BT-Drucksache 16/685

Notschleppkonzept an gestiegene Herausforderungen anpassen

Vom 15. Februar 2006


Deutscher Bundestag Drucksache 16/685
16. Wahlperiode 15. 02. 2006

Antrag
der Abgeordneten Rainder Steenblock, Winfried Hermann, Peter Hettlich,
Dr. Anton Hofreiter, Cornelia Behm, Ulrike Höfken, Bärbel Höhn, Sylvia Kotting-Uhl,
Undine Kurth (Quedlinburg), Dr. Reinhard Loske und der Fraktion BÜNDNIS 90/
DIE GRÜNEN

Notschleppkonzept an gestiegene Herausforderungen anpassen

Der Bundestag wolle beschließen:

I. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, das 2000/2001 er-
stellte Notschleppkonzept zu überprüfen und zu aktualisieren.

II. Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf, aufgrund des mas-
siv zugenommenen Seeverkehrs und der Entwicklung zu immer größeren
Schiffen die Anforderungen an künftige Notschlepper zu verbessern:

1. Ausrüstung der Notschlepper in Nord- und Ostsee mit einem Schutz gegen
gefährliche Gase nach den GL-Richtlinien für den Bau von Chemikalien-
unfall-Bekämpfungsschiffen,

2. Erhöhung der Schleppleistung in der Nordsee auf mindestens 200 t, in der
Ostsee auf mindestens 120 t Pfahlzug,

3. Erhöhung der Geschwindigkeit in der Nordsee auf mindestens 19,0 kn.

Berlin, den 15. Februar 2006

Renate Künast, Fritz Kuhn und Fraktion

Begründung

Die Schiffsunfälle der letzten Jahre haben immer wieder deutlich gemacht, wel-
chen Gefahren die Küsten ausgesetzt sind und wie wichtig Notschlepper zur un-
mittelbaren Gefahrenabwehr sind. Ein aktuelles, an die Entwicklung des Seever-
kehrs angepasstes Notschleppkonzept ist ein zentrales Element der maritimen

Notfallvorsorge für die deutsche Nord- und Ostseeküste. Die Bundesregierung
hat als Folge der „Pallas“-Havarie in den Jahren 2000/2001 das bestehende ma-
ritime Notfallvorsorge- und Notfallmanagement durch die Projektorganisation
„Maritime Notfallvorsorge“ des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und
Stadtentwicklung überprüft und verbessert.

Die deutschen Küsten liegen an den am stärksten frequentierten Seeverkehrswe-
gen der Welt. Allein Russland will seine Ölexporte aus den Ostseehäfen bis 2010

Drucksache 16/685 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
verdoppeln. Damit steigt die Anzahl der Tanker, die mit der in der Ostsee maxi-
mal möglichen Größe von 150 000 bis 160 000 tdw aus den baltischen Verlade-
häfen kommen. Für Tanker dieser Größe reicht der von der TPG 1 im Jahr 2001
empfohlene Mindest-Pfahlzug von 80 t für den in Rostock-Warnemünde statio-
nierten Notschlepper nicht aus, er muss über eine Schleppleistung von mindes-
tens 120 t verfügen.

In Anbetracht der Entwicklung in der internationalen Containerschifffahrt mit
Schiffsgrößen über 9 000 TEU (twenty feet equivalent unit), die die deutschen
Nordseehäfen schon heute (2001: 6 500 TEU) regelmäßig anlaufen, muss die
Schleppleistung des vor Norderney stationierten Notschleppers daran angepasst
werden. Für Containerschiffe dieser Größe reicht der von der TPG 1 im Jahr
2001 empfohlene Mindest-Pfahlzug von 160 t für diesen Notschlepper nicht
aus, er muss über eine Schleppleistung von mindestens 200 t verfügen.

Auf Containerschiffen werden im umfangreichen Maße Gefahrengüter nach
dem so genannten IMDG-Code (International Maritime Dangerous Goods)
transportiert. Dabei handelt es sich um Güter, die sowohl Gase als auch Flüssig-
keiten oder feste Stoffe umfassen können. Wenn beispielsweise Flüssigkeiten
auslaufen, können sich durch Wärmeaufnahme von der See Gase entwickeln,
die den Einsatz eines gegen solche Gase ungeschützten Notschleppers in unmit-
telbarer Nähe des Havaristen unmöglich machen. Hierfür ist ein vollständiger
Schutz des Notschleppers gegen gefährliche Gase erforderlich, um mit der durch
den Schutz auf weniger als die Hälfte verringerten Maschinen-Nennleistung zu-
nächst einmal die erforderlichen Messungen durchzuführen. Danach erst kann
unter Einhaltung der notwendigen Schutzmaßnahmen eine Schleppverbindung
zum Havaristen hergestellt und nach Erreichen der Schleppdistanz von mehre-
ren hundert Metern mit voller Maschinenleistung geschleppt werden.

Dringend erforderlich ist auch zum Schutz der Notschlepper-Besatzung vor
Brandgasen bei einem Feuerlöscheinsatz, dass zukünftig Notschlepper vollstän-
dig nach der GL-Richtlinie für den Bau von Chemikalienunfall-Bekämpfungs-
schiffen gegen gefährliche Gase geschützt sind.

Containerschiffe, die in der Regel mit einer hohen Decksladung fahren, verhal-
ten sich im Wind wie ein Tragflügel. Das heißt, dass sich das Schiff so einstellt,
dass Auftrieb maximal und Widerstand minimal wird, das Schiff treibt quer zu
Strom und Wind. Dies bedeutet, dass sobald ein schleppendes Fahrzeug ein an-
deres ziehen soll, es diesen dynamischen Auftrieb zusätzlich noch überwinden
und seine Zugkraft dadurch in Abhängigkeit von der Windstärke erheblich erhö-
hen muss. Ein Containerschiff mit hoher, dem Wind ausgesetzter Decksladung
benötigt also gegenüber einem Massengutfrachter oder Tanker gleicher Größe
eine deutlich höhere Schleppleistung. Gleichzeitig erhöht sich durch die hohe
Decksladung und den daraus resultierenden hohen Windwiderstand die Driftge-
schwindigkeit von Containerschiffen gegenüber einem Massengutfrachter oder
Tanker gleicher Größe ebenfalls deutlich. Die von der TPG 1 im Jahr 2001 für
die Nordsee zukünftig festgelegte Geschwindigkeit ist daher von mindestens
17,5 auf mindestens 19,0 kn zu erhöhen.

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