BT-Drucksache 16/6831

Todesopfer unter Flüchtlingen in der Bundesrepublik Deutschland und der Europäischen Union im Jahr 2006

Vom 24. Oktober 2007


Deutscher Bundestag Drucksache 16/6831
16. Wahlperiode 24. 10. 2007

Kleine Anfrage
der Abgeordneten Ulla Jelpke, Petra Pau, Sevim Dag˘delen, Kersten Naumann
und der Fraktion DIE LINKE.

Todesopfer unter Flüchtlingen in der Bundesrepublik Deutschland
und der Europäischen Union im Jahr 2006

Seit 1990 gab es zahlreiche Fälle, in denen Flüchtlinge an den Außengrenzen der
Bundesrepublik Deutschland tot oder verletzt aufgefunden wurden, teilweise
infolge von Unfällen, infolge der Umstände der Flucht oder mittel- und unmit-
telbar bedingt durch Grenzsicherungsmaßnahmen. Diese Fälle haben in den ver-
gangenen Jahren, insbesondere durch den Ausbau der Grenzsicherung in den
osteuropäischen Nachbarländern, deutlich abgenommen.

In den Fokus der Öffentlichkeit sind verstärkt Flüchtlinge aus den afrikanischen
Staaten gerückt, die bei ihrer Flucht über das Mittelmeer und den Atlantik in das
Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten ums Leben gekommen sind. Die Schät-
zungen belaufen sich auf mehrere hundert bis einige tausend ums Leben gekom-
mene Flüchtlinge. Viele verdursten an Bord der meist nicht hochseetauglichen
Boote, die sie zu ihrer Flucht benutzen. Hinzu kommen weitere Flüchtlinge, die
nach ihrer Rückführung in das Land, von dem aus sie ihre Überfahrt angetreten
haben, von den dortigen Behörden in der Wüste ausgesetzt werden, wie dies bei-
spielsweise in Libyen der Fall ist. Mit diesen Staaten schließen die EU bzw. ihre
Mitgliedstaaten vermehrt Rückübernahmeabkommen.

Wir fragen die Bundesregierung:

1. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung in 2006

a) an den Landesgrenzen, Küsten, Seehäfen, Flughäfen bzw. im Grenzgebiet
der Bundesrepublik Deutschland,

b) an den Grenzen der Europäischen Union insgesamt

tot aufgefunden worden (bitte nach Datum und Ort des Auffindens, Natio-
nalität des Opfers und Todesart bzw. Umständen des Todes aufschlüsseln)?

2. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2006
mit körperlichen Verletzungen durch Erfrierungen, Unterkühlungen, Hunger/
Durst aufgegriffen worden, die sie sich im Zuge ihres ggf. unerlaubten
Grenzübertritts

a) in die Bundesrepublik Deutschland,
b) in die Europäische Union

zugezogen hatten (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers, Kör-
perverletzungsart aufschlüsseln)?

Drucksache 16/6831 – 2 – Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode
3. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2006
im Zuge ihres ggf. unerlaubten Grenzübertritts

a) durch Bundespolizei oder Zollbeamte in der Bundesrepublik Deutschland,

b) durch Bundespolizei- oder Zollbeamte in der Europäischen Union

durch die Anwendung unmittelbaren Zwangs bzw. im Zuge einer entspre-
chenden Nacheile körperlich verletzt?

c) Wie viele Ermittlungs- und Disziplinarverfahren wurden diesbezüglich
eingeleitet, und mit welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüs-
seln)?

4. Wie viele Personen wurden nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2006

a) in der Bundesrepublik Deutschland,

b) in der Europäischen Union

im Zuge ihrer ggf. unerlaubten Grenzübertritte durch Privatpersonen (z. B.
Jäger, Angehörige so genannter Bürgerwehren, rechtsextremer Gruppierun-
gen) körperlich verletzt bzw. getötet (bitte nach Datum und Ort, Nationalität
des Opfers und Todes- bzw. Verletzungsart aufschlüsseln)?

c) Wie viele Ermittlungsverfahren wurden diesbezüglich eingeleitet, und mit
welchem Ergebnis abgeschlossen (bitte aufschlüsseln)?

5. Wie viele Personen sind nach Kenntnis der Bundesregierung im Jahr 2006

a) in der Bundesrepublik Deutschland,

b) in der Europäischen Union

– tot aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der ggf.
unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw. EU in
ihrem Transportmittel Sauerstoffmangel, Hunger, Durst, Kälte, Über-
hitzung o. Ä. ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Nationalität
der Opfer, Transportmittel und Todesart aufschlüsseln)?

– verletzt aufgefunden worden, nachdem sie im Zuge ihres Versuchs der
ggf. unerlaubten Einreise in die Bundesrepublik Deutschland bzw. EU
in ihrem Transportmittel Sauerstoffmangel, Hunger, Durst, Kälte,
Überhitzung o. Ä. ausgesetzt waren (bitte nach Datum und Ort, Natio-
nalität der Opfer, Transportmittel und Verletzungsart aufschlüsseln)?

6. Wie viele Fälle sind im Jahr 2006 bekannt geworden, in denen Personen, die
sich auf einem ggf. unerlaubten Transport in die Bundesrepublik Deutschland
befanden, im europäischen Ausland bzw. auf hoher See tot aufgefunden wur-
den (bitte nach Datum und Ort, Nationalität des Opfers, Transportmittel und
Todesart aufschlüsseln)?

7. Falls zu den jeweils unter Nummer 1 bis 5b gestellten Fragen keine auf amt-
lichen Daten basierende Antwort gegeben werden kann:

a) Welche Daten liegen der Bundesregierung dazu ansonsten vor, z. B. aus
den Berichten der bei FRONTEX eingesetzten Bundesbeamten oder ent-
sprechende Daten, mit denen etwa Einrichtungen wie das „Gemeinsame
Analyse- und Strategiezentrum illegale Migration“ (GASiM) arbeiten?

b) Wird sich die Bundesregierung dafür einsetzen, dass im Rahmen der Ein-
richtungsverordnung oder auf anderem Wege in der Tätigkeit der Euro-
päischen Grenzschutzagentur FRONTEX solche Daten systematisch er-
hoben werden, und wenn nein, warum nicht?

Berlin, den 22. Oktober 2007

Dr. Gregor Gysi, Oskar Lafontaine und Fraktion

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