünden die
Kosten für Wehrerfassung, Musterung und Ausbildung in
keinem Verhältnis mehr zur Dauer des Wehrdienstes von nur
noch neun Monaten. Auch sei die Wehrpflicht für die Auf-
rechterhaltung der äußeren Sicherheit des Landes nicht mehr
unabdingbar erforderlich, da Massenarmeen alten Zuschnitts
nicht mehr benötigt würden. Dieser Veränderung der Sicher-
heitslage müsse Rechnung getragen werden.

Auch die Fraktion DIE LINKE. vertritt die Auffassung,

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