BT-Drucksache 16/6919

Beteiligung der Bundeswehr an der Volkstrauertags-Veranstaltung 2007 auf dem Garnisonsfriedhof am Columbiadamm in Berlin und der Umgang mit Rechtsextremisten

Vom 2. November 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6919
16. Wahlperiode 02. 11. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Sevim Dag˘delen, Inge Höger, Paul Schäfer (Köln)
und der Fraktion DIE LINKE.

Beteiligung der Bundeswehr an der Volkstrauertags-Veranstaltung 2007
auf dem Garnisonsfriedhof am Columbiadamm in Berlin und der Umgang
mit Rechtsextremisten

Am Volkstrauertag 2006 kam es zu einer regen Beteiligung rechtsextremer
Zusammenschlüsse an einer Feierstunde auf dem Berliner Garnisonsfriedhof
am Columbiadamm. Aktivisten neofaschistischer Kameradschaften waren dort
ebenso vertreten wie Mitglieder der NPD und der brandenburgischen DVU-
Landtagsfraktion.

Die Veranstaltung wurde vom Standortkommando Berlin der Bundeswehr un-
terstützt. Weder Veranstalter noch die anwesenden Vertreter der Bundeswehr
haben ihre Distanz zu den Rechtsextremisten zu erkennen gegeben.

Veranstalter war der „Ring deutscher Soldatenverbände Berlin e. V.“ (RDS). Bei
diesem handelt es sich möglicherweise um einen „übriggebliebenen“ Landes-
verband des auf Bundesebene aufgelösten Ringes Deutscher Soldaten. Dieser
war Mitherausgeber der Zeitschrift „Soldat im Volk“, in der selbst die Bundes-
regierung „tatsächliche Anhaltspunkte für einen rechtsextremistischen Hinter-
grund“ gefunden hat: Unter anderem wurde „für Druckerzeugnisse von Rechts-
extremisten geworben, darüber hinaus werden revisionistische Äußerungen
veröffentlicht“ (Bundestagsdrucksache 14/4337).

Dass sich Oberstleutnant a. D. A. B. in seiner Ansprache im Vorjahr nicht von
Rechtsextremisten distanziert hat, ist für die Bundesregierung kein Grund zur
Stellungnahme: Sie verweist darauf, er habe diese Ansprache als Vizepräsident
des RDS Berlin gehalten (Bundestagsdrucksache 16/3963). Aus Sicht der Fra-
gesteller ist das allerdings unerheblich. A. B. ist sowohl Vizevorsitzender des
RDS wie auch des VdRDBw (Verband der Reservisten der Deutschen Bundes-
wehr) Berlin.

Als fraglich muss gelten, welche Wirkung es hat, wenn die Mitgliedsverbände
des VdRDBw „zur Distanzierung von extremistischen Organisationen aufgefor-
dert“ werden, wie die Bundesregierung schreibt. Zumindest gibt es enge Kontak-
te zwischen dem VdRDBw und dem RDS. Der Vorsitzende des Berliner Reser-
vistenverbandes wird von der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ als Autor benannt

(http://www.jungefreiheit.de/jf_aut.htm). Hinzu kommt die Tatsache, dass so-
wohl der „Doppelfunktionär“ A. B. als auch der VdRDBw Berlin enge Kontakte
zur Berliner Burschenschaft „Gothia“ haben. So ist Oberstleutnant a. D. A. B.
selbst dort als Referent aufgetreten, und die Reservistenkameradschaft 09 „Frei-
herr von Lützow“ des Reservistenverbandes führt ihre Veranstaltungen regel-
mäßig im Haus der Gothia durch (http://www.rk09-berlin.de/versort.html), allein

Drucksache 16/6919 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode

in diesem Jahr sind sechs Veranstaltungen geplant (http://www.rk09-berlin.de/
termine07.html).

Nach Informationen von Antifaschisten hängt im Haus der Gothia ein Bild des
NS-Gauleiters Ernst Bohle, der im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess zu fünf
Jahren Haft verurteilt wurde (http://ua.x-berg.de/pdf/falsch- verbunden-1.pdf).
Die Gothia ist Mitglied der Burschenschaftlichen Gemeinschaft, welche ihrer-
seits Vereinigungen umschließt, die im rechtsextremen Bereich angesiedelt sind.
Hierzu sind etwa die Münchner Burschenschaft Danubia zu zählen, wo der NPD-
Aktivist Horst Mahler auftritt, aber auch die Prager Burschenschaft Teutonia zu
Regensburg, wo ebenfalls NPD-Funktionäre auftreten, oder die vom Hamburger
Verfassungsschutz beobachtete „Hamburger Burschenschaft Germania“ (Belege
u. a. DIE WELT, 22. Juni 2001).

Dass Gliederungen des Reservistenverbandes mit einer Burschenschaft, die
ihrerseits mit Rechtsextremisten kooperiert, zusammenarbeiten, kann nach Auf-
fassung der Fragesteller nicht hingenommen werden. Es ist von Seiten der Bun-
desregierung strikt darauf zu achten, dass Soldatinnen und Soldaten wie auch
Reservistinnen und Reservisten nicht in die Nähe des Rechtsextremismus kom-
men bzw. falls doch, dass sie dann nicht in der Bundeswehr verbleiben. Daher
sollte ein friedliches Neben- oder gar Miteinander mit dem rechtsextremen Spek-
trum wie letztes Jahr am Volkstrauertag vermieden werden.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wird die Bundeswehr in diesem Jahr die Veranstaltung zum Volkstrauertag
am 18. November auf dem Berliner Garnisonsfriedhof „Am Columbia-
damm“ unterstützen bzw. werden Vertreter der Bundeswehr dort anwesend
sein?

2. Welche Leistungen sind, falls eine Unterstützung beabsichtigt ist, im Einzel-
nen geplant (bitte detailliert nach Anzahl der Soldaten, Art der Unterstützung
und Kosten aufgliedern und auch Unterstützung aufführen, die bereits im
Vorfeld geleistet wird)?

3. Wie wird die Bundesregierung, falls eine Unterstützung oder Teilnahme
beabsichtigt ist, ihre Distanzierung von Rechtsextremisten ausdrücken, an-
gesichts der Tatsache, dass eine solche Distanzierung von den Veranstaltern
im Vorjahr trotz der massiven Präsenz von Rechtsextremisten unterlassen
wurde?

4. Wird die Bundesregierung, falls eine Unterstützung oder Teilnahme beab-
sichtigt ist, die Bundeswehr anweisen, in diesem Jahr einen „Teilnahmever-
zicht“ an der Veranstaltung auf dem Garnisonsfriedhof zu vollziehen bzw. die
Veranstaltung zu verlassen, wenn sie gewahr wird, dass dort die Ordensge-
meinschaft der Ritterkreuzträger oder die rechtsextremistische Hilfsgemein-
schaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS
(HIAG) vertreten sind oder „aufgerufen“ werden (vgl. Antwort der Bundes-
regierung zu Frage 8 unter Bundestagsdrucksache 16/3963)?

a) Wenn nein, warum nicht?

b) Wenn ja, wird eine solche Maßnahme bundesweit durchgesetzt werden,
um zu vermeiden, dass im Rahmen der zahlreichen anderen Veranstaltun-
gen zum Volkstrauertag die Bundeswehr Seite an Seite mit Alt- oder Neo-
nazis steht, und wenn, welche Maßnahmen werden hierzu ergriffen, und
an welchen Orten sieht die Bundesregierung hierfür besonderen Anlass?

5. Wie wird, falls eine Unterstützung oder Teilnahme beabsichtigt ist, auslän-
dischen Militärattachés (soweit anwesend) erläutert, warum die Bundeswehr

an Veranstaltungen teilnimmt, wenn dort keine klaren Distanzierungen von
Rechtsextremisten und der SS vorgenommen werden?

Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 3 – Drucksache 16/6919

6. Inwiefern kommt nach Ansicht der Bundesregierung der Reservistenver-
band den Aufforderungen zur „Distanzierung von extremistischen Organi-
sationen“ nach, wenn der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbandes
Berlin, der zugleich Vizepräsident des RDS ist, in seiner Ansprache am
Volkstrauertag 2006 eben diese Distanzierung komplett unterlassen hat?

7. Macht es aus Sicht der Bundesregierung bei einer Beantwortung dieser
Frage einen Unterschied, dass der stellvertretende Landesvorsitzende des
Reservistenverbandes, der eine solche Distanzierung von Rechtsextremis-
ten unterlässt, dabei offiziell als Vertreter eines anderen Vereins auftritt
(bitte begründen)?

8. Wie beurteilt die Bundesregierung die Zusammenarbeit des Berliner Reser-
vistenverbandes mit der Burschenschaft Gothia – die ihrerseits im Rahmen
der Burschenschaftlichen Gemeinschaft auch mit solchen Burschenschaften
zusammenarbeitet, die Rechtsextremisten ein Forum bieten – unter dem
Aspekt, dass der Reservistenverband sich von Rechtsextremisten distanzie-
ren und diese Distanzierungsaufforderung auch nach außen vertreten sollte?

9. Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus der Zusammenarbeit
des Berliner Reservistenverbandes mit der nach rechts offenen Burschen-
schaft Gothia?

10. Welche Erkenntnisse hat die Bundesregierung über das Verhältnis des Rin-
ges Deutscher Soldatenverbände Berlin zum aufgelösten Ring Deutscher
Soldaten?

a) Hat die Bundesregierung überprüft, inwiefern die Funktionäre des RDS
Berlin mit denjenigen der früheren Berliner Sektion des RDS identisch
sind, und wenn ja, zu welchen Erkenntnissen kam sie dabei?

b) Hat die Bundesregierung überprüft, inwiefern der RDS Berlin finanzielle
Mittel oder Büroräume vom RDS übernommen hat, und wenn ja, zu wel-
chen Erkenntnissen kam sie dabei?

c) Hat die Bundesregierung überprüft, welche Funktionäre des RDS Berlin
Autoren des rechtsextremen RDS-Organs „Soldat im Volk“ waren, und
wenn ja, zu welchen Erkenntnissen kam sie dabei?

11. Welche Formen der Zusammenarbeit gibt es zwischen der Bundeswehr und
dem RDS Berlin (bitte nach Art der Zusammenarbeit, Ort, Datum und
Anlass für das Jahr 2006 und 2007 detailliert aufgliedern)?

12. Welche Förderung aus Bundesmitteln sowie vom VdRDBw erhält der RDS
Berlin, und für welche Zwecke?

13. Welche weiteren Vergünstigungen werden dem RDS Berlin durch die Bun-
deswehr gewährt, und für welche Zwecke?

14. Welcher Stellenwert kommt dem Gedenken am Berliner Garnisonsfriedhof
am Columbiadamm im Rahmen der Traditionspolitik der Bundeswehr zu?

15. Gibt es Überlegungen, die Bundeswehr in Zukunft erneut bzw. wieder an
der Volkstrauertags-Veranstaltung am Berliner Garnisonsfriedhof teilneh-
men zu lassen?

16. Wie soll das Gedenken am Volkstrauertag gestaltet werden, wenn das so ge-
nannte Ehrenmal der Bundeswehr fertiggestellt ist?

Berlin, den 30. Oktober 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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