BT-Drucksache 16/7232

Stand Planstellungsverfahren für die Elbvertiefung und Seehafenkonzept

Vom 16. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/7232
16. Wahlperiode 16. 11. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Rainder Steenblock, Winfried Hermann, Peter Hettlich,
Dr. Anton Hofreiter, Cornelia Behm, Hans-Josef Fell, Bettina Herlitzius, Ulrike
Höfken, Bärbel Höhn, Nicole Maisch und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Stand Planfeststellungsverfahren für die Elbvertiefung und Seehafenkonzept

Bundesminister für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee
(SPD), hat Ende August in Otterndorf (Landkreis Cuxhaven) eine erneute
Bedarfsprüfung für die Elbvertiefung zugesagt und ein gesamtdeutsches
Hafenkonzept angekündigt. Tatsache ist, dass bereits heute Schiffe bis 15,10 m
Tiefgang Hamburg auf der Hochwasserwelle anlaufen und bis 13,80 m Tief-
gang wieder verlassen können. Statistiken der realisierten Tiefgänge belegen,
dass diese möglichen Tiefgänge vor allem von Massengutschiffen genutzt
wurden, von Containerschiffen jedoch nur in wenigen Einzelfällen (ein- bis
zehnmal pro Jahr; Quellen: Schiffsmeldedienst, www.rettet-die-elbe.de).

Aufgrund des gestiegenen Containeraufkommens zeigen sich heute schon
Kapazitätsengpässe im Bereich des Hamburger Hafens, die eine reibungslose
Ver- und Entsorgung des Hafens auf Schiene und Straße behindern (Sonderbe-
richt Seehafenhinterlandverkehr des Bundesamts für Güterverkehr (BAG) vom
26. Oktober 2007). Die Wirtschaftsminister der Küstenländer wie auch der Zen-
tralverband der deutschen Seehafenbetriebe (ZDS) haben vor kurzem betont,
dass die vom Bund bis 2010 bisher veranschlagten Investitionen für den Ausbau
der Hinterlandanbindungen der deutschen Seehäfen nicht ausreichen werden,
um alle wichtigen Infrastrukturprojekte zu finanzieren.

Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) hat die naturschutzbezogenen Fachgut-
achten im Planfeststellungsverfahren für die Fahrrinnenanpassung der Unter-
und Außenelbe als lückenhaft, unzureichend und in vielen Bereichen überarbei-
tungsbedürftig bewertet. Prognosen seien häufig nicht nachvollziehbar, wenig
sachgemäß und zielten offensichtlich vorwiegend auf eine Verharmlosung mög-
licher Umweltauswirkungen. Auch andere beteiligte Naturschutzbehörden und
die Umweltverbände bezeichnen in ihren Stellungnahmen die Antragsunterla-
gen als fehlerhaft und nicht dem Stand anerkannter Gutachterpraxis entspre-
chend.

Wir fragen die Bundesregierung:
1. Welche Schritte folgen auf die Ankündigung von Bundesminister für Ver-
kehr, Bau und Stadtentwicklung, Wolfgang Tiefensee, den Bedarf für die
geplante Elbvertiefung erneut auf den Prüfstand zu stellen?

2. Welchen Einfluss hat die erneute Bedarfsermittlung auf den weiteren Verlauf
des Planfeststellungsverfahrens?

Drucksache 16/7232 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

3. Wie bewertet die Bundesregierung aktuelle Daten und Informationen zum
Schiffsverkehr auf der Elbe und zur Tiefgangsentwicklung bei Container-
schiffen, die zu einer abweichenden Bewertung des zwingenden Bedarfs
einer weiteren Elbvertiefung führen könnten?

4. Was ist die offizielle Position der Bundesregierung als Mitantragstellerin
der geplanten Ausbaumaßnahmen an der Elbe vor dem Hintergrund diver-
gierender Aussagen aus dem Bundesministerium für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung (BMVBS) hinsichtlich der Bewertung der Notwendig-
keit des Vorhabens?

5. Wie stellt sich die aktuelle Nutzen-Kosten-Bewertung für die geplanten
Maßnahmen an Unter- und Außenelbe dar, nachdem sich die in der Nutzen-
Kosten-Untersuchung aus dem Jahr 2003 angesetzten Kosten des Ausbaus
von 180 Mio. auf 350 Mio. Euro fast verdoppelt haben?

6. Fließen die steigenden Kosten für die Unterhaltsbaggerungen angesichts zu-
nehmender Schlickmengen sowie eventuell weitere dem Bund entstehende
Folgekosten (Deichschutzmaßnahmen) in diese Berechnungen mit ein?

Wenn ja, in welcher Größenordnung?

Wenn nein, warum nicht?

7. Geht die vom Hamburger Senat zur Unterstützung kleiner Sportboothäfen
entlang der Unter- und Außenelbe zugesagte Summe von zehn Mio. Euro
(Elbefonds) in die Nutzen-Kosten-Rechnung ein?

8. Inwieweit wurde der mit Kabinettsbeschluss vom 15. September 2004 ver-
einbarte besondere naturschutzfachliche Planungsauftrag für die geplante
Vertiefung bereits umgesetzt?

Welche Umsetzungsschritte fehlen noch, und wann werden diese abgearbei-
tet?

9. Wie ist der aktuelle Stand des Planfeststellungsverfahrens, und wie sieht der
weitere Zeitplan aus?

10. Wird der ursprünglich vorgesehene zeitliche Rahmen für den Fortgang des
Verfahrens eingehalten?

Wenn nicht, warum kommt es zu Verzögerungen?

11. Mit welchen rechtlichen Schritten von betroffenen Kommunen, Bürger/
Bürgerinnen und Umweltverbänden rechnet die Bundesregierung im Falle
eines Baurechts für die Ausbaggerung?

Welche Verzögerungen sind dadurch zu erwarten?

12. Wann werden die geplanten Erörterungstermine stattfinden?

13. Warum wurde das Bundesamt für Naturschutz als die zentrale wissenschaft-
liche Behörde des Bundes für den nationalen und internationalen Natur-
schutz nicht formal in das Planfeststellungsverfahren eingebunden?

14. Was bedeutet es nach Einschätzung der Bundesregierung für das laufende
Genehmigungsverfahren, wenn den vorgelegten Unterlagen von den betei-
ligten Fachbehörden inhaltliche Lücken und methodische Mängel attestiert
wurden, die als entscheidungsrelevant angesehen werden?

15. Wie wird sichergestellt, dass den Empfehlungen und Forderungen der Fach-
behörden im weiteren Verfahren Rechnung getragen wird?

16. Wird die Bundesregierung auf eine Überarbeitung der Planungen hin-
wirken, um rechtliche Risiken im Fortgang des Verfahrens auszuschließen?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/7232

17. Wie reagiert die Bundesregierung auf die mit einer weiteren Elbvertiefung
verbundenen Sorgen der betroffenen Bundesländer Schleswig-Holstein und
Niedersachsen um die Sicherheit der Deiche und um die Existenzgrundlage
beeinträchtigter Wirtschaftszweige wie Fischerei, Landwirtschaft und Obst-
bau?

18. Durch welche Verfahren und Maßnahmen strebt die Bundesregierung eine
einvernehmliche Lösung mit diesen beiden Bundesländern an?

19. Stimmt die Bundesregierung der Einschätzung zu, dass der Bund nach dem
Verursacherprinzip als Träger der Ausbaumaßnahmen an Unter- und Au-
ßenelbe auch die damit verbundenen Folgekosten (Investitions- und Unter-
haltungskosten) übernehmen müsste?

20. Ist ein finanzieller Ausgleich des Bundes bzw. eine andere Form der Kom-
pensation für Schäden und Einbußen, die durch die Elbvertiefung entstehen
könnten, in den Bereichen Deichsicherheit, Obstbau, Landwirtschaft und
Fischerei geplant (z. B. Schäden an Reusen und Uferböschungen; Entschä-
digung für den Wegfall bzw. die Reduzierung von Fischfang- und Anbau-
gebieten; Schäden in Elbnebenflüssen wie Oste und Lühe)?

21. Wie steht die Bundesregierung zur Forderung der niedersächsischen Deich-
verbände, einer weiteren Elbvertiefung nur zuzustimmen, wenn der Bund
sich schriftlich zur Beseitigung der Uferschäden als Folge früherer Fahr-
rinnenanpassungen verpflichtet und Unterhaltungsmaßnahmen an den Elb-
deichen zusichert?

22. Liegen der Bundesregierung entsprechende Anträge vor?

23. Hat die Bundesregierung bereits konkrete Finanzzusagen für den Deich-
schutz an der Elbe und an Elbnebenflüssen gemacht?

24. Wird die Bundesregierung den Deichverbänden (weitere) Vertragsangebote
zu den geforderten Deichschutzmaßnahmen vorlegen?

25. Wie bewertet die Bundesregierung die Forderung des niedersächsischen
Umweltministers Hans-Heinrich Sander nach Vermessungen, um die tat-
sächliche Tiefe der Elbfahrrinne feststellen zu lassen (Hamburger Abend-
blatt vom 2. November 2007)?

26. Prüft die Bundesregierung die Ergänzung der Elementarversicherung um
das Risiko „Sturmflut und Deichbruch“?

27. Hält sie eine solche „Sturmflutpolice“ für notwendig, und wie schätzt sie
deren Realisierungschancen ein?

28. Wird in der Bundesregierung daran gedacht, ein gesamtnorddeutsches Ver-
kehrskonzept zu entwickeln mit dem Ziel, alle norddeutschen Verkehrspro-
jekte länderübergreifend zu bewerten und Investitionen in die Schienen-,
Straßen- und Wasserstraßeninfrastruktur abgestimmt einzusetzen?

29. Sind die Investitionen in den Ausbau der Seehäfen und ihrer Verkehrsanbin-
dung über Schiene und Straße an das Hinterland nach Auffassung der Bun-
desregierung ausreichend, um mit dem Wachstum der Gütermengen Schritt
zu halten?

30. Wie hoch schätzt die Bundesregierung den Bedarf an über die kürzlich von
Bund, Ländern und Hafenwirtschaft bis 2012 vereinbarten 12,6 Mrd. Euro
hinausgehenden Mitteln für die erforderliche Infrastruktur ein?

31. Wer wird für wichtige Verkehrsprojekte zur Hafenanbindung aufkommen,
die noch unterfinanziert sind bzw. deren Finanzierung noch unklar ist (nach
Angaben des ZDS fehlen beim BMVBS 2,5 bis 3 Mrd. Euro; außerdem sei

nicht einmal ein Zehntel der für das Schienennetz vorgesehenen 2,4 Mrd.
Euro gesichert)?

Drucksache 16/7232 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
32. Über welche Informationen verfügt die Bundesregierung hinsichtlich des
derzeitigen Planungsstands und der prognostizierten Inbetriebnahme der
geplanten Y-Trasse?

33. Wie bewertet die Bundesregierung den Vorschlag des ZDS, alternative
Finanzierungskonzepte zur Finanzierung der Hafeninfrastruktur zu ent-
wickeln (Schaffung eines „Infrastrukturfinanzierungsfonds Deutschland“)?

Hat die Bundesregierung bereits Überlegungen in diese Richtung ange-
stellt?

34. Wann wird die Bundesregierung den für 2007 angekündigten Entwurf einer
Seehafenkonzeption vorlegen?

35. Was beinhaltet dieses Gesamtkonzept?

36. Welche Schritte sind bereits realisiert?

37. Welche konkreten Projekte von Bund und Ländern hin zu einer engeren Ab-
stimmung bzw. Zusammenarbeit der Seehäfen gibt es zurzeit?

Berlin, den 16. November 2007

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.