BT-Drucksache 16/6977

zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -16/5425- Die Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union weiter entwickeln

Vom 7. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6977
16. Wahlperiode 07. 11. 2007

Beschlussempfehlung und Bericht
des Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union
(21. Ausschuss)

zu dem Antrag der Abgeordneten Rainder Steenblock, Jürgen Trittin, Omid
Nouripour, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 16/5425 –

Die Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union
weiter entwickeln

A. Problem

In dem Antrag wird die Überarbeitung und Weiterentwicklung der Erweite-
rungs- und Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union gefordert. Weiterhin
sollen alle Beziehungen zu Nachbarstaaten in einen Gesamtkontext gestellt wer-
den. Denn entsprechend der mit den bisher erfolgten Erweiterungen gemachten
Erfahrungen sei es nun an der Zeit, die Instrumente der Beziehungen mit Nach-
barstaaten: Erweiterung, Europäische Nachbarschaftspolitik sowie strategische
Partnerschaften mit Nachbarn (Russland, Zentralasien sowie Schwarzmeer-
raum) zu reformieren und in ein Gesamtkonzept zu stellen. Denn es sei ein
grundlegendes Interesse der Europäischen Union, die Zukunft und die interna-
tionale Ordnung des 21. Jahrhunderts aktiv mitzugestalten. Zentral sei hierbei,
dass die Europäische Union ein offenes und funktionelles Projekt ist, das auf der
Idee des friedlichen „Europa ohne Grenzen“ basiere.

Die Europäische Kommission hat die Erweiterung der Europäischen Union auf
„Konsolidierung, Konditionalität und Kommunikation“ gestützt. Diese Zielrich-
tung müsse in den Vordergrund gerückt werden, um sich das auf gemeinsamen
Werten beruhende Erfolgsprojekt der Europäischen Union als politisches und
ökonomisches Gemeinwesen zu erhalten und weiterzuentwickeln.

B. Lösung

Keine

Ablehnung des Antrags mit den Stimmen der Fraktionen CDU/CSU, SPD,
FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN

C. Alternativen

Keine

D. Kosten

Wurden nicht erörtert.

Drucksache 16/6977 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Beschlussempfehlung

Der Bundestag wolle beschließen,

den Antrag auf Drucksache 16/5425 abzulehnen.

Berlin, den 7. November 2007

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

Gunther Krichbaum
Vorsitzender

Dr. Stephan Eisel
Berichterstatter

Axel Schäfer (Bochum)
Berichterstatter

Markus Löning
Berichterstatter

Dr. Diether Dehm
Berichterstatter

Rainder Steenblock
Berichterstatter

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6977

Bericht der Abgeordneten Dr. Stephan Eisel, Axel Schäfer (Bochum), Markus
Löning, Dr. Diether Dehm, Rainder Steenblock

1. Beratungsverfahren

Der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf
Drucksache 16/5425 wurde in der 103. Sitzung des Deut-
schen Bundestages am 14. Juni 2007 zur federführenden Be-
ratung an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Euro-
päischen Union und zur Mitberatung an den Auswärtigen
Ausschuss und den Ausschuss für Menschenrechte und
humanitäre Hilfe überwiesen.

Der Auswärtige Ausschuss hat in seiner 52. Sitzung am
7. November 2007 mit den Stimmen der Fraktionen CDU/
CSU, SPD, FDP und DIE LINKE. gegen die Stimmen der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN empfohlen, den An-
trag abzulehnen.

Der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
hat in seiner 45. Sitzung am 7. November 2007 mit den Stim-
men der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP gegen die
Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bei
Stimmenthaltung der Fraktion DIE LINKE. empfohlen, den
Antrag abzulehnen.

2. Inhalt der Vorlage

Auf der Grundlage des Antrags der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN möge der Bundestag folgendes feststellen:

Die Erweiterung sei eines der erfolgreichsten friedenspoliti-
schen Instrumente der Europäischen Union. Sie habe einen
wesentlichen Beitrag zur Transformation der Staaten in
Süd-, Mittel- und Osteuropa in stabile Demokratien und
funktionierende Marktwirtschaften geleistet. Mit der Erwei-
terung der Europäischen Union werde ein Raum des Frie-
dens, der Demokratie und der Menschenrechte vergrößert.
Bereits die Aussicht auf Mitgliedschaft in der Europäischen
Union habe in vielen Ländern gesellschaftliche Verände-
rungen angestoßen, den inneren Demokratisierungsprozess
vorangetrieben und den Schutz der Menschenrechte und die
Rechtsstaatlichkeit gestärkt. Der Export von Stabilität in die
südöstlichen Räume Europas stelle ebenso wie die Lösung
regionaler Konflikte in Europa ein originäres europäisches
Sicherheitsinteresse dar. Somit entspreche die Erweiterung
den vitalen politischen und ökonomischen Interessen der
Europäischen Union.

Darüber hinaus hätten die ökonomischen Entwicklungen in
den neuen Mitgliedstaaten zu mehr Wachstum und Beschäf-
tigung für die gesamte Europäische Union geführt. Gerade
Deutschland profitiere von der Erweiterung. Das steigende
Einkommensniveau in den neuen Mitgliedstaaten steigere
zugleich die dortige Kaufkraft und damit den Absatz deut-
scher Produkte. Dies fördere den Wohlstand in ganz Europa.

Im Rahmen der globalen Veränderungen fänden auch Ar-
beitsmarktbewegungen statt. Diese könnten auf der Ebene
der Europäischen Union besser gestaltet werden als von den
einzelnen Nationalstaaten. Deshalb sei die Weiterentwick-
lung der Europäischen Union zur gestaltenden Akteurin im
Globalisierungsprozess, die für ein europäisches Gesell-

schaftsmodell stehe, zur Wahrung der deutschen Interessen
notwendig.

Es sei ein grundlegendes Ziel der Europäischen Union, die
Zukunft und die internationale Ordnung des 21. Jahrhunderts
aktiv mitzugestalten. Dies sei jedoch nur bei einer grund-
sätzlichen Bereitschaft zur Öffnung nach Außen möglich.
Die Erweiterung diene hierbei der Verfolgung der poli-
tischen und ökonomischen Interessen der Europäischen
Union.

Die Europäische Kommission habe die Erweiterungsstrate-
gie als Grundlage für einen erneuten Konsens über die Er-
weiterung der Europäischen Union auf „Konsolidierung,
Konditionalität und Kommunikation“ gestützt.

Unter einzelnen Mitgliedern der Europäischen Union habe
sich eine „Erweiterungsmüdigkeit“ entwickelt. Aus den Er-
fahrungen der bisherigen Erweiterungen sollten Schlüsse ge-
zogen und die Erweiterungspolitik der Europäischen Union
folgendermaßen angepasst und differenziert werden:

– Statt Beitrittstermine im Vorfeld festzulegen, solle aus-
schließlich die Erfüllung der Kopenhagener Kriterien so-
wie die vollständige Übernahme und Anwendung des
gesamten rechtlichen Besitzstandes der Europäischen
Union den Beitrittszeitpunkt bestimmen.

– Die Integration weiterer europäischer Länder erfordere
eine sukzessive Integration in Bereichen, in denen eine
Übernahme der europäischen Standards bereits erfolgt
sei. Demnach könne ein Beitrittskandidat sowohl Teil-
souveränitäten erhalten als auch Teilpflichten und Teil-
rechte übernehmen, um Entweder-oder-Fragen zu ver-
meiden.

– Bei der Heranführung von Beitrittskandidaten der Euro-
päischen Union müsse effektiv und friedlich mit den
Nachbarn zusammengearbeitet werden. Hierfür müssten
regionale Kooperationen und Interessengemeinschaften
entwickelt werden. Darüber hinaus bedürfe es einer Dif-
ferenzierung zwischen der Nachbarschaftspolitik für die
europäischen Staaten, die eine grundsätzliche EU-Bei-
trittsperspektive haben, und einer Nachbarschaftspolitik
für die südlichen und östlichen Mittelmeeranrainer.

Eine bleibende Herausforderung im Zusammenhang mit der
fünften Erweiterung der Europäischen Union bestehe darin,
eine umfassende Lösung für die „Zypernfrage“ und die Wie-
dervereinigung der Insel zu erlangen. Eine Intensivierung
der Bemühungen zur Annäherung der griechisch-zyprioti-
schen und der türkisch-zypriotischen Gemeinschaften solle
unterstützt werden, um die Suche nach einer umfassenden
Lösung der Problematik unter Schirmherrschaft der Ver-
einten Nationen wieder aufnehmen zu können.

Konkret müsse gegenüber der türkischen Regierung auf ein
Festhalten am bisherigen Reformkurs gedrängt werden. Die
kroatische Regierung solle bei ihrem Reformvorhaben unter-
stützt und zu einer stärkeren Zusammenarbeit mit dem
Haager Gerichtstribunal animiert werden, die mazedonische
Regierung müsse auf ihrem Weg zum Beginn der Beitritts-

Drucksache 16/6977 – 4 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

verhandlungen unterstützt und die Staaten des westlichen
Balkans im Rahmen des Stabilitäts- und Assoziierungspro-
zesses an den Abschluss der Stabilisierungs- und Assoziie-
rungsabkommen herangeführt werden, um ihre Perspektive
in der Europäischen Union zu unterstreichen.

Es sollten die Erweiterungsstrategie der Europäischen
Union, die östliche Dimension der Nachbarschaftspolitik der
Europäischen Union, die Weiterentwicklung der Beziehun-
gen zu Russland und die Zentralasien-Strategie der Euro-
päischen Union kohärent aufeinander abgestimmt werden.
Zudem müssten die regionalen Kooperationsstrukturen in
der Schwarzmeer-Region gefördert werden.

Die Beziehungen der Europäischen Union zu den Ländern
der Mittelmeer-Regionen müssten ferner vertieft werden.
Ein regionaler Ansatz bestehe bereits mit der Euro-Mediter-
ranen-Partnerschaft und dem Barcelona-Prozess, der unter
anderem das Ziel einer gemeinsamen Freihandelszone bein-
halte. Um ein eindeutiges Interesse an demokratischen Re-
formen bei den Regierungen der Länder des Mittelmeer-
Raumes hervorzurufen, müsse die Europäische Nachbar-
schaftspolitik reagieren. Die mit den Ländern der Mittel-
meer-Region vereinbarten Aktionspläne müssten stärker
darauf eingestellt werden, Fortschritte bei der Garantie der
Menschenrechte, der Stärkung des Rechtsstaats und der
Demokratisierung der Gesellschaft zur Voraussetzung für
weitere Unterstützung zu machen. Ferner sei eine Über-
prüfung der inhaltlichen Prioritätensetzungen des Mittel-
meereinsatzes über die Kooperation gegen illegale Migra-
tion hinaus erforderlich.

Neue Instrumente zur Heranführung an die Länder Zentral-
asiens sollten entwickelt werden, die über die bisherigen
Partnerschafts- und Kooperationsabkommen hinausgingen
und die Themen der Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte
verankern. Dabei solle die Europäische Union im Rahmen
der Entwicklung einer Zentralasienstrategie für die Bereiche
der Rechtsstaatsförderung und Menschenrechtspolitik kon-
krete Ziele, Kriterien und klare Zeiträume festlegen und ihre
Menschenrechtspolitik auf die Besonderheit jedes dieser
Länder abstimmen.

Hinsichtlich der Strategie gegenüber Russland solle auf
einen kohärenten europäischen Ansatz geachtet werden, um
internationalen Herausforderungen in Kooperation zu be-
gegnen sowie bei Verhandlungen über das neue Partner-
schafts- und Kooperationsabkommen demokratische Stan-
dards, Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit sowie die
Garantie der Menschenrechte zu einem wichtigen Bestand-
teil zu machen.

Der Deutsche Bundestag solle die Bundesregierung auffor-
dern,

– sich dafür einzusetzen, dass der Integrationsprozess
weiterer europäischer Länder in die Europäische Union
fortgesetzt und dabei ein differenzierter und abgestufter
Prozess verfolgt werde, der eine schrittweise Integration
in Bereiche erlaube, in denen eine Übernahme der euro-
päischen Standards bereits erfolgt sei. Es solle darauf ge-
achtet werden, dass Beitrittsverhandlungen enger an die
Fortschritte der Umsetzung politischer und wirtschaft-
licher Reformen geknüpft und transparenter werden.

– Es solle bei der Heranführung von Beitrittskandidaten an
die Europäische Union auf die Fähigkeit geachtet wer-

den, effektiv und friedlich mit den Nachbarn zusammen-
zuarbeiten und regionale Kooperationen und Interessen-
gemeinschaften zu entwickeln.

– Zudem solle die Aufnahme weiterer Mitgliedstaaten in
die Europäische Union ausschließlich von der Übernah-
me des gemeinsamen Besitzstandes der Europäischen
Union abhängig gemacht werden.

– Gegenüber der türkischen Regierung solle auf das Fest-
halten am bisherigen Reformkurs gedrängt werden. Die
kroatische Regierung solle bei ihrem Reformvorhaben
unterstützt und zur stärkeren Zusammenarbeit mit dem
Haager Gerichtstribunal animiert werden. Die mazedoni-
sche Regierung solle auf ihrem Weg zum Beginn der Bei-
trittsverhandlungen mit der Europäischen Union unter-
stützt werden und die Staaten des westlichen Balkans an
den Abschluss der Stabilitäts- und Assoziierungsabkom-
men herangeführt werden.

– Die Bundesregierung solle aufgefordert werden, sich für
eine Differenzierung zwischen der Nachbarschaftspolitik
für die europäischen Staaten, die eine grundsätzliche Bei-
trittsperspektive haben, und einer Nachbarschaftspolitik
für die südlichen und östlichen Mittelmeeranrainer einzu-
setzen.

– Die Bundesregierung solle sich dafür einsetzen, dass eine
kohärente Abstimmung der Erweiterungsstrategie der
Europäischen Union mit der Nachbarschaftspolitik der
Europäischen Union mit den östlichen Regionen, mit
Russland und der Zentralasien-Strategie erfolge und die
regionalen Kooperationsstrukturen in der Schwarzmeer-
region eingesetzt werden.

– Es sollten zudem neue Instrumente zur Heranführung der
Länder Zentralasiens entwickelt werden, die über die
bisherigen Partnerschafts- und Kooperationsabkommen
hinausgingen und die Themen Rechtsstaatlichkeit und
Menschenrechte mit konkreten Programmen veranker-
ten. Ferner solle geprüft werden, inwieweit die Länder
Zentralasiens in Abhängigkeit von den Entwicklungen
bei Menschenrechten und Rechtsstaatlichkeit in die
Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union integriert
werden könnten.

– Die Bundesregierung solle in ihrer Strategie gegenüber
Russland auf einen kohärenten und europäischen Ansatz
achten. Demokratische Standards, Rechtsstaatlichkeit
und Rechtssicherheit sowie die Garantie der Menschen-
rechte sollten bei den Verhandlungen über das neue Part-
nerschafts- und Kooperationsabkommen zu einem wich-
tigen Bestandteil gemacht werden.

– Darüber hinaus solle eine umfassende und langfristige
Kommunikationsstrategie vorzulegen, mit der die Bürge-
rinnen und Bürger über die Europäische Union im Allge-
meinen und ihre Erweiterung im Besonderen informiert
werden, den Plan „D“ der Europäischen Kommission zur
Verstärkung des öffentlichen Dialogs über die Europäi-
sche Union tatkräftig zu unterstützen und weiterzufüh-
ren, um sich mit Bedenken gegenüber dem europäischen
Integrationsprozess auseinanderzusetzen und dadurch
die Unterstützung der Öffentlichkeit für Erweiterungen
der Europäischen Union sicherzustellen.

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 5 – Drucksache 16/6977

– Damit einhergehend müssten regionale und lokale Ge-
bietskörperschaften sowie zivilgesellschaftliche Einrich-
tungen darin unterstützt werden, über die Vorteile der Er-
weiterungspolitik für die Bürgerinnen und Bürger zu
informieren. Dazu gehöre es, einen stärkeren europäi-
schen Austausch und mehr direkte persönliche Kontakte
in Bereichen wie Bildung, Forschung und Kultur zu för-
dern.

3. Beratungsverfahren – federführender Ausschuss

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat die Thematik der Weiterentwicklung der Erweite-
rungs- und Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union in
dieser Wahlperiode regelmäßig begleitet und wird dies auch
zukünftig tun.

In der 13. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 31. Mai 2006 machte das für die
Erweiterung zuständige Mitglied der Europäischen Kom-
mission Olli Rehn deutlich, dass es sich einen „neuen euro-
päischen Konsens“ wünsche. Im Rahmen der Aussprache
wurde von Mitgliedern des Ausschusses angeregt, dass In-
strumente zur Verbesserung der heutigen Nachbarschaftspo-
litik gefunden werden müssten. Der Abgeordnete Michael
Link (FDP) betonte, dass es einer klaren Differenzierung
zwischen den „europäischen Nachbarn der Europäischen
Union“ und den „Nachbarn Europas“ bedürfe. Der Abgeord-
nete Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
sprach sich dafür aus, dass die europäische Nachbarschafts-
politik und ihre finanziellen Strukturen die Aufmerksamkeit
der Mitgliedstaaten verdiene. Er wünsche sich zudem eine
Konkretisierung der europäischen Nachbarschaftspolitik.

In der 17. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenhei-
ten der Europäischen Union am 21. September 2006 wurde
mit dem rumänischen Staatspräsidenten Traian Basescu un-
ter anderem die europäische Nachbarschaftspolitik für den
Schwarzmeer-Raum erörtert. Hierbei wurde die Frage dis-
kutiert, wie diese entwickelt werden könne und welche Rolle
Rumänien in der Schwarzmeer-Region spielen könne. Der
Abgeordnete Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) betonte, dass Rumänien im Rahmen der
„Schwarzmeerpolitik“ eine führende Rolle übernehmen
müsse. In dieser Region sei Stabilität dringend nötig. Er wies
außerdem auf die dramatischen Veränderungen in der
Republik Moldau hin, nach der Verhängung des Handels-
embargos durch die russische Förderation. Der Abgeordnete
Kurt Bodewig (SPD) würdigte die besondere Rolle, die
Rumänien an der Außengrenze zur Europäischen Union
spiele.

Im Rahmen der 18. Sitzung des Ausschusses für die Angele-
genheiten der Europäischen Union am 27. September 2006
unterrichtete Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel den Aus-
schuss über die Ziele der deutschen EU-Ratspräsidentschaft.
In diesem Zusammenhang wurden auch die Schwerpunkte
hinsichtlich der europäischen Erweiterungs- und Nachbar-
schaftspolitik skizziert. Nach Ansicht der Bundesregierung
bedürfe es vernünftiger Konzepte für Nachbarschaftspoliti-
ken, die den Nachbarstaaten verdeutlichten, dass die Euro-
päische Union nicht an einer Grenzvertiefung, sondern viel-
mehr an einer verständigen Kooperation interessiert sei. Um
die bereits bestehenden intensiven Verbindungen zu erhalten
und neue zu schaffen, bedürfe es nicht mehr nur Assoziie-

rungsabkommen und wirtschaftlicher Zusammenarbeit, son-
dern einer sinnvollen Nachbarschaftspolitik. Der Abgeord-
nete Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
regte eine Neustrukturierung der Nachbarschaftspolitik an.
Es solle differenziert werden zwischen jenen europäischen
Ländern, die im Prinzip einen Beitrittsantrag stellen könn-
ten, und den Ländern des südlichen Mittelmeeres. Hinsicht-
lich der Frage einer Neustrukturierung der Nachbarschafts-
politik äußerte Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel, die
sogenannte neue europäische Nachbarschaftspolitik „Ost“
zeige, dass sich der Fokus der Aufmerksamkeit auf jene
Staaten richten solle, die eher dem europäischen Kontinent
zuzuordnen seien. Im Zusammenhang mit der Diskussion
der Europäischen Union mit verschiedenen Ländern stehe
auch der interreligiöse Dialog.

In der 21. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 8. November 2006 – einer ge-
meinsamen Sitzung mit der „Delegation pour l’Union euro-
péene“ der französischen Nationalversammlung – wurde der
Umgang der Europäischen Union mit ihren Nachbarländern
erörtert. Der Staatsminister im Auswärtigen Amt Gloser ver-
deutlichte, dass die qualitative Ausgestaltung des Instru-
ments der Europäischen Nachbarschaftspolitik entscheidend
sei für die Frage, wie mit den Ländern verfahren werden sol-
le, für die es keinen Beitritt in die Europäische Union gebe.
Hierbei müsse den nationalen Besonderheiten Rechnung ge-
tragen werden. Viele Mitgliedstaaten an den Außengrenzen
der Europäischen Union hätten ein Interesse an engen Bin-
dungen zu den angrenzenden Ländern, für die ein Beitritt in
die Europäische Union nicht in Frage komme. Der Abgeord-
nete Dr. Gunther Krichbaum (CDU/CSU) machte darauf
aufmerksam, dass dem Konzept der europäischen Nachbar-
schaftspolitik eine größere Bedeutung beigemessen werden
müsse.

In der 25. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 13. Dezember 2006 stellte die
Entwicklung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei so-
wie die Erweiterung der Europäischen Union auf Rumänien
und Bulgarien einen Themenschwerpunkt dar. Bei ihren Be-
ratungen hoben die Ausschussmitglieder hervor, dass die
südöstliche Nachbarschaftspolitik an Bedeutung gewinne.
Die Zusammenarbeit mit den östlichen Nachbarstaaten der
Europäischen Union, unter anderem und in besonderer Wei-
se mit den Staaten des westlichen Balkans solle verstärkt
werden, um in diesen die politischen und wirtschaftlichen
Reformprozesse zu stärken und Sicherheit, Stabilität und
Wohlstand in dieser Region zu fördern.

In der 26. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 17. Januar 2007 folgte im
Rahmen einer Unterrichtung über die Sitzung des Rates
Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen am
22./23. Januar 2007 durch den Staatssekretär im Auswärti-
gen Amt Silberberg eine Aussprache, in deren Verlauf erör-
tert wurde, wie die europäische Erweiterungs- und Nachbar-
schaftspolitik weiterentwickelt werden könnte. Dabei wurde
fraktionsübergreifend die Auffassung vertreten, dass die
Bedeutung der Nachbarschaftspolitik im Allgemeinen an
Bedeutung gewinnen müsse. Der Abgeordnete Michael Roth
(SPD) hob hervor, dass mit der Erweiterung der Europäi-
schen Union nach Osten und Süden bedeutsame Nachbar-
schaftsregionen entstanden seien. Er regte ferner zu einer

Drucksache 16/6977 – 6 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

Differenzierung zwischen europäischen Staaten, die auf
einen Beitritt zur Europäischen Union hinarbeiteten und au-
ßereuropäischen Staaten, die auf eine Kooperation mit der
Europäischen Union angewiesen seien, an. Der Abgeordnete
Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) führte
aus: „vor dem Hintergrund einer potenziellen Beitrittsper-
spektive der Republik Moldau, der Ukraine und Weißruss-
lands sowie der Staaten des Südkaukasus ist eine besondere
Strategie der europäischen Nachbarschaftspolitik zu entwi-
ckeln“. Es solle darauf geachtet werden, dass auch regionale
Kooperationen und nicht nur bilaterale Abkommen zwi-
schen den einzelnen Ländern geschlossen würden.

In der 27. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 31. Januar 2007 stand im Mittel-
punkt der Beiträge der Ausschussmitglieder unter anderem
die Frage der Reiseerleichterungen für die Nachbarstaaten
der Europäischen Union im Osten und Süden. Darüber
hinaus ging der Abgeordnete Kurt Bodewig (SPD) auf die
Statuslösung des Kosovos ein; ein einheitliches Vorgehen
der Mitglieder der Europäischen Union sei erforderlich da-
mit es in Serbien zu einer demokratischen Regierungsbil-
dung kommen könnte.

In der 30. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 21. März 2007 wurde unter an-
derem die aktuelle Situation in Serbien und der Stand der
Statusverhandlungen betreffend das Kosovo thematisiert.
Der Bundesminister des Auswärtigen, Dr. Frank-Walter
Steinmeier, machte deutlich, dass die Europäische Union in
der Verantwortung sei, die Statusverhandlungen betreffend
das Kosovo zu unterstützen. Der Abgeordnete Gunther
Krichbaum (CDU/CSU) nahm Bezug auf die aktuelle Lage
in Bosnien und Herzegowina und hob hervor, dass es sich bei
der Unabhängigkeit der Provinz Kosovo um eine Statusrege-
lung eigener Art handele, die kein Vorbild für die Lösung
von Problemen in anderen Ländern sein könne.

In der 31. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 28. März 2007 folgte nach einer
Unterrichtung durch die Bundesregierung und Experten über
die Europäische Union und die Schwarzmeer-Region eine
Aussprache, in deren Verlauf fraktionsübergreifend die Auf-
fassung vertreten wurde, dass die Schwarzmeer-Region eine
hohe Priorität für die Europäische Union habe. Es wurde be-
tont, dass die Interessen Russlands zu berücksichtigen seien.
Der Abgeordnete Gunther Krichbaum (CDU/CSU) bemerk-
te, dass sich die Europäische Union und Deutschland viel zu
spät der Thematik angenommen hätten und die Schwarz-
meer-Politik noch nicht kohärent genug sei.

In der 42. Sitzung des Ausschusses für die Angelegenheiten
der Europäischen Union am 24. Oktober 2007 fand ein Ge-
spräch mit dem Vize-Premierminister der Republik Serbien,
Bozidar Djelic, statt. Im Mittelpunkt der anschließenden
Debatte standen die Verhandlungen der Troika der Europäi-
schen Union zur Statusfrage des Kosovos und die weiteren
Fortschritte in Serbien.

Der Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen
Union hat den Antrag in seiner 43. Sitzung am 7. November
2007 beraten.

Der Abgeordnete Rainder Steenblock (BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN) erklärte, dass „mit dem Antrag ein Gesamtkon-
zept für die Politik gegenüber den östlichen Nachbarländern
der Europäischen Union entwickelt wurde“. Es müsse zwi-

schen den Staaten im Osten und Süden der Europäischen
Union differenziert werden, da viele der östlichen Nachbar-
länder im Gegensatz zu den Ländern des südlichen Mittel-
meerraums eine grundsätzliche Beitrittsperspektive hätten.
Die Beziehungen zu Russland und den Ländern Zentral-
asiens müssten immer im Verhältnis zu den Konsequenzen
für die ganze Region gesehen werden. Die EU-Schwarz-
meerkooperation müsste ein Motor werden, um ein kohären-
tes Gesamtkonzept für die Erweiterungs- und Nachbar-
schaftspolitik sowie Russland- und Zentralasienpolitik zu
entwickeln.

Für die Fraktion der CSU/CSU erläuterte der Abgeordnete
Dr. Stephan Eisel, dass für die Weiterentwicklung der Euro-
päischen Union die Vertiefung der politischen Integration
vorrangig sei. Das ergebe sich insbesondere aus der Not-
wendigkeit der Ratifizierung und Inkraftsetzung des EU-
Reformvertrages in den nächsten Jahren. Nur wenn die
Europäische Union ihre Handlungsfähigkeit verbessere, das
Subsidiariätsprinzip konsequent umsetze und die gemein-
same Außen- und Sicherheitspolitik voranbringe, bleibe sie
erweiterungsfähig. Dies gelte umso mehr, als sie bei ihren
Nachbarstaaten nach wie vor große Anziehungskraft ent-
falte. Die Perspektive des Beitritts zur Europäischen Union
habe viele Länder motiviert, die politische, wirtschaftliche
und gesellschaftliche Modernisierung voranzutreiben. Da-
raus sei für alle Beteiligten ein gemeinsamer Nutzen entstan-
den. Andererseits seien diese Modernisierungsprozesse nur
dann nachhaltig, wenn sie in den Ländern aus eigenem An-
trieb begonnen würden und nicht zuerst im Blick auf einen
eventuellen EU-Beitritt. Dies zeigten auch die aktuellen
Fortschritts- und Monitoringberichte der Europäischen
Kommission in aller Deutlichkeit.

Der Abgeordnete Axel Schäfer (SPD) unterstrich für die
Fraktion der SPD die Erfolge im Bereich der Erweiterungs-
und Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union, die im
Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft erzielt wer-
den konnten. Zugleich wies er darauf hin, dass einerseits eine
Fortsetzung der Erweiterungspolitik erforderlich sei, es an-
dererseits aber auch europäische Staaten gibt, die auf Dauer
der Europäischen Union nicht beitreten würden, wie etwa
Russland. Darüber hinaus äußerte er die Hoffnung, dass auch
in Deutschland, dem Beispiel vieler Mitgliedstaaten der Eu-
ropäischen Union folgend, ein Mindestlohn eingeführt wer-
de. Als Beispiele für Länder mit besonderen Erfolgen bei der
wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Heranführung an die
Europäische Union nannte er Irland sowie Portugal und
Spanien.

Für die Fraktion der FDP führte der Abgeordnete Markus
Löning aus, dass das Thema Mindestlohn in diesem Zusam-
menhang nicht aufgegriffen werden sollte. Die zentrale Fra-
ge sei, wie man zwischen den Staaten und innerhalb der
Staaten mit dem Wettbewerb umgehe. Das Politikfeld Wett-
bewerb habe viele verschiedene, namentlich wirtschaftliche,
gesellschaftliche und innovationsfördernde Aspekte. Zweck
einer jeden Kartellgesetzgebung und der Sicherstellung von
Wettbewerb sei die Begrenzung der Macht Einzelner. Dieser
Punkt könne mit dem in dem Antrag vorgeschlagenen Ko-
operationsmodell nicht gelöst werden. Europa sei seit vielen
Jahren deshalb so innovativ gewesen und habe sich gesell-
schaftlich und politisch entwickeln können, weil es viele ver-
schiedene Staats- und Regierungsformen sowie unterschied-

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 7 – Drucksache 16/6977

liche Ansätze in Kunst, Kultur und Wissenschaft gegeben
habe, die in Wettbewerb zueinander gestanden hätten. So
seien unterschiedliche Ansätze für dieselben Probleme mög-
lich gewesen und die guten Ergebnisse hätten von anderen
übernommen werden können. Über den rein ökonomischen
Begriffsinhalt hinaus müsse daher die zentrale Bedeutung
des Wettbewerbs für die Fortentwicklung Europas stärker
hervorgehoben werden.

Für die Fraktion DIE LINKE. erklärte der Abgeordnete
Dr. Diether Dehm, im Antrag stehe etwas von stabilen De-
mokratien und von Stabilität in den südöstlichen Räumen
Europas, vom Schutz der Menschenrechte und von Rechts-
staatlichkeit. Als Ziele würden die Verringerung der Armut,
die Schaffung eines Raums gemeinsamen Wohlstands und
gemeinsamer Werte genannt. In Wirklichkeit gehe es aber
um das Exportwachstum Deutschlands, d. h. der deutschen

Konzerne, um Energiesicherheit für die „Großen Vier“ im
Energiegeschäft, den Abbau von Entwicklungshemmnissen
für die Wirtschaft und für ausländische Investitionen in Zen-
tralasien. Hinter den schönen Worten von Menschenrechten,
Demokratie und Rechtsstaat stünde schlicht interessengelei-
tete Geopolitik. Es gehe um die Interessen der westeuropäi-
schen Unternehmen, die nach wirtschaftlicher Expansion,
nach neuen Einflussgebieten, nach weiterem Profit strebten.
Die Mitglieder der Fraktion DIE LINKE. würden gegen den
Antrag stimmen.

Im Anschluss an die Aussprache hat der Ausschuss für die
Angelegenheiten der Europäischen Union mit den Stim-
men der Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und DIE LINKE.
gegen die Stimmen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE
GRÜNEN empfohlen, den Antrag auf Drucksache 16/5425
abzulehnen.

Berlin, den 7. November 2007

Dr. Stephan Eisel
Berichterstatter

Axel Schäfer (Bochum)
Berichterstatter

Markus Löning
Berichterstatter

Dr. Diether Dehm
Berichterstatter

Rainder Steenblock
Berichterstatter

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